War die mittelhochdeutsche Dichtung bis ins 12. Jahrhundert von der höfischen Dichtung und der Beschäftigung mit ritterlichen Tugendkatalogen gekennzeichnet, liegt mit des Strickers Frauenehre eine Lehrdichtung vor, in der auf neuartige Weise die Tugendlehre mit dem Frauenpreis verknüpft wird. Obgleich dabei die vrouwe und der Minnedienst im Zentrum der Dichtung stehen, kann sie nicht in die Tradition des Minnesangs eingereiht werden, sondern zeichnet sich durch innovative Aufbereitung eines bekannten Stoffes aus. Wie wichtig dem Stricker dabei das didaktische Element war, zeigt die Ergänzung des Lehrgedichtes durch eine Allegorie und ein bîspel. Der Stricker nutzt verschiedene Möglichkeiten, seine Gedanken bildhaft darzustellen und dem Publikum verständlich zu machen.
Die vorliegende Arbeit widmet sich mit ihren Untersuchungen ausschließlich der in der Frauenehre enthaltenen Allegorie und stellt sich die Frage, welches Tugendverständnis darin literarisch abgebildet ist. Ferner soll das Ergebnis mit der philosophischen Tugendvorstellung der Entstehungszeit verglichen werden. Die Untersuchungen setzen sich also nicht zum Ziel, das Tugendverständnis der Frauenehre oder des Strickers in seiner Gesamtheit zu untersuchen. Dazu müsste die gesamte Dichtung bzw. das Gesamtwerk des Autors analysiert werden.
Die Arbeit gliedert sich in zwei Teile. Der erste dient der theoretischen Annäherung an das Thema und gibt Hinweise, die für die anschließende Textanalyse notwendig sind. So wird zunächst die historische Entwicklung der Tugendlehre nachgezeichnet (Kapitel 2.1). Problematisch dabei ist die Überlappung von Begriffs- und Ideengeschichte. Nicht zu jeder Zeit ist ein Begriff fassbar, der etymologisch zum Wort „Tugend“ gehört. Insbesondere in der Bibel fehlt eine eindeutige Entsprechung. Diese Arbeit verwendet daher den Tugendbegriff in einem ideengeschichtlichen Zusammenhang, weshalb auch moraltheologische Reflexionen, die nicht explizit als Tugendreflexionen bezeichnet werden können, Berücksichtigung finden. Da sich die Lehre von den Tugenden – wie noch gezeigt wird – aus der christlichen Moraltheologie ableitet, kann dieses Vorgehen gerechtfertigt werden.
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- THEORETISCHE EINBETTUNG
- HERAUSBILDUNG UND ENTWICKLUNG DER TUGENDLEHRE.
- Griechische Antike
- Moralvorstellungen in der Heilige Schrift und ihre Auslegung in der Patristik
- Die Tugendlehre der Scholastik
- DAS FRAUENBILD IM MITTELALTER — DIFFERENZ ZWISCHEN DICHTUNG UND WIRKLICHKEIT
- DIE MITTELALTERLICHE ALLEGORIE
- DIE SYMBOLEAFTIGKEIT DES BAUMES AM BEISPIEL DES TUGEND- UND LASTER-BAUMES VON HUGOS DE SAINT- VICTOR
- HERAUSBILDUNG UND ENTWICKLUNG DER TUGENDLEHRE.
- STRICKERS ALLEGORIE VON DER FRAU ALS TUGENDBAUM
(VERSE 1093-1478)
- ABGRENZUNG INNERHALB DER DICHTUNG
- ANALYSE DES TUGENDWERSTÄNDNISSES
- ERGEBNISSE
- LITERATURVERZEICHNIS
- ANHANG A: ÜBERSETZUNG DER ALLEGORIE (VERS 1093-1478)
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Allegorie von der Frau als Tugendbaum in Strickers Frauenehre, um das darin abgebildete Tugendverständnis zu analysieren und mit der philosophischen Tugendvorstellung der Entstehungszeit zu vergleichen. Die Arbeit gliedert sich in zwei Teile: einen theoretischen Teil, der die historische Entwicklung der Tugendlehre nachzeichnet, und einen analytischen Teil, der sich mit der Allegorie selbst auseinandersetzt.
- Die Entwicklung der Tugendlehre von der griechischen Antike bis zur Scholastik
- Die Rolle der Frau im Mittelalter und die Differenz zwischen Dichtung und Wirklichkeit
- Die Funktion der Allegorie in der mittelalterlichen Literatur
- Die Symbolhaftigkeit des Baumes als Repräsentation von Tugend und Laster
- Die Analyse des Tugendverständnisses in Strickers Allegorie
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Frauenehre als Lehrdichtung vor, die die Tugendlehre mit dem Frauenpreis verknüpft. Sie führt die Fragestellung der Arbeit ein: welches Tugendverständnis in der Allegorie von der Frau als Tugendbaum literarisch abgebildet ist.
Der erste Teil der Arbeit, die theoretische Einbettung, zeichnet die historische Entwicklung der Tugendlehre nach. Kapitel 2.1 beleuchtet die Herausbildung und Entwicklung der Tugendlehre in der griechischen Antike, im Alten Testament und in der Patristik. Kapitel 2.2 beschreibt die Differenz zwischen dem Frauenbild in der höfischen Literatur und dem tatsächlichen Frauenbild des Mittelalters. Kapitel 2.3 definiert die mittelalterliche Allegorie und Kapitel 2.4 untersucht die Symbolhaftigkeit des Baumes am Beispiel des Tugend- und Lasterbaumes von Hugos de Saint-Victor.
Der zweite Teil der Arbeit, die Analyse der Allegorie, untersucht die Allegorie von der Frau als Tugendbaum in Strickers Frauenehre. Kapitel 3.1 grenzt den Teil der Frauenehre ab, der als der Allegorie zugehörig verstanden werden kann. Kapitel 3.2 analysiert das Tugendverständnis, das in der Allegorie vermittelt wird.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Tugendlehre, die Frau im Mittelalter, die Allegorie, den Tugendbaum, den Lasterbaum, die Minne, die Selbstzucht, die Zurückhaltung, die Treue, die Schönheit und das Tugendverständnis in Strickers Frauenehre.
- Citar trabajo
- Sandra Lachmann (Autor), 2005, Strickers "Frauenehre" - Untersuchungen zum Tugendverständnis in der Allegorie von der Frau als Tugendbaum (Verse 1093-1478), Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55381
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