In dieser Seminararbeit sollen die Grundgedanken Pythagoras’ und des Pythagoreismus’ beschrieben werden, wobei der Schwerpunkt auf der Musikauffassung liegt. Diese läuft aber mit der jeweiligen Weltanschauung kongruent. Die Einheit der Ideen „Zahl“, „Himmel“ und „Harmonie“ stand im Zentrum der (antiken) Auffassung. Im Laufe der Jahrhunderte geriet aber immer mehr die mathematische Seite der Musiktheorie in den Vordergrund der Rezeption. Um die Arbeit abzurunden, werden zusätzlich noch die Gegenströmungen kurz beleuchtet. Vor allem die Anschauung von Aristoxenos, die sich ebenfalls wie ein roter Faden durch die Musikgeschichte zieht, soll als Antipode vorgestellt werden. Demnach stehen die Sinne des Menschen über dessen Ratio. Auch die Unterteilung der Oktave in die einzelnen Ganztöne gestaltet sich bei Aristoxenos grundsätzlich anders.
Gliederung
1. Abstract
2. Probleme bei der Überlieferung
3. Pythagoras und seine Schule
3.1 Pythagoras
3.2. Die Schule in Unteritalien
4. Pythagoreismus
4.1. Antike
4.2. Bei Platon
4.3. Spätantike, Mittelalter und Renaissance
4.4. Von Barock bis zum 20. Jh.
5. Gegenströmungen der antiken Musiktheorie
6. Literaturverzeichnis
1. Abstract
In dieser Seminararbeit sollen die Grundgedanken Pythagoras’ und des Pythagoreismus’ beschrieben werden, wobei der Schwerpunkt auf der Musikauffassung liegt. Diese läuft aber mit der jeweiligen Weltanschauung kongruent. Die Einheit der Ideen „Zahl“, „Himmel“ und „Harmonie“ stand im Zentrum der (antiken) Auffassung. Im Laufe der Jahrhunderte geriet aber immer mehr die mathematische Seite der Musiktheorie in den Vordergrund der Rezeption.
Um die Arbeit abzurunden, werden zusätzlich noch die Gegenströmungen kurz beleuchtet. Vor allem die Anschauung von Aristoxenos, die sich ebenfalls wie ein roter Faden durch die Musikgeschichte zieht, soll als Antipode vorgestellt werden. Demnach stehen die Sinne des Menschen über dessen Ratio. Auch die Unterteilung der Oktave in die einzelnen Ganztöne gestaltet sich bei Aristoxenos grundsätzlich anders.
2. Probleme bei der Überlieferung
Pythagoras selbst hinterließ keine Schriften und hatte darüber hinaus auch noch von den Mitgliedern seiner Schule absolute Verschwiegenheit verlangt. (Die pythagoreische Pseudoepigraphen stammen wahrscheinlich aus dem frühen 2.Jh.v.Chr..) So existieren heute nur indirekte antike Quellen, die außerdem einige Jahrzehnte oder Jahrhunderte nach Pythagoras’ Leben verfasst wurden. Die drei groß angelegten Viten stammen zum Beispiel alle aus dem dritten Jahrhundert n.Chr., allerdings beziehen sie ältere Texte mit ein:
In seiner „Zusammenstellung von Biographien und Lehrmeinungen berühmter Philosophen“[1] berichtet Diogenes Laertios (1. Hälfte des 3. Jh.s. n.Chr.) im achten Buch über Pythagoras. Ebenso schrieb Porphyrios (ca. 234 – 300 n.Chr.) eine „Philosophiegeschichte“ aus der nur die „Vita Pythagorae“[2] erhalten geblieben ist. Eine Darstellung der pythagoreischen Lebensform und dessen Leben verfasste auch Iamblichos von Chalkis (275 – 330 n.Chr.).[3]
Neben diesen Biographien existiert auch eine höchstwahrscheinlich fiktive, 400 Verse lange Rede des Pythagoras von Ovid (43 v.Chr. – 17 n.Chr.) in poetischer Freiheit im 15. Buch der Metamorphosen.
Bei Überlieferungen über einen so langen Zeitraum zurück ist es nicht verwunderlich, dass die Geschichten von und um Pythagoras im Laufe der Jahrhunderte immer weiter ausgeschmückt wurden. Die sogenannte Schmiedelegende wurde beispielweise in der Spätantike hinzugefügt und zwischen der Person Pythagoras und der Person Jesus Christus wurden im Laufe der Zeit immer häufiger Parallelen gezogen.[4] Pythagoras wurde zum Mythos hoch stilisiert: Er wäre ein Hellseher, Wahrsager, Heiler und Wundertäter gewesen, hätte goldene Schenkel gehabt,[5] hätte in unzähligen Reinkarnationen[6] gelebt, mit Göttern und göttlicher Natur kommuniziert[7] und wäre zur Bilokation[8] fähig gewesen.
Seriösere Informationen erhält man in den Schriften von Platon[9] und Aristoteles,[10] die aber die pythagoreischen Lehren in ihre eigenen Werken miteingeflochten und sie dadurch zum Teil uminterpretiert haben.
