Noch nicht lange hat das Thema Bombenkrieg gegen deutsche Städte in den Medien Konjunktur. 1995, als sich das Kriegsende zum 50. Mal jährte, wurden (wie Klaus Neumann dargestellt hat) die Erlebnisse der deutschen Stadtbevölkerung noch eher zaghaft und unsicher diskutiert. Noch 50 Jahre nach den Ereignissen gab es keinen Konsens des Gedenkens, kein gefestigtes Geschichtsbild. Es wurde schnell deutlich, dass die Zeit, in der der Krieg aus den fernen Ländern in die Heimat kam, keinen festen Platz im kulturellen Gedächtnis der Deutschen hatte. Und so war diese erstmalige Diskussion des Luftkriegs gegen deutsche Zivilisten ein Wagnis. Denn die Bahnen, in denen sie verlaufen würde und die Erinnerungen, die zutage treten würden, waren weitgehend unbekannt. Vielleicht aus der Erkenntnis, nicht mehr lange diese Möglichkeit zu haben, wurden in diesen Wochen viele Zeitzeugen angehört und lebendige Erinnerungen festgehalten. Für viele der Betroffenen war dies eine ungeahnte Aufwertung und erstmalige gesellschaftliche Anerkennung ihrer Erinnerungen, denn zum ersten mal seit Bestehen der Bundesrepublik (in der DDR war an eine ehrliche Debatte über dieses Thema gar nicht zu denken) wurde plötzlich über den Luftkrieg – und auch über mögliche Gründe für das lange Schweigen darüber - gesprochen.
Die Präsenz des Themas in den Medien mag ein Anlass für den Schriftsteller und Literaturwissenschaftler W.G. Sebald gewesen sein, eine von ihm schon 1982 zum ersten mal geäußerte und damals kaum wahrgenommene These wieder aufzugreifen und 1997 in einer dreiteiligen Zürcher Universitätsvorlesung weiterzuentwickeln: Die These vom Versagen der gesamten deutschen Literatur vor dem Luftkrieg gegen deutsche Städte. Die Bombennächte und –tage seien, geradezu von einem Tabu belegt, in der deutschsprachigen Literatur nie angemessen zur Sprache gekommen, so Sebald.
Nun – in den Jahren nach 1997 - schien die Zeit für eine breite Diskussion dieser These endlich gekommen. Zunächst fand sie im deutschsprachigen Feuilleton und nach Veröffentlichung der Vorlesung als Essay im Jahre 19994 auch in einigen wissenschaftlichen Untersuchungen statt.
Weitgehend missachtet oder gar ignoriert wurde in der Diskussion um die Fragen, welche literarischen Zeugnisse des Luftkriegs es gibt und wie Literatur überhaupt reagieren kann auf solch ein kollektives Trauma, das eigentlich Naheliegendste: die dokumentarische und insbesondere die Tagebuchliteratur derer, die dabei waren.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Darstellbar oder nicht?
- Warum Tagebücher?
- Die Tagebücher Missie Vassiltchikovs und Ursula von Kardorffs
- Die Tagebücher Missie Vassiltchikovs und Ursula von Kardorffs
- Tagebücher als Selbsttherapie
- Schuld und Verantwortung
- Schluss
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit analysiert zwei Tagebücher aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs: Missie Vassiltchikovs „The Berlin Diaries 1940-1945“ und Ursula von Kardorffs „Berliner Aufzeichnungen aus den Jahren 1942-1945“. Die Arbeit untersucht die besonderen Herausforderungen, die die literarische Verarbeitung des Luftkriegs gegen deutsche Städte mit sich bringt und beleuchtet die Rolle von Tagebüchern als Selbsttherapie und als Zeugnisse der Zeit.
