„Das war ein Vorspiel, dort wo man Bücher verbrennt…“ (Heinrich Heine, Almansor). Dieses Zitat gibt eine Ahnung von der dunklen Geschichte des Dritten Reiches und den fatalen Folgen der nationalsozialistischen Diktatur. Im Februar 1933 war der Höhepunkt der Säuberung und Zerstörung des Geistes und der Kultur und zeigte das große Ausmaß einer Schrifttumspolitik der Nationalsozialisten. Besonders erschreckend dabei ist die intensive Beteiligung und Durchführung von der deutschen Studentenschaft, die eigentlich immer für Humanismus, Aufklärung und Fortschritt stand und nun wider den Verstand und die Vernunft handelte. Um Bücher zu verbrennen und zu verbieten, Autoren und deren Werke auf einen Index zu setzen oder sie ins Exil zu verbannen, Verordnungen und Anweisungen von Buchhändlern und Verlegern zu geben und sie dabei zu überwachen, war es nötig, einen breit gefächerten Kontroll- und Lenkungsapparat aufzubauen. Dieses Vorhaben machte sich das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda mit der ihm unterstellten Schrifttumsabteilung und Reichsschrifttumskammer zum Ziel, um zu bestimmen, „was, wann, wer veröffentlichen, drucken, vertreiben und lesen [durfte, d. Verf.]“ Dieses System und seine Struktur möchte ich im ersten Teil meiner Hausarbeit skizzieren und erläutern. Dabei erscheint es mir wichtig, die wichtigsten und tief greifendsten Maßnahmen der Schrifttumslenkung und deren Auswirkungen am Beispiel des Buchverbots, der Bücherverbrennung und der Steuerung des Buchhandels aufzuzeigen. Die schon 1933 einsetzende Gleichschaltung der Kultur machte auch vor der Literatur bzw. dem Buchmarkt, dem Buchwesen sowie dem Buchhandel und deren Organisationen und Verbänden nicht halt. Sie konnte ihr Ziel nur dort erreichen, „wo sich die einen der Gewalt beugen mußten, die anderen sich ihr freiwillig unterwarfen.“ Wie in so vielen Zweigen der Kultur stießen die Gleichschaltungsmaßnahmen auch im Bereich der Publizistik und des Buchhandels auf keinen Protest und wurden sowohl aus Existenzangst als auch aus vollster Überzeugung stillschweigend angenommen. Ob nun alle opportunistisch waren oder doch noch einige Widerstand leisten konnten, werde ich am Beispiel des „Börsenblattes für den deutschen Buchhandel“, dem Sprachrohr des „Börsenvereins des Deutschen Buchhandels“, versuchen darzustellen.
Inhalt
1. Einleitung
2. Organisation und Institutionen der NS-Schrifttumspolitik
2.1 Das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda
2.2 Die Reichsschrifttumskammer
3. Maßnahmen der Schrifttumslenkung und deren Folgen
3.1 Das Buchverbot
3.2 Die Bücherverbrennung: 10. Mai 1933
3.3 Die Steuerung des Buchhandels
4. Opportunistisch oder prinzipientreu? – „Das Börsenblatt für den deutschen Buchhandel“ zu Beginn der Gleichschaltung des Buchhandels
5. Zusammenfassung
6. Literatur- und Quellenverzeichnis
1. Einleitung
„Das war ein Vorspiel, dort wo man Bücher verbrennt…“ (Heinrich Heine, Almansor). Dieses Zitat gibt eine Ahnung von der dunklen Geschichte des Dritten Reiches und den fatalen Folgen der nationalsozialistischen Diktatur. Nachdem im Februar 1933 war der Höhepunkt der Säuberung und Zerstörung des Geistes und der Kultur und zeigte das große Ausmaß einer Schrifttumspolitik der Nationalsozialisten. Besonders erschreckend dabei ist die intensive Beteiligung und Durchführung von der deutschen Studentenschaft, die eigentlich immer für Humanismus, Aufklärung und Fortschritt stand und nun wider den Verstand und die Vernunft handelte.
Um Bücher zu verbrennen und zu verbieten, Autoren und deren Werke auf einen Index zu setzen oder sie ins Exil zu verbannen, Verordnungen und Anweisungen von Buchhändlern und Verlegern zu geben und sie dabei zu überwachen, war es nötig, einen breit gefächerten Kontroll- und Lenkungsapparat aufzubauen. Dieses Vorhaben machte sich das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda mit der ihm unterstellten Schrifttumsabteilung und Reichsschrifttumskammer zum Ziel, um zu bestimmen, „was, wann, wer veröffentlichen, drucken, vertreiben und lesen [durfte, d. Verf.]“[1] Dieses System und seine Struktur möchte ich im ersten Teil meiner Hausarbeit skizzieren und erläutern. Dabei erscheint es mir wichtig, die wichtigsten und tief greifendsten Maßnahmen der Schrifttumslenkung und deren Auswirkungen am Beispiel des Buchverbots, der Bücherverbrennung und der Steuerung des Buchhandels aufzuzeigen.
Die schon 1933 einsetzende Gleichschaltung der Kultur machte auch vor der Literatur bzw. dem Buchmarkt, dem Buchwesen sowie dem Buchhandel und deren Organisationen und Verbänden nicht halt. Sie konnte ihr Ziel nur dort erreichen, „wo sich die einen der Gewalt beugen mußten, die anderen sich ihr freiwillig unterwarfen.“[2] Wie in so vielen Zweigen der Kultur stießen die Gleichschaltungsmaßnahmen auch im Bereich der Publizistik und des Buchhandels auf keinen Protest und wurden sowohl aus Existenzangst als auch aus vollster Überzeugung stillschweigend angenommen. Ob nun alle opportunistisch waren oder doch noch einige Widerstand leisten konnten, werde ich am Beispiel des „Börsenblattes für den deutschen Buchhandel“, dem Sprachrohr des „Börsenvereins des Deutschen Buchhandels“, versuchen darzustellen.
2. Organisation und Institutionen der NS-Schrifttumspolitik
2.1 Das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda
Mit der Gründung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP) am 13. März 1933 wurde die mächtigste Staatsinstitution der Gleichschaltung der Kultur- und Medienlandschaft geschaffen, deren Leitung Dr. Joseph Goebbels als Minister übernahm. Somit unterstanden ihm alle Einrichtungen, die für die Kontrolle und Lenkung des Schrifttums verantwortlich waren. In der Position des Ministers des RMVP wurden Goebbels durch eine Verordnung vom 30. Juni 1933 „alle Aufgaben der geistigen Einwirkung auf die Nation, [die] Werbung für Staat, Kultur und Wirtschaft, [die] Unterrichtung der in- und ausländischen Öffentlichkeit über sie und [die] Verwaltung aller diesen Zweck dienenden Einrichtungen“[3] übertragen.
Das RMVP umfasste 15 Abteilungen, unter denen die Abteilung VIII die des Schrifttums war.
„Das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda braucht[e] für die Erledigung seiner Aufgaben Verbände ‚der Presse’, ‚des Rundfunks’, ‚des Schrifttums’, ‚des Theaters’, ‚des Films’, ‚der
Musik’ und der ‚bildenden Kunst’ und nicht Verbände von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, in denen
so stark wie möglich die Gleichmäßigkeit des wirtschaftlichen Interesses betont und die
Verschiedenheit der Verhältnisse der Berufszweige zurückgedrängt [würde].“[4]
„[D]ie Berufe und Einrichtungen des Schrifttums und der Kunst… in Träger einer öffentlichen Einwirkungs- und Führungsaufgabe umzuwandeln“[5], war das Grundziel des Ministeriums. Neben der Überwachung des gesamten deutschsprachigen Schrifttums im In- und Ausland war die Abteilung VIII für den Buchhandel, das Büchereiwesen und Verlagswesen, sozusagen für die Gesamtheit der Publizistik, zuständig. Die Abteilung war in drei Hauptreferate gegliedert, wobei ihr außerdem ein Verlagsreferat, ein Verbots- und ein Übersetzungsreferat angehörten.“[6] Die Hauptreferate umfassten den Bereich der Buchproduktion, der Förderung und Weiterentwicklung des propagandistischen und des „schöngeistigen“ Schrifttums, des Buchexports, der Lesungen und Buchausstellungen im In- und Ausland und der Festlegung von büchereipolitischen Richtlinien.[7] Ab 1938 war die Abteilung VIII auch für die Kontrollaufgaben verantwortlich, die vorher der Reichsschrifttumskammer zur Steuerung des Buchmarktes oblagen. Aufgrund dieser Befugnis- und Kompetenzerweiterung war die Schrifttumsabteilung ausschließlich für jegliche Buchverbote innerhalb Deutschlands zuständig. Die Förderung von Unterhaltungsliteratur, das Verbreitungsverbot des schädlichen und unerwünschten Schrifttums, das Leihbüchereiwesen, die Wirtschaftsstelle des Deutschen Buchhandels und die Genehmigungen für Preisverteilungen und Stiftungen gehörten beispielsweise zum Kontroll- und Aufgabenbereich der Abteilung VIII.[8] Außerdem hatte die Schrifttumsabteilung alle Zensurvollmachten (ab 1936 Genehmigungspflicht von Übersetzungen, ab 1937 Anmeldepflicht von Schrifttumspreisen und seit 1939 Vorzensur durch die Wirtschaftsstelle des Deutschen Buchhandels) und besaß somit die zentrale Verbotshoheit.
„Mit der Eingliederung dieser bedeutenden Lenkungsaufgaben erreichte die Schrifttumsabteilung die Position einer autoritativen Überwachungs- und Zensurbehörde des Dritten Reiches.“[9]
„Nach dem Stand von 1940 wurden von der Abt. VIII 2500 Verleger, 23 000 Buchhandlungen, 3000 Schriftsteller, 20 000 Neuerscheinungen im Jahr, über eine Million im Handel erhältliche Buchtitel und über fünfzig „reichsweite“ Literaturpreise beaufsichtigt sowie über tausend Kundgebungen zu Schrifttumsfragen und Tausende von Autorenlesungen abgehalten oder kontrolliert.“[10]
Wie in so vielen anderen Bereichen, bestand in der Abteilung VIII eine Art Personalvernetzung mit anderen staatlichen und parteilichen Ämtern zur Gleichschaltung, Überwachung und zur Durchdringung der nationalsozialistischen Grundsätze, u. a. auch die der NS-Schrifttumspolitik bis in die letzte Ebene. So war z. B. der jeweilige Leiter der Schrifttumsabteilung zugleich Vorsitzender der Reichsschrifttumsstelle im Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP) und stellvertretender Präsident der Reichsschrifttumskammer (RSK). Als Folge dessen „litt“ die Schrifttumsabteilung unter einem ständigen Leitungswechsel (bis 1937 Heinrich Wismann, der zugleich im Auktionsausschuss des „Börsenvereins des deutschen Buchhandels“ und im Vorstand des Reichsverbandes deutscher Schriftsteller war, ab 1937 Karl Heinz Hederich, 1939 Alfred Ingemar Berndt und 1941 Wilhelm Haegert).[11]
Neben der „Deutsche[n] Bücherei e. V.“ gehörte auch die Reichsschrifttumsstelle zum Geschäftsbereich der Abteilung VIII, die 1934 für die Buchpropaganda der Nationalsozialisten geschaffen worden war und später in „Werbe- und Beratungsamt für das deutsche Schrifttum“ umbenannt wurde. Diese Stelle war die „Exekutive“ der Abteilung VIII, denn sie vertrat sie und ihre Arbeit in der Öffentlichkeit. Die „Deutsche Bücherei e. V.“ unterstand seit dem 30. Juni 1933 dem RMVP.
2.2 Die Reichsschrifttumskammer
Basierend auf dem Reichskulturkammer-Gesetz vom 22. September 1933, das Goebbels ermächtigte, „die Angehörigen der Tätigkeitszweige, die seinen Aufgabenkreis betr[af]en, in Körperschaften des öffentlichen Rechts zusammenzufassen“[12], wurde von ihm die Reichskulturkammer (RKK) am 15. September 1933 gegründet. Neben der Position als Minister für Volksaufklärung und Propaganda und Reichspropagandaleiter der NSDAP war Goebbels der Präsident dieser Zwangsorganisation geworden. Das Ziel der Gründung der Reichskulturkammer war es, „das gesamte deutsche Kulturschaffen in den Dienst der Nation zu stellen und ihm damit eine im weitesten Sinne politische Aufgabe zu übertragen.“[13]
„Die Reichskulturkammer hat die Aufgabe, durch Zusammenwirken der Angehörigen aller von ihr umfaßten Tätigkeitszweige unter der Führung des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda die deutsche Kultur in Verantwortung für Volk und Reich zu fördern, die wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten der Kulturbegriffe zu regeln und zwischen allen Bestrebungen der ihr angehörenden Gruppen Ausgleich zu bewirken.“[14]
Es war die Aufgabe der Öffentlichkeit bzw. des Staates, in einer „einheitlichen Willensgemeinschaft“[15] deutsche Kultur zu betreiben, zu überwachen und zu lenken. Die Reichskulturkammer als Zwangsvereinigung stellte somit ein perfektes Instrument zur geistigen Gleichschaltung aller kulturellen Bereiche dar.
Die RKK umfasste sieben Kammern: die Reichsschrifttumskammer (RSK), die Reichspressekammer, die Reichsrundfunkkammer, die Reichstheaterkammer, die Reichsmusikkammer, die Reichskammer für bildende Künste und die Reichsfilmkammer.[16] Um in den verschiedenen Bereichen der NS-Kultur beruflich tätig zu sein, bedurfte es der Mitgliedschaft in einer der sieben Kammern. Solange kein Berufsverbot erteilt worden war, konnten die nicht in die RKK aufgenommenen Autoren in ihrer Berufsausübung nicht gehindert werden. Trotzdem stellte die fehlende Mitgliedschaft ein großes Erschwernis vor allem bei der Suche nach Verlegern für ihre Arbeiten dar.[17] Von einem Ausschluss aus der RSK oder einem verhängten Schreibverbot waren Autoren wie z. B. Gottfried Benn (1936 Schreibverbot), Erich Kästner (seit 1933 Publikationsverbot in Deutschland) und Werner Bergengrün (1937 Ausschluss von der Kammer) betroffen.[18] 1933 sahen die Bestimmungen der RSK ein Berufsverbot aus rassischen Gründen vor allem bei jüdischer Abstammung noch nicht vor. Doch im PEN-Club, im „Schutzverband Deutscher Schriftsteller“ sowie in der „Deutschen Akademie für Dichtung“ war die „Entfernung“ jüdischer Schriftsteller aus öffentlichen Positionen bereits 1933 fast beendet. Der massive Ausschluss der Juden der RSK setzte mit der von Goebbels 1935 veranlassten „Arisierung“ der einzelnen Kammern ein. Aufgrund der „Nürnberger Rassegesetze“ vom 15. September 1935 wurde die „Säuberungsaktion“ auf Halb- und Vierteljuden ausgedehnt, „so daß – nach Ausschaltung von über 200 Schriftstellern – 1937 nur noch 23 rassisch ‚belastete’ im Bereich der ‚Reichsschrifttumskammer’ registriert werden konnten.“[19]
