Der Grundsatz der Bilanzwahrheit steht in einem Spannungsverhältnis zwischen den Wünschen der verschiedenen Jahresabschlussadressaten nach möglichst umfassenden und vor allem ungeschminkten Informationen über die Lage des Unternehmens und das Ausüben von Bilanzpolitik von der Unternehmerseite aus. Hauptanliegen der 4. und 7. EG-Richtlinie war es den Informationsgehalt des Jahresabschlusses zu erhöhen und diesen verlässlicher ,,wahrer bzw. true and fairer" zu gestalten. Simon schrieb in seinem Buch ,,Die Bilanzen der Aktiengesellschaften": ,,Bilanzwahrheit und Bilanzklarheit - dies können nur die Ziele bedeuten, auf die man hinarbeiten soll, die man aber vollständig nie erreichen wird". Das auf eine möglichst klare, durchsichtige Bilanz hinzuarbeiten ist, darüber besteht kein Zweifel, aber inwieweit man absolute bzw. relative Bilanzwahrheit erreichen kann oder will, wird im folgenden untersucht werden.
Fest steht, trotz der Generalklausel § 264 HGB birgt das aktuelle Recht noch immer eine Fülle von Möglichkeiten dem Grundsatz der Bilanzwahrheit zuwiderzuhandeln. Die Entscheidung des EuGH vom 14.9.1999 beinhaltet insoweit ein Novum, als Fragen des nationalen deutschen Bilanzsteuerrechts betroffen sind. Neben dem Grundsatz der Bilanzwahrheit und dem Grundsatz der Bilanzvorsicht stellt sich auch die Grundsatzfrage nach der Entscheidungskompetenz des EuGH in bilanzrechtlichen Fragestellungen.
Inhaltsverzeichnis
- Problemstellung
- Der Begriff Wahrheit — eine Einführung
- Wissen, was Wahrheit ist?
- Die Korrespondenztheorie der Wahrheit
- Die Evidenztheorie
- Die Konsensustheorie
- Die Redundanztheorie
- Die gesellschaftlichen Grundwertungen im Bilanzrecht
- Bilanzwahrheit im Zusammenhang mit der Rechnungslegung
- Zweckgerichtetheit der Bilanz in der Unternehmung
- Allgemeine Grundsätze der Bilanzerstellung
- Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung
- Die GoB im Einzelnen
- Der Grundsatz der Bilanzwahrheit
- absolute Bilanzwahrheit
- relative Bilanzwahrheit
- Historischer Abriss des Bilanzwahrheitsproblems
- Auslegungen des Begriffes Bilanzwahrheit unter dem Gesichtspunkt verschiedener Theorien
- Der juristische Begriff von der Bilanzwahrheit
- Bilanzwahrheit nach statischer Auffassung
- Bilanzwahrheit in der organischen Bilanz
- Der dynamische Begriff der Bilanzwahrheit
- Bilanzwahrheit in der Handelsbilanz der Aktiengesellschaft
- Gesetzliche Verankerung der Bilanzwahrheit
- Der richtige Wert im Sinne des 40 HGB 1896
- Leugnung der bindendenden Kraft der allg. Bewertungsvorschrift
- Verbietet der 40 nur eine zu günstige oder auch eine zu ungünstige Bilanzaufstellung
- Zweck und Bewertungsvorschriften der Aktienbilanz
- Das Problem der Bilanzwahrheit und stille Reserven
- Die stillen Reserven in der Bilanz der Aktiengesellschaft
- Über die Zulässigkeit stiller Reserven
- Zerstörung der Bilanzwahrheit durch unkontrollierbare stille Reserven
- Gründe für und gegen stille Reserven
- Gesetzliche Verankerung der Bilanzwahrheit
- Auslegungen des Begriffes Bilanzwahrheit unter dem Gesichtspunkt verschiedener Theorien
- Kann die Bilanz überhaupt wahr sein?
