Die Forschung um die Philosophie Lockes kam bei den Versuchen, seine Lehre in ein Schema einzuordnen, auf recht unterschiedliche Ergebnisse. Einerseits ordnet man ihn eher in die Tradition von Aristoteles, der Stoa und Thomas von Aquin ein, auf die die Naturrechtslehre und Sozialphilosophie zurückgehen. Eine Lehre, „(...) nach der im Universum natürliche, den Menschen verpflichtende objektive Normen walten, an denen gemessen werden kann, was im staatlichen Leben gut und gerecht ist.“1 Andererseits nimmt man wieder an, dass Locke sich von dieser Tradition abkehrt und u.a. Hobbes in die moderne Naturrechtslehre folgt, die einen Staat konstruieren will, in dem die Individuen zum einen Wohl für sich selbst und damit Wohl für die Gemeinschaft anstreben, wobei die Konflikte auf ein Minimum reduziert werden sollen.
„ Locke erschien der einen, „traditionalistischen“ Interpretationsrichtung als Anhänger der klassischen Politiktradition und Vertreter einer stoisch-christlichen Naturrechtsauffassung, während er sich der anderen, „progressistischen“ Interpretationsrichtung als Vertreter eines individualistisch-rationalistischen Naturrechts und Theoretiker der frühbürgerlichen Gesellschaft darstellte.“2
Andere glauben wieder, John Locke nehme eine Zwischenposition zwischen modernem und traditionellem Naturrecht ein.
Leo Strauss macht innerhalb dieser Interpretationsansätze jedoch die klarste Aussage darüber, wie man Locke einordnen müsse. Nach ihm kehrt Locke sich eindeutig von der Tradition ab, und stützt sich auf die Theorie, dass der Staatsvertrag aus reinem Egoismus entstehe. Egoistische Selbsterhaltung und das Streben nach persönlichem Wohl lassen sich nicht mehr damit vereinbaren, dass der Selbsterhaltungstrieb im Sinne der göttlichen Schöpfungsordnung mit den anderen Trieben der Menschheit im Einklang steht. „Das fundamentalste aller Rechte ist (...) das Recht auf Selbsterhaltung“.3
[...]
1 Euchner, Walter: Naturrecht und Politik bei John Locke, S. 3
2 Medick, Hans: Naturzustand und Naturgeschichte der bürgerlichen Gesellschaft, S. 67
3 Strauss, Leo: Naturrecht und Geschichte, S. 237
Inhaltsverzeichnis
1. Einordnung der Philosophie von Locke
2. Der Naturzustand
2.1 Das Recht auf Freiheit
2.2 Das Recht zur Selbstverteidigung
2.3 Das Eigentum
2.4 Erwerbsschranken
2.5 Die Einführung des Geldes
3. Der Zweck des Staates
3.1 Der Krieg „jeder gegen jeden“
3.2 Der Gesellschaftsvertrag
1. Einordnung der Philosophie von Locke
Die Forschung um die Philosophie Lockes kam bei den Versuchen, seine Lehre in ein Schema einzuordnen, auf recht unterschiedliche Ergebnisse. Einerseits ordnet man ihn eher in die Tradition von Aristoteles, der Stoa und Thomas von Aquin ein, auf die die Naturrechtslehre und Sozialphilosophie zurückgehen. Eine Lehre, „(...) nach der im Universum natürliche, den Menschen verpflichtende objektive Normen walten, an denen gemessen werden kann, was im staatlichen Leben gut und gerecht ist.“[1] Andererseits nimmt man wieder an, dass Locke sich von dieser Tradition abkehrt und u.a. Hobbes in die moderne Naturrechtslehre folgt, die einen Staat konstruieren will, in dem die Individuen zum einen Wohl für sich selbst und damit Wohl für die Gemeinschaft anstreben, wobei die Konflikte auf ein Minimum reduziert werden sollen.
„ Locke erschien der einen, „traditionalistischen“ Interpretationsrichtung als Anhänger der klassischen Politiktradition und Vertreter einer stoisch-christlichen Naturrechtsauffassung, während er sich der anderen, „progressistischen“ Interpretationsrichtung als Vertreter eines individualistisch-rationalistischen Naturrechts und Theoretiker der frühbürgerlichen Gesellschaft darstellte.“[2]
Andere glauben wieder, John Locke nehme eine Zwischenposition zwischen modernem und traditionellem Naturrecht ein.
Leo Strauss macht innerhalb dieser Interpretationsansätze jedoch die klarste Aussage darüber, wie man Locke einordnen müsse. Nach ihm kehrt Locke sich eindeutig von der Tradition ab, und stützt sich auf die Theorie, dass der Staatsvertrag aus reinem Egoismus entstehe. Egoistische Selbsterhaltung und das Streben nach persönlichem Wohl lassen sich nicht mehr damit vereinbaren, dass der Selbsterhaltungstrieb im Sinne der göttlichen Schöpfungsordnung mit den anderen Trieben der Menschheit im Einklang steht. „Das fundamentalste aller Rechte ist (...) das Recht auf Selbsterhaltung“.[3]
Der Mensch rückt durch die Verschiebung der Gewichtung von den natürlichen Pflichten zu den natürlichen Rechten in den Mittelpunkt der Schöpfung.
2. Der Naturzustand
2.1 Das Recht auf Freiheit
Lockes gesamte politische Lehre beruht auf der Annahme eines vorstaatlichen Naturzustandes. Dieser Naturzustand zeichnet sich aus durch das Fehlen einer gesatzten Rechtsordnung und durch die vollkommene Gleichheit und Freiheit aller Menschen. Das heißt, dass es unter den Menschen keinerlei Unterwerfung und Unterordnung gibt.
Es gibt niemanden, der rechtlich über dem anderen steht; alle Menschen sind gleich und keiner hat das Recht über den Willen des anderen zu verfügen. Als die Schöpfung Gottes sind sie allein ihm Untertan und da er sie alle gleich geschaffen hat, kann keine Rangordnung angenommen werden.
Gleichheit bedeutet aber nicht, dass jeder Mensch dieselben Fähigkeiten und Talente besitzt. Im Gegenteil: „ Es gibt (...) große Unterschiede im Verstand der Menschen, und ihre natürliche Veranlagung hat zwischen einigen Menschen einen so großen Unterschied in dieser Hinsicht gelegt, den Geschicklichkeit und Fleiß niemals aufwiegen können.“[4]
Es gibt also durchaus Menschen, die sich durch ihre intellektuellen Fähigkeiten besondere Vorteile verschaffen können und sich so über den Durchschnitt heben.
Die Gleichheit besteht eher darin, dass die Menschen von Natur aus in die selbe Lage geboren werden. Keiner hat mehr Macht und Besitz als der andere. Vermögen und Besitz als die Grundlage der Macht sind etwa gleich unter allen aufgeteilt. Daraus folgert sich, dass sich die Menschen untereinander auch als Gleichgestellte behandeln müssen; sie alle unterliegen dem Naturgesetz. Dieses besagt, dass niemals ein Mensch einem anderen Schaden zufügen darf, sei es an seinem Leben, seiner Gesundheit, Freiheit, oder auch an seinem Besitz. „Nichts ist einleuchtender, als dass Geschöpfe von gleicher Gattung und von gleichem Rang, die ohne Unterschied zum Gebrauch derselben Fähigkeiten geboren sind, ohne Unterordnung und Unterwerfung einander gleichgestellt leben sollen (...)“.[5]
Unter Freiheit versteht Locke das Recht, ja sogar die Pflicht dazu, dass jeder nach Glück und Selbsterhaltung streben soll, damit das Universalgesetz der Erhaltung der Schöpfung erfüllt wird. Damit diese Pflicht erfüllt werden kann, muß aber jeder über seinen Besitz und seine Person frei verfügen können und von anderen unabhängig sein. Freiheit heißt das Recht „(...) seine Handlungen zu lenken und über seinen Besitz und seine Person zu verfügen, wie es ihm am besten scheint, ohne jemandes Erlaubnis einzuholen und ohne von dem Willen eines anderen abhängig zu sein, aber wohlgemerkt, innerhalb der Grenzen des natürlichen Gesetzes.“[6]
Das Einhalten des Naturgesetzes bedeutet hier aber in keiner Weise eine Einschränkung der Freiheit. Sie garantiert die vollkommene Freiheit erst, denn „ das Ziel des Gesetzes ist nicht (...) die Freiheit abzuschaffen oder einzuschränken, sondern sie zu erhalten oder zu erweitern.“[7]
2.2 Das Recht zur Selbstverteidigung
Da im Naturzustand jeder in Freiheit lebt und über sich und seinen Besitz frei verfügen kann, muß auch jedem Menschen das Recht zur Selbstverteidigung zugestanden werden. Jeder soll die Möglichkeit haben, sich und seine Familie bei einem Angriff von außen verteidigen zu dürfen und sich selbst zu erhalten. Der Kampf zur Verteidigung ist nach dem Naturgesetz vollkommen legitim, da auf diese Weise das Gleichgewicht des Naturzustandes erhalten werden kann. Wenn Störungen im Gleichgewicht auftreten, müssen sie die Menschen selbst wieder bereinigen. Jeder einzelne ist befugt das Naturgesetz selbst auszulegen und gegebenenfalls selbst gewaltsam zu vollstrecken, da es keine unparteiische Obrigkeit gibt, die in Konfliktfällen eingreifen könnte. Aus dem Fehlen eines Richters ergibt sich, dass Streitereien, die bis hin zum Kampf ums Überleben ausarten können, auf eine andere Weise - nämlich durch Selbstverteidigung - geschlichtet werden müssen.
Wenn sich jeder an das Naturgesetz gebunden sieht und nur soviel an Eigentum an sich nimmt, wie er braucht und alle anderen in Frieden und Freiheit leben läßt, gibt es keine Konflikte. „Solange also die Vernunft mit ihrem natürlichen Gesetz wirklich regiert, leben die Menschen in dem Naturzustand wirklich glücklich - sowie aber einer oder eine Gruppe dem natürlichen Gesetz aus Habsucht nicht mehr Folge leistet, kommt es zum Kampf und Krieg, da ein jeder nur seine eigenen Belange im Auge hat und die Möglichkeit, diese vor einem Gericht ohne Waffen zu verteidigen, nicht besteht.“[8]
Der Naturzustand ist also wahrscheinlich ein Zustand in dem Krieg herrscht. Zwar meint Locke, dass das Recht auf Selbstverteidigung willkürliche Racheakte ausschließt und der Strafende sich an die Gebote der Vernunft halten müsse, aber natürlich ist nicht garantiert, dass die Individuen dieser Forderung nachkommen und tatsächlich nur nach der Schwere des Vergehens bestrafen.
Der Naturzustand birgt also ein großes Konfliktpotential in sich, auch wenn er - anders als bei Hobbes - nicht per se ein Kriegszustand ist.
„Das Zusammenleben der Menschen nach ihrer Vernunft, ohne einen gemeinsamen Oberherren auf Erden mit der Macht, ihnen Recht zu sprechen, bedeutet den reinen Naturzustand. Gewalt aber, oder die erklärte Absicht, gegen die Person eines anderen Gewalt zu gebrauchen, bedeutet (...) den Kriegszustand. (...) Das Fehlen eines mit Autorität ausgestatteten gemeinsamen Richters versetzt alle Menschen in den Naturzustand; Gewalt ohne Recht, gegen jemandes Person gerichtet, erzeugt den Kriegszustand, ganz gleich ob es einen gemeinsamen Richter gibt oder nicht.“[9]
Locke sagt also, dass ein Kriegszustand überall dort zu finden ist, wo ein unrechtmäßiger Gebrauch von Gewalt stattfindet. Dies kann sowohl im gesellschaftlich geordneten Zustand als auch im Naturzustand passieren.
Bei Hobbes hingegen ist der Naturzustand automatisch mit dem Kriegszustand gleichzusetzen, da nach ihm jeder Mensch nur seine eigenen Interessen im Blick hat.
2.3. Das Eigentum
Das eben erläuterte Recht auf Selbsterhaltung ist für Lockes Menschen in erster Linie durch das Privateigentum begründet. Wenn jeder das natürliche Recht auf Selbsterhaltung hat, dann hat er notwendigerweise auf alles ein Recht, was für seine Erhaltung unbedingt nötig ist. „(...) Es darf nach Locke sogar schon ein Dieb getötet werden, ein Mensch also, der es nicht auf das Leben, sondern zunächst nur auf Eigentum und Besitz eines Menschen abgesehen hat.“[10] Bedroht ein Mensch den Besitz eines anderen, so bedroht er folglich auch die Grundlage seines Lebensunterhaltes.
[...]
[1] Euchner, Walter: Naturrecht und Politik bei John Locke, S. 3
[2] Medick, Hans: Naturzustand und Naturgeschichte der bürgerlichen Gesellschaft, S. 67
[3] Strauss, Leo: Naturrecht und Geschichte, S. 237
[4] Locke zitiert in Euchner, Walter: Naturrecht und Politik bei John Locke, S. 194
[5] Locke zitiert in Braun, Eberhard u.a.: Politische Philosophie, S. 139
[6] Locke zitiert in Euchner, Walter: Naturrecht und Politik bei John Locke, S. 193
[7] Ebd. S. 193
[8] Blum, Wilhelm: Politische Philosophen, S. 126
[9] Locke, John: Über den menschlichen Verstand, § 16
[10] Blum, Wilhelm: Politische Philosophen. S. 126
- Arbeit zitieren
- MA Ulrike Ziegler (Autor:in), 1999, John Locke - Naturzustand und Zweck des Staates, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54760
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.