3. Pythagoras und seine Schule
3.1 Pythagoras
Pythagoras wurde um 570 v. Chr. auf Samos geboren und erhielt eine umfassende Ausbildung, die er auf seinen ausgedehnten Reisen nach Ägypten, Babylonien und Persien vervollständigte. In manchen antiken Quellen werden auch Studien bei Phöniziern, Chaldäer, Juden, Kelten und Iberern erwähnt. So zählte er zu den gefragtesten Mathematikern, Physikern und Astronomen der Zeit und lange darüber hinaus. In der Antike standen diese Wissenschaften nicht im Gegensatz zur Naturphilosophie, Religiosität und Kult. Der Philosoph und Astronom Anaximander (um 610 – 547) war ein berühmter Lehrer des Pythagoras, der in weiten Teilen dessen Grundgedanken der physikalischen Kosmologie als geordnetes Ganzes und die Ideen vom Apeiron, vom Allumfassenden-grenzenlos-Unbestimmbaren, und von der Arché, der Frage nach dem Anfang des Unbegrenzten, übernahm. Neben den Einflüssen der indischen Mystik spielten vor allem die der Orphik eine wichtige Rolle.[11] Die Zauberkraft der Musik nimmt darin einen zentralen Platz ein.
Wieder zurück in Samos geriet Pythagoras in politische Opposition zum herrschenden Tyrannen Polykrates und entschloss sich um 530 nach Kroton, den griechisch kolonisierten Teil Unteritaliens, auszuwandern. Dort gründete er seine sektenartige Organisation, der er als Prophet oder als Guru vorstand. Sein politisches Engagement, seine Einflussnahme und auch die Ressentiments von nicht in den Zirkel Aufgenommenen sorgten für große Unruhe in der Region Kroton, dem heutigen Kalabrien, die Pythagoras schließlich zwang nach Metapont weiter zu ziehen. Dort starb er ungefähr 497 v.Chr. entweder eines natürlichen Todes oder hätte, wie Porphyrios schreibt, Selbstmord begangen.[12]
3.2. Die Schule in Unteritalien
Als Pythagoras in Kroton angekommen war, erlangte er wohl durch seine überwältigenden Reden sehr schnell politischen Einfluss auf die Region und ganz Magna Graecia. Er versammelte darüber hinaus auch noch eine große Anzahl persönlicher Anhänger um sich, die sich in verschieden engen Kreisen um ihn scharten. Es wurde von einer Einteilung geschrieben in erstens Exoterikoi und zweitens in Esoterikoi,[13] die als Aufnahmebedingung angeblich auch fünf Jahre schweigend zubringen mussten.[14] Der immense Menschenzustrom führte dazu, dass sich in Kroton zwischen 300[15] und 600[16] Mitglieder von Pythagoras' Gruppierung aufhielten. Die Angaben dazu variieren in den Quellen, ja sogar innerhalb einzelner. Von seinen Anhängern verlangte er aber einiges ab: eine bescheidene Lebensweise in Gütergemeinschaft, Treue zueinander, Vegetarismus, Bohnenverbot,[17] Verschwiegenheit und Geheimhaltung[18] und schließendlich strenge Bestattungsvorschriften.[19]
Damit rückt die Gruppe um und mit Pythagoras sehr nahe an die Mysterienkulte und könnte auch als politisch-religiöse Sekte bezeichnet werden, denn eigentlich ist keine Differenzierung zwischen der Kultgemeinschaft und der philosophischen beziehungsweise naturwissenschaftlichen oder mathematischen Schule möglich.
Die Anhänger Pythagoras' spalten sich bald in zwei weitere Lager: in Akusmatiker und Mathematiker.[20] Für die Mathematiker standen die Mathemata im Vordergrund, also die Wissenschaften, nämlich Arithmetik, Geometrie, Harmonik und Astronomie. Sie entwickelten diese Fächer auch nach Pythagoras' Tod weiter und erreichten trotz einiger ideeller Widerstände Ergebnisse, die sogar gegen die Grundphilosophie der ursprünglichen Schule sprachen, wie z.B. die irrationalen Zahlen. Die Akusmatiker hielten hingegen streng an den Sinnsprüchen, den Akusmata fest. Diese stellen und beantworten Fragen auf „Was ist...?“, „Was am meisten...?“ und „Was soll man tun oder lassen?“[21]
[...]
[1] Mit Material von Hermipp, Aristoxenos, Herakleides Pontikos, Sosikrates, Timaios, Aristoteles u.a.
[2] Mit Material von mit Nikomachos, Moderatus, Antonios Diogenes u.a.
[3] Mit Material von Timaios u.a.
[4] Zum Beispiel Lukasevangelium: Luk, 5,1-11.
[5] Iambl. Vita Pyth. 135 und 140.
[6] Herakl. Pont. Fr. 89 Wehrli.
[7] Aristot. Fr. 171 und 173f Gigon.
[8] Iambl. Vita Pyth. 134; Porph. Vita Pyth. 27.
[9] V.a. Timaios.
[10] Peri ton Pythagoreion (Fragment).
[11] Vgl. Riedweg, Pythagoras, 2002, Seite 18 ff.
[12] Porph. Vita Pyth. 57.
[13] Iambl. Vita Pyth. 72; Hippolytos Katapason haireson elenchos I, 2,4.
[14] Diog. Laert. 8,10.
[15] Diog. Laert. 8.3.
[16] Diog. Laert. 8.15.
[17] Es gibt nach Arist. Fr.157 Gigon verschiedene Gründe für das Bohnenessverbot: Weil sie den Menschen schädigt, weil sie den Toren des Hades ähnelt, weil sie Geschlechtsteilen ähnelt, weil sie der Natur des Alls ähnlich ist...
[18] Aristot. Fr. 156 Gigon.
[19] Diese hängen zusammen mit der Idee der Reinkarnation.
[20] Iambl. Vita Pyth. 81 ff, wahrscheinlich nach Arist..
[21] van der Waerden, Die Pythagoreer, 1979, Seite 78 f.
- Arbeit zitieren
- Mag. Art; Mag. Phil Heike Sauer (Autor:in), 2006, Pythagoras und der Pythagoreismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55681
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