Der organisatorische Aufbau der Reichsschrifttumskammer erfolgte 1933 auf der Basis von schon vorhandenen Vereinigungen, Verbänden und Zusammenschlüssen von Autoren, Buchhändlern und Verlegern, die von ihr übernommenen und zwangsvereinigt wurden. Der „Reichsverband Deutscher Schriftsteller“ (RDS) und der „Börsenverein des Deutschen Buchhandels“ waren bedeutende Vorläufer der RSK. Der RDS, der durch die erste Durchführungsverordnung des Reichskulturkammergesetzes zu einer Körperschaft öffentlichen Rechts umgewandelt wurde, „leitete die ‚zwangsweise Erfassung’ der deutschen Autoren ein und leistete damit die wichtigste Vorarbeit für die Lenkungstätigkeit der Reichsschrifttumskammer.“[20] Der „Börsenverein des Deutschen Buchhandels“ wurde ebenso 1933 in die RSK übernommen, aber schon am 19. Oktober 1934 nach Gründung des „Bundes Reichsdeutscher Buchhändler“ (BRB) wieder ausgegliedert und „auf seine traditionellen Aufgaben (Überwachung der Preisbildung, Herausgabe der buchhändlerischen Bibliographien, Pflege der Beziehungen zum auslanddeutschen Buchhandel u. a. m.) beschränkt.“[21] Da der Börsenverein auch ausländische Mitglieder hatte, konnte er nicht in der Kammer verbleiben. Daher wurde 1934 aus den deutschen Mitgliedern des Börsenvereins der BRB gebildet und dieser als zusammengefasste Fachschaft Verlag und Handel in die Reichsschrifttumskammer eingegliedert, wobei die Leitung (Nationalsozialist Wilhelm Baur – Verlagsleiter des Parteiverlages „Franz Eher Nachf.“) mit der des Börsenvereins personengleich blieb. Die restlichen Buchhändler-Fachverbände wurden als „Fachschaft der Angestellten“, „Fachschaft der Buchvertreter“ und „Fachschaft Leihbücherei“ in den BRB eingegliedert.[22] Der BRB umfasste den Buchverlag, das Sortiments- und Leihbüchereiwesen und den Zwischenhandel, während der „Börsenverein des Deutschen Buchhandels“ für die Buchproduktion und -vermittlung zuständig war. Der „Bund Reichsdeutscher Buchhändler“ stieg zur Zentralorganisation der Buchhändler im Dritten Reich auf. So zählte z. B. der Börsenverein 1935 nur 7700 Mitglieder und der BRB 25 000 Mitglieder.[23] Diese wurden in Abteilungen der RSK zusammengefasst, die durch die Bildung von Fachschaften und -gruppen entstanden waren und denen Arbeitsgemeinschaften zugehörig waren. So wurden auch der RDS am 30. September 1935 und der BRB 1936 in Abteilungen der RSK umgewandelt. Ihre Mitglieder wurden zu unmittelbaren Reichsschrifttumskammer-Mitgliedern. Die RSK umfasste so z. B. 1937 folgende Bereiche:
„Abt. I: Verwaltung, Abt. II: Gruppe Schriftsteller, Abt. III: Gruppe Buchhandel, Abt. IV: Buchwerbung, Abt. V: Büchereiwesen, Verband deutscher Volksbibliothekare, Abt. VI: Adreß- und Anzeigenbuchgewerbe, Reichsverband des Adreß- und Anzeigenbuch-Verlagswerkes und Abt. VIII: Wirtschaftsstelle des Deutschen Buchhandels“[24]
„1941 gehörten der [Schrifttums]Kammer 5000 Schriftsteller, 5000 Verleger, 7000 Buchhändler,
10 300 Angestellte in Verlag und Buchhandel, 2500 Leihbüchereien, 3200 Buchvertreter, 1500 Volksbibliothekare und 400 Lektoren an, also fast 35 000 Mitglieder.“[25]
Elf Vereine, Gesellschaften und Verbände wie z. B. die „Arbeitsgemeinschaft der literarischen Gesellschaften und Vortragsveranstalter“ und die „Gesellschaft der Bibliophilen zu Weimar e. V.“ zählten als korporative Mitglieder.[26]