- Bilanzwahrheit de lege lata
- Die Rechtslage de lege lata
- True and fair view keine bilanzrechtliche Generalnorm
- Vorrang der GoB
- Kein overriding principle
- Entstehungsgeschichte der Generalnorm
- Die Generalnorm für den Jahresabschluss von Kapitalgesellschaften
- Der Inhalt des true and fair view Gebots aus unterschiedlicher Sichtweise— die wörtliche Auslegung
- Der Begriffsinhalt aus britischer Sicht
- Der Begriffsinhalt aus deutscher Sicht
- Vorrang der Generalnorm
- Vorrang der Einzelnormen
- Die sogenannte Abkopplungsthese nach Moxter
- Die Wahlrechtsproblematik bzw. Ermessensbeschränkung
- Der Grundsatz der Materiality und sein Zusammenhang zum True and Fair View Gebot
- True and Fair View oder Täuschung des Bilanzlesers
- Das Informationsinteresse an der VFE-Lage
- Verwässerung der Objektivierung
- Sanktionen bei Nichtbeachtung der Bilanzwahrheit
- Die Rechtslage de lege lata
- Rechtsprechung auf Grundlage der Bilanzwahrheit
- Sachverhalt im Rechtsstreit vom 14.9.1999 - Rs. C-275/97
- Verpflichtung zur Bildung einer Pauschalrückstellung
- Begründung zur Rückstellungshöhe
- Bilanzwahrheit de lege ferenda
- Ansätze zur internationalen Harmonisierung
- Das Konzept der IAS
- Ziele und Funktionen
- Bilanzierungsgrundsätze
- Das Konzept der US-GAAP
- Ziele und Funktionen
- Rechtsqualität der US-GAAP
- Vorteile und Nachteile bzw. Kritik an US-GAAP, IAS und HGB
- Kritik an der Harmonisierung
- Das Konzept der IAS
- Möglichkeiten einer Angleichung nationaler Rechnungslegungsvorschriften
- Verbesserung der Übersichtlichkeit und Klarheit des Jahresabschlusses
- Nebenrechnungen
- Mehrfachbilanzen
- Abschaffung des Maßgeblichkeitsprinzips
- Empfehlung zur Verbesserung des Aussagegehalts der Rechnungslegung
- Ansätze zur internationalen Harmonisierung
- Thesenförmige Zusammenfassung
- Urteilsverzeichnis
- Gesetzesverzeichnis
- Abbildungsverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Grundsatz der Bilanzwahrheit im deutschen Handelsrecht. Ziel ist es, den Begriff der Bilanzwahrheit zu analysieren und seine historische Entwicklung im Kontext verschiedener Bilanztheorien aufzuzeigen. Darüber hinaus wird die Rechtslage de lege lata des Grundsatzes der Bilanzwahrheit untersucht, insbesondere im Zusammenhang mit der Generalnorm des § 264 Abs. 2 HGB (True and Fair View). Die Arbeit beleuchtet auch die Problematik stiller Reserven und deren Auswirkungen auf die Bilanzwahrheit. Schließlich werden Ansätze zur internationalen Harmonisierung der Rechnungslegung sowie Möglichkeiten zur Verbesserung des Aussagegehalts der Bilanz in Deutschland diskutiert.
- Der Begriff der Bilanzwahrheit
- Die historische Entwicklung des Bilanzwahrheitsproblems
- Die Rechtslage de lege lata des Grundsatzes der Bilanzwahrheit
- Die Problematik stiller Reserven
- Ansätze zur internationalen Harmonisierung der Rechnungslegung
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel der Arbeit stellt die Problemstellung dar und erläutert die Bedeutung des Grundsatzes der Bilanzwahrheit im Spannungsfeld zwischen den Informationsbedürfnissen der Bilanzadressaten und den Gestaltungsmöglichkeiten der Bilanzpolitik. Das zweite Kapitel widmet sich dem Begriff der Wahrheit und analysiert verschiedene Wahrheitstheorien aus philosophischer Sicht. Das dritte Kapitel untersucht die gesellschaftlichen Grundwertungen im Bilanzrecht, insbesondere die Bedeutung von Ehrlichkeit und Fairness im Wirtschaftsleben. Das vierte Kapitel beleuchtet die Zweckgerichtetheit der Bilanz in der Unternehmung und erläutert die verschiedenen Bilanzzwecke, die aus Sicht des Gesetzgebers, des Bilanzerstellers und der Bilanzadressaten relevant sind. Darüber hinaus werden die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) im Einzelnen dargestellt, wobei ein besonderer Fokus auf den Grundsatz der Bilanzwahrheit liegt. Das fünfte Kapitel bietet einen historischen Abriss des Bilanzwahrheitsproblems und analysiert die unterschiedlichen Auslegungen des Begriffes Bilanzwahrheit unter dem Gesichtspunkt verschiedener Theorien. Dabei werden die juristische Auffassung, die statische, die organische und die dynamische Bilanztheorie betrachtet. Außerdem wird die Problematik stiller Reserven im Kontext der Bilanzwahrheit in der Handelsbilanz der Aktiengesellschaft beleuchtet.
Das sechste Kapitel untersucht die Rechtslage de lege lata des Grundsatzes der Bilanzwahrheit. Es wird die Entstehung der Generalnorm des § 264 Abs. 2 HGB (True and Fair View) dargestellt und deren Inhalt aus unterschiedlicher Sichtweise erläutert. Dabei werden die britische und die deutsche Interpretation des True and Fair View Gebots sowie die Abkopplungsthese nach Moxter und die Wahlrechtsproblematik diskutiert. Zudem wird der Zusammenhang zwischen dem Grundsatz der Materiality und dem True and Fair View Gebot aufgezeigt. Das siebte Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, ob die Generalnorm in ihrer deutschen Formulierung nicht nur überzogene Erwartungen weckt, sondern selbst keinen True and Fair View über das vermittelt, was der Leser realistischerweise erwartet. Darüber hinaus werden die Sanktionen bei Nichtbeachtung der Bilanzwahrheit dargestellt.
Das achte Kapitel analysiert die Rechtsprechung auf Grundlage des Grundsatzes der Bilanzwahrheit. Es wird ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14.9.1999 zum Thema Pauschalrückstellungen für Gewährleistungsansprüche erläutert. Der EuGH bejaht in diesem Urteil die Verpflichtung zur Bildung einer Pauschalrückstellung, wenn diese das geeignete Mittel ist, um ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der VFE-Lage zu vermitteln. Das neunte Kapitel widmet sich den Ansätzen zur internationalen Harmonisierung der Rechnungslegung. Es werden die Konzepte der International Accounting Standards (IAS) und der US-Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP) vorgestellt und deren Ziele, Funktionen und Bilanzierungsgrundsätze erläutert. Darüber hinaus werden die Vorteile und Nachteile sowie die Kritik an den US-GAAP, IAS und HGB diskutiert.
Das zehnte Kapitel befasst sich mit Möglichkeiten zur Angleichung nationaler Rechnungslegungsvorschriften. Es werden verschiedene Strategien zur Verbesserung des Aussagegehalts der Bilanz in Deutschland vorgestellt, wie beispielsweise die Verbesserung der Übersichtlichkeit und Klarheit des Jahresabschlusses, die Ergänzung durch Nebenrechnungen und Mehrfachbilanzen sowie die Abschaffung des Maßgeblichkeitsprinzips. Schließlich werden Empfehlungen zur Verbesserung des Aussagegehalts der Rechnungslegung gegeben.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den Grundsatz der Bilanzwahrheit, die Rechnungslegung, die Bilanztheorien, die Generalnorm des § 264 Abs. 2 HGB (True and Fair View), stille Reserven, die internationale Harmonisierung der Rechnungslegung, die US-GAAP, die IAS, das Vorsichtsprinzip und die Objektivierung.
- Quote paper
- Sandra Fricke (Author), 2002, Bilanzwahrheit - Entwicklung und Bedeutung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/5555
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