Wie wurde ein bestimmter Zeitabschnitt der Historie in einem anderen Zeitraum, der weniger vergangen ist, eingeschätzt? Diese Frage, bezogen auf die kirchliche Reformation im 16. Jahrhundert und die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, soll auf differenzierte Art und Weise erläutert werden.
Das zwanzigste Jahrhundert wird als das „Zeitalter der Ideologien“ bezeichnet. Während sich der Imperialismus um die Jahrhundertwende vollends ideologisch ausgebildet hat, kommt es nach der Weimarer Republik in Deutschland zur Nationalsozialistischen Diktatur mit ihrer antisemitischen Rassenideologie. Die aufkommenden Fragen diesbezüglich sind der Grad der Ideologisierung im Reformationsbild, und im speziellen die Änderungen des Lutherbildes, während des Nationalsozialismus.
Als Vorbereitung, beziehungsweise Hinarbeitung sollen die zwei unterschiedlichen vorhergehenden Zeitabschnitte in der deutschen Geschichte gelten. Angefangen vom deutschen Kaiserreich mit dem Eintritt in das imperialistische Wetteifern bis hin zur Weimarer Republik soll herausgearbeitet werden, in wiefern das Reformationsbild mit dem Zentrum der Lutherrezension als Vorlage für die Zeit des „Dritten Reiches“ galt und dort für die eigene staatstragende Ideologie genutzt wurde. Es wird somit versucht auf die differenzierten und stellenweise sehr konträren Meinungen über die Reformation während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit dem Schwerpunkt der nationalsozialistischen Zeit einzugehen und zu untersuchen, ob es möglich ist, Verknüpfungen zwischen der Reflexion der Reformation und der jeweils aktuellen Staatsideologie zu finden.
Das Thema begründet sich gleichfalls aus der Tatsache heraus, dass sich die Verwissenschaftlichung her Historiografie erst in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts herausbildete, wobei die herrschende Gesellschaft zeitgleich anfing diesen Prozess zu nutzen, indem sie versuchte den wissenschaftlichen Diskurs in eine von ihr gewünschte Richtung zu lenken.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Begriffsdefinitionen
- Reflexionsgeschichte
- Reformation
- Ideologie
- Die Reformation im Spiegel des spaten Wilhelminischen Kaiserreichs
- Der erste Weltkrieg
- Die Reformation in der Geschichtsschreibung der Weimarer Republik
- Das „Bild Luthers" und der Reformation im Nationalsozialismus
- Das Verhältnis zwischen der NSDAP und den christlichen Konfessionen in Deutschland
- Wissenschaftliche und theologische Sichtweisen auf Luther während des Nationalsozialismus
- Religiös fundierter Widerstand
- Das Bild Luthers und der Reformation im Nationalsozialismus anhand des Schulbuches 1941
- Schlusswort
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit untersucht die Rezeption der Reformation in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland. Sie analysiert, wie die Reformation in unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Kontexten interpretiert und für verschiedene Zwecke instrumentalisiert wurde. Dabei wird insbesondere der Einfluss der Reformation auf die Ideologie des Nationalsozialismus beleuchtet.
- Die Entwicklung des Lutherbildes im späten Kaiserreich, in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus
- Die Rolle der Reformation in der deutschen Geschichtsschreibung und in der öffentlichen Meinung
- Die Instrumentalisierung der Reformation für politische und ideologische Zwecke
- Die Beziehung zwischen der Reformation und dem Antisemitismus im Nationalsozialismus
- Der Widerstand gegen die nationalsozialistische Ideologie aus christlicher Perspektive
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Fragestellung der Arbeit vor und erläutert die Bedeutung der Reformation für die deutsche Geschichte. Anschließend werden die wichtigsten Begriffe der Arbeit – Reflexionsgeschichte, Reformation und Ideologie – semantisch definiert.
Kapitel 3 befasst sich mit der Reformationsreflexion im späten Wilhelminischen Kaiserreich. Es wird gezeigt, wie die Reformation im Kontext des deutschen Nationalismus und des Ersten Weltkriegs interpretiert wurde. Kapitel 4 analysiert die Reformationsdebatte in der Weimarer Republik. Die Arbeit untersucht, wie die Reformation in der Zeit der politischen und gesellschaftlichen Umbrüche als Bezugspunkt für die Suche nach neuen Identitäten und Orientierungen diente.
Kapitel 5 widmet sich der Rezeption der Reformation im Nationalsozialismus. Es wird die Beziehung zwischen der NSDAP und den christlichen Konfessionen beleuchtet, sowie die unterschiedlichen Sichtweisen auf Luther in der nationalsozialistischen Wissenschaft und Theologie dargestellt. Das Kapitel beleuchtet auch den Widerstand gegen die nationalsozialistische Ideologie aus christlicher Perspektive und analysiert, wie die Reformation im nationalsozialistischen Schulbuch instrumentalisiert wurde.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Reformation, die deutsche Geschichte, die Ideologie, der Nationalsozialismus, das Lutherbild, die Geschichtsschreibung, der Antisemitismus, der christliche Widerstand, die Weimarer Republik, das Kaiserreich und die Konfessionsgeschichte.
- Citation du texte
- Matthias Widner (Auteur), 2006, Die Reflexion der Reformation in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55255
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