Moskau Mitte der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Der vor allem für sein Hauptwerk „Der Meister und Margarita“ im Westen bekannte russische Schriftsteller Michail Bulgakow, der Medizin studiert und eine Zeit lang als Arzt gearbeitet hat, stellt sich in seiner Erzählung „Hundeherz“ die Frage, die schon die antiken Philosophen beschäftigte: die Frage nach dem Wesen des Menschen. Diese Erzählung ist nicht aus der Zeit, in der sie entstand, wegzudenken. Sie spielt im neuen zarenlosen Russland, in dem sich die Menschen nach einem neuen Menschenbild und nach einer neuen Gesellschaftsform sehnen, in dem man die Konzepte von Marx und Engels in die Praxis umzusetzen versucht und daran scheitert, wie es sich fast siebzig Jahre später herausstellen wird. Mit der für Bulgakow charakteristischen sarkastischen Schärfe und dem ihm eigenen Humor greift er das damals in der Sowjetunion propagierte Leitbild des „Neuen Menschen“ an: Des Menschen, der stets bereit ist, uneigennützig für das Wohl der Gemeinschaft zu sorgen. Dadurch distanziert er sich in dieser Erzählung von der offiziellen Ideologie und erlaubt sich kritische Kommentare gegen das Proletariat. Diese Tatsache erklärt, warum dieses Werk erst in den achtziger Jahren in der durch Gorbatschows Glasnost und Perestrojka veränderten Sowjetunion veröffentlicht wird. Erst mehr als sechzig Jahre nach seiner Vollendung wird „Hundeherz“ ein spektakulärer Bühnen- und Leinwanderfolg. Lässt man den politischen Hintergrund dieser Erzählung beiseite, so kristallisiert sich am Ende die Essenz heraus, die auch heute noch enorm aktuell ist und uns weiterhin vor neue Herausforderungen stellt. Wodurch unterscheiden sich Mensch und Tier? Was macht eigentlich den Menschen aus? Im Folgenden sei jedoch zunächst der Inhalt des Werkes skizziert: Professor Preobrashenskij bedient sich eines Hundes für ein revolutionäres Experiment. Ihm geht es um die Eugenik, die Verbesserung der menschlichen Art. Er möchte herausfinden, ob man die Hypophyse transplantieren kann. Ferner will er feststellen, ob dieser Eingriff einen Einfluss auf die Verjüngung des menschlichen Organismus hat. So werden dem Hund die Hoden und die Hirnanhangdrüse (Hypophyse) entfernt und durch entsprechende Organe eines zuvor verstorbenen Säufers und Diebes (Klim Tschugunkin) ersetzt, wodurch er in kurzer Zeit ein dem Menschen ähnelndes Wesen wird. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Das Tier im Menschen und der Mensch im Tier anhand von Michail Bulgakows „Hundeherz“
- Inhalt
- Die Essenz der Erzählung
- Das Wesen des Menschen
- Der Mensch in der Gesellschaft
- Der Mensch und das Tier
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Essay „Das Tier im Menschen und der Mensch im Tier“ analysiert Michail Bulgakows Erzählung „Hundeherz“, die sich mit der Frage nach dem Wesen des Menschen beschäftigt.
- Die politische und gesellschaftliche Situation im zarenlosen Russland der 1920er Jahre
- Die Kritik an der Ideologie des „Neuen Menschen“ in der Sowjetunion
- Die Frage nach der Vermenschlichung und Entmenschlichung
- Die Rolle der Hypophyse in der Menschwerdung
- Die moralischen und ethischen Aspekte der Mensch-Tier-Beziehung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Geschichte „Hundeherz“ von Michail Bulgakow vor und ordnet sie in den historischen Kontext des neuen zarenlosen Russlands ein. Die Erzählung handelt von Professor Preobrashenskij, der ein revolutionäres Experiment durchführt, indem er einem Hund die Hypophyse eines verstorbenen Menschen transplantiert. Dadurch entwickelt sich der Hund zu einem dem Menschen ähnlichen Wesen mit menschlichen Eigenschaften, jedoch auch mit negativen Charakterzügen. Die Transplantation stellt die Frage nach dem Wesen des Menschen und den Folgen der Vermenschlichung in den Mittelpunkt. Professor Preobrashenskij führt am Ende eine Gegenoperation durch, um den „Homunkulus“ wieder zum Tier zurückzuverwandeln.
Im weiteren Verlauf des Textes wird diskutiert, wodurch sich der Mensch vom Tier unterscheidet. Die Fähigkeit zur Selbstreflexion und zum moralischen Handeln werden als wichtige Merkmale des Menschseins hervorgehoben. Der Essay beleuchtet auch die Schwierigkeiten bei der Definition des Menschen und zeigt die Ambivalenz des Menschseins auf: Menschen können sowohl für ihre Mitmenschen altruistisch handeln als auch zu Rücksichtslosigkeit und Grausamkeit fähig sein.
Schlüsselwörter
„Hundeherz“, Michail Bulgakow, „Neuer Mensch“, Sowjetunion, Vermenschlichung, Entmenschlichung, Hypophyse, Eugenik, Selbstreflexion, Moral, Mensch-Tier-Beziehung, Altruismus, Grausamkeit.
- Quote paper
- Julia Kies (Author), 2006, Das Tier im Menschen und der Mensch im Tier anhand von Michail Bulgakows 'Hundeherz', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55494