Solange es Literatur gibt, wird über die Wirkungsabsicht der produzierten Texte diskutiert. Jeder Leser versucht hinter den Zeilen, die er liest, hinter der Geschichte, die er miterlebt, eine Botschaft zu entschlüsseln, die bald chiffriert und versteckt und kaum erkennbar im Hintergrund bleibt, bald völlig offensichtlich als Plakat dem Leser vor Augen geführt wird. Der Leser sucht den direkten Draht zum Autor, möchte seine Gedanken direkt erfahren, doch der Text, den er liest, die Inszenierung, die er sieht, stellt zwar eine Brücke dar, da sie das einzige Verbindungsglied zwischen dem Autor, der dieses literarische Zeichen sendet, und dem Leser bzw. Zuschauer, der es empfängt, ist, steht aber auch für ein unüberwindbares Hindernis, da das literarische Zeichen zwar als Vermittler zwischen Leser und Autor fungiert, dessen Ideen genau abzubilden jedoch nicht imstande ist.
Deswegen wird häufig heftig debattiert, was der Autor eines Textes aussagen möchte. Wie kann es dazu kommen? Offensichtlich deuten verschiedene Leser den gleichen Text individuell. Diese Hausarbeit möchte zunächst theoretisch untersuchen, wodurch Möglichkeiten zur unterschiedlichen Interpretation eines Textes auftreten können und ins Zentrum der Auseinandersetzung soll das linguistische Phänomen gestellt werden, von dem die Wirkungsabsicht eines Autors abzuleiten ist, die Zeigehandlung. Ein besonderes Augenmerk soll auch der von einer Zeigehandlung ausgehenden Handlungsaufforderung an den Leser gewidmet werden. Diesen Begriffen wird sich im Laufe dieser Ausführungen schrittweise angenährt, indem die verschiedenen Prozesse, die bei der Rezeption eines Textes auftreten, nachvollzogen werden. Um nicht allzu sehr in der Theorie zu verharren, wird stets der Bezug auf einen literarischen Text gesucht. Hier erschien es sehr passend, „Mutter Courage und ihre Kinder“ von Bertolt Brecht zu wählen, da diesem Autor eine recht offensichtliche Aussageabsicht unterstellt werden kann: Er wollte durch seine Werke im Leser eine pazifistische und sozialistische politische Einstellung hervorrufen. Wie diese durch Zeigehandlungen bewirkten Handlungsaufforderungen beim Leser bzw. Zuschauer angekommen sind und wie es zu eventuell auftretenden Missverständnissen kommen konnte, wird ebenso untersucht werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Ein Text als Zeichen?
- Die Handlungsdefinition vom Kamlah/Lorenzen
- Handeln und verstehen: Handlungen als Exemplare von Handlungsschemata
- Sprechakttheorie und Drama
- Der Begriff der Zeigehandlung in sprachlichem und nicht sprachlichem Kontext
- Peirce: Interpretant, Abduktion
- Die Rezeption von „Mutter Courage und ihre Kinder" bei Publikum und Presse
- Wann „funktioniert" eine Zeigehandlung in einem literarischen Text: Ein Modell
- Schlussbemerkung
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit befasst sich mit der theoretischen Analyse des sprachlichen Zeichens als Zeigehandlung, insbesondere im Kontext von Bertolt Brechts „Mutter Courage und ihre Kinder". Ziel ist es, die Möglichkeiten der unterschiedlichen Interpretation eines Textes zu untersuchen und die Bedeutung des linguistischen Phänomens der Zeigehandlung für die Wirkungsabsicht eines Autors zu beleuchten.
- Die Rolle des sprachlichen Zeichens in der Literatur
- Die Handlungsdefinition und ihre Bedeutung für die Rezeption von Texten
- Die Sprechakttheorie und ihre Anwendung auf literarische Texte
- Das Konzept der Zeigehandlung und ihre Auswirkungen auf die Rezeption
- Die Rezeptionsgeschichte von „Mutter Courage und ihre Kinder" und die Frage des Verstehens
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt die Problematik der Wirkungsabsicht von literarischen Texten und die Frage nach der Interpretation durch den Leser vor. Sie führt den Begriff der Zeigehandlung als zentralen Untersuchungsgegenstand ein und skizziert den Aufbau der Arbeit.
- Ein Text als Zeichen?: Dieses Kapitel untersucht die Zeichenhaftigkeit von literarischen Texten anhand des Organonmodells der Sprache von Karl Bühler und beleuchtet die Problematik der Interpretation und möglichen Missverständnisse.
- Die Handlungsdefinition vom Kamlah/Lorenzen: Das Kapitel erläutert die Definition von Handlung nach Kamlah/Lorenzen und diskutiert die Frage, inwiefern Handlungen, die durch Zeigehandlungen ausgelöst werden, als selbstständige Entscheidungen betrachtet werden können.
- Handeln und verstehen: Handlungen als Exemplare von Handlungsschemata: Dieses Kapitel beschäftigt sich mit dem Verständnis von Handlungen als Exemplaren von Handlungsschemata und zeigt auf, wie die Kenntnis von Schemata die Rezeption beeinflusst.
- Sprechakttheorie und Drama: Dieses Kapitel stellt die Sprechakttheorie von Austin und Searle vor und untersucht, wie Sprechakte in einem Drama wie „Mutter Courage und ihre Kinder" funktionieren.
- Der Begriff der Zeigehandlung in sprachlichem und nicht sprachlichem Kontext: Das Kapitel definiert den Begriff der Zeigehandlung und erläutert ihre Bedeutung für die Verständigung zwischen Menschen. Es wird die Frage aufgeworfen, ob Zeigehandlungen in literarischen Texten vom Zuschauer immer im Sinne des Autors verstanden werden können.
- Peirce: Interpretant, Abduktion: Dieses Kapitel stellt die Zelchentheorie von C.S. Peirce vor und untersucht die Bedeutung der Begriffe „Interpretant" und „Abduktion" für das Verständnis von Zeigehandlungen.
- Die Rezeption von „Mutter Courage und ihre Kinder" bei Publikum und Presse: Dieses Kapitel beleuchtet die Rezeptionsgeschichte von „Mutter Courage und ihre Kinder" und analysiert, inwiefern das Drama vom Publikum und der Kritik so aufgenommen wurde, wie Brecht es beabsichtigt hatte.
- Wann „funktioniert" eine Zeigehandlung in einem literarischen Text: Ein Modell: Das Kapitel stellt ein Modell vor, das die Faktoren beschreibt, die zum Gelingen einer Zeigehandlung in einem literarischen Text beitragen. Es wird die Bedeutung des gemeinsamen Welt- und Handlungswissens von Sender und Empfänger hervorgehoben.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen das sprachliche Zeichen, die Zeigehandlung, die Sprechakttheorie, die Rezeption von literarischen Texten, die Wirkungsabsicht des Autors, die Interpretation von Texten, Handlungsschemata, Bertolt Brecht, „Mutter Courage und ihre Kinder", das epische Theater, die Rezeptionsgeschichte und das Verständnis von Zeichen.
- Citation du texte
- Timo Effler (Auteur), 2004, Das sprachliche Zeichen als Zeigehandlung: Eine theoretische Analyse mit praktischem Bezug zu Bertolt Brechts "Mutter Courage und ihre Kinder", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55662
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