tanley Kubrick stellt in mehrfacher Hinsicht eine absolute Ausnahmeerscheinung in der internationalen Filmbranche dar. Der 1928 in New York geborene Regisseur hat nie eine Hochschule besucht, und im Gegensatz zu den meisten Berufskollegen seiner Generation hat er sein Handwerk auch nicht durch lange Jahre des praktischen Arbeitens in untergeordneter Position bei Fernsehen und Film erlernt; stattdessen hat er sich als Autodidakt recht umfassend mit den technischen und organisatorischen Aspekten seines Metiers vertraut gemacht. Seine Karriere begann er als Fotograf, dann folgte nach einigen Dokumentarfilmen ein erstes amateurhaftes Spielfilmprojekt mit dem Titel "Fear and Desire" (1953). Bereits sein dritter Film "The Killing" (1956) konnte mit international bekannten Schauspielern und unter bescheidenen professionellen Bedingungen gedreht werden. Kubrick hat es (mit Ausnahme der Auftragsarbeit "Spartacus" von 1960) stets geschafft, völlig unabhängig vom Produktionsbetrieb der großen Hollywoodstudios und ohne die Überwachung durch einen allmächtigen Produzenten zu arbeiten (tatsächlich hat er fast die Hälfte seiner Filme sogar selbst produziert, und "Spartacus" war darüber hinaus auch der letzte, den er überhaupt in den USA gemacht hat). Dennoch standen ihm für seine Projekte immer die zunehmend üppiger fließenden Gelder der amerikanischen Major Companies zur Verfügung, so daß sie in Technik und Ausstattung auch immer den Standards eines populären und internationalen Kinos gerecht werden konnten, aus Gründen der Wirtschaftlichkeit wohl auch werden mußten. Diese Kombination aus umfassender technischer und administrativer Kompetenz, größeren finanziellen Mitteln und künstlerischer Unabhängigkeit macht aus Stanley Kubrick einen Autorenfilmer der Superlative, dessen Arbeiten - im Gegensatz zu denen vieler anderer Independentregisseure - alles andere als einen improvisierten Charakter haben, und weit über Insiderkreise hinaus bekannt sind; seine Filme fanden stattdessen in steigendem Maß Beachtung bei der Kritik und einem breiten Publikum. Und was noch wichtiger ist, der Regisseur war dadurch in der Lage, seinen ganz individuellen Inszenierungsstil zu entwickeln und kompromißlos umzusetzen. [...]
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- A MECHXNISMEN EINER WELT
- PLANUNG UND ZUFALL: "THE KILLING"
- EINE GETEILTE IVELT: "PATHS OF GLORY"
- EIN WßGLÜCKTER FILM "SPARTACUS"
- "DR_ SIRANGELOVE": AUSFALLSICHER_HEIT KONTRA NARREN SICHERHEIT
- B GESELLSCHAFTLICHE 38
- "LOLITA", oder DIE LIEBE ZUM OBJEKT
- DER GEZÄHMTE WIDERSPENSTIGE: "A CLOCKWORK ouNGE"
- GESELLSCHAFTSSPIELE UND MASKERADEN - "BARRY LYNDON"
- C DIE MYTHISCHE HEIMKEHRIN DREI VARIATIONEN
- "2001: A SPACE ODYSSEY - EVOLUTION ALS MYTHOS
- EIN EXKURS: C G. JUNG UND DAS "KOLLEKTIVE UNBE\WßTE"
- "THE SHINNG", oder DAS VERLORENE SELBST
- DAS MÖRDERSYSTEM: "FULL METAL JACKET"
- FIL MO GR AP HIE
- L 1 T E R A T U R —
- ANHANG —
- STANLEY KUBRICK UND SEIN LETZTER FILM EYES WIDE SHUT__
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Magisterarbeit befasst sich mit dem Motiv der Entfremdung in den Filmen Stanley Kubricks. Die Arbeit analysiert die Filme des Regisseurs anhand der Entstehungschronologie, um die Entwicklung des Themas der Entfremdung im Werk Kubricks nachzuzeichnen. Neben der Darstellung des Themas der Entfremdung in den Filmen Kubricks werden auch die jeweiligen dramaturgischen und ästhetischen Konzepte der Filme beleuchtet, um die Intentionen des Regisseurs darzustellen.
- Die Ambivalenz des Menschen zwischen Selbstbestimmung und Fremdbestimmung
- Die Rolle von Technik und Gewalt in der menschlichen Entwicklung
- Die Frage nach der Identität und der Verleugnung des eigenen Innenlebens
- Die Suche nach Liebe und Geborgenheit in einer Welt der Entfremdung
- Die Grenzen der menschlichen Vernunft und die Macht des Unbewußten
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt Stanley Kubrick als Ausnahmeerscheinung in der internationalen Filmbranche vor und beleuchtet seinen spezifischen Inszenierungsstil, der durch eine hohe Präzision und den Verzicht auf Improvisationen gekennzeichnet ist. Kubricks Filme zeichnen sich durch eine grundsätzliche Offenheit und die Betonung von äußeren Erscheinungsformen aus, wodurch der Zuschauer zum aktiven Deuten und zum Konstruieren von Bedeutungen aufgefordert wird. Die Arbeit konzentriert sich auf die Interpretation der Filme Kubricks, wobei besonderer Wert auf die vermuteten Intentionen des Regisseurs und die Darstellung seiner Methoden bei deren Realisierung gelegt wird.
Im ersten Kapitel wird der Film "The Killing" als Ausgangspunkt für die Analyse des Themas der Entfremdung in Kubricks Filmen betrachtet. Der Film erzählt die Geschichte einer Gangsterbande, die einen Überfall auf eine Pferderennbahn plant, und zeigt, wie leicht die Ordnung innerhalb von Systemen durch gezielte Fremdeinwirkungen gestört werden kann. Das Scheitern von individuellen und gesellschaftlichen Ordnungsversuchen wird als zentrales Thema in Kubricks gesamter filmischer Arbeit deutlich. Der Film "Paths of Glory" wird im zweiten Kapitel behandelt. Der Film schildert einen französischen Angriff auf deutsche Stellungen im Ersten Weltkrieg und zeigt die menschenverachtende Arroganz der militärischen Führungselite gegenüber den einfachen Soldaten. Kubrick stellt die beiden Welten der Schützengräben und der Schlösser einander gegenüber und zeigt, wie die formalistische Ordnung der Gesellschaft die Inhumanität des Krieges nicht aufheben kann. Der Film "Spartacus" wird im dritten Kapitel behandelt. Der Film erzählt die Geschichte des Sklavenaufstandes unter Führung von Spartacus und zeigt die Widersprüche zwischen der Sehnsucht nach Freiheit und den realen Machtverhältnissen in der Gesellschaft. Kubricks "Spartacus" stellt einen Sonderfall im Lebenswerk des Regisseurs dar, denn es handelt sich dabei um seine einzige Auftragsarbeit, von der er sich später distanzierte.
Das vierte Kapitel befasst sich mit dem Film "Dr. Strangelove, or How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb". Der Film zeigt die Absurdität des Kalten Krieges und die Gefahr eines Atomkriegs durch die Verherrlichung von Technik und Kontrolle. Kubrick unterstreicht die innere Logik eines Systems, das durch die Abspaltung der einzelnen Akteure von der Gesamtlage und durch die fehlende Kommunikation zur Katastrophe führt. Der Film "Lolita" wird im fünften Kapitel behandelt. Der Film erzählt die Geschichte des pädophilen Literaturprofessors Humbert Humbert, der sich in die junge Lolita Haze verliebt, und zeigt, wie die Liebe zum Objekt zu einer Form von Entfremdung führt. Kubrick objektiviert die subjektive Perspektive des Romans und stellt Lolita als Ikone von Jugend und Weiblichkeit dar. Die Figur des Humbert Humbert wird als ein Beispiel für die Verdrängung und Sublimierung von Sexualität in einer bürgerlichen Gesellschaft dargestellt.
Im sechsten Kapitel wird der Film "A Clockwork Orange" behandelt. Der Film erzählt die Geschichte des jugendlichen Gewaltverbrechers Alex DeLarge, der einer Aversionstherapie unterzogen wird, um ihn zu einem gesellschaftskonformen Verhalten zu bringen. Kubrick stellt die Frage nach der Freiheit des Menschen und den Grenzen der Kontrolle durch die Gesellschaft. Der Film zeigt, wie die Verdrängung von ursprünglichen Impulsen zu einer Entfremdung des Menschen von sich selbst führen kann. Das siebte Kapitel befasst sich mit dem Film "Barry Lyndon". Der Film erzählt die Geschichte des irischen Adeligen Barry Lyndon, der im 18. Jahrhundert einen gesellschaftlichen Aufstieg anstrebt. Kubrick stellt die Welt des Luxus und der Dekadenz der feudalen Gesellschaft der Welt des Krieges und der Armut gegenüber und zeigt, wie die Verleugnung von Gefühlen und die Verdrängung des eigenen Innenlebens zu einer Lebensleere führen können.
Das achte Kapitel befasst sich mit dem Film "2001: A Space Odyssey". Der Film erzählt die Geschichte der menschlichen Evolution vom Primaten zum Raumfahrer und zeigt, wie die Entwicklung des Menschen mit der Entfremdung von seiner ursprünglichen Natur einhergeht. Kubrick stellt die Frage nach der Zukunft des Menschen in einer Welt, die durch Technik und Rationalität geprägt ist. Der Film "The Shining" wird im neunten Kapitel behandelt. Der Film erzählt die Geschichte des Schriftstellers Jack Torrance, der mit seiner Familie in einem verlassenen Berghotel lebt und von den dort vorhandenen Geistern heimgesucht wird. Kubrick zeigt, wie die Verleugnung des eigenen Innenlebens und die Flucht vor der Welt zu einer Regression und zur Psychose führen können. Das zehnte Kapitel befasst sich mit dem Film "Full Metal Jacket". Der Film erzählt die Geschichte der Ausbildung von US-Marines im Vietnamkrieg und zeigt, wie die Entpersönlichung und die Indoktrinierung von Menschen zu einer Entfremdung von sich selbst und der Welt führen können. Kubrick unterstreicht die Macht des Kollektivs und die Gefahr der Verrohung des Menschen durch den Krieg.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Entfremdung, die menschliche Psyche, die gesellschaftliche Determinierung, die Rolle von Technik und Gewalt, die Suche nach Identität und die Ambivalenz des menschlichen Seins. Die Analyse der Filme von Stanley Kubrick zeigt die vielfältigen Facetten des Themas der Entfremdung und die problematischen Konsequenzen einer Welt, die durch Rationalität, Kontrolle und die Verleugnung des eigenen Innenlebens geprägt ist.
- Arbeit zitieren
- Manfred Eberth (Autor:in), 1993, Das Motiv der Entfremdung in den Filmen von Stanley Kubrick, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/5628
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