[...] Die Charta der Vereinten Nationen erwähnt noch nicht einmal den Begriff „humanitäre Intervention“. Aus diesen Gründen werde ich im Folgenden der Frage nachgehen, was eine „humanitäre Intervention“ ist. Dafür werde ich zuerst die einzelnen Begriffe selbst definieren, d.h. mir die Frage stellen, was „human“ bzw. „humanitär“ ist, was eine „Intervention“ ist und letztendlich betrachten, was man unter einer „humanitären Intervention“ versteht. Zu der Definition von „humanitärer Intervention“ werde ich den historischen Ursprung und die Entwicklung des Begriffs aufzeigen, um dadurch und mit den Definitionen von „human“ und „Intervention“ Kriterien für eine humanitäre Intervention zeigen zu können. Dazu werde ich einige Definitionen aus der Literatur darstellen, um etwaige Probleme bei der Definitionsfindung diskutieren zu können. Nachdem ich die Begrifflichkeiten geklärt habe, werde ich anhand von Kriterien verschiedene so genannte „humanitäre Interventionen“ untersuchen, um zu zeigen, dass es humanitäre Interventionen nach den Kriterien für eine humanitäre Intervention bisher nicht gab. Weder die bisher durchgeführten Interventionen der UN noch der anderer Staaten haben den Namen „humanitäre Intervention“ verdient. Denn wenn es einen Eingriff von Staaten bzw. Staatenbündnissen in die Hoheitsrechte eines anderen Staates gibt, auch wenn dieser humanitäre Beweggründe hat, kann man noch nicht von einer „humanitären Intervention“ sprechen (vgl. Gillessen, 1997: 13). Allerdings wird diese Diskussion nicht auf der Basis von rechtlichen Argumenten geführt, sondern lediglich auf den Begriffsdefinitionen. Für die Falluntersuchung habe ich die Beispiele Somalia und Kosovo gewählt. Meine Wahl fiel auf Somalia, da es sich hierbei um die erste militärische Intervention der UN auf humanitärer Basis handelte (vgl. Gareis/Varwick, 2003: 223). Um einen Vergleich von der Intervention in Somalia bis zu den heutigen Interventionen ziehen und um meine These bestätigen zu können, habe ich ein neueres Bespiel herangezogen, nämlich die Intervention im Kosovo. Mein Vorgehen in Bezug auf die Staaten ist folgendermaßen: Ich stelle die Situation im Land vor und zeige auf, welche Akteure wie gehandelt haben. Schließlich werde ich die Bewertungskriterien für eine „humanitäre Intervention“ heranziehen und zeigen, dass es sich in den beiden genannten Fällen nicht um eine humanitäre Intervention handelte.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Definitionen
