Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Prozess der politischen Sozialisation in der Familie, und mit der Bedeutung der Familie als Sozialisationsinstanz im Vergleich zu anderen Instanzen und Agenten der politischen Sozialisation.
Zunächst wird die Entwicklungsgeschichte der Forschung dargestellt wird, darauf aufbauend wird die Entwicklung verschiedener Definitionen der politischen Sozialisation verfolgt und die Unterscheidung zwischen mehreren Dimensionen der politischen Sozialisation und auch die Einwände, die vor allem seit den 1970er Jahren gegen traditionell vorherrschende Theorien und Definitionen der politischen Sozialisation vorgebracht werden.
Die Arbeit wendet sich dann der Forschung speziell zur Rolle der Familie im Sozialisationsprozess zu. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Kontroverse um die Bedeutung der Familie im Vergleich zu anderen Sozialisationsinstanzen und - Agenten, besonders die Schule. Die Auseinandersetzung um die relative Bedeutung der Familie und der Schule im Prozess der politischen Sozialisation wurde vor allem ab den 1970er Jahren geführt, einige wichtige Beiträge zu dieser Diskussion werden in einem eigenen Kapitel präsentiert. Der Verlauf dieser Forschungskontroversen und die dabei verwendeten theoretischen Modelle stehen in diesem zweiten Hauptteil in Vordergrund. In zwei weiteren Kapiteln wird dann noch im einzelnen auf die Prozesse der manifesten und der latenten Sozialisation in der Familie eingegangen, wobei vor allem auf empirische Ergebnisse aus der Forschung zurückgegriffen wird, um die Fragen zu untersuchen, welche Einstellungen, Werte und Verhaltensformen unter welchen Umständen in welchem Maße von der Eltern an die Kinder vermittelt werden. Der abschließende dritte Hauptteil ist die Zusammenfassung, in der die vorgestellten Befunde, Theorien und Argumente kommentiert und abgewogen werden mit der Absicht, einige Schlussfolgerungen über die tatsächliche Bedeutung der Familie im Prozess der politischen Sozialisation zu ziehen.
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung
2. Begriffe
2.1. Zum Begriff der Sozialisation
2.2. Zum Begriff der politischen Sozialisation
3. Die Rolle der Familie im Prozess der politischen Sozialisation
3.1. Die Rolle der Familie im Prozess der politischen Sozialisation als Gegenstand der Sozialwissenschaftlichen Forschung
3.2. Forschungskontroverse Familie vs. Schule
3.3. Theoretische Modelle zur Erklärung der politischen Sozialisation in der Familie
3.4. Manifeste politische Sozialisation in der Familie
3.5. Latente politische Sozialisation in der Familie
4. Zusammenfassung: Implikationen dieser Befunde für die Frage nach der Bedeutung der Familie im Sozialisationsprozess
5. Literatur
1. Einleitung
Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Prozess der politischen Sozialisation in der Familie, und mit der Bedeutung der Familie als Sozialisationsinstanz im Vergleich zu anderen Instanzen und Agenten der politischen Sozialisation. Vor der eigentlichen Darstellung des Gegenstandes ist eine Beschäftigung mit wichtigen begrifflichen und theoretischen Grundlagen nötig. Zunächst soll der allgemeine Begriff der Sozialisation vorgestellt werden, wobei es vor allem um den Ursprung der Sozialisationstheorie als Gegenpol zu deterministischen sowie um die Klärung des Verhältnisses der beiden Begriffe Sozialisation und Erziehung gehen soll.
Im zweiten Kapitel dieses ersten Teiles geht es um die politische Sozialisation, wobei zunächst die Entwicklungsgeschichte der Forschung dargestellt wird. Aus dieser Darstellung heraus und darauf aufbauend wird auch die Entwicklung verschiedener Definitionen der politischen Sozialisation verfolgt, etwa die enger und weiter gefassten Definitionen und die Unterscheidung zwischen mehreren Dimensionen der politischen Sozialisation und auch die Einwände, die vor allem seit den 1970er Jahren gegen traditionell vorherrschende Theorien und Definitionen der politischen Sozialisation vorgebracht werden.
Es folgt dann der eigentliche Hauptteil, der sich mit der Forschung speziell zur Rolle der Familie im Sozialisationsprozess beschäftigt. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Kontroverse um die Bedeutung der Familie im Vergleich zu anderen Sozialisationsinstanzen und -Agenten, besonders die Schule. Die Auseinandersetzung um die relative Bedeutung der Familie und der Schule im Prozess der politischen Sozialisation wurde vor allem ab den 1970er Jahren geführt, einige wichtige Beiträge zu dieser Diskussion werden in einem eigenen Kapitel präsentiert. Der Verlauf dieser Forschungskontroversen und die dabei verwendeten theoretischen Modelle stehen in diesem zweiten Hauptteil in Vordergrund. In zwei weiteren Kapiteln wird dann noch im einzelnen auf die Prozesse der manifesten und der latenten Sozialisation in der Familie eingegangen, wobei vor allem auf empirische Ergebnisse aus der Forschung zurückgegriffen wird, um die Fragen zu untersuchen, welche Einstellungen, Werte und Verhaltensformen unter welchen Umständen in welchem Maße von der Eltern an die Kinder vermittelt werden. Der abschließende dritte Hauptteil ist die Zusammenfassung, in der die vorgestellten Befunde, Theorien und Argumente kommentiert und abgewogen werden mit der Absicht, einige Schlussfolgerungen über die tatsächliche Bedeutung der Familie im Prozess der politischen Sozialisation zu ziehen.
2. Begriffe
2.1. Zum Begriff der Sozialisation
Die Beschäftigung mit dem Phänomen der politischen Sozialisation setzt zunächst eine Definition des Begriffes der Sozialisation voraus. Dieter Geulen liefert hierfür die knappe Formel „Genese der Fähigkeit zu gesellschaftlichem Handeln“, oder die ausführlichere Version: „Entstehung und Bildung der Persönlichkeit aufgrund ihrer Interaktion mit einer stets historisch spezifischen materiellen, kulturellen und sozialen Umwelt.[1]
Wie die Mehrheit der in dieser Arbeit behandelten Autoren sieht auch Geulen die Sozialisation als einen lebenslangen Prozess, also keine einmalige Prägung aber auch keine bloße Ansammlung punktueller Erfahrungen. Das besondere Wesen der Sozialisation wird als Ergebnis der Funktionsweise des psychischen Apparates des Menschen gedeutet, das systematische Zusammenhänge zwischen Erfahrungen herstellt. So bestimmen gespeicherte Erfahrungen aus der Vergangenheit, auf welcher Art und Weise neue Erfahrungen wahrgenommen, interpretiert und verarbeitet werden – es kommt also immer wieder zu neuen Sozialisationserfahrungen.[2]
Die Kindheitserfahrungen werden aber dennoch als besonders bedeutsam sind, weil sie als erste Erfahrungen die der Mensch macht die weitere Entwicklung der Persönlichkeit mit einem gewissen „Multiplikatoreffekt“ mitbestimmen. Auch wenn der Mensch später im Erwachsenenalter mehr Handlungsalternativen und Gestaltungsfreiräume hat um den eigenen Lebensweg zu bestimmen, sind Kindheitserfahrungen weiterhin vorhanden und in ihrer Wirkung sehr schwierig bis unmöglich aufzuheben.[3]
Grundsätzlich ist das Konzept der Sozialisation von der Idee der Genese der Persönlichkeit durch Erbanlagen abzugrenzen. Dieser Theorie zufolge ist die Persönlichkeit durch die genetische Ausstattung weitestgehend festgelegt, die Herausbildung und Entwicklung der Persönlichkeit in Laufe des Lebens wird lediglich als Entfaltung dieser bereits vorhandenen Merkmale gedeutet. Die Umwelt sowie verschiedene Sozialisationsagenten haben dieser Theorie zufolge keine besondere Bedeutung bei der Persönlichkeitsbildung – menschliches Verhalten wird, wie das der Tiere, im wesentlichen durch Instinkte geprägt.
Einwände gegen diese Übertragung Darwinistischer Theorien über tierisches Verhalten auf Menschen wurden von Anthropologen vorgebracht, die darauf hinwiesen, dass Instinkte bei Menschen nur eine untergeordnete Rolle spielen könnten, da sie alleine in einer sich schnell verändernden Gesellschaft als Handlungsgrundlage völlig ungenügend seien. Der Mensch zeichne sich vielmehr durch eine Fähigkeit zur Anpassung durch Lernen aus, dabei komme dem Prozess der Sozialisation eine besondere Bedeutung zu.[4]
Eine weitere wichtige Klärung betrifft das Verhältnis zwischen Sozialisation und Erziehung. Diese beiden Konzept stehen keinesfalls in Konkurrenz zueinander, die Sozialisation ist vielmehr ein allgemeinerer Begriff und schließt die Erziehung mit ein. Erziehung ist immer intentionales, normativ-zielgerichtes und geplantes Handeln durch Sozialisationagenten,[5] während Sozialisation auch nicht-geplantes, nicht-intentionales Handeln umfassen oder ohne das Mitwirken von Sozialisationsagenten erfolgen kann, wie im folgenden Kapitel dargestellt wird.
2.2. Zum Begriff der politischen Sozialisation
Politische Sozialisation ist per Definition ein Teilbereich des allgemeinen Sozialisationsprozesses. Auch wenn, wie unten zu sehen sein wird, Kritik gegen diese Abgrenzung vorgetragen wurde, hat diese Trennung Tradition in der Forschung und muss demzufolge auch honoriert werden, zumal diese Interpretation von den meisten Autoren auch geteilt wird.
Die Anfänge der Politischen Sozialisationsforschung finden sich in den 1930er und 40er Jahren in den USA. Dort wurden Untersuchung zu Themen wie der Einfluss von Erziehungsstilen auf die Herausbildung politischer Einstellungen durchgeführt. Der Begriff der politischen Sozialisation wurde von Herbert Hyman geprägt, der sich allerdings im wesentlichen auf die psychologischen und nicht auf die soziologischen Aspekte dieses Phänomens konzentrierte.[6]
Dem modernen Verständnis von politischer Sozialisation kam Fred Greenstein mit seiner 1965 vorgelegten Definition näher. Seine sehr weit gefasste Definition lautete:
„alles politische Lernen, formell und informell, gezielt und ungeplant, in jeder Lebensphase; es schließt also nicht nur das explizit politische lernen sondern auch das so bezeichnete nicht-politische Lernen, welches das politische Verhalten beeinflusst, zum Beispiel das Erlernen politisch bedeutsamer sozialer Einstellungen und der Erwerb politische relevanter Persönlichkeitsmerkmale“[7]
Die Hauptmerkmale sind nach Greenstein also dass die politischen Sozialisation nie abgeschlossen ist, dass sie in allen sozialen Kontexten Erfolgen kann und auch nicht vom Vorhandensein eines Sozialisationsagenten abhängig ist, außerdem ist die Unterscheidung zwischen expliziten und impliziten Formen der Sozialisation wichtig, weil hiermit zum ersten Mal die Möglichkeit der „latenten Sozialisation“ angesprochen wird.[8]
In Anlehnung an diese Definition können vier verschiedene Formen der Sozialisation unterschieden werden. So können explizite und implizite Sozialisation jeweils beide zum einen durch beabsichtige Einflussnahme eines Sozialisationsagenten aber zum anderen auch durch beiläufiges Lernen anhand von Arrangements erfolgen.[9]
Diese beiden Unterscheidungsebenen bedeuten also vier verschiedene Erscheinungsformen der politischen Sozialisation: Eine beabsichtigte Einflussnahme eines Sozialisationsagenten mit einem explizit politischen Inhalt wäre etwa ein Versuch seitens der Eltern, das Kind in einer Diskussion von einem bestimmten politischen Standpunkt zu überzeugen. Eine ebenfalls beabsichtigte Einflussnahme, diesmal aber mit einem impliziten bzw. indirekten politischen Inhalt wäre, wenn Eltern sich bemühen, in der Erziehung ihren Kindern bestimmte Werte und Einstellungen wie etwa die Achtung der Menschenwürde zu vermitteln. Ein Beispiel für die beiläufige Vermittlung eines explizit politischen Inhalt wäre, wenn ein Kind mitbekommt, wie in einem Action-Film Gewalt als natürliche und akzeptable Form der Konfliktlösung präsentiert wird. Schließlich gibt es noch den vierten Fall des beiläufigen Lernens eines implizit politischen Inhaltes, ein solcher Fall wäre, wenn es im Elternhaus gewöhnlich ist, beim Abspielen der Nationalhymne im Radio oder Fernsehen aufzustehen.
Lediglich der erste Fall, also die beabsichtigte Vermittlung eines explizit politischen Inhaltes wird gewöhnlich als „manifeste politische Sozialisation“ bezeichnet, während die übrigen drei Erscheinungsformen unter der Überschrift „latente politische Sozialisation“ zusammengefasst werden.[10]
Eine wesentlich andere Definition legte Gabriel Almond vor: für ihn ist die politische Sozialisation schlicht die Einführung in die politische Kultur. Diese Definition beinhaltet die Behauptung, dass dieser Prozess irgendwann abgeschlossen ist, wenn der Mensch in die politische Kultur eingeführt ist – obwohl dieser Zeitpunkt natürlich nicht genau festgelegt werden kann. Bei der Charakterisierung des Inhalt des Prozesses unterscheidet Almond zwischen verschiedene Ebenen: die Einführung in die politische Kultur besteht aus der Herausbildung von Einstellungen, Wahrnehmungen, Wertstandards und Gefühlen gegenüber dem politischen System, seinen Rollen und den Rolleninhabern. So geht er von einer engen Verknüpfung von politischer Sozialisation und politisches System aus – die erfolgreiche politische Sozialisation zumindest einer Mehrheit der Gesellschaftsmitglieder ist eine Bedingung für die Stabilität des Systems. Diese Interpretation ist auch der Ansatzpunkt für die Kritik, die seitens Vertreter der kritischen Theorie gegen das Konzept der politischen Sozialisation vorgetragen wird. Sie sehen diese als eine „Erziehung zur Anpassung“, bei dem es darum geht, Menschen zu einer kritiklosen Anpassung an den Status Quo zu erziehen. Des weiteren widerspricht die kritische Theorie der Vorstellung von der politischen Sozialisation als Teilprozess der allgemeinen Sozialisation, mit dem Argument, dass der gesamte Sozialisationsprozess politisch sei.[11]
[...]
[1] Geulen (2002), 84.
[2] Geulen (2002), 85.
[3] Geulen (2002), 85.
[4] Geulen (2002), 86.
[5] Geulen (2002), 86.
[6] Hopf & Hopf, 11.
[7] Zitiert nach: Hopf & Hopf, 12.
[8] Hopf & Hopf, 12.
[9] Hopf & Hopf, 12.
[10] Hopf & Hopf, 13.
[11] Hopf & Hopf, 13.
- Arbeit zitieren
- Sean McGinley (Autor:in), 2005, Die Rolle und die Bedeutung der Familie im Prozess der politischen Sozialisation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54987
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