Die tschetschenische Frühgeschichte ist nur unzureichend zu datieren. Als Anhaltspunkt dient hier die Siedlung der Volksgruppe der Wainachen an den Wanderrouten großer turk- und iranischsprachiger Nomadenstämme im frühen Mittelalter. Diese Wurzeln teilen die Tschetschenen heute mit ihren Nachbarn, den Inguschen, weshalb sie sich in Genotyp, Kultur und Religion sehr nahe stehen. Auch die Sprachen beider Völker sind eng miteinander verwandt. In armenischen Quellen des 7. Jahrhunderts werden die Tschetschenen als "Nachtscha matjan" (die das Nachische Sprechenden) erwähnt. Das "Nochtschi-Volk" wird auch in alten persischen Quellen des 13. und 14. Jahrhunderts erwähnt. Auch die Tschetschenen nennen sich selbst Nochtscho oder Nachtschi, die Bezeichnung „Tschetschenen“ wurde - wahrscheinlich im 17. Jahrhundert - von den Russen geprägt. Prägend wurden für die Tschetschenen im Laufe ihrer Geschichte ihre Religionszugehörigkeit und ihre Sozialstruktur. Die Wainachen, waren ursprünglich ein Naturgötter verehrendes Volk (Herdkult). Dies herrschte im Kaukasus im 3. bis 1. Jahrtausend vor unserer Zeit. In der Antike und im Mittelalter (8. bis 10. Jahrhundert) wurden die unter der Herrschaft georgischer Könige lebenden Tschetschenen sowie das gesamte nordkaukasische Gebiet christianisiert. Von der christlichen Vergangenheit der Tschetschenen zeugen nicht nur Legenden und Sagen, sondern auch von Archäologen entdeckte zahlreiche Denkmäler der altertümlichen und mittelalterlichen materiellen Kultur. Die Periode der Christianisierung war jedoch, historisch gesehen, recht kurz. Im 13. bis 15. Jahrhundert drang der Islam aktiv in die tschetschenischen Stämme und Gemeinden ein. Die meisten Tschetschenen waren schon im 15. und 16. Jahrhundert sunnitische Moslems. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts verbreitete sich in Tschetschenien ein vom Sufismus beeinflusster Islam. Für den Sufismus ist eine Kombination von idealistischer Metaphysik mit asketischen Praktiken und religiöser Toleranz charakteristisch. Während der Sowjetzeit war weiterhin zwischen einem staatlich kontrollierten Islam, welcher durch Muftis, die eher eine politische Funktion hatten und unter staatlicher Kontrolle standen, ausgeübt wurde; und einem Volksislam, welcher, im Gegensatz zum Staatsislam, bei den nordkaukasischen Bergvölkern sehr verbreitet war, zu unterscheiden. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Pre-sowietische Historie Tschetscheniens
- Frühe Geschichte, Abstammung, Sozialstruktur
- Erste Berührungen mit Russland
- Imam Schamil
- Unter zaristischer Herrschaft
- Unter sowjetischer Herrschaft
- Verhalten im Bürgerkrieg
- sowjetischer Aufschwung und Repressionen
- Widerstand
- Deportationen
- Rehabilitation und Rückkehr
- Postsowietische Entwicklungen und der erste Tschetschenien-Krieq
- Erste Autonomiebemühungen
- Der Augustputsch 1991 und seine Folgen
- Dudajews Unabhängigkeit
- Russlands Niederlage im ersten Tschetschenienkrieg
- Die faktische Unabhängigkeit zwischen 1997 und 1999 und der zweite
Tschetschenien-Krieq
- Zwischenkriegszeit bis zum Herbst 1999
- Der zweite Tschetschenienkrieg
- Geostrategische Relevanz
- Wahrung der südlichen Einflusssphäre der russischen Föderation
- Russland als Akteur im „Great Game"
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Tschetschenienkonflikt vom 16. Jahrhundert bis zum Friedensabkommen von Chassawjurt im Jahr 1997. Sie analysiert die historischen Wurzeln des Konflikts, die sowjetische Herrschaft in Tschetschenien, die postsowjetischen Entwicklungen und die beiden Tschetschenienkriege. Die Arbeit beleuchtet die geostrategische Relevanz des Kaukasus für Russland und die internationalen Akteure, die in der Region aktiv sind.
- Die Geschichte des Tschetschenienkonflikts
- Die Rolle des Islams in der tschetschenischen Gesellschaft
- Die sowjetische Kolonialpolitik in Tschetschenien
- Die geostrategische Bedeutung des Kaukasus
- Die internationalen Akteure im Tschetschenienkonflikt
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel behandelt die Geschichte Tschetscheniens vor der sowjetischen Herrschaft. Es werden die frühen Siedlungsgebiete der Wainachen, die Sozialstruktur und die ersten Berührungen mit Russland beschrieben. Besondere Aufmerksamkeit wird Imam Schamil gewidmet, der im 19. Jahrhundert einen langwierigen Widerstand gegen das Zarenreich führte.
Das zweite Kapitel beleuchtet die sowjetische Herrschaft in Tschetschenien. Es werden die verschiedenen Phasen der sowjetischen Politik, vom wirtschaftlichen Aufschwung bis zu den Repressionen und Deportationen, dargestellt. Der Widerstand der Tschetschenen gegen die sowjetische Herrschaft wird ausführlich behandelt.
Das dritte Kapitel analysiert die postsowjetischen Entwicklungen in Tschetschenien und den ersten Tschetschenienkrieg. Es werden die ersten Autonomiebemühungen, der Augustputsch 1991 und die faktische Unabhängigkeit unter Dschochar Dudajew beleuchtet. Die Niederlage Russlands im ersten Tschetschenienkrieg wird ebenfalls dargestellt.
Das vierte Kapitel behandelt die faktische Unabhängigkeit Tschetscheniens zwischen 1997 und 1999 und den zweiten Tschetschenienkrieg. Es werden die politischen und wirtschaftlichen Probleme der Republik sowie die Entstehung radikal-islamistischer Kräfte beschrieben. Der zweite Tschetschenienkrieg wird aus der Perspektive beider Seiten beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den Tschetschenienkonflikt, die Geschichte Tschetscheniens, die sowjetische Herrschaft, die postsowjetischen Entwicklungen, die beiden Tschetschenienkriege, die geostrategische Relevanz des Kaukasus, der Islam in Tschetschenien, die Rolle Russlands im Kaukasus, die internationalen Akteure im Tschetschenienkonflikt.
- Citation du texte
- Kristof Trier (Auteur), 2004, Der Tschetschenienkonflikt - Vom 16. Jahrhundert bis zum Friedensabkommen von Chassawjurt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55563
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