Eltern als Emotionstrainer ihrer Kinder? Die Ausarbeitung beschäftigt sich mit der aktuellen Literatur über die emotionale Intelligenz, Erziehungskonzepten und deren praktischen Umsetzung.
Inhalt
Vorwort
1. Die Rolle der Eltern als Emotionstrainer – Das erwartende Eltern-Kind-Verhältnis Ann-Jana Schaller
1.1 Aktualität des Themas „Eltern als Emotionstrainer ihrer Kinder“
2.Elternratgeber zur Entwicklung emotionaler Intelligenz Patricia Lauth
2.1 Literaturlage zum Thema
2.2 Gründe und Zielsetzungen der Autoren
2.3 Literaturvergleich
2.4 Kritik
3. Umsetzung des EQ-Konzeptes Juliane Schäfer
3.1 Nichtbeachtung
3.2 Missbilligung
3.3 Laisser-faire
3.4 Emotionstraining
3.5 Fünf Schritte des Emotionstrainings nach Gottman
4. Eltern trainieren ihre Kinder: Spiele und Übungen zur Förderung emotionaler Intelligenz Ina Schuchardt-Groth
4.1 Zwei Bestseller: Dorothy Rich: “Lernspiele für den EQ” und Lawrence E. Shapiro: „EQ für Kinder“
4.2 Kritik
5. Fazit
6. Literatur
7. Anhang
Vorwort
Als Sammelbegriff für Persönlichkeitseigenschaften, die den Umgang mit eigenen und fremden Gefühlen betreffen, wurde das Wort der „Emotionale Intelligenz“ in den 90er Jahren populär.
Nach Salovey und Mayer ist „emotionale Intelligenz“ wie folgt definiert:
„Emotionale Intelligenz ist eine Teilmenge der sozialen Intelligenz, die die Fähigkeit einschließt, eigene Gefühle und Emotionen und die anderer zu kontrollieren, zwischen ihnen zu unterscheiden und diese Information zu benutzen um das eigene Denken und die eigenen Handlungen zu lenken.“
Grundidee sowohl populärwissenschaftlicher Ratgeber für Eltern und/oder Erzieher und auch der wissenschaftlich-psychologisch-pädagogischen Korrelate ist die Annahme, dass die Wurzeln emotionaler Kompetenz im Elternhaus bzw. in den Kinder- und Jugendjahren zu finden sind. In den im Folgenden zu Grunde liegenden Ratgebern gilt weiterhin die These, dass insbesondere Eltern die emotionale Intelligenz ihrer Kinder gezielt fördern können. Ziel ist hierbei, den potentiellen Lebenserfolg des Kindes zu erhöhen.
Kann emotionale Intelligenz wirklich geschult werden? Schaffen es Eltern, durch eine bestimmte Haltung und sogar mit Hilfe gezielter Programme ihre Kinder zu emotional intelligenten Menschen zu erziehen? Spielt die Frage nach der Erziehung zur emotionalen Intelligenz bei (deutschen) Eltern überhaupt eine Rolle?
Auf diese und ähnliche Fragen sucht der nachfolgende Text mit dem dazugehörenden Filmbeitrag eine Antwort zu finden.
1. Die Rolle der Eltern als Emotionstrainer – Das erwartende Eltern-Kind-Verhältnis
(Ann-Jana Schaller)
Kinder spüren bereits schon im Mutterleib, ob sie von ihren Eltern geliebt und akzeptiert werden. Durch Streicheln des Bauches oder auch Reden mit dem Kind empfängt das Kind Signale des „Geliebtseins“. Ebenfalls bekommt das Kind im Mutterleib Auseinandersetzungen und Streitigkeiten seiner Eltern und der allgemeinen Außenwelt mit.
Stress- und Glückssituationen der Mutter erlebt das ungeborene Kind mit und reagiert gegebenenfalls auch entsprechend darauf. Zum Beispiel durch Treten des Kindes oder unruhiges Verhalten im Bauch.
„Aktive Emotionstrainer“ sind Eltern natürlich erst, wenn das Kind auf der Welt ist und seine Umgebung bewusst wahrnehmen kann. Eltern nehmen als Emotionstrainer ihrer Kinder eine entscheidende Rolle ein, derer sie sich bewusst sein sollten.
Die Wertschätzung, die positive Wertschätzung des Kindes spielt hier eine wesentliche und große Rolle. Es soll dem Kind vermitteln, dass es so angenommen, geschätzt und respektiert wird, wie es ist.
Eltern sollten hierbei folgende Gesichtspunkte beachten:
1. Positive Wertschätzung vermittelt dem Kind das Gefühl, geliebt und wertvoll zu sein.
2. Wenn das Kind das Gefühl hat geliebt zu werden, ganz egal was es leistet oder tut, hat es auch weniger Angst vor negativen Beurteilungen und Bewertungen. Es weiß, dass die Liebe der Eltern nicht verloren geht und braucht sich darum keine Sorgen zu machen.
3. Die Liebe der Eltern zu dem Kind stellt einen Schutzfaktor dar. Hat das Kind Angst, ist es überfordert oder in einer anderen unangenehmen Situation, weiß es wohin es gehen kann und sich bewusst zurückziehen kann.
Für das Kind ist es ebenfalls wichtig, auch Rückmeldungen über seine Schwächen zu erhalten. Diese Rückmeldung sollte sich dann aber auf die gebrachte Leistung beziehen und nicht auf das Kind an sich.
Auch die Selbsteinschätzung der Kinder ist ein wesentlicher Faktor. Selbsteinschätzung ist abhängig von der Liebe, dem Respekt und der Akzeptanz, die wir von bedeutenden Bezugspersonen erfahren, sowie unsere eigene Kompetenz- und Leistungseinschätzung.
Eltern, insbesondere Eltern vermitteln starke Erwartungen und Bewertungen, die die Entwicklung der Selbsteinschätzung beeinflussen können.
Es gibt fünf Punkte, in welchen Kinder im Alter von 8 Jahren schon ein hohes Maß an Selbsteinschätzung aufweisen.
- physische Erscheinung
- soziale Akzeptanz
- schulische Kompetenz
- sportliche und künstlerische Fähigkeiten
- Verhaltensführung
Kinder mit niedriger Selbsteinschätzung sind an ihrer Unsicherheit zu erkennen. Sie sind neidisch auf Leistungen anderer Kinder, sind auf sich beschränkt (selbstzentriert). Das Kind lässt sich stark beeinflussen von den Meinungen und Ansichten Erwachsener. Es ist leichter frustriert und gibt bei Enttäuschungen eher auf.
Kinder mit einer positiven Selbsteinschätzung sind nicht neidisch auf die Leistungen anderer Kinder. Sie sind ausdauernd, motiviert und selbstsicher und haben eine positive Einstellung gegenüber Fehlern. Die Kinder sind beliebt, was zu einer Steigerung der Selbsteinschätzung führt. (vgl. BARMER/Mehr Zeit für Kinder eV.: 2005, 26-28)
Wie können Eltern die positive Selbsteinschätzung ihrer Kinder stärken?
- Das Kind bedingungslos wertschätzen.
Das Kind fühlt sich ignoriert, wenn man ihm in bestimmten Situationen keine Aufmerksamkeit schenkt. In Spiel- oder Gesprächssituationen schaut man das Kind an und lässt alle anderen Beschäftigungen und Aktivitäten liegen. Aufmerksamkeit heißt dem Kind konzentriert Zuhören. Das Elternteil interessiert sich für die Beschäftigungen und Aktivitäten des Kindes und fragt es danach.
- Dem Kind zu Erfolgen verhelfen und dabei produktives Feedback geben.
Wenn Kinder „ihre“ Fähigkeiten und Talente benutzen, werden sie eher Erfolg haben. Eltern sollten diese Fähigkeiten ihres Kindes erkennen, akzeptieren und fördern. Wenn nicht, hat das negativen Einfluss auf das Selbstbild des Kindes. Eltern können ihren Kindern Feedback auf Verhalten und Handeln geben. Es sollte allerdings spezifisch, objektiv und angemessen sein. Eltern sollen sich hier nicht nur auf positives Verhalten und Handeln des Kindes beziehen, sondern auch auf Negatives.
Eltern sollten dem Kind direkt und genau erklären, was ihnen am Verhalten in einer bestimmten Situation gefallen oder nicht gefallen hat. Dabei sollte man extreme Über- und Untertreibungen vermeiden. Diese wichtigen Informationen, die dem Kind vermittelt werden, beziehen sich auf sein eigenes Verhalten. Durch konkretes Feedback, hat das Kind die Möglichkeit sein Verhalten zu ändern.
- Das Kind zur Selbstständigkeit erziehen.
Das Kind muss lernen Verantwortung für seine Gefühle und Handlungen zu übernehmen. Eltern neigen oft dazu, sich für das Kind zu entschuldigen und es vor Konsequenzen zu schützen. Eltern neigen auch oft dazu es dem Kind leichter zu machen und schaffen mögliche Schwierigkeiten von Anfang an aus dem Weg. Das führt dazu, dass die Kinder denken, dass andere Leute ihre Probleme lösen. Dies beeinträchtigt die Entwicklung von Problemlösestrategien und Problembewältigungsstrategien.
Eltern sollten ihre Kinder demokratisch erziehen, nicht autoritär oder nachsichtig. Dies führt bei Kindern zu einem selbstkontrollierten und akzeptablen Verhalten.
- Als Elternteil Vorbild sein.
Das Kind bekommt Tag täglich mit, wie seine Eltern handeln, wie sie sich verhalten untereinander, zum Kind und zu anderen Menschen. Kinder imitieren gerne, deshalb sollten sich die Eltern ihrer Rolle als Vorbild für ihr Kind bewusst sein.
(vgl. BARMER/Mehr Zeit für Kinder e.V. : 2005, 30-32)
- Die Eltern sollen die Wahrheit zeigen.
Kinder sollen lernen ihre Situationen realistisch einzuschätzen. Sie können dies nicht erlernen, wenn Eltern verschwiegen oder bei echten Problemen unehrlich sind. Eltern sollten offen gegenüber ihrer Kinder sein. Sie sollten Gefühle zeigen, ihre Fehler nicht verstecken und keine Angst davor haben, seinen Kindern die Wahrheit zu sagen. (vgl. Lawrence E. Shapiro:1997, 90)
- Das Kind zum Optimismus erziehen.
Eine positive Einstellung des Kindes fördert sowohl die kindliche Selbsteinschätzung, als auch die Fähigkeit zur Problembewältigung. Ebenso ist Optimismus eine Möglichkeit, die Kinder gegen Depressionen und andere psychische Gesundheitsproblem zu wappnen.
Auch die Eltern selbst müssen optimistisch denken und optimistischer sein im Zusammenhang mit ihren Kindern. Wie oben schon erwähnt, lernen Kinder am Schnellsten durch Beobachten und imitieren. (vgl. Shapiro: 1997, 105)
- Dem Kind Benehmen beibringen.
Kinder werden täglich daran gemessen, wie sie sich verhalten und benehmen. Eltern können ihren Kindern Benehmen beibringen, indem sie es von ihnen erwarten. Eltern dürfen kein unhöfliches und respektloses Verhalten und Benehmen dulden. (vgl. Lawrence E. Shapiro: 1997, 189/190)
- Den Misserfolg erkennen und zu meistern.
Ein Kind kann Ausdauer nicht lernen, wenn es den Misserfolg nicht akzeptiert. Ein typisches Merkmal um Misserfolg aus dem Weg zu gehen, ist die Arbeit zu vermeiden. Sei es eine Prüfung oder ein Aufsatz.
Eltern sollten ihren Kindern beibringen auf die Bemühungen Wert zu legen nicht auf das Ergebnis. (vgl. Shapiro: 1997, 216-224)
Die Eltern nehmen eine wesentlich bedeutende Rolle als Emotionstrainer ihrer Kinder ein. Sie müssen ihren Kindern Kompetenzen und Fähigkeiten beibringen, lehren, vermitteln und zeigen, welche wichtig für ihr weiteres Leben sind. Emotionale Intelligenz benötigt jeder Mensch in jeder Lebenssituation. Es stellt sich nun die Frage, können Eltern in jeder Situation mit ihren Kindern emotional klug handeln und sich verhalten. Es ist harte Arbeit für die Eltern.
„Machen wir uns nichts vor: Die meisten Menschen sind unter Stress nicht dazu in der Lage, so besonnen vorzugehen. Sogar wenn wir erkennen, wie Konflikte entstehen, ist es noch ein langer Weg, bis es gelingt, unsere automatischen Handlungsmuster zu durchbrechen. Aber die Mühe lohnt sich!“ (BARMER/Zeit für Kinder e.V. : 2005, 51)
Ein typischer Fall:
Mutter und Kind haben einen Arzttermin. Die Zeit ist knapp, ein wichtiges Telefonat hält die Mutter länger als geplant auf. Jetzt muss das Kind „funktionieren“. Doch es ist so in sein Spiel vertieft, dass es nicht auf das Rufen der Mutter reagiert. Unter normalen umständen würde sich die Mutter freuen, dass ihr 6-jähriges Kind sich alleine beschäftigen kann. Sie würde es loben, weil es eine wunderschöne Phantasielandschaft aufgebaut hat. Nun aber ist alles anders. Der Stresspegel der Mutter ist zu hoch, um auf das Kind eingehen zu können. Sie erkennt nicht, dass das Kind nichts für die Verzögerung kann – und seinerseits einen Grund hat, wütend über die abrupte Unterbrechung des Spiels zu sein. Die Mutter schimpft und zieht das weinende Kind schließlich ungeduldig hinter sich her.
Wie würde eine bessere Lösung für unser Beispiel aussehen?
Die Mutter müsste
1. erkennen, was mit ihr selbst los ist: „Ich fühle mich unter Druck, weil ich den Termin nicht halten kann. Das Telefonat mit dem Bankberater hat mich aufgehalten. Ich hasse es zu spät zu kommen.“
2. verstehen, wie sich das Kind fühlt: Es ist ganz in seiner schönen Welt versunken, ahnt nichts von der Zeitnot der Mutter – und fühlt sich gestört. Klar, dass es selbst auch ärgerlich reagiert.
3. eine Lösung finden, die beiden gerecht wird: Die Mutter könnte beim Arzt anrufen und die Verspätung ankündigen, Vielleicht würde sie dann erfahren, dass die Praxis ohnehin voll ist und sich der Termin verschiebt. Jetzt könnte sie in Ruhe auf das Kind eingehen, seine aufgebaute Landschaft bestaunen und ihm mitteilen, dass es sein schönes Spiel leider trotzdem unterbrechen muss. Das Kind würde jammern und betteln, noch länger spielen zu dürfen, also müsste ein Kompromiss gefunden werden: „Wir lassen deine Landschaft so stehen. Ich freue mich, wenn du mir nach dem Arztbesuch erklärst, was du dir beim Bauen gedacht hast. Du kannst dann auch sofort weiterspielen, versprochen!“ Danach könnten die beiden wesentlicher entspannter aufbrechen. (BARMER/Zeit für Kinder e.V. :2005, 50/51)
1.1 Aktualität des Themas „Eltern als Emotionstrainer ihrer Kinder“
(Ann-Jana Schaller)
Beim Recherchieren über Arbeitsmaterialien und Broschüren über das Thema „Eltern als Emotionaltrainer ihrer Kinder“, wurde man bei Abfragen in Suchmaschinen des Internets speziell unter dem Stichwort „Emotionstrainer“ und „Emotionstrainer Eltern“ nicht fündig.
Bei allgemeiner gefasster Suche unter dem Stichwort „Elternberatung“, öffneten sich verschiedene homepages von Eltern- und Erziehungsratgebern. Auf diesen hompages waren auch keine Links zu dem Thema „Eltern als Emotionstrainer ihrer Kinder“ zu finden. Es ist allerdings eine Auflistung aller erzieherischen und psychologischen Institute in ganz Deutschland abzurufen. Aus dieser Fülle von Adressen, haben wir folgende ausgesucht und nachgefragt:
- Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern – Erziehungsberatung (in Gießen)
- Psychologische Beratung für Eltern, Kinder, Jugendliche und Familien (in München)
- Erziehungs- und Familienberatung (in Frankfurt)
- Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche (in Stuttgart)
- Psychologische Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche (in Karlsruhe)[1]
Bei diesen fünf Adressen haben wir angerufen und nach Broschüren für Eltern zu dem Thema „Eltern als Emotionstrainer ihrer Kinder“ nachgefragt. Bis auf die Institution in München, konnte uns keine Institution Informationen, Broschüren oder anderes Lesewerk empfehlen.
Die Psychologische Beratung in München hat uns das Buch „Kluge Gefühle“, von dem Verein „Mehr Zeit für Kinder“ herausgegeben, empfohlen. Das Thema und die Rolle der Eltern als Emotionstrainer wird in diesem Buch sehr detailliert und auch kindgerecht beschrieben. Es beinhaltet viele Zeichnungen und Bilder zur Anschauung des komplexen Themas.
Das empfohlene Buch konnte ich sehr gut in die Arbeit und Präsentation mit einbeziehen, da es genau die Rolle der Eltern trifft. Als Randbemerkungen im Buch sind auch viele Aussagen von Müttern und Vätern dargestellt und weiter im Text erläutert.
2. Elternratgeber zur Entwicklung emotionaler Intelligenz
(Patricia Lauth)
2.1 Literaturlage zum Thema
Im Gefolge des internationalen Bestseller „Emotionale Intelligenz“ von Daniel Goleman[2] sind eine Reihe von Sachbüchern geschrieben worden, die sich dem Thema Emotionale Intelligenz widmen.
Der Verbreiter des Begriffes „EQ“ oder „emotionaler Quotient“ definiert den Begriff als „diejenige Intelligenz, die sich in unserem Verständnis und unserer Handhabung menschlicher Gefühle zeigt“ (Goleman: 1997, Vorwort). Zur „emotionalen Intelligenz“ gehören laut Goleman „Selbstbeherrschung, Eifer und Beharrlichkeit, die Fähigkeit sich selbst zu motivieren“ gepaart mit der „Fähigkeit, Gefühlsregungen anderer zu erkennen“. Eine Reihe von Autoren haben sich seit Mitte der 90er Jahre auf den Weg gemacht, Konzepte und Anleitungen zu entwickeln, um Eltern in die Lage zu versetzen, bei ihren Kindern Selbstdisziplin, Fürsorge und Mitgefühl zu entwickeln. Die Autoren kommen vornehmlich aus den USA und sind fast ausschließlich Psychologen und Psychotherapeuten, die Erkenntnisse zum Teil eigener Studien bzw. Erfahrungen zum Teil eigener Praxis auf populärwissenschaftliche Art und Weise weitervermitteln. Populärwissenschaftlich deshalb, weil die Zielgruppe ihrer Bücher nicht ein kleines Fachpublikum sein soll, sondern an jeden pädagogisch interessierten Erwachsenen gerichtet ist. Anders als Goleman, der einen Überblick des Erkenntnisstandes und einen Überblick über Schulprogramme gibt, die den vorgefundenen Problemen zu begegnen suchen, sind die ihm folgenden Sachbücher als Ratgeber für Eltern, als konkrete Erziehungshilfe angelegt.
2.2 Gründe und Zielsetzungen der Autoren
Für die Verfassung der Bücher werden immer wieder drei Gründe genannt. Zum einen wird konstatiert, dass die bis dahin erschienenen Erziehungsratgeber zwar darauf eingehen, wie auf das Fehlverhalten des Kindes einzugehen sei, die diesem Verhalten zugrundeliegenden Gefühle aber nicht berücksichtigt werden (vgl. Gottman: 1998, 16). Des weiteren ist gerade Anfang der neunziger Jahre die Hirnforschung zu einer Reihe neuerer Erkenntnisse im Bereich der Erforschung von Emotionen gelangt, die es populärwissenschaftlich aufzuarbeiten galt. Drittens wird immer wieder resümiert, dass Gewalt unter und von Jugendlichen einen rapiden Anstieg erfahren hat. Gerade bei Kindern wird eine zunehmende emotionale Krise diagnostiziert, die in Depressionen mündet oder eine erhöhte Gewaltbereitschaft zur Folge hat. So verweist Goleman auf internationale Untersuchungen, die belegen, dass sich Depressionen epidemisch auszubreiten scheinen und mit Anpassungsschwierigkeiten an die sich rapide verändernde moderne Welt einhergehen (vgl. Goleman: 1997, 303). Gründe für die Zunahme an Depressionen im Kindesalter werden in folgenden Punkten gesehen: Die Scheidungsziffern steigen ständig, die Kernfamilie ist kein Hort der emotionalen Verlässlichkeit und emotionalen Sicherheit mehr. Die Eltern haben immer weniger Zeit für ihre Kinder, d.h. es bestehen weniger Chancen, von Eltern zu lernen. Darüber hinaus hat die Mobilität der Familien zugenommen, d.h. Quellen der Selbstidentifikation gehen verloren. Alles zusammengenommen erhöht die Anfälligkeit für Depressionen.
Goleman und Gottman verweisen auf Statistiken, die besagen, dass in den letzten Jahrzehnten die von Jugendlichen in den USA begangenen Gewaltverbrechen mit tödlichem Ausgang sich vervierfacht, die Selbstmordrate bei Jugendlichen sich verdreifacht und die Vergewaltigungsrate verdoppelt haben (vgl. Gottman: 1998, 11). Für Deutschland lässt sich laut Gottman ein Entwicklung in die gleiche Richtung beobachten. Gründe hierfür werden in der „Hektik, Labilität und Unbeständigkeit des Familienalltags“ (Goleman: 1997, 294) gesehen. Ein globales Problem hierbei ist, dass die Senkung der Lohnkosten die Familien wirtschaftlich unter Druck setzt. Es wachsen mehr Kinder in Armut auf. Die Ein-Eltern-Familie breitet sich mit immer höheren Scheidungsraten aus. Patch-Work-Familien stellen hohe emotionale Anforderungen an Kinder und Jugendliche.
Die Analyse des Zustandes der heutigen Jugend und deren Rahmenbedingungen führt die Autoren der Ratgeber zu der Überzeugung, dass emotionale und soziale Fähigkeiten eingeübt werden müssen (vgl. Shapiro: 1997, 9). Die Frage wer denn für dieses Einüben zuständig sei, wird einhellig beantwortet: Die Eltern. So verstehen die Ratgeber sich als konkrete Erziehungshilfe für Eltern, die mal mehr mal weniger als Praxishandbuch angelegt sind.
2.3 Literaturvergleich
Für die Betrachtung unterschiedlicher Annäherungen an das Thema soll im Folgenden das Buch von Lawrence E. Shapiro „Emotionale Intelligenz für Kinder: Beliebt und glücklich, nicht nur schlau“ und das Buch von John Gottman „Kinder brauchen emotionale Intelligenz - Ein Praxisbuch für Eltern“ verglichen werden.
Beide Bücher sind im Jahr 1997 erstmalig auf dem Markt erschienen und beide Bücher waren Bestseller. „Kinder brauchen emotionale Intelligenz“ wurde in jenem Jahr in Deutschland sogar zum Sachbuch des Monats ernannt. Deutsche Autoren wie Adelheid Müller-Lissner: („Nestwärme – Erziehung mit EQ, München 1998) oder Lemper-Pychlau / Weisser („Erziehen mit Gefühl, Freiburg 2002), die ebenfalls als Elternratgeber angelegt sind, erfuhren nicht die gleiche Aufmerksamkeit wie oben genannte Autoren aus den USA, weshalb auf sie in diesem Rahmen nicht näher eingegangen wird.
Das Buch von Gottman kann als `Train the Trainer´-Verfahren angesehen werden. `Train the Trainer´ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass es im Wesentlichen darum geht, Eltern zu befähigen, sozial und emotional etwas vermitteln zu können. Hierfür lässt Gottman im Verfahren der Selbstanalyse den Erziehungsberechtigten herausfinden, welchen Erziehungsstil er hat. Ein weiterer Test überprüft das emotionale Bewusstsein des künftigen Trainers, also eine Betrachtung des eigenen Gefühlslebens. Obgleich die Selbstanalyse als Vorrausetzung dafür, zunächst an sich selbst zu arbeiten von großer Bedeutung ist, erscheinen mir die konkreten Tests bei Gottman problematisch. Allzu offensichtlich ist bei den Fragen zu erkennen, was pädagogisch bzw. emotional erwünscht ist und was nicht. Das heißt, beim Durchführen des Tests tendiert man dazu das anzukreuzen, was als „political correct“ erkannt wird. Beide Tests sind diesbezüglich sehr durchsichtig. Insofern hinterlassen sie beim Leser ein unbefriedigendes Gefühl: Ich habe nicht wirklich etwas über mich erfahren, sondern sehr viel darüber, wie ich sein sollte. Durch seine Beschreibungen unterschiedlicher Erziehungsstile, der Darstellung eines optimierten Erziehungsstils und die Erklärungen zur Bedeutung von Empathie löst Gottman eine Selbstreflexion aus, die wichtige Grundlage dafür ist, die eigene Wahrnehmungsfähigkeit zu sensibilisieren und Handlungsalternativen zu reflektieren. Auch hier gilt, dass die Selbsterkenntnis der erste Schritt ist, bevor man das eigene Handeln verändern kann. Dass das eigene Handeln nach einem Fünf-Schritt-Verfahren im Umgang mit Emotionen des Kindes geändert werden muss, expliziert Gottman ausführlich im dritten Kapitel. Im vierten Kapitel offenbart Gottman die Grenzen seines Verfahrens, womit er unter Beweis stellt, dass seine Überlegungen zum Emotionstraining tatsächlich sehr nahe an der Realität sind. Hier wird allerdings auch deutlich, dass das Verfahren nur unter sehr eng gesetzten Bedingungen tauglich ist, nämlich wenn man nicht unter Zeitdruck steht, nur in einer Vier-Augen-Situation, wenn man ruhig und fit ist, um sich produktiv zu verhalten, wenn es sich um kleinere Fehlverhalten handelt, wenn das Gefühl des Kindes nicht vorgetäuscht ist. Die weiteren Kapitel dienen der Aufklärung der Eltern bezüglich dessen, was ihr emotionales Verhalten bei den Kindern bewirkt. Dies bezieht sich auf den Umgang mit Konflikten in der Paarbeziehung als auch auf die emotionale Bedeutung des Vaters für das Kind. Das letzte Kapitel enthält psychologische Grundlageninformationen zur emotionalen Entwicklung des heranwachsenden Kindes.
Wie ein roter Faden zieht sich folgender Ansatz durch das Buch: Was kann ich mit mir machen, um die emotionalen Rahmenbedingungen meines Kindes zu verbessern und auf diesem Wege einen Beitrag für dessen Entwicklung zu leisten.
Ganz anders bei Shapiro, der das Kind als zu steuerndes Objekt im Visier hat. Shapiro expliziert zunächst die Potentiale, die ein hoch entwickelter EQ bereithält. Dann befasst er sich mit einzelnen Elementen emotionaler Intelligenz: Fähigkeiten im Zusammenhang mit moralischem Verhalten, Denken, Problemlösung, soziale Interaktion, universitärer und beruflicher Erfolg, Kommunikationsfähigkeit und emotionale Kontrolle. Er führt das jeweils erwünschte Verhalten vor Augen und beschreibt Methoden, mit denen man dieses gewünschte Verhalten erzeugen kann oder aber um Emotionen zu steuern. Das Methodenarsenal umfasst „Tricks, Fertigkeiten, Gewohnheiten und Spiele“ (Shapiro: 1997, 14). Es geht bei Shapiro darum, dass an den Kindern und die Kinder an sich arbeiten. Er zitiert hierbei auch Anna Freud: „Das Spiel ist die Arbeit der Kinder“ (Shapiro: 1997, 15). Die Vorgehensweise von Shapiro ist in meinen Augen jedoch sehr manipulativ. So beziehen sich seine Methoden auf Punkte wie: „Wie man es vermeidet, von einer Gruppe abgelehnt zu werden“(Shapiro: 1997, 179) oder „Wie man ein optimistisches Kind heranziehen kann“(Shapiro: 1997, 100) oder „Wie man kindliches Handeln verändert, indem man kindliches Denken verändert“(Shapiro: 1997, 106) oder „Ein Problem als den <Feind> definieren“(Shapiro: 1997, 108) oder „Die Gehirnchemie verändern“(Shapiro: 1997, 107). Hier stellt sich meines Erachtens auch die Frage nach dem Menschenbild: Suche ich den aalglatten, immer gut gelaunten, niemals aneckenden, gesellschaftskonformen Menschen oder dürfen Menschen auch Ecken und Kanten haben, muss mein Kind es nicht jedem recht machen, überall dabei sein, darf es ein eigenes emotionales Profil haben. Shapiro „verkauft“ seine Methoden regelrecht: „Haben Sie erst einmal angefangen, werden sich die Dinge immer weiter zum Besseren verändern“(Shapiro: 1997, 37).Ein zweiter Kritikpunkt sind die recht realitätsfernen Übungen. Übungen, die in der Zweisamkeit und Ruhe einer Therapiesitzung durchaus gut durchgeführt werden können, im Alltag einer Familie, die zeitgleich unterschiedlichsten Bedürfnissen und Anforderungen ausgesetzt ist, kaum Umsetzungschancen haben. So stellt er eine Reihe von Arbeitsblättern vor, die mit dem Kind durchgegangen werden oder regelmäßige Familientreffen, in denen Themen systematisch abgearbeitet werden sollen.
2.4 Kritik
„Moralische Erziehung“, so Goleman, ist am wirksamsten, „wenn die Lektionen den Kindern im Verlauf realer Ereignisse beigebracht werden, nicht bloß als abstrakte Lektionen“(Goleman: 1995, 357). Diese Erkenntnis gilt auch für die moralische Erziehung von Eltern, die als Vorbilder und Mentoren agieren sollen. Dies verweist zugleich sogenannte Lernspiele in seine Grenzen. Schließlich ist alles nur ein Spiel, nicht der Ernstfall.
Erziehungsprogramme zur Prävention haben eine große Ausbreitung erfahren und auf dem Feld der Pädagogik eine eigene kleine Industrie entstehen lassen. Viele haben sich als unwirksam erwiesen, andere haben dem Auftreten der Probleme sogar Vorschub geleistet, z.B. Drogenkonsum und Teenagersex (vgl. Goleman: 1997: 322). Wenn es in unserem Fall darum geht, emotionale Intelligenz aufzubauen, können Eltern als Trainer in manchem Fall das Problem verschärfen. Kinder und Jugendliche, die in einer starken emotionalen Abhängigkeit zu ihren Eltern stehen, erleben, dass ihre emotionalen Handlungen wiederum von den Eltern gesteuert werden. Kinder, die ihre Eltern als sehr dominant empfinden, erleben das Emotionstraining wiederum als Instrument Macht über sie auszuüben. Kinder, die aufgrund der Erwartungshaltung ihrer Eltern unter Stress stehen, erleben im Emotionstraining diese Erwartungshaltung vom kognitiven auf den emotionalen Bereich ausgeweitet.
Wenn man sich als kritischer Leser nun die Frage stellt, wer wohl die Leute sind, die diese Bücher kaufen, so kommen folgende potentielle Adressaten in Betracht: Ganz allgemein pädagogisch Interessierte, fachwissenschaftlich Verbundene (z.B. Studenten, Lehrende, Lehrer), Eltern, die ihre Kinder als emotional ´verkorkst´ empfinden bzw. erleben oder Eltern, die ihre Kinder so weit als möglich steuern wollen, um das Optimum aus ihnen herauszuholen, häufig, um ihre eigenen ehrgeizigen Ziele zu befriedigen. Für die zuletzt genannten Adressatengruppen kann insbesondere das Buch von Shapiro als Manipulationswerkzeug fungieren. Der von Göppel zitierte „Marketing-Charakter“ (Göppel:1999, 566), ein von Erich Fromm beschriebener Menschentypus, als Ergebnis dieser erzieherischen Bemühungen, wirft hierbei seinen Schatten voraus. Hier ist dann zu fragen, ob Kinder oder Eltern sich nicht besser in professionelle Therapie begeben sollten, als auf dem Weg der Laienmanipulation ggf. Schlimmeres zu bewirken. Vielleicht wird mit diesen Ratgebern an Eltern im ein oder anderen Fall der ´Bock zum Gärtner´ gemacht.
Zu fragen ist auch: Was lernt das Kind oder der Jugendliche bei den praktischen Methoden: Ich kann mich kontrollieren aber auch ich kann andere manipulieren; oder: Freundschaft ist nichts spontanes, unbewusstes sondern etwas zielgerichtetes, bewusst herbeigeführtes.
Wenn die Autoren behaupten, soziale und emotionale Kompetenz würde im Wesentlichen im Elternhaus erlernt (vgl. u.a. Goleman: 1995, 240), zugleich aber konstatieren, die Kompetenzen in diesem Bereich seien massiv zurückgegangen, dann lässt dies zwei Schlüsse zu: 1. Die Kinder sehen ihre Eltern so wenig, dass diese Kompetenzen nicht mehr von den Eltern hinreichend vermittelt werden können; 2. Die Eltern verfügen selbst nicht über diese Kompetenzen. Im ersteren Fall ist es naiv zu glauben, dass die wenige gemeinsame Zeit nun hinreichend aufrüstbar sei, um die Kinder doch noch sozial und emotional auszustatten. Denn wenig Zeit führt häufig zu Stress und dieser ist eine schlechte Basis für häusliche Erziehungsprogramme. Im zweiten Fall ist es mehr als fraglich, ob fehlende soziale und emotionale Kompetenz beim Elternteil durch das Lesen eines Elternratgebers plötzlich hergestellt wird. Diese Eltern benötigen mindestens einen Kurs, um zu verstehen, einen weiteren, um sich zu verändern und noch einen, um Vermittlungsmethoden zu lernen. Da -abgesehen von der Frage der Verfügbarkeit finanzieller Mittel - die Bereitschaft von Erwachsenen in diesem Bereich zu lernen nicht erzwungen werden kann, darf die Frage aufgeworfen werden, ob es nicht ein effektiverer Weg ist, die Eltern ggf. von den Jungen lernen zu lassen. Das hieße, Kinder und Jugendliche müssten in Kindergarten, Schule oder Hort dafür fit gemacht werden.[3] Beispiele für Bewusstseinsbildung in die umgekehrte Richtung sind etwa die Bildung von Umweltbewusstsein oder von Ernährungsbewusstsein.
In einer Vielzahl von Untersuchungen ist bewiesen worden, dass die Art und Weise, wie Ehepartner mit den Gefühlen füreinander umgehen, eindrückliche Lektionen den Kindern vermitteln. Die hohe Scheidungsrate ist ein Indikator für ein Kompetenzdefizit bei Erziehungsberechtigten, was allerdings nicht heißt, dass jede nicht geschiedene Ehe über diese Kompetenzen verfügt.
Paare, die ihre Partnerschaft emotional kompetent zu gestalten wussten, vermochten auch im direkten Umgang mit ihrem Kind wirksamer zu helfen, wenn es darum ging, die Höhen und Tiefen kindlicher Gefühle zu bewältigen (vgl. Goleman: 1995, 240).
Das Buch als Medium der Erwachsenenbildung hat nach wie vor seinen Stellenwert, der in unserem thematischen Zusammenhang gut nutzbar ist. Gottman weist bei aller Kritik m.E. in die richtige Richtung, um die emotionale Kompetenz der Eltern im Wege der Selbstreflexion zu stärken. Die meisten Sachbücher, die darauf ausgerichtet sind, verkaufen sich jedoch über die thematische Verknüpfung mit beruflichem Erfolg[4]. Ein Buch kann m.E. sinnvoll bewirken, über ein Thema nachzudenken und auch sich selbst zu reflektieren. Es macht einen noch nicht zum besseren Umsetzer.
3. Umsetzung des EQ-Konzeptes
(Juliane Schäfer)
Wie schon in 2.3 erwähnt gibt es bei Gottman und Shapiro unterschiedliche Ansätze bei der konkreten Umsetzung des EQ-Konzeptes.
Während Shapiro ganz klar die Kinder im Auge hat wird der Fokus bei Gottman zuerst auf die Eltern, dann auf die Kinder gerichtet.
„Wie im Grunde jeder Weg zu persönlichem Wachstum beginnt auch der Weg zu besseren erzieherischen Fähigkeiten mit einer Überprüfung der eigenen Persönlichkeit.“ (Gottman: 1998, 53)
Da der Ansatz der Selbstanalyse bei Shapiro nicht aufgegriffen wird und wir Gottmann bezüglich seiner Meinung zur Persönlichkeitsüberprüfung als Grundlage weiterer Handlungen zustimmen können, sehen wir es als legitim, vor der konkreten Umsetzung des EQ-Konzeptes auf die Frage nach den individuellen Erziehungsstilen näher einzugehen. Nach Gottmann eignen sich grundsätzlich alle Eltern als Emotionstrainer, viele müssen jedoch zuerst gewisse Barrieren überwinden. Diese können aus dem Umgang mit Gefühlen im eigenen Elternhaus oder der Unfähigkeit den Kindern zuzuhören, resultieren (vgl. Gottman: 1998, 53).
Als Überprüfung der eigenen Persönlichkeit bietet Gottmann einen Test[5] zur Bestimmung des individuellen Erziehungsstiles an.
„Bei diesem Test geht es um Ihre Einstellung zu Traurigkeit, Angst und Wut, und zwar sowohl um Ihre eigenen Erfahrungen mit diesen Gefühlen als auch um die Reaktion auf entsprechende Gefühlszustände Ihrer Kinder. Bitte kreuzen Sie die Ihrer emotionalen Einstellung am nächsten kommende Alternative an, auch wenn Sie sich nicht eindeutig entscheiden können. Lassen sie sich durch die Menge der Fragen nicht abschrecken […]. Diese Ausführlichkeit garantiert, daß wir die meisten Aspekte jedes Erziehungsstils erfassen können.“ (Gottman: 1998, 54)
Der Unterschied zu anderen Erziehungsstilen (z.B. sieben Erziehungsstile nach Elder) ist, dass bei Gottman ganz klar die elterlichen und kindlichen Emotionen und die Handhabung damit, in den Mittelpunkt gerückt werden.
Es werden 81 Fragen formuliert, die jeweils mit Richtig oder Falsch beantwortet werden können (vgl. Gottman: 1998, 54-61).
Die Einteilung der Erziehungsstile differenziert sich in
- Eltern die zur Nichtbeachtung von Gefühlen neigen,
- Eltern die zur Missbilligung von Gefühlen neigen,
- Eltern die zu Laisser-faire und
- Eltern die sich im Sinne eines Emotionstrainings verhalten (vgl. Gottman: 1998, 62ff).
Wie schon in 2.4 erwähnt, gibt es vor allem an dem Test Kritikpunkte, die an dieser Stelle vorgebracht werden müssen.
Abgesehen davon, dass es oft offensichtlich ist welche Antwort im Sinne eines Emotionstrainings gut und richtig ist, hat man beim Beantworten den Eindruck, dass die Fragen nicht genau genug definiert und sehr allgemein gestellt sind und sich zudem teilweise wiederholen.
Bei den Fragen wird nicht zwischen Kindern unterschiedlichen Alters differenziert, sondern allgemein von „Kindern“ (vgl. Gottman: 1998, 54-61) gesprochen. Hierbei wird übergangen, dass sich Kinder in verschiedenen Entwicklungsstufen befinden können, zum Beispiel, wenn es darum, geht die Gefühle bewusst einzusetzen oder sich der Situation angepasst zu verhalten.
Um den Test auf seine Gültigkeit zu prüfen, habe ich ihn von zehn verschiedenen Person ausfüllen lassen. Die Personen waren unterschiedlichen Geschlechts und unterschiedlichen Alters. Nach der Auswertung wurde deutlich, dass bei allen der Erziehungsstil „Emotionstraining“ dominierte, wobei die drei anderen sehr weit dahinter lagen, jedoch unterschiedlich ausgeprägt waren.
Dieses Ergebnis unterstreicht die Aussage, dass man beim Durchführen des Testes dazu tendiert, die pädagogisch beste und damit erwünschte Antwort anzukreuzen.
Wenn man dann jedoch die angegebenen Beispiele zu den jeweiligen Erziehungsstilen durchliest, bekommt man mehr Aufschluss darüber, zu welcher Kategorie man sich am Besten zuordnen kann, weil anhand des Praxisbezugs schnell deutlich wird, zu welchem Verhalten man am ehesten neigt.
3.1 Nichtbeachtung
Wie der Name dieses Erziehungsstils schon aussagt geht es hier im Wesentlichen darum, dass Eltern dieser Kategorie dazu neigen, die Emotionen des Kindes zu ü bergehen, zu hemmen, nicht wahrnehmen und / oder herunterzuspielen.
Als Beispiel lässt sich hier das Verhalten eines Vaters aufgreifen, der seine Tochter regelrecht vergöttert und viel Zeit mit ihr verbringt. Wenn sie traurig ist versucht er sein Bestes, um sie zu verwöhnen (vgl. Gottmann: 1998, 68):
„Ich trage sie herum und frage sie ob sie irgendetwas braucht: >Willst du vielleicht fernsehen? Soll ich dir ein Video einlegen? Willst du rausgehen und spielen?< Ich schaue einfach ob ich die Sache wieder in Ordnung bringen kann.“ (Gottmann: 1998, 68)
Weitere typische Aussagen für diese Haltung sind:
„Ich gebe ihm einfach ein Eis, um ihn aufzumuntern; dann kann er die ganze Sache vergessen.“, „Jetzt lach doch mal wieder!“, „Ach, Willie, sei doch kein Baby“, „Das macht doch nichts.“ (Gottman: 1998, 70-74)
Manche Eltern spielen auch wenn kindliche Trauer oder Wut auftreten mit ihren Kindern oder versuchen sie z. B. durch Scherze von ihrem Gefühl abzulenken (vgl. Gottman: 1998, 74).
Die Auswirkungen die dieser Umgang mit Gefühlen auf die Kinder hat ist abzusehen. Sie lernen „das Gefühle falsch, unangemessen und wertlos sind“ und im zugespitzten Falle sogar dass mit ihnen etwas nicht stimmt wenn sie gewisse Gefühle entwickeln (vgl. Gottman: 1998, 65).
3.2 Missbilligung
Dieser Erziehungsstil wird als eine extreme Ausprägung des vorherigen beschrieben, bei dem Eltern die Emotionalität der Kinder sogar bewerten und kritisieren. Negative Gefühle werden als Ausdruck schlechter Charaktereigenschaften gesehen und sollten kontrolliert werden. Die Erziehung ist sehr auf Leistungs- und Verhaltensnormen ausgerichtet (vgl. Gottman: 1998, 65ff).
Wenn ein Kind wütend ist und mit dem Fuß auf den Boden stampft oder beim Schlafengehen weint, werden die begeleitenden Verhaltensweisen beschimpft und beurteilt: „ Da ist er bloß traurig, weil er ungezogen sein will; also achte ich nicht weiter auf ihn oder sag’ ihm, er soll sich zusammennehmen.“, „Timmi muss einfach lernen, so was nicht zu tun [aus dem falschen Grund traurig zu werden], deshalb erkläre ich ihm: <Hör mal, es bringt dir nichts, so rumzuhängen.>“ (Gottman: 1998, 76)
Viele Eltern sehen die Tränen der Kinder auch als Manipulations- oder Druckmittel an, worauf nicht eingegangen werden darf. Speziell bei Jungen besteht die Gefahr dass sie Angst oder Traurigkeit nicht zeigen sollen, um so nicht als „Schwächlinge“ oder „Heulsusen “ dazustehen. Zudem können Trauer und ähnliche „negative Emotionen“ als Zeit- und Energieverschwendung gesehen werden (vgl. Gottman: 1998, 67f).
3.3 Laisser-faire
Hierbei werden die kindlichen Gefühle zwar eher wahrgenommen, trotzdem aber mit einer passiven Haltung behandelt. Das Kind erfährt Akzeptanz und Trost, bekommt jedoch keine Hilfestellung bezüglich seinen Problemen und Emotionen (vgl. Gottman: 1998, 66f).
Ein Beispiel hierfür ist Louann, die um ihren Sohn besorgt ist, wenn ein anderes Kind gemein zu ihm ist. Ihre Reaktion auf diese Situation beschreibt sie so : „Ich versuche, ihm klarzumachen, dass ich ihn lieb habe, egal, was auch geschieht, und dass er unser ein und alles ist.“ (Gottman: 1998, 81)
Oft neigen auch Elternteile zu diesem Erziehungsstil, die in ihrer eigenen Kindheit oft geschlagen wurden oder ihre Wut und Enttäuschung nie äußern durften. „Ich will meinen Kindern vermitteln, dass sie brüllen und schreien können, soviel sie wollen.“ (Gottmann: 1998, 75-78)
Kinder deren Eltern solch ein Verhalten aufzeigen, lernen nicht ihre Emotionen zu regulieren, haben Konzentrationsprobleme und Schwierigkeiten soziale Kontakte zu schließen und zu halten (vgl. Gottman:1998, 67).
3.4 Emotionstraining
Die Gefühle des Kindes werden geschätzt, beachtet und respektiert. Sie dienen als Gelegenheit dem Kind näher zu kommen, ihm zu helfen und es ernst zu nehmen.
Die Kinder können so lernen, ihren Gefühlen zu vertrauen und „ihre Emotionen in den Griff zu bekommen“ (vgl. Gottman: 1998, 67f).