Als „wirksames Instrument zur Steuerung und Überwachung der Literaturentwicklung auf allen Gebieten des Buchmarktes…“[27] umfasste die Reichsschrifttumskammer aller Berufsgruppen, die an der Herstellung und dem Absturz der nicht periodisch erscheinenden Schriften beteiligt waren.[28] Durch sie konnte die Kultur gesäubert werden und eine Umgestaltung bzw. Gleichschaltung dieser nach nationalsozialistischen Vorstellungen vollzogen werden. Deshalb gehörte, wie in der Schrifttumsabteilung des Propagandaministeriums, auch die Leitung der Reichsschrifttumskammer wichtigen staatlichen Überwachungs- und Lenkungsämtern an, um „[d]ie Einheit von Staat und Partei in der nationalsozialistischen Kulturführung [zu erreichen].“[29] Durch die Verbindung des Leiters der Abteilung VIII des RMVP und des Vizepräsidenten der RSK, des Eher-Verlegers und gleichzeitigen Vorstehers des “Börsenvereins Deutscher Buchhändler“ und des Präsialrates (u. a. bestehend aus dem antisemitischen Verleger Theodor Fritsch und nationalsozialistischen Lyrikern) wurde der staatliche und parteiamtliche Einfluss garantiert.[30]
Auf vertikaler Strukturebene war die Reichsschrifttumskammer zusammen mit den Einzelkammern der RKK in Landesstellen segmentiert, die ihren Sitz in jedem Gau hatten. Die Obleute der örtlichen Ressorts der RSK wie z. B. Gauobleute des Buchhandels waren jeweils den Landesstellen zugeteilt. Ab Juni 1938 vergrößerte sich stetig die Anzahl der RSK-Landesstellen, indem die Gebiete Österreich, das Sudenten- und Memelland, Danzig, Westpreußen, der „Warthegau“, Böhmen und Mähren nach der Einführung der RKK-Gesetzes übernommen wurden. Der Landesleiter der RSK, der dem Landeskulturverwalter und Gauvertreter des RMVP unterstellt war, hatte die Aufgabe, „als Repräsentant des Schrifttums“ in seinem Gau die Überwachung und Betreuung der Anordnungen der Kammer und ihrer Mitglieder zu übernehmen…“[31] und durch Buchausstellungen, Veröffentlichungen und Buchpropagandaveranstaltungen den Markt zu steuern. So erschienen z. B. Zeitschriften wie „Das Börsenblatt für den deutschen Buchhandel“ (Leipzig), „Die Buchbesprechung“ (Leipzig), „Der Buchhändler im neuen Reich“ (München) und „Die Bücherei“ (Leipzig).[32]
Unter dem Deckmantel einer berufsständischen Organisation sollte die Reichsschrifttumskammer mit Hilfe ihrer Kontroll- und Lenkungsmittel wie den Buch- und Berufsverboten, Anordnungen, Ausschlüssen und Zensuren „die Reinerhaltung des Buchmarktes vom undeutschen Gut“[33] und die „Vermittlung mit den neuen Werten und Inhalten der deutschen Politik und der tiefen Klarheit des Nationalsozialismus“[34] verwirklichen.
[...]
[1] Strothmann (1960), S. 427.
[2] Ebd., S. 428.
[3] Courtade/Cadars (1975), S. 22.
[4] „Grundgedanken für die Einrichtung einer Reichskulturkammer“ des RMVP In: Dahm (1983), S. 45.
[5] Strothmann (1960), S. 23.
[6] Vgl. Ebd.
[7] Vgl. Ebd, S. 24.
[8] Vgl. Strothmann (1960), S. 24.
[9] Ebd.
[10] Ebd., S. 27.
[11] Vgl. Dahm (1983), S. 53.
[12] Dahm (1983), S. 46.
[13] Hinkel In: Strothmann (1960), S. 29.
[14] Dahm (1983), S. 47.
[15] Strothmann (1960), S. 27.
[16] Vgl. Dahm (1983), S. 46.
[17] Vgl. Ebd., S. 50.
[18] Vgl. Schiffhauer/Schelle (1983), S. 37.
[19] Leonhard (1983), S. 94.
[20] Strothmann (1960), S. 31.
[21] Dahm (1983), S. 51.
[22] Vgl. Ebd.
[23] Vgl. Dahm (1983), S. 51.
[24] Ebd., S. 52.
[25] Strothmann (1960), S. 29.
[26] Vgl. Ebd., S. 30.
[27] Ebd.
[28] Vgl. Ebd.
[29] Ebd., S. 28.
[30] Vgl. Ebd., S. 30.
[31] Strothmann (1960), S. 30.
[32] Vgl. Ebd., S. 31.
[33] Hinkel In: Strothmann (1960), S. 33.
[34] Goebbels In: Strothmann (1960), S. 33.
- Citation du texte
- Magister Katrin Polter (Auteur), 2002, "Wider den undeutschen Geist" - Das Buch im Dritten Reich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56637
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