Pilgerfahrten angelsächsischer Könige nach Rom stellen einen Aspekt des Mittelalters dar, der vor allem während des 7. und 8. Jahrhunderts zutage trat. Obwohl sie nicht direkt als Ausnahmeerscheinung bezeichnet werden können, so müssen sie dennoch als Besonderheit eingestuft werden. Der Grund hierfür liegt weniger in der Häufigkeit oder ähnlichen Faktoren der Reisen, sondern vielmehr in der Art und Weise, wie diese begangen wurden. Auch wenn mittelalterliche Herrscher in sämtlichen Bereichen des Lebens danach trachteten, sich vom einfachen Volk abzugrenzen, so verwischten die Trennlinien hier beinahe völlig - was von den Königen scheinbar sogar beabsichtigt war.
Diese Arbeit nun versucht die Beweggründe der an sich eher kriegerisch veranlagten Könige zu hinterfragen und das Phänomen zu klären, wie aus ihnen friedfertige Büßer wurden, die ihren Seelenfrieden in der Ewigen Stadt zu erlangen suchten. Im Speziellen soll dabei auch ein näherer Blick auf die Rolle des Heiligen Petrus sowie die Bischof Wilfrids erfolgen, denn beide werden dem Leser in diesem Zusammenhang unweigerlich begegnen.
Inhaltsangabe
Vorwort
I. Rom als Ziel der Pilgerfahrten
1. Die Apostel und ihre Bedeutung für Rom als Pilgerstätte
2. Gründe für die zentrale Stellung des Sankt Petrus
II. Die pilgernden Könige der Angelsachsen
1. Geplante Pilgerreisen: Oswiu und Edward der Bekenner
2. Durchgeführte Pilgerreisen: Caedwalla, Ini, Coinred, Offa, Knut
3. Zusammenfassung
III. Die Rolle Bischof Wilfrids
Nachwort
Anhang
Grabinschrift König Caedwallas
Grabinschrift Bischof Wilfrids
Der Petersdom in Rom
Das Innere des Petersdoms
Literaturverzeichnis
Vorwort
„.Mira fides regis, clementia maxima Christi,
Cuius consilium nullus adire potest !
Sospes enim ueniens supremo ex orbe Britanni,
Per uarias gentes, per freta, perque uias,
Vrbem Romuleam uidit templumque uerendum
Aspexit Petri mystica dona gerens.“
(Diese Inschrift ließ Papst Sergius auf den Grabstein König Caedwallas
von Wessex setzen, zum Gedenken an dessen Glaubenseifer)[1]
Pilgerfahrten angelsächsischer Könige nach Rom - ein Bild, das vor allem im Mittelalter des 7. und 8. Jahrhunderts zu Tage tritt und eine gewisse Besonderheit darstellt. Besonders in dem Sinne, dass nicht nur Angehörige niederen Standes Britannien verließen und diese Reise antraten, sondern Menschen jeder Schicht, Kleriker und Laien, Männer und Frauen, Bauern und Herrscher.[2] Auf letztere nun richtet sich der Blick dieser Arbeit.
Dabei gilt es nicht nur Namen aufzulisten oder Biographien, vielmehr gilt es die Frage zu klären, welcher Beweggrund sie veranlaßte die „ewige Stadt“ aufzusuchen. Es gilt zu klären, wieso ein an sich kriegerisch veranlagter Mann zum anscheinend demütigen Büßer wird und es gilt zu klären, welche Rolle St. Petrus und auch Bischof Wilfrid in diesem Zusammenhang spielen, die uns dabei unweigerlich begegnen werden.
I. Rom als Ziel der Pilgerfahrten
1. Die Apostel und ihre Bedeutung für Rom als Pilgerstätte
Viele Orte, wie Jerusalem oder Santiago de Compostella, stehen während des Mittelalters im Ruf, zahlreich besuchte Wallfahrtsorte zu sein, sowohl für Könige als auch für deren Untertanen. Warum also führen die Pilgerfahrten der angelsächsischen Herrscher gerade nach Rom ?
Die ehemals strahlende Stadt der Antike hatte schon längst nicht mehr ihr damaliges Ansehen inne. „Das Papsttum war nur mehr eine moralische Größe. Der alte Primat schien völlig vergessen.“[3] Die Vorstellung einer allumfassenden Kirche konnte der Realität nicht standhalten und wich partikularen Landeskirchen.
Allerdings besitzt Rom zahlreiche Märtyrergräber, von denen sich besonders zwei hervorheben, da sie die vornehmsten unter den Heiligen beherbergen: Den Apostel Paulus und Sankt Petrus. In dieser Tatsache, mit ihrer religiösen Bedeutung, lag ein Ausgleich des vorangegangenen Statusverlusts, der Rom gleichzeitig ein neues Gesicht verlieh. Deutlich zu sehen ist dieses veränderte „Image“ bei den Angelsachsen, denn im Vergleich zu den Menschen vor ihnen, stellt sich Rom ihnen nicht mehr als Institution an sich dar, sondern als die „durch die heiligen Gebeine der Apostel geweihte Stadt.“[4] Diese Tatsache allein kann die angelsächsischen Könige aber nicht dorthin getrieben haben.
