Die Höhe der Abwassergebühren ist in den letzten Jahren zunehmend in die Kritik geraten. Innerhalb der 1990er Jahre haben sich die Abwassergebühren nahezu verdoppelt. Dagegen ist die zu entsorgende Menge Wasser in den letzten Jahren gesunken. Insbesondere in den neuen Bundesländern kam es seit der Wiedervereinigung zu enormen Kostensteigerungen und infolgedessen zu einer drastischen Reduzierung der Verbrauchsmengen. Der Bevölkerungsrückgang in weiten Teilen Deutschlands tut sein Übriges, dass die Systeme der Abwassertechnik mit enormen Schwierigkeiten wirtschaftlicher und technischer Art konfrontiert werden
Da zusätzlich in den vergangenen Jahren das Geld in den öffentlichen Kassen immer knapper wurde, werden seit einiger Zeit intensive Überlegungen darüber angestellt, wie Kosten eingespart werden können. Vermehrt ist von Schlagworten wie „Kostencontrolling“ und „Privatisierung“ die Rede.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Hintergrund
1.2 Problemstellung
1.3 Ziele und Vorgehensweise
2. Grundlagen der Abwasserentsorgung
2.1 Begriffsbestimmungen
2.2 Eckdaten zur materiellen Infrastruktur - unter Beachtung des Landes Brandenburgs
2.2.1 Umfang der Kanalisation
2.2.2 Alter und Zustand der Kanalisation
2.2.3 Kläranlagen
2.3 Rechtliche Rahmenbedingungen
2.3.1 Europarecht
2.3.2 Bundesrecht
2.3.3 Landesrecht
2.3.4 Kommunale Satzungen
2.4 Organisationsformen
2.4.1 Öffentlich-rechtliche Modelle
2.4.1.1 Regiebetrieb
2.4.1.2 Eigenbetrieb
2.4.1.3 Anstalt öffentlichen Rechts
2.4.1.4 Zweckverband
2.4.1.5 Wasser - und Bodenverband
2.4.2 Privatrechtliche Modelle
2.4.2.1 Eigengesellschaft
2.4.2.2 Betreibermodell
2.4.2.3 Betriebsführungsmodell
2.4.2.4 Betriebsüberlassung
2.4.2.5 Kooperationsmodell
2.5 Veränderte Nachfragebedingungen
2.5.1 Abnehmerentwicklung
2.5.2 Abnehmerverhalten
2.5.2.1 Einsparpotentiale private Haushalte
2.5.2.2 Einsparpotentiale Unternehmen
2.5.3 Auswirkungen auf die Systeme der Abwassertechnik
3. Finanzierung der Abwasserentsorgung
3.1 Innenfinanzierung
3.1.1 Gebühren
3.1.2 Beiträge
3.1.3 Investitionszuweisungen
3.2 Außenfinanzierung
3.2.1 Kreditfinanzierung
3.2.2 Kreditsubstitute
3.2.2.1 Kommunalleasing
3.2.2.2 Cross-Border-Leasing
3.2.2.3 Forfaitierung
3.2.2.4 Stille Beteiligung
3.3 Fazit
4. Umgang mit Kosten bei der Abwasserentsorgung
4.1 Kostenrechnung allgemein
4.1.1 Grundlagen
4.1.2 Aufgaben und Ziele der Kostenrechnung
4.1.3 Systematik der Kostenrechnung
4.1.4 Kostenrechnungssysteme
4.1.5 Kosten- und Leistungsrechnung
4.2 Kostenplanung
4.2.1 Grundlagen
4.2.2 Investitionskostenplanung
4.2.3 Planung der Betriebskosten
4.2.3.1 Kanalisation
4.1.3.2 Abwasserpumpwerke
4.2.3.3 Kläranlagen
4.2.3.4 Reststoffbehandlung und -entsorgung
4.2.3.5 Abwasserabgabe
4.3 Kostenvergleichsrechnung
4.3.1 Vorüberlegungen
4.3.2 Abgrenzung
4.3.3 Ablauf
4.4 Kostenmanagement
4.4.1 Abgrenzung
4.4.2 Instrumente
4.4.2.1 Benchmarking
4.4.2.2 Prozesskostenrechnung
4.5 Fazit
5. Ansätze zur Kostenoptimierung bei der Abwasser-entsorgung in zwei Brandenburger Regionen
5.1 Auswahl der Untersuchungsbeispiele
5.2 Der Wasser- und Abwasserverband „Havelland“
5.2.1 Die Region Havelland
5.2.1.1 Geographische und administrative Einordnung
5.2.1.2 Demographie
5.2.2 Organisationsstruktur
5.2.3 Entsorgungsstruktur
5.2.4 Entgelterhebung
5.2.4.1 Beiträge
5.2.4.2 Gebühren
5.2.5 Unternehmensbestand
5.2.5.1 Anlagevermögen
5.2.5.2 Umlaufvermögen
5.2.5.3 Verbindlichkeiten
5.2.5.4 Personal
5.2.5.5 Verträge
5.2.6 Entwicklung der Nachfrage
5.2.7 Analyse der wirtschaftlichen Lage
5.3 Der Abwasserzweckverband „Planetal“
5.3.1 Die Region Planetal
5.3.1.1 Geographische und administrative Einordnung
5.3.1.2 Demographie
5.3.2 Organisationsstruktur
5.3.3 Entsorgungsstruktur
5.3.4 Entgelterhebung
5.3.4.1 Beiträge
5.3.4.2 Gebühren
5.3.5 Unternehmensbestand
5.3.5.1 Anlagevermögen
5.3.5.2 Umlaufvermögen
5.3.5.3 Verbindlichkeiten
5.3.5.4 Personal
5.3.5.5 Verträge
5.3.6 Entwicklung der Nachfrage
5.3.7 Analyse der wirtschaftlichen Lage
5.4 Ansätze zur Kostenoptimierung
5.4.1 Beeinflussbarkeit von Kosten
5.4.2 Fallbeispielbezogene Kostenoptimierungsmöglichkeiten
5.4.2.1 Kanalisation
5.4.2.2 Kläranlage
5.4.2.3 Verträge
5.4.3 Allgemeine Ansätze zur Kostenoptimierung
5.4.3.1 Nutzung von Synergien
5.4.3.2 Technische Kopplungseffekte
5.4.3.3 Kooperation
5.4.3.4 Benchmarking
5.4.3.5 Alternative Betriebsformen
5.5 Fazit
6. Resümee
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Literatur- und Quellenverzeichnis
Anlage
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
1.1 Hintergrund
Die Höhe der Abwassergebühren ist in den letzten Jahren zunehmend in die Kritik geraten. Innerhalb der 1990er Jahre haben sich die Abwassergebühren nahezu verdoppelt. Dagegen ist die zu entsorgende Menge Wasser in den letzten Jahren gesunken. Insbesondere in den neuen Bundesländern kam es seit der Wiedervereinigung zu enormen Kostensteigerungen und infolgedessen zu einer drastischen Reduzierung der Verbrauchsmengen. Der Bevölkerungsrückgang in weiten Teilen Deutschlands tut sein Übriges, dass die Systeme der Abwassertechnik mit enormen Schwierigkeiten wirtschaftlicher und technischer Art konfrontiert werden
Da zusätzlich in den vergangenen Jahren das Geld in den öffentlichen Kassen immer knapper wurde, werden seit einiger Zeit intensive Überlegungen darüber angestellt, wie Kosten eingespart werden können. Vermehrt ist von Schlagworten wie „Kostencontrolling“ und „Privatisierung“ die Rede.
1.2 Problemstellung
Den Gebührenzahlern ist nur schwer zu vermitteln, dass ihre Bemühungen Wasser einzusparen zu einer Erhöhung der Abwasserausgaben statt zu einer erwarteten Verminderung geführt haben. Erklärungsversuche zur Begründung steigender Abwassergebühren finden sich zahlreich. Zum einen werden Gebührensteigerungen mit dem betriebswirtschaftlichen Argument hoher Fixkosten vor dem Hintergrund sinkender Abwassermengen erklärt. Zum anderen mit hohen Investitionen aufgrund gestiegener Umweltauflagen oder hohen Aufbaukosten bei der Anbindung bisher unerschlossener Gebiete an die öffentliche Kanalisation. Parallel sind eine mangelnde Wirtschaftlichkeit von öffentlich-rechtlichen Organisationsformen und die Praxis der Gebührenkalkulation Gegenstand der Kritik geworden. Eine umfassende Erklärung zur Begründung der Kostensteigerung bei der kommunalen Abwasserentsorgung konnte bisher nicht gefunden werden.
Da der Begriff „Kosten" offenbar jedem klar ist, er aber andererseits unterschiedliche Bedeutung besitzt, können vielen Menschen Kosteneinsparungen eingeredet werden, ohne dass diese tatsächlich nachprüfbar sind. Wenn von Kosteneinsparungen gesprochen wird, sind meist die Investitionskosten gemeint. Diese Betrachtungsweise ist jedoch unzureichend, da nicht die Investitionskosten, sondern die Gesamtkosten (Investitionskosten + Betriebskosten, von Bedeutung sind. Bei der Diskussion über Kosteneinsparungen wird häufig übersehen, wem die Kosteneinsparungen nützen sollen. Soll der Nutzen in erster Linie dem Auftraggeber (Kommune, Verband), dem Betreiber (Kommune, Verband, privater Abwasserentsorger), dem Zuschussgeber (Bund, Land) der Abwasserentsorgungsanlagen oder dem Anschlussnehmer (Gebührenzahler) zu Gute kommen? Je nachdem, wie diese Frage beantwortet wird, sind Kosteneinsparungen unterschiedlich zu beurteilen.
1.3 Ziele und Vorgehensweise
Mit der vorliegenden Arbeit „Ansätze zur Kostenoptimierung bei der kommunale Abwasserversorgung“ wird zum einem der Versuch unternommen Abwasserentsorgern Wege und Möglichkeiten aufzuzeigen, welche es ihