Mit Hofmannsthal verband man lange Zeit den Mythos des sechszehnjährigen Loris, der die Dekadenz mit ihrer ästhetischen Lebensflucht in den Tempel des Schönen par excellence verkörperte. Dass der realitätsabgewandte, hedonistische Schönheitskult von Hofmannsthal aber keineswegs undistanziert, sondern vielmehr kritisch und ironisch betrachtet wurde, hat erst in den letzten Jahrzehnten in der Forschung einen allgemeinen Konsens gefunden. Denn in den lyrischen Dramen sind die Themen der späteren Komödien wie soziale Interaktion und Treue schon angelegt. So ist Hofmannsthals konservative Revolution, die Abwendung vom lyrischen Werk der Frühzeit zu den sozialen Komödien der Spätzeit, kein Bruch, wie in der Forschung immer noch an einigen Stellen behauptet wird, sondern eine notwendige Entwicklung, was diese Arbeit anhand der exemplarischen und themenorientierten Analyse einzelner lyrischen Dramen aufzeigen will.
Im ersten Teil stelle ich den sozialgeschichtlichen Kontext zur Wiener Moderne dar, wobei der Schwerpunkt darauf liegt zu zeigen, inwiefern die Moderne eine völlig neuartige Wahrnehmung von Wirklichkeit mit sich bringt. In diesem Zusammenhang stelle ich zwei Strömungen des Fin de Siècle vor, den Ästhetizismus und den Impressionismus, weil sie für die Autoren der Wiener Moderne (neben anderen) entscheidend waren, und besonders für die Analyse von Hofmannsthals Frühwerk von hoher Relevanz sind. Schließlich beschäftige ich mich mit der Künstlergruppe Jung Wien, zu der Hofmannsthal gehörte, und stelle sie in Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Bedingungen des Fin de Siècle, wobei im Vordergrund Jung Wiens Hinwendung von wie auch die Ablehnung zu modernen literarischen Strömungen steht.
Im zweiten Teil geht es um Hofmannsthals Verarbeitung bestimmter literarischen Tendenzen. Der Schwerpunkt liegt auf der Verbindung von Kunst und Leben: der passiven Haltung des Ästhetizismus, der sich aus der Realität in eine künstliche Welt zurückzieht, steht das Leben als irrationales Prinzip gegenüber. Es geht darum aufzuzeigen, wie Hofmannsthal in den lyrischen Dramen von einer Kritik des Ästhetizismus als Lebens- und Kunstdilettantismus zu einer Zwischenlösung durch die mythologische Sicherung der Magie und schließlich zur Überwindung durch soziale Identitätsstiftung den Weg aus der monologischen Selbstbezogenheit in die soziale Kommunikation findet.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Sozialgeschichtlicher Kontext der Wiener Moderne
- 2.1 Politik und Gesellschaft im Wiener Fin de Siècle
- 2.2 Die Wiener Moderne in Kunst und Literatur
- 2.3 Der Künstlerkreis Jung Wien
- 3. Kritik des Ästhetizismus in den lyrischen Dramen Hofmannsthals
- 3.1 Das lyrische Drama als Form der Moderne
- 3.2 Kunst- und Lebensdilettantismus in „Gestern“ und „Der Tor und der Tod“
- 3.3 Der Weg der Magie in „Der Kaiser und die Hexe“
- 3.4 Der Weg ins Soziale in „Der weiße Fächer“
- 4. Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit untersucht die lyrischen Dramen Hugo von Hofmannsthals im Kontext der Wiener Moderne und analysiert, wie Hofmannsthal den Ästhetizismus kritisch verarbeitet. Die Arbeit verfolgt das Ziel, die Entwicklung Hofmannsthals von einer ästhetizistischen Haltung hin zu einer Auseinandersetzung mit sozialen Themen aufzuzeigen und diese Entwicklung als kontinuierliche, nicht als bruchhafte, darzustellen.
- Der sozialgeschichtliche Kontext der Wiener Moderne
- Die Kritik des Ästhetizismus in Hofmannsthals Werk
- Die Rolle der Magie in Hofmannsthals Dramen
- Die zunehmende Bedeutung sozialer Themen in Hofmannsthals Spätwerk
- Die Entwicklung Hofmannsthals als Dramatiker
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung stellt die gängige, aber irreführende Vorstellung von Hofmannsthal als rein ästhetizistischen Dichter in Frage. Sie argumentiert, dass seine spätere Hinwendung zu sozialen Komödien eine natürliche Entwicklung und keine Abkehr von seinem früheren Werk darstellt. Die Arbeit kündigt eine themenorientierte Analyse ausgewählter lyrischer Dramen an, um diese These zu belegen. Der erste Teil wird den sozialgeschichtlichen Kontext der Wiener Moderne beleuchten, während der zweite Teil Hofmannsthals Auseinandersetzung mit literarischen Tendenzen und seine Entwicklung von einer Kritik des Ästhetizismus hin zur sozialen Identitätsstiftung analysiert.