2.1 Definition von „humanitär“
2.2 Definition von „Intervention“
2.2.1 Weite Definition von Intervention
2.2.2 Einschränkung des weiten Interventionsbegriffs
2.3 Zum Begriff der „humanitären Intervention“
2.3.1 Ursprung des Begriffs der humanitären Intervention
2.3.2 Entwicklung der humanitären Intervention
2.3.3 Formen und Akteure der humanitären Intervention
2.4 Vorstellung von Definitionen und ihre Bewertung
2.5 Kriterien für eine humanitäre Intervention
3 Fälle von „humanitärer Intervention“?
3.1 Intervention in Somalia
3.2 Bewertung der Intervention in Somalia
3.3 Intervention im Kosovo
3.4 Bewertung der Intervention im Kosovo
4 Schlussbetrachtung
5 Literaturverzeichnis
6 Ehrenwörtliche Erklärung
1 Einleitung
„Saying „humanitarian intervention“ in a room full of philosophers, legal scholars, and political scientists is little bit like crying „fire“ in a crowded theatre: it can create a clear and present danger to everyone within earshot. Arguments burn fiercely – although fortunately not literally – on the subject. Some people regard humanitarian intervention as an obscene oxymoron“ (Keohane, 2003: 1). Dieses Zitat zeigt, dass humanitäre Intervention in der Wissenschaft und Praxis sehr umstritten ist. Woran das liegen kann, ist einfach, denn es existiert keine anerkannte Definition des Begriffs „humanitäre Intervention“, die Probleme von vornherein ausschließen würde. Zwar wurde im November 1999 von den NATO-Staaten in Scheveningen folgende Definition akzeptiert
„A humanitarian intervention is an armed intervention in another state, without the agreement of the state, to address (the threat of) a humanitarian disaster, in particular caused by grave and large-scale violation of fundamental human rights“ (Center for Strategic Studies, 2000),
jedoch tritt hier das Problem der Legitimation dieser Definition auf und dass sie im ersten Augenblick nicht ausreichend erscheint. Hierauf soll zu einem späteren Zeitpunkt genauer eingegangen werden. Dennoch gibt es keine völkerrechtlich begründete oder verankerte Definition des Begriffs „humanitäre Intervention“. Die Charta der Vereinten Nationen erwähnt noch nicht einmal den Begriff „humanitäre Intervention“. Aus diesen Gründen werde ich im Folgenden der Frage nachgehen, was eine „humanitäre Intervention“ ist. Dafür werde ich zuerst die einzelnen Begriffe selbst definieren, d.h. mir die Frage stellen, was „human“ bzw. „humanitär“ ist, was eine „Intervention“ ist und letztendlich betrachten, was man unter einer „humanitären Intervention“ versteht. Zu der Definition von „humanitärer Intervention“ werde ich den historischen Ursprung und die Entwicklung des Begriffs aufzeigen, um dadurch und mit den Definitionen von „human“ und „Intervention“ Kriterien für eine humanitäre Intervention zeigen zu können. Dazu werde ich einige Definitionen aus der Literatur darstellen, um etwaige Probleme bei der Definitionsfindung diskutieren zu können. Nachdem ich die Begrifflichkeiten geklärt habe, werde ich anhand von Kriterien verschiedene so genannte „humanitäre Interventionen“ untersuchen, um zu zeigen, dass es humanitäre Interventionen nach den Kriterien für eine humanitäre Intervention bisher nicht gab. Weder die bisher durchgeführten Interventionen der UN noch der anderer Staaten haben den Namen „humanitäre Intervention“ verdient. Denn wenn es einen Eingriff von Staaten bzw. Staatenbündnissen in die Hoheitsrechte eines anderen Staates gibt, auch wenn dieser humanitäre Beweggründe hat, kann man noch nicht von einer „humanitären Intervention“ sprechen (vgl. Gillessen, 1997: 13). Allerdings wird diese Diskussion nicht auf der Basis von rechtlichen Argumenten geführt, sondern lediglich auf den Begriffsdefinitionen.
Für die Falluntersuchung habe ich die Beispiele Somalia und Kosovo gewählt. Meine Wahl fiel auf Somalia, da es sich hierbei um die erste militärische Intervention der UN auf humanitärer Basis handelte (vgl. Gareis/Varwick, 2003: 223). Um einen Vergleich von der Intervention in Somalia bis zu den heutigen Interventionen ziehen und um meine These bestätigen zu können, habe ich ein neueres Bespiel herangezogen, nämlich die Intervention im Kosovo. Mein Vorgehen in Bezug auf die Staaten ist folgendermaßen: Ich stelle die Situation im Land vor und zeige auf, welche Akteure wie gehandelt haben. Schließlich werde ich die Bewertungskriterien für eine „humanitäre Intervention“ heranziehen und zeigen, dass es sich in den beiden genannten Fällen nicht um eine humanitäre Intervention handelte.
2 Definitionen
Um bestimmen zu können, was eine humanitäre Intervention ist, werde ich zunächst einmal den Begriff „humanitäre Intervention“ splitten in „humanitär“ und „Intervention“. Die Definitionen der beiden Begriffe sollen mir dann dabei behilflich sein, eine Definition von „humanitäre Intervention“ zu finden.
2.1 Definition von „humanitär“
Der Begriff der Humanität kommt aus dem Lateinischen von „humanitas“ und bedeutet Menschlichkeit. Das Adjektiv „humanitär“ bedeutet, auf die Linderung menschlicher Not bedacht und ausgerichtet zu sein (vgl. Duden 2001: 806). Wenn man den Begriff „humanitär“ statt vom Lateinischen vom Französischen ableitet, bezeichnet dieses zunächst allgemein „toute action bienfaisante pour l´homme“ (Pictet, 1979: 17), was als auf den Schutz des Menschen vor existentieller Bedrohung ausgerichtet zu sein verstanden werden kann. Dadurch kann man schnell darauf schließen, dass damit heute der Schutz der Menschenrechte gemeint ist. Zu einer genaueren Diskussion über die Menschenrechte bzw. vielmehr über die Menschenrechtsverletzungen wird es in dieser Arbeit zu einem späteren Zeitpunkt noch kommen.
2.2 Definition von „Intervention“
Um den Begriff der „Humanitären Intervention“ definieren zu können, ist es wichtig zu wissen, was überhaupt eine Intervention ist. Allerdings treten schon hier Probleme auf, denn Intervention gehört wie die Begriffe „Macht“ oder „Interdependenz“ zu den „terminologischen Problemfällen in den Internationalen Beziehungen“ (Hasenclever, 2000: 27). Nach Andreas Hasenclever ist nur allgemein akzeptiert, dass der Begriff der Intervention die auf irgendeine Art und Weise geartete äußere Beeinflussung der inneren Angelegenheiten eines Staates bezeichnet. Wie diese Beeinflussung aussieht, ist umstritten und wird je nach Forschungsschwerpunkt festgelegt. In der Forschung geht man im Allgemeinen von einer weiten Definition von Intervention und einem eingeschränktem Interventionsbegriff aus (vgl. Hasenclever, 2000: 27; Albrecht, 2000: 14).
2.2.1 Weite Definition von Intervention
Als Intervention kann man jegliche Einflussnahme auf einen Staat sehen, die die Absicht hat, die politische Willensbildung eines Staates zu ändern. Hierbei spielt es keine Rolle, wer der Intervenierende ist. Somit können dies neben Staaten und Staatenverbänden auch internationale Organisationen, Konzerne, NGOs oder sogar Einzelpersonen sein. Aber auch die Art und Weise wie interveniert wird, ist vielfältig und offen. Somit reicht das „Spektrum […] vom Telefonanruf über politische Reden, Pressekampagnen, Wirtschafts- und Militärhilfe, Boykotte und Blockaden bis hin zu gezielten militärischen Schlägen und Invasionen“ (Hasenclever, 2000: 29). Jedoch ist eine solche maximalistische Sicht analytisch nicht nutzbar (vgl. Albrecht, 2000: 14), deshalb werden im Anschluss Einschränkungen des weiten Interventionsbegriffs vorgenommen, um die Basis für den Interventionsbegriff zu schaffen, auf dem diese Arbeit aufbauen wird.
2.2.2 Einschränkung des weiten Interventionsbegriffs
Der weite Interventionsbegriff lässt sich auf verschiedene Weise einschränken. In ihrem Buch „Interventionsproblematik aus politikwissenschaftlicher, völkerrechtlicher und wirtschaftswissenschaftlicher Sicht“ stellen Ernst-Otto Czempiel und Werner Link den Interventionsbegriff auf verschiedenen Ebenen dar. Nämlich aus politikwissenschaftlicher, völkerrechtlicher, wirtschaftsrechtlicher und volkswirtschaftlicher Sicht (vgl. Czempiel/Link, 1984: 1 ff.). Hasenclever schränkt den Interventionsbegriff ein in die Beeinflussung des Herrschaftssystems, auf intentionale Akte und auf Zwangsmaßnahmen. Letzteres ist mit einer militärischen Intervention gleichzusetzen (vgl. Hasenclever, 2000: 27 ff.). Für diese Arbeit soll allerdings folgende Definition von „Intervention“ für die Einschränkung des weiten Interventionsbegriffs gelten:
„Intervention, im Bereich Internationaler Beziehungen [ist die] Bezeichnung für das Eingreifen eines oder mehrerer Staaten bzw. Internationaler Organisationen in die inneren Angelegenheiten eines Staates durch die Anwendung oder Androhung militärischer Gewalt, polit. Drucks bzw. durch verdeckte Einflussnahme“ (Zinterer, 1998: 288).
Die Zusammensetzung der Begriffe „humanitär“ und „Intervention“ bringen mich an dieser Stelle nicht weiter; zum einem, da der Interventionsbegriff eine sehr weit gefasste Bedeutung besitzen kann und zum anderen, da an dieser Stelle nicht wirklich klar wird, was eine humanitäre Intervention ist. Deshalb werde ich nun den Versuch unternehmen, den Begriff „humanitäre Intervention“ im Kontext seines Ursprungs und seiner Entwicklung zu betrachten.
2.3 Zum Begriff der „humanitären Intervention“
Den Begriff „humanitäre Intervention“ zu definieren ist ähnlich schwer wie die Definition des Begriffs „Intervention“. Francis Kofi Abiew vertritt die Meinung, dass eine brauchbare Definition von humanitärer Intervention „extremely difficult and virtually impossible to apply rigorously“ (Abiew, 1999: 31) ist. Das Problem besteht hierbei darin, dass keine völkerrechtliche Legaldefinition (vgl. Rezwanian-Amiri, 2000: 11) des Begriffs der humanitären Intervention existiert und dass der Begriff nicht in der Charta der Vereinten Nationen zu finden ist (vgl. Rezwanian-Amiri, 2000: 11). „Als mit der Schaffung der UNO-Charta die Gelegenheit dazu bestanden hätte, verzichteten die Staaten auf eine förmliche Verankerung der humanitären Intervention im Völkervertragsrecht; auch spätere Gelegenheiten wie die Verabschiedung der Aggressions-Definition oder der „Friendly Relations“-Erklärung ließen sie verstreichen“ (Pape, 1997: 93). Somit kann man lediglich auf die von den NATO-Staaten in Scheveningen beschlossene Definition des Begriffs der humanitären Intervention zurückgreifen, die ich in der Einleitung aufgeführt habe. Hierbei tritt folgendes Problem auf: Im November 1999 gehörten gerade einmal 19 Staaten der NATO an. Wäre stattdessen eine solche Definition von den Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen beschlossen worden, würden ungefähr zehn Mal so viele Staaten hinter diesem Beschluss stehen. Daher werde ich die in der Einleitung genannte Definition des Begriffs der humanitären Intervention nicht weiter verwenden. Eine Arbeitsdefinition wird zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen, sobald der Ursprung, die Entwicklung sowie die Formen und Akteure einer humanitären Intervention erfolgt sind.
2.3.1 Ursprung des Begriffs der humanitären Intervention
„Der Begriff der „humanitären Intervention“ kommt aus dem 19. Jahrhundert und wurde als „Recht“ von Einzelstaaten vor allem mit der Verteidigung individueller Freiheiten gegen Übergriffe durch andere Regierungen begründet“ (Pradetto, 1999: 31). Deshalb kann zu Zeiten der Klassiker noch nicht von einer einheitlichen Theorie der humanitären Intervention gesprochen werden (vgl. Pape, 1997: 84). Jedoch gab es bereits Ansätze wie den von Hugo Grotius. Er befürwortete die Intervention zum Schutz fremder Untertanen. Eine wissenschaftliche Diskussion trat allerdings erst Mitte des 19. Jahrhunderts auf (vgl. Pape, 1997: 84). Rudolf Schüßler geht sogar noch einen Schritt weiter zurück und zeigt auf, dass die Idee der humanitären Intervention bereits schon im Mittelalter vorkam. Jedoch wurden die Interventionen nicht als solche benannt und es ist immer noch fraglich, ob es sich wirklich um reine humanitäre Interessen der Intervenierenden handelte (vgl. Schüßler, 2002: 203 ff.).
Bei den Interventionen im 19. Jahrhundert wurden zwar häufig humanitäre Beweggründe angegeben, jedoch standen meist andere Interessen dahinter wie zum Beispiel solche wirtschaftlicher, innen-, außenpolitischer und strategischer Art (vgl. Pradetto, 1999: 31). Interventionen erfolgten aber auch noch auf anderen Gebieten. Oft war die Verfolgung christlicher Minderheiten ein Grund zum Eingreifen der europäischen Großmächte (vgl. Pape, 1997: 86; Finnemore, 1996:163 ff.).
Der Begriff „human“ hatte damals auch noch eine andere Bedeutung als heute. Massaker an Christen waren humanitäre Desaster, dahingegen wurden Massaker an Muslime als solche nicht anerkannt (vgl. Finnemore, 1996: 163). Die intervenierenden Staaten stellten meist religiöse Gründe in den Vordergrund, um Interventionen und gewaltsame Eingriffe humanitäre Interventionen nennen zu können (vgl. Finnemore, 1996: 163 ff.). Allerdings wurden auch nur solche Christen von den europäischen Mächten geschützt, die innerhalb Europas lebten. Hier spielte die Hautfarbe oft auch eine entscheidende Rolle. Durch die Expansion des Begriffs „Humanität“ veränderte sich auch das Bild über die Sklaven. Zuerst verringerten die Briten ihren Sklavenhandel, allerdings nicht die Sklaverei selbst. Die Kolonialisierung und später die Entkolonialisierung bewirkten, dass die Nicht-Europäer „menschlich“ wurden (vgl. Finnemore, 1996: 172 f.). „Rather, humanity was inherent in individual human beings. It had become universalized and was not culturally dependent, as it has been in earlier centuries“ (Finnemore, 1996: 173).
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- Citation du texte
- Susanne Freitag (Auteur), 2006, Humanitäre Intervention - Versuch einer Definition. Humanitäre Intervention in Somalia und Kosovo?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56516
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