Die Gefühle werden nicht nur wahrgenommen - der Unterschied ist, dass hier die Eltern ihre Kinder „auf der Reise in die Welt der Emotionen bei der Hand nehmen“. Eltern dieser Kategorie haben ein stark entwickeltes Bewusstsein was ihre eigenen und die Gefühle ihrer Kinder angeht (vgl. Gottman: 1998, 83f) . Eine Mutter sagt über die Traurigkeit ihrer Tochter: „Das sind Zeiten, in denen ich sie einfach umarmen kann, in denen ich mit ihr rede und sie mir sagt, was sie auf dem Herzen hat.“ (Gottman: 1998, 84)
In dem negativen Gefühl des Kindes wird ein Wert gesehen, man ist bereit dem Kind Zeit zu widmen um sich seine Sorgen anzuhören. Obwohl oft klare Grenzen gesetzt werden, wird den Kindern beigebracht, ihre Wut auf eine nicht destruktive, sondern sinnvolle Art auszudrücken (z.B. Schlagzeug spielen, draußen ordentlich herumrennen). Es werden zwar alle Gefühle akzeptiert, jedoch nicht jedes Verhalten toleriert (vgl. Gottman:1998, 86-90).
„Wenn sie jetzt lernen mit kleinen Enttäuschungen umzugehen, dann werden sie wohl auch mit den größeren Enttäuschungen fertig werden, die später auf sie zukommen.“ (Gottman: 1998, 87)
Eltern mit dieser Einstellung haben keine Angst davor, ihre Gefühle vor den Kindern zu zeigen und sich auch mal für verletzende Handlungen oder Fehler zu entschuldigen.
Als eine Mutter entdeckte, dass ihre Tochter sie angelogen hat sagte sie: “Ich weiß, dass du mich angelogen hast und deshalb bin ich sehr enttäuscht und traurig. Ich glaube, du bist ein ehrlicher Mensch, aber jetzt weiß ich, dass du lügst. Ich will dir folgendes sagen: Wenn du bereit bist, mir die Wahrheit zu erzählen, will ich dich gern anhören und dir verzeihen.“ (Gottman: 1998, 90).
Studien belegen. dass emotional trainierte Kinder bezüglich schulischen Leistungen, Gesundheit und sozialen Beziehungen ungewöhnlich gut abschneiden. Sie besitzen ein gesundes Selbstbewusstsein, wodurch sie Gefahren und Herausforderungen gut meistern können (vgl. Gottman: 1998, 83-91).
3.5. Fünf Schritte des Emotionstrainings nach Gottman
Gottmann sieht als Basis des Emotionstrainings die Empathie gegenüber den Kindern. Kurz gefasst meint er damit die Fähigkeit, zu fühlen, was andere Menschen denken.
Eltern sollen sich bemühen, die Erfahrungen ihrer Kinder zu verstehen, was zur Folge hat, dass die Kinder wissen, die Eltern auf ihrer Seite zu haben. Die Kinder entwickeln dadurch Vertrauen und öffnen sich den Eltern, sind eines Tages vielleicht sogar dazu bereit, Vorschläge anzunehmen (vgl. Gottman: 1998, 98).
In den fünf Schritten des Emotionstrainings wird es im Folgenden darum gehen, Empathie in die Beziehung zu Kindern einzubringen, um so letztendlich ihre emotionale Intelligenz zu stärken.
Der erste Schritt beinhaltet das Bewusstmachen der kindlichen Gefühlswelt.
Grundlegende Vorraussetzung hierfür ist es, die eigenen Emotionen wahrzunehmen um dann „eine Antenne für die Emotionen anderer Menschen zu entwickeln“ (vgl. Gottman: 1998, 102).
Diese Fähigkeit ist kultur- und geschlechtsunabhängig, bei einem Test fand man heraus, dass Männer die gleiche empathische Begabung besitzen wie Frauen. Sie neigen nur eher dazu Emotionen zu verbergen, wobei diese im Gegensatz dazu von Frauen eher durch Worte, Mimik und Gestik ausgedrückt werden. Als Ursache hierfür wird die von den Männern “Härte“ fordernde Erwartungshaltung der Gesellschaft gesehen (vgl. Gottman: 1998, 103f).
Zur Selbstanalyse bietet Gottman zwei Tests an, die helfen sollen, das eigene Bewusstsein besser einzuschätzen. Speziell wird hierbei auf die beiden Faktoren Wut und Trauer eingegangen. Problematisch ist hier die Auswertung. Die Aussage „… Je höher das Gesamtresultat, desto größer ist Ihr Bewusstsein des Gefühls der Wut“ impliziert einen Vergleichsmaßstab, der hier nicht gegeben ist. Trotzdem regen die Tests zum Nachdenken über die eigene Sicht und den Umgang mit den beiden genannten Gefühlen an.
Zudem werden verschiedene Methoden, um sich auf seine Emotionen einzulassen, wie Meditation, Gebet, das Führen eines (Emotions-) Tagebuchs oder künstlerische Ausdrucksweisen wie Musik oder Zeichnen genannt. Dies alles fordert zwar ein gewisses Maß an Zeit und Alleinsein, was jedoch im Hinblick auf das Resultat durchaus in Kauf zu nehmen ist.
Wenn nun die kindlichen Emotionen in den Vordergrund rücken, ist vorab anzumerken, dass jedes Gefühl einen Grund hat, welcher jedoch nicht immer leicht zu entschlüsseln ist. Trotzdem ist es möglich, zum Beispiel durch die Art und Weise wie sich Kinder z.B. im Spiel ausdrücken oder durch das Betrachten der Situation, aus den Augen der Kinder hinter die Kulissen zu schauen. Oft weisen auch offensichtliche Erscheinungen wie Esssucht, Appetitverlust, Alpträume, Kopf- und Bauchschmerzen auf emotionale Schwierigkeiten hin (vgl. Gottman: 1998,121-127).
Im zweiten Schritt des Emotionstrainings geht es um das Erkennen der Möglichkeit, die Emotionen des Kindes als Gelegenheit zu Nähe und Unterweisung zu nutzen.
Ein erregtes Kind zu beruhigen oder zu trösten hilft dabei, sich als Vater oder Mutter zu fühlen. Sinnvoll ist, es schon bei schwächer ausgeprägten Emotionen auf das Kind einzugehen, damit es nicht erst zu einer echten Krise kommen muss. Dabei können in der Familie Fertigkeiten, wie gegenseitiges Zuhören und Problembewältigung, geübt werden (vgl. Gottman: 1998,128f).
Im dritten Schritt wird dazu angeregt, dem Kind mitfühlend zuzuhören und seine Gefühle zu bestätigen. Neben dem akustischen Hören sollte auch visuell darauf geachtet werden, welche physischen Signale das Kind aussendet. Sowie die Körperhaltung des Kindes Aufschluss über sein Befinden geben kann, vermittelt auch die Körperhaltung des Elternteils während des Gesprächs eine indirekte Botschaft an das Kind. Deswegen sollte man sich während der Interaktion mit dem Kind auf der selben Augenhöhe befinden, sich entspannen und konzentrieren. Beim Gespräch über Gefühle sollte zudem auf eine geeignete Fragestellung geachtet werden. Es ist besser, den Austausch einfacher Beobachtungen zum Gesprächseinstieg zu nutzen, als abstrakte Fragen wie „Warum bist du denn traurig?“ zu stellen. Vielleicht hilft es dem Kind auch sich verstanden zu fühlen, wenn gegebenenfalls von eigenen Erfahrungen berichtet wird (vgl. Gottman: 1998, 126-129).
Unkompliziert und trotzdem wesentlich ist, dem Kind zu helfen seine Gefühle in Worte zu fassen. Im vierten Schritt geht es um eben diese Hilfe, die Kindern gegeben werde soll, damit sie unbestimmbare, bedrohliche und unangenehme Gefühle in etwas Benennbares verwandeln können. Wie Untersuchungen erwiesen haben, hat das Benennen eine beruhigende Wirkung auf die Nerven und hilft Kindern sich rascher von Vorfällen zu erholen, die sie verstört haben. Im Hinblick darauf ist es durchaus hilfreich für Kinder, ihnen zu helfen einen Wortschatz zu entwickeln, mit dem sie ihre Gefühle durch Worte ausdrücken können (vgl. Gottman: 1998, 136f).
Im fünften Schritt sollen nun während dem akuten Problemlösungsprozess dem Kind Grenzen gesetzt werden.
Die Eltern müssen darauf achten nicht jedes Verhalten zu tolerieren, ohne dabei die kindlichen Wünsche zu beschneiden. Es ist wesentlich, dass das Kind merkt, dass nicht die Gefühle das Problem darstellen, sondern sein unangemessenes Verhalten.
Die Regeln und Grenzen sollten „die Kindlichkeit des Kindes unangetastet lassen“, jedoch individuell und nicht zu tolerierend sein.
Für Kinder zwischen drei und acht Jahren bietet sich hier die so genannt „Auszeit“ an (vgl. Gottman: 1998, 138-143).
Korrekt angewendet, geht es darum, die Kinder kurzfristig von positiven Interaktionen mit ihren gleichaltrigen wie auch erwachsenen Bezugspersonen auszuschließen (Gottman: 1998, 141). Wenn diese Methode richtig angewendet wird, kann sie Kindern dabei helfen, ihr falsches Verhalten zu beenden und sich zu beruhigen.
Eine umstrittene und nicht unbedingt sinnvolle Methode ist es, die Kinder durch Schläge zu bestrafen.
Wichtig ist es auch, dem Kind dabei zu helfen über das Lösen möglicher Probleme nachzudenken, sofern welche Vorhanden sind. Unterstützend wirken sich hier Rollen- oder Phantasiespiele aus, bei denen die Kinder eine Ausdrucks- und Übungsmöglichkeit bekommen. Eher ältere Kinder sind hier auch in der Lage durch ein von den Eltern unterstütztes Brainstorming kreative Möglichkeiten zu entwickeln, um den Konflikt zu lösen.
Abschließend lässt sich sagen, dass es verschiedene Dinge gibt, die unbedingt vermieden werden müssen, um emotionales Training nicht zu blockieren.
Dazu gehören zum Beispiel übertriebene Kritik, demütigende Kommentare und Spott. Falsch ist es auch, mit dem Feind „gemeinsame Sache zu machen“.
Hingegen sollte man immer ehrlich sein, geduldig, das Kind oft loben und bestärken. (vgl. Gottman: 1998, 142-174).
Gottman sieht Emotionstraining als unangebracht, „wenn Sie in Zeitruck sind“, „vor Publikum“, „wenn Sie zu aufgebracht oder zu müde sind, um sich produktiv zu verhalten“, „wenn es darum geht, ein schwerwiegendes Fehlverhalten anzusprechen“ oder „wenn Ihr Kind ein Gefühl vortäuscht, um Sie zu manipulieren“ (Gottman: 1998, 175-184).
Hier wird deutlich, dass es sehr schwierig ist, richtige Situationen zur Anwendung des Trainings zu finden. Vor allem Zeitdruck ist ein dominierender Faktor der die westliche Gesellschaft bis in die „kleinste Zelle“, die Familie, durchdringt.
4. Eltern trainieren ihre Kinder: Spiele und Übungen zur Förderung emotionaler Intelligenz
(Ina Schuchardt-Groth)
In den auf dem Markt üblichen Erziehungsratgebern für Eltern im Themenkomplex “Förderung von emotionaler Intelligenz bei Kindern“ findet man neben Hinweisen auf eine bestimmte innere Haltung der Eltern (die auch in Programmen trainiert werden kann – vgl. Gottman) auch konkrete Vorschläge, wie im Alltag die emotionale Intelligenz von Kindern durch Spiele und Gespräche gefördert werden kann.
In allen Ratgebern, die Spiele und Übungen vorschlagen, geht man von der These aus, dass emotionale Intelligenz durch die Eltern bildbar und beeinflussbar ist.
Gemeinsam haben diese Vorschläge, dass sie kaum ein besonderes Arrangement benötigen, sondern vielmehr aus dem Alltag entspringen und dort auch unkompliziert und spielerisch eingesetzt werden können: „Wir nehmen die EQ-Spiele immer mit zum Zahnarzt. Während ein Kind behandelt wird, übe ich im Wartezimmer mit dem anderen. Seitdem gehen meine Kinder gerne zum Zahnarzt.“ (Rich, Klappentext).
4.1 Zwei Bestseller: Dorothy Rich: „Lernspiele für den EQ“ und Lawrence E. Shapiro: „EQ für Kinder“
Dorothy Rich entwickelte in den 90er Jahren in den USA ein Programm, das die sogenannten „Megaskills“ spielerisch trainiert. „Mega“ im Sinne von riesig, wichtig und „skills“ als Wort für das deutsche “Einstellungen“ oder „Fähigkeiten“ meint also Eigenschaften und Kompetenzen, die als besonders wichtig für den Lebenserfolg eines Kindes angesehen werden. Unter Megaskills versteht Rich: Selbstvertrauen, Motivation, Disziplin, Verantwortung, Initiative, Ausdauer, Fürsorge, Teamgeist, gesunden Menschenverstand, Problemlösungsverhalten und Konzentration. Sie seien das „Gerüst des Lernens“ und eine „erzieherische Basis“ (Rich, 2001, 12).
Bei Lawrence Shapiro findet sich hingegen weniger ein geschlossenes Programm, das Kinder zielführend zu emotional intelligenten Menschen macht. Dennoch wird auch hier die emotionale Intelligenz in verschiedene Unterpunkte eingeteilt, die sich zum Teil mit den Megaskills decken, wie etwa „Problemlösungsverhalten“, Motivation“, etc. Auch Shapiro ist der Meinung, dass diese Punkte trainiert werden können und sollen.
Die Beherrschung dieser Fähigkeiten wird über das Erlernen von Wissen, das zeitabhängig erfolgt, gestellt. Megaskills – auch soft kills genannt- seien geistige Fähigkeiten höherer Ordnung, die Kinder befähigen sollen, sich besser im Leben zurecht zu finden; im Vordergrund steht der berufliche und persönliche Erfolg.
4.1.1 Beispiele
Die vorgeschlagenen Übungen und Spiele – auch Lernrezepte genannt- haben gemeinsam, dass sie Situationen aufgreifen, wie sie ohnehin im Alltag mit Kindern entstehen und nehmen diese zum Anlass, eine bestimmte Fähigkeit verstärkt zu trainieren.
Zur Stärkung des Selbstvertrauens etwa schlägt Rich folgende Übungen vor:
Gemeinsam mit einem Elternteil soll das Kind beispielsweise eine Liste mit wichtigen Telefonnummern anlegen, um im Notfall Hilfe rufen zu können. Überhaupt kann der Umgang mit dem Telefon schon frühzeitig geübt werden: die eigene Nummer kennen und aufschreiben, ab ca. 10 Jahren Informationen beschaffen etc. Zur Stärkung des Selbstvertrauens trägt auch ein realistisches Selbstbild bei, das man „künstlerisch“ darstellen lassen kann, wobei die positiven Eigenschaften hervorgehoben werden sollen. Auch die Verankerung im System Familie und die Wertschätzung der einzelnen Familienmitglieder kann durch das gemeinsame Anlegen von Fotoalben, dem Herstellen eines Mobiles etc. gestützt werden.
Einen besonderen Stellenwert in den Lernprogrammen hat das Problemlösungsverhalten. Da in jedem Kind die Fähigkeit, Probleme von verschiedenen Seiten anzugehen, angelegt ist (vgl. Shapiro: 139 ff), gilt es, diese Fähigkeit auszubauen und zu üben. Shapiro schlägt ein Brainstorming-Spiel für Kindergartenkinder vor, in dem für ein zunächst unsinniges Problem („was kann man alles mit dem Papierkorb anstellen“) so viele Lösungen wie möglich gesucht werden. Im anschließenden Gespräch werden die besten Lösungsmöglichkeiten diskutiert. Ist das Spiel einmal eingeübt, können „echte“ Probleme zum Gegenstand des Spiels werden.
Rich hält es für wichtig, mögliche Problemsituationen im Gespräch antizipatorisch zu klären. Beispielsweise der Frage nachzugehen wie sich ein 6-jähriges Kind helfen kann, wenn es beim Einkaufen die Eltern im Gewimmel verliert (vgl. Videofilm). Um die Offenheit im Problemlösungsverhalten beizubehalten ist es beiden Autoren außerdem wichtig, eine Kultur der Neugierde in den Familien aufrecht zu erhalten: die Kinder sollen ermutigt werden, über Fragestellungen aller Art offen nachzudenken.
Zentrale emotionale Kompetenz ist jedoch die Empathiefähigkeit: Kinder sollen möglichst frühzeitig lernen, sich in die Gefühlswelt eines anderen hineinzuversetzen. Dabei ist zu beachten, dass die Entwicklungsstufen von Kindern auf jeder Stufe nur eine gewisse Empathiefähigkeit zu lassen (Im Videofilm ist dies deutlich zu beobachten: Kinder über 6 Jahre können sich viel leichter in eine andere Person hineinversetzen (vgl. auch Shapiro: 1999, 59)). Rich schlägt u.a. vor, die Kinder eine andere Person möglichst differenziert zeichnen zu lassen und im Gespräch zu überlegen, was diese Person gerade tut, wie sie sich dabei fühlt etc. (vgl. Videofilm). Shapiro meint, dass eine bestimmte deutliche Erwartungshaltung der Eltern die Kinder zu empathischerem Verhalten animiert, ebenso natürlich das Vorbild der Eltern, das sich schon in mehr Freundlichkeit -die sich im Umgang unter den Familienmitgliedern spiegeln wird- ausdrücken kann.
4.2 Kritik
Bei der Analyse der vorgeschlagenen Übungen und Spiele für Eltern und Kinder zur Förderung emotionaler Intelligenz sticht eine Eigenschaft besonders hervor: sie entpuppen sich nicht als „etwas Besonderes“, nicht als Spiele mit Regeln, die man als Erwachsener vielleicht auch erst erlernen muss, sondern im Gegenteil eher als banal und „sowieso da“. Im Gespräch mit den Eltern im Film finden sich auch einige dieser Situationen wieder – auf Nachfragen hat aber kein Elternteil angegeben, diese Situation verstärkt zu trainieren (und schon gar nicht beim Zahnarzt), jedenfalls nicht als Ziel, das in einem bestimmten Zeitabschnitt erreicht werden soll. Vielmehr ergab sich, dass Eltern im Alltag ähnliche Situationen nutzen, um ähnliche Verhaltensweisen anzusprechen, manchmal vielleicht auch zu trainieren: So ist die Abfolge, einem Kind die Erstbegegnung mit einer neuen Gruppe zu erleichtern, immer die gleiche: erst geht die Mutter zusammen mit dem Kind, im Gespräch wird das Geschehen in der Gruppe kommentiert, dann kommt vielleicht eine Freundin mit und schließlich ist das Kind in der Lage, ohne negative Gefühle in der Gruppe mitzumachen. Rat holen sich Mütter dabei eher in Elterngesprächen auf dem Spielplatz.
Eine im hiesigen Verständnis von häuslicher Kindererziehung eher ungewöhnliche Haltung ist wohl auch die den amerikanischen Ratgebern zugrunde liegende Einstellung, dass Eltern ihre Kinder emotional intelligenter MACHEN können. Vorwerfen könnte man den Autoren, dass dies gewissermaßen einer Manipulation gleichkommt, die von Kindern nicht zu kontrollieren ist. Vor dem Zeithintergrund interpretiert könnten solche Ansätze aber eine Antwort auf den antiautoritären permissiven Erziehungsstil sein, der seit den 70er Jahren in bestimmten Elternkreisen bevorzugt wurde.
Vielleicht hat diese Ansammlung von Spielideen aber einen anderen Wert: in der Lektüre nämlich schärft sie den Blick für genau diejenigen Situationen, die zur Förderung der emotionalen Kompetenzen genutzt werden können. Sie beschreibt außerdem immer wieder eine bestimmte notwendige Haltung der Eltern, die eher eine das Kind fordernde und sehr aufmerksame ist und weniger eine nachgiebige, nachlässige. Und schließlich gibt sie eine Idee von Erziehung: Erziehung ist nicht nur beobachtend und passiv, sondern eine Aufgabe, die Eltern aktiv fordert und in dessen Umfeld Hilfestellung und Veränderung nötig und möglich ist.
5. Fazit
Mit der Umsetzung des EQ-Konzepts in aktuellen Eltern-Ratgebern wird ein spezifisches Eltern-Kind-Verhältnis zugrunde gelegt. Dieses zeichnet sich im besten Fall durch aktive und bewusste Auseinandersetzung mit dem Kind, sowie Interesse und Aufmerksamkeit ihm gegenüber aus. Wichtiger Bestandteil hiervon ist ein objektives und angemessenes Eltern-Feedback an das Kind. Dies muss jedoch auf Basis einer Wertschätzung des Kindes durch die Eltern erfolgen. Diese Wertschätzung ist gekennzeichnet durch Liebe, Akzeptanz, Zuneigung und Respekt. Nur vor diesem Hintergrund kann es dem Kind gelingen, ein positives Selbstbild zu entwickeln. Für die Eltern ergibt sich daraus u.E. eine Schutzfunktion, die das Eltern- Kind-Verhältnis kennzeichnet. Da im kindlichen Entwicklungsverhalten das Imitieren eine große Rolle spielt, scheint eine zweite Funktion im zugrundegelegten Eltern- Kind-Verhältnis vorgegeben: die Vorbildfunktion. Der Umgang mit Gefühlen muss demnach in der Partnerschaft, in der Familie und im Umgang mit anderen Menschen vorgelebt werden. Hierauf baut die emotionale Entwicklung des Kindes auf.
Sinnvoll erschien uns deshalb die Befassung mit Erziehungsstilen sowie die Auseinandersetzung darüber, wie mit Gefühlen wie Wut und Trauer umgegangen wird. Eine Möglichkeit hierfür sehen wir in Selbstanalysetests, wobei wir die konkret von Gottman vorgestellten Tests – wie in der Hausarbeit dargelegt - kritisch beurteilen. Die Selbstanalyse führt aber in jedem Fall zur Selbstreflexion, welches die Voraussetzung dafür ist, am eigenen emotionalen Verhalten zu arbeiten. Bei dem Vergleich von Elternratgebern erschien uns das Buch von Gottman als das Brauchbarste. Dies liegt ganz wesentlich in der vorgesehenen Selbstanalyse und der angeregten Selbstreflexion begründet. Der Ansatz `Train the Trainer´ erschien uns in diesem Zusammenhang überzeugender, als der Ansatz von Shapiro, unabhängig von den eigenen Kompetenzen in diesem Bereich, allein die Kinder als zu Erziehende in den Fokus zu nehmen im Sinne eines `Train the Child´. Bei der Bearbeitung des Themas drängte sich für uns die grundsätzliche Frage auf, welches Menschenbild mit den Ratgebern vermittelt wird. Das aus unserer Sicht manipulative Vorgehen Shapiros empfinden wir als problematisch.
Spiele als eine kindgemäße Methode sich dem Thema zu nähern, erachten wir für sinnvoll, insbesondere zur Sensibilisierung und Reflexion der Kinder. Es wäre jedoch u.E. ein Trugschluss zu glauben, dass die Spielsituationen ohne weiteres auf die Wirklichkeit übertragen würden. Die Methode Spiel erscheint uns insbesondere sinnvoll in größeren Kindergruppen, wie sie z.B. in der Erziehungsinstitution Schule anzutreffen sind.
Für die Eltern ist u. E. die Vorbildfunktion der Dreh- und Angelpunkt zur Entwicklung emotional intelligenter Kinder, eine Erkenntnis, die nicht gerade neu ist. Man darf sich fragen, inwieweit hier `alter Wein in neuen Schläuchen´ verkauft wird. Eine weiter gefasste Funktion der Eltern, nämlich die als Emotionstrainer ist nur sehr rudimentär umsetzbar, da hierfür – wie Gottman selbst darlegt – eine Vielzahl von Bedingungen erfüllt sein müssen, die in dem heute von ständigem Zeitdruck geplagten Alltag einer Familie seltener erfüllt werden, als je zuvor. Nicht selten sind die Eltern selbst in Konflikte mit ihren Kindern emotional verwickelt, so dass sie der geforderten Trainerrolle nicht gerecht werden können. Die emotionale Abhängigkeit der Kinder gegenüber den Eltern birgt darüber hinaus eine Reihe von Gefahren. Am Ende scheint im Elternratgeber allein das Potential zu liegen, dass Eltern reflektierter mit ihren eigenen Emotionen umgehen, was kein geringer Beitrag wäre zur Stärkung der emotionalen Kompetenz ihrer Kinder.
6. Literatur
BARMER/Zeit für Kinder e.V. (2005): Kluge Gefühle – Familienratgeber zur Förderung der emotionalen Intelligenz. Mehr Zeit für Kinder/BARMER
Goleman, Daniel (2000): Emotionale Intelligenz. München
Göppel, Rolf u.a. (2003): Bildung der Gefühle – Innovation? – Illusion? – Intrusion?. Gießen
Gottman, John (1997): Kinder brauchen emotionale Intelligenz. München und Zürich
Rich, Dorothy (2001): Lernspiele für den EQ. München
Shapiro, Lawrence E. (1997): EQ für Kinder – Wie Eltern die Emotionale Intelligenz ihrer Kinder fördern können. München
www.wikipedia.org: „emotionale Intelligenz“
www.freizeit-und-familie.de
www.zeitzuleben.de
www.bke-elternberatung.de
7. Anhang
Erläuterungen zum Film
Als Mutter dreier Kinder stehe ich täglich in Situationen, in denen emotional intelligentes Handeln erforderlich ist : sowohl von Seiten der Kinder als auch von Seiten der Eltern.
In der Beschäftigung mit unserem Thema stellte sich mir die Frage, inwieweit Eltern denn nun wirklich ihr Handeln in Bezug auf die Förderung der „emotionalen Intelligenz“ ihrer Kinder reflektieren oder bewusst anlegen.
In Gesprächen mit Eltern, mit denen ich im Alltag zusammen treffe ergab sich –für mich überraschend-, dass dies viel häufiger ein Thema ist als ich angenommen hätte. Zwar weniger unter dem Begriff „emotionale Intelligenz“, wohl aber in der Überlegung, wie ich meinem Kind helfe, sich in dieser oder jener Situation besser zurecht zu finden, wohler zu fühlen, positiver eingestellt zu sein etc.
Der nun folgende/beiliegende Videoclip entstand bei mir zu Hause. Er zeigt zunächst zwei der Übungsvorschläge, die Eltern ohne größeres Arrangement mit ihren Kindern durchführen können. Anschließend eine Diskussion zwischen den Eltern, durch impulsgebende Fragen meinerseits einige Bereiche unseres Themas abdeckend.
1) Hast du mit dem Thema „emotionale Intelligenz“ schon einmal zu tun gehabt?
2) In welchem Zusammenhang?
3) Spielt emotionale Intelligenz in deinem Erziehungskonzept eine Rolle?
4) Welche erzieherische Einstellung braucht es deiner Meinung nach, um deine Kinder zu emotional intelligenten Menschen zu erziehen?
5) Hast du dir schon einmal Rat und Hilfe in einem Ratgeber/einer Zeitschrift zum Thema geholt?
Die Eltern sind zwischen 35 und 40 Jahren alt, alle in höher qualifizierten Berufen tätig. Deren Kinder sind zwischen 4 und 7 Jahren alt – wie in der Literatur auch für diese Übungen empfohlen.
[...]
[1] www.bke-elternberatung.de
[2] Die erste deutschsprachige Ausgabe erschien 1995, dem Erscheinungsjahr des Buches in den USA.
[3] vgl. Erlebnisbericht zur Veränderung der Tochter-Mutter-Beziehung bei Goleman, S. 354
[4] siehe Bücherauflistung bei Stichwort-Recherche “Emotionale Intelligenz” unter amazon.de
[5] siehe Anhang
- Citation du texte
- Schäfer (Auteur), Schaller (Auteur), Lauth (Auteur), Schuchardt-Groth (Auteur), 2005, Eltern als Emotionstrainer ihrer Kinder? Lernspiele für den EQ? Umsetzung des EQ-Konzepts in aktuellen Elternratgebern, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56208
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