2. Sozialgeschichtlicher Kontext der Wiener Moderne: Dieses Kapitel beleuchtet die gesellschaftlichen und politischen Veränderungen um die Jahrhundertwende. Es beschreibt die Auswirkungen von Industrialisierung, Urbanisierung und Säkularisierung auf die gesellschaftlichen Werte und die Entstehung eines Endzeitbewusstseins. Die Kapitel unterstreichen den "Paradigmenwechsel" zwischen traditionellen und modernen Ideen und stellen den Ästhetizismus und den Impressionismus als zwei bedeutende Strömungen des Fin de Siècle vor, die für die Autoren der Wiener Moderne, besonders Hofmannsthal, entscheidend waren. Schließlich wird die Künstlergruppe "Jung Wien" und deren Verhältnis zu den modernen literarischen Strömungen diskutiert. Der Fokus liegt auf der Darstellung der komplexen und sich verändernden gesellschaftlichen Landschaft, die Hofmannsthals Werk prägte.
Schlüsselwörter
Hugo von Hofmannsthal, Wiener Moderne, Ästhetizismus, Lyrisches Drama, Sozialkritik, Magie, Gesellschaft, Kultur, Fin de Siècle, Jung Wien, Dekadenz.
Häufig gestellte Fragen zu: Analyse der lyrischen Dramen Hugo von Hofmannsthals im Kontext der Wiener Moderne
Was ist das Thema dieser Arbeit?
Diese Hausarbeit untersucht die lyrischen Dramen Hugo von Hofmannsthals im Kontext der Wiener Moderne und analysiert, wie Hofmannsthal den Ästhetizismus kritisch verarbeitet und sich zunehmend sozialen Themen zuwendet. Die Arbeit zeigt diese Entwicklung als kontinuierlichen Prozess, nicht als einen Bruch.
Welche Aspekte der Wiener Moderne werden behandelt?
Die Arbeit beleuchtet den sozialgeschichtlichen Kontext der Wiener Moderne, einschließlich Politik, Gesellschaft, Kunst und Literatur um die Jahrhundertwende. Besondere Aufmerksamkeit wird der Künstlergruppe "Jung Wien" und den Strömungen des Ästhetizismus und Impressionismus gewidmet, die Hofmannsthals Werk prägten.
Wie wird der Ästhetizismus in Hofmannsthals Werk behandelt?
Die Arbeit analysiert die Kritik des Ästhetizismus in Hofmannsthals lyrischen Dramen. Sie untersucht, wie Hofmannsthal Kunst- und Lebensdilettantismus in seinen Werken darstellt und wie er sich von einer ästhetizistischen Haltung hin zu einer Auseinandersetzung mit sozialen Themen entwickelt.
Welche Rolle spielt die Magie in Hofmannsthals Dramen?
Die Arbeit untersucht die Rolle der Magie in ausgewählten Dramen und analysiert ihre Bedeutung im Kontext der Gesamtentwicklung Hofmannsthals.
Welche sozialen Themen werden in Hofmannsthals Spätwerk behandelt?
Die Arbeit zeigt die zunehmende Bedeutung sozialer Themen in Hofmannsthals späteren Werken auf und analysiert, wie er diese in seinen Dramen verarbeitet.
Welche Dramen werden konkret analysiert?
Die Arbeit analysiert ausgewählte lyrische Dramen Hofmannsthals, darunter „Gestern“, „Der Tor und der Tod“, „Der Kaiser und die Hexe“ und „Der weiße Fächer“. Die Auswahl dient der Illustration der These einer kontinuierlichen Entwicklung in Hofmannsthals Werk.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Kapitel zum sozialgeschichtlichen Kontext der Wiener Moderne, ein Kapitel zur Kritik des Ästhetizismus in Hofmannsthals Dramen und einen Schluss. Jedes Kapitel konzentriert sich auf spezifische Aspekte der Thematik.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Hugo von Hofmannsthal, Wiener Moderne, Ästhetizismus, Lyrisches Drama, Sozialkritik, Magie, Gesellschaft, Kultur, Fin de Siècle, Jung Wien, Dekadenz.
Welche These vertritt die Arbeit?
Die Arbeit vertritt die These, dass Hofmannsthals Hinwendung zu sozialen Themen eine natürliche Entwicklung und keine Abkehr von seinem früheren Werk darstellt, und dass seine Entwicklung themenorientiert und kontinuierlich war.
- Citar trabajo
- Simone Linde (Autor), 2002, Kritik des Ästhetizismus - Die lyrischen Dramen Hofmannsthals zwischen Magie und Sozialem, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/5521