Das Titelthema der Ausgabe 9/2005 des Magazins „Der Spiegel“ heißt „Biologie der Partnersuche“. Philip Bethge stellt hier das christliche Lebensmodell Ehe auf den biologischen Prüfstand. Dieser aktuelle Artikel ist ein Indiz dafür, dass Themen wie „Liebe“ und „Dauerhaftigkeit von Beziehungen“ auch und gerade in Zeiten von Pluralisierung der privaten Lebensformen ein breites Publikum interessieren.
Bethge stellt unter anderem die Frage, wie der Übergang von der romantischen Liebe zur gereiften Beziehung wissenschaftlich erklärbar ist, und findet keine befriedigende biologische Antwort. Der Mensch sei seiner hormonellen Natur nach „gar nicht für die langfristige Bindung zu einem einzigen Partner geschaffen“. Dagegen kann man argumentieren, dass nach fünfzehn Jahren ehelichen Zusammenlebens nur ein Viertel der Ehen geschieden wird, was die Frage aufwirft, wie der große verbliebenen Rest der Menschheit seine biologischen Wurzeln „verleugnen“ kann.
Diese Frage spricht mehr die soziale denn biologische Natur des Menschen an und kann unter Zuhilfenahme einer „Spielart“ familiensoziologischen Denkens, des wissenssoziologischen Modells von Peter Berger und Hansfried Kellner, vorgestellt 1965 im Artikel „Die Ehe und die Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Abhandlung zur Mikrosoziologie des Wissens“, möglicherweise zufriedenstellender beantwortet werden. Berger und Kellners Ansatz ist mikrosoziologisch, das heißt, er interessiert sich für den gesellschaftlichen Prozess, der „in jeglicher konkreter Ehe die Beteiligten affiziert“.
Wie aktuell ist dieses vierzig Jahre alte familiensoziologische Werk, angesichts der heute zu beobachtenden Pluralisierung von Lebensformen?
Diese Arbeit will den mikrosoziologischen Ansatz von Berger/Kellner durch Vergleich mit heute beobachtbaren familialen Phänomenen auf Aktualität überprüfen. Dazu wird in einem allgemeinen Kapitel auf die heutige Problematik der Definition von „Familie“ und den heutigen Bedeutungsgrad von Ehe für Familie eingegangen. Im Anschluss legt das Kapitel über Phänomenologie wichtige begriffliche Grundlagen für die folgende Auseinandersetzung mit den ehelichen Konstruktionsmechanismen von Alltagswirklichkeit. Um zu beweisen, wie konform zum Ansatz von 1965 die eheliche zu einer nach heutigem Verständnis interaktive familialen Konstruktion von Alltag ausgeweitet werden kann, behandelt Kapitel fünf die Rolle der reziproken Einflussnahme und Sozialisation zur Schaffung familialer Alltagswirklichkeit.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Definition von Ehe und Familie im Kontext von Berger und Kellner
- Ehe als Basis von Familie
- Der Mythos Liebesehe
- Das „Alltagsteam" Ehe
- Exkurs: Phänomenologische Grundlagen für Wirklichkeitskonstruktion
- Partnerschaft als nomischer Bruch und nomosbildendes Instrument
- Das Ehe - „Drama"
- Stabilisierung durch Objektivierung
- Die Rolle von Sozialisation bei der Konstruktion von Familienwirklichkeit
- Sozialisation und Machtverhältnisse
- Formen kindlichen Einflusses auf die Eltern
- Situationsgebundene Einwirkungen
- Situationsübergreifende Folgen von Elternschaft
- Retroaktive Sozialisation in der Familie
- Schluss
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert die Aktualität des phänomenologischen Ansatzes von Peter Berger und Hansfried Kellner, der in ihrem 1965 erschienenen Artikel „Die Ehe und die Konstruktion der Wirklichkeit" vorgestellt wurde. Ziel ist es, das mikrosoziologische Modell von Berger/Kellner auf die heutige Problematik der Definition von „Familie" und die Bedeutung von Ehe für Familie zu übertragen und zu überprüfen, inwiefern es auch im Kontext der heutigen Pluralisierung von Lebensformen relevant ist.
- Die Definition von „Familie" im Kontext der Individualisierung und Pluralisierung von Lebensformen
- Die Rolle der Ehe als Basis für die Konstruktion von Familienwirklichkeit
- Die Bedeutung des „nomischen Bruchs" und die Bedeutung der Objektivierung für die Stabilisierung von Partnerschaften
- Die Reziprozität von Sozialisationsprozessen in der Familie und der Einfluss von Kindern auf die elterliche Wirklichkeitskonstruktion
- Die Aktualität des Ansatzes von Berger/Kellner im Kontext der heutigen Familienformen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt das Thema der Arbeit vor und beleuchtet die Aktualität der Thematik „Liebe" und „Dauerhaftigkeit von Beziehungen" im Kontext der Pluralisierung von Lebensformen.
Das zweite Kapitel analysiert die Definition von Ehe und Familie im Kontext von Berger und Kellner. Es untersucht die Bedeutung der Ehe als Basis von Familie und die Herausforderungen, die sich durch die Pluralisierung von Lebensformen ergeben. Des Weiteren wird der Mythos der Liebesehe beleuchtet und die Bedeutung der Ehe als „Alltagsteam" für die Konstruktion von Familienwirklichkeit herausgestellt.
Der Exkurs widmet sich den phänomenologischen Grundlagen für die Konstruktion von Wirklichkeitskonstruktion. Es werden die zentralen Elemente des wissenssoziologischen Ansatzes von Berger und Kellner vorgestellt, insbesondere die Bedeutung der Intersubjektivität und der „nomischen Apparates" für die Ordnung des alltäglichen Lebens.
Das vierte Kapitel behandelt die Partnerschaft als „nomischen Bruch" und nomosbildendes Instrument. Es analysiert die Ehe als „dramatischen Vorgang" und die Bedeutung des Gesprächs für die Objektivierung und Stabilisierung der Beziehung.
Das fünfte Kapitel untersucht die Rolle der Sozialisation bei der Konstruktion von Familienwirklichkeit. Es werden die Reziprozität von Sozialisationsprozessen in der Familie, der Einfluss von Kindern auf die elterliche Wirklichkeitskonstruktion und die verschiedenen Formen kindlichen Einflusses auf die Eltern (situationsgebundene Einwirkungen, situationsübergreifende Folgen von Elternschaft und retroaktive Sozialisation) beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Familie, die Ehe, die Konstruktion der Wirklichkeit, die Sozialisation, die Individualisierung, die Pluralisierung von Lebensformen, die nomische Ordnung, die Objektivierung, die Intersubjektivität, der „nomische Bruch" und das „Alltagsteam". Der Text analysiert die Aktualität des phänomenologischen Ansatzes von Peter Berger und Hansfried Kellner im Kontext der heutigen Familienformen und beleuchtet die Bedeutung der Ehe als Basis für die Konstruktion von Familienwirklichkeit.
- Arbeit zitieren
- Sabine Friedlein (Autor:in), 2005, Alltagsteam Familie: Zur Aktualität des phänomenologischen Ansatzes von Berger und Kellner, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55212
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