Der Kern des Ganzen findet sich in der Person des Petrus, denn seine Verehrung spielt die wichtigste Rolle in diesem Gefüge. Ihn haben die Angelsachsen zum eigentlichen Zentrum ihres christlichen Glaubens gemacht. Dem Ort seiner letzten Ruhe nahe zu sein und ihm damit zu huldigen, ist das eigentliche Anliegen der Herrscher aus England. Bleibt noch die Frage offen, woraus die Verbindung mit dem Heiligen Stuhl und Rom resultiert. Dies bleibt nämlich, trotz der Gründung verschiedener Petrusklöster auf eigenem Boden, beispielsweise in Winchester oder Peterborough, das entscheidende Ziel der Pilger.
Dabei sind zum einen natürlich die Gebeine des Heiligen ausschlaggebend, zum anderen aber auch der Papst selbst. Er gilt nämlich als dessen irdischer Vertreter, da die Vorrangstellung im Kreise der Apostel, begründet durch Jesu Verheißung (Matth. 16,19), auf ihn, seinen Nachfolger, übergegangen ist.[5]
Zusammenfassend läßt sich also sagen, dass die Wallfahrten nicht auf einen bestimmten Ort hin ausgerichtet waren, sondern auf eine religiöse Figur beziehungsweise auf dessen weltliche Entsprechung. Die angelsächsischen Könige pilgerten also genau genommen vielmehr zu Sankt Petrus als nach Rom - aber warum ?
2. Gründe für die zentrale Stellung des Sankt Petrus
In der 2.Hälfte des 7.Jahrhunderts wurde die ursprüngliche Kirchenform Englands endgültig von der römischen verdrängt und die Verbindung zum apostolischen Stuhl, in erster Linie jedoch zu Petrus gefestigt. Zunächst unerklärlich ist, warum ein Heiliger einen solchen Einfluß auf die Angelsachsen haben konnte, dass mancher sogar bereit war seine Herrschaft aufzugeben, nur um in seiner Nähe zu sterben. Er scheint dort gewirkt zu haben, wo die Missionare Gregors des Großen und alle übrigen Christen versagten, denn ihr Eintreffen auf der Insel stellte durchaus nicht die erste Begegnung mit der christlichen Welt dar.
Bereits sehr früh haben wohl intensive Kontakte nach dem Festland um die Nordsee und auch Handelsaktivitäten mit Importwaren aus dem östlichen Mittelmeerraum stattgefunden, was eine gewisse Bekanntschaft mit dem Christentum vermuten läßt.[6]
Dies belegt der Fund eines Schiffsgrabes in Sutton Hoo, nahe London, das neben Indizien für diese Theorie auch den Leichnam eines Herrschers aus East Anglia, datiert auf den Beginn des 7.Jh., enthielt. Da es sich, seiner Ausstattung nach zu urteilen, um einen heidnischen Wotanskönig handelte, darf man allerdings eine tiefgreifendere Beziehung zum „neuen Glauben“ wohl ausschließen.
Aethelbert von Kent (560-616) war sogar mit einer praktizierenden Katholikin namens Berta verheiratet. Gregor selbst forderte jene Merowingerprinzessin in einem Brief dazu auf, ihren Gemahl zu bekehren.[7] Dieses Unterfangen blieb jedoch erfolglos, denn er ließ sich nicht taufen und blieb Zeit seines Lebens Heide. Sein Interesse am Missionsunternehmen resultierte lediglich „aus Gründen des Prestiges und der Machtpolitik.“[8]
[...]
[1] Beda.. Baedae historia ecclesiastica gentis Anglorum. Hg. von Alfred Holder (Germanischer Bücherschatz, Bd.7). Freiburg I.B. und Tübingen 1882. Liber V.Caput 7. (Vt Caedualla rex Occidentalium Saxonum baptizandus Romam nenerit: sed et successor eius Ini eadem beatorum apostolorum limina deuotus adierit), S.236f. Vollständige Grabinschrift: siehe Anhang
[2] Vgl. Ebd. Liber V.Caput 7
[3] Theodor Zwölfer. Sankt Peter Apostelfürst und Himmelspförtner - Seine Verehrung bei den
Angelsachsen und Franken. Stuttgart 1929. S.20.
[4] Beda. Baedae historia ecclesiastica gentis Anglorum. Holder. Liber V.Caput 2 (Vt episcopus
Iohannes mutum et scabiosum benedicendo curauerit). S. 228ff.
[5] Vgl. Bertelsmann. Großes Handlexikon in Farbe. Gütersloh 1979. S.818
[6] Vgl. Bertelsmann. Die Große Illustrierte Weltgeschichte I - Urgeschichte bis Mittelalter.
Gütersloh 1964, 1969 G. S. 1478.
[7] Vgl. Gregor I der Große. Epistulae. Eddition M. unter www.newadvent.org/fathers
Liber XI.Epistula XIX (Gregorius Bertae Reginae Anglorum).
[8] Lutz E.von Padberg. Die Christianisierung Europas im Mittelalter. Stuttgart 1998. S. 74.
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- Magistra Artium Daniela Herbst (Author), 2002, Pilgernde Könige. Angelsächsische Könige als Pilger in Rom, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56508
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