- Die Rolle der Tagebuchliteratur im Kontext des Luftkriegs
- Die literarische Verarbeitung von kollektiven Traumata
- Die Herausforderungen der Authentizität in Tagebüchern aus der NS-Zeit
- Die psychologischen Auswirkungen des Luftkriegs auf die deutsche Bevölkerung
- Die Ambivalenz der deutschen Bevölkerung gegenüber den Luftangriffen
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung
Die Einleitung stellt die These von W.G. Sebald vom Versagen der deutschen Literatur im Umgang mit dem Luftkrieg gegen deutsche Städte vor. Sebalds These wird im Kontext der Debatte über den Luftkrieg und die Aufarbeitung der Vergangenheit in Deutschland diskutiert. Die Arbeit stellt die Frage, ob es tatsächlich an überzeugenden literarischen Zeugnissen des Luftkriegs mangelt, oder ob es an der Rezeption solcher Texte liegt.
- Darstellbar oder nicht?
Dieses Kapitel analysiert die Debatte um Sebalds These und beleuchtet die literarischen Zeugnisse des Luftkriegs. Die Arbeit zeigt, dass es zwar zahlreiche literarische Werke gibt, die sich mit dem Thema Luftkrieg befassen, diese aber oft in Vergessenheit geraten sind. Das Kapitel diskutiert die Gründe für die mangelnde Rezeption der Luftkriegsliteratur, darunter die Nazi-Propaganda, die deutsche „Unfähigkeit zu Trauern“ und die patriarchalisch geprägte Erinnerungskultur.
- Warum Tagebücher?
Dieses Kapitel untersucht die Bedeutung von Tagebüchern als literarisches Genre im Kontext des Luftkriegs. Die Arbeit argumentiert, dass Tagebücher als Selbsttherapie und als authentische Zeugnisse der Zeit eine besondere Relevanz für die Erforschung des Luftkriegs haben. Die Arbeit verweist auf die dokumentarische Literatur von Walter Kempowski und Alexander Kluge als Beispiele für eine geglückte literarische Verarbeitung des Luftkriegs.
- Die Tagebücher Missie Vassiltchikovs und Ursula von Kardorffs
- Die Tagebücher Missie Vassiltchikovs und Ursula von Kardorffs
Dieses Kapitel stellt die beiden Tagebücher, die Gegenstand der Arbeit sind, vor. Es werden die Biografien der Autorinnen und ihre politische Haltung zum Nationalsozialismus skizziert. Die Arbeit beleuchtet die besonderen Herausforderungen, die die Authentizität von Tagebüchern aus der NS-Zeit mit sich bringen, insbesondere im Hinblick auf die Selbstzensur und die nachträgliche Überarbeitung der Texte.
- Tagebücher als Selbsttherapie
Dieses Kapitel analysiert die Tagebücher im Hinblick auf ihre Funktion als Selbsttherapie. Die Arbeit zeigt, wie die Autorinnen durch das Schreiben ihre Kriegserlebnisse verarbeiten und mit den emotionalen Belastungen des Luftkriegs umgehen. Es werden typische Symptome des Posttraumatischen Stresssyndroms (PTSD) in den Texten identifiziert und die unterschiedlichen Reaktionen der Autorinnen auf die Bombenangriffe analysiert.
- Schuld und Verantwortung
Dieses Kapitel untersucht die Frage nach Schuld und Verantwortung im Kontext des Luftkriegs. Die Arbeit analysiert, wie die Autorinnen mit dem Thema der deutschen Schuld und den Verbrechen des Nationalsozialismus umgehen. Es wird gezeigt, dass die Autorinnen in ihren Tagebüchern die deutsche Bevölkerung als Opfer der Bombenangriffe und der Nazi-Herrschaft darstellen und die Verantwortung für die Verbrechen des Regimes den Nazis zuweisen.
- Die Tagebücher Missie Vassiltchikovs und Ursula von Kardorffs
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den Luftkrieg, die deutsche Literatur, Tagebücher, Selbsttherapie, Authentizität, Schuld und Verantwortung, die NS-Zeit, den Bombenkrieg, die deutsche Bevölkerung, die Kriegserfahrung, die Erinnerungskultur und die Aufarbeitung der Vergangenheit.
- Arbeit zitieren
- Malte Conradi (Autor:in), 2006, Luftkrieg und Tagebuch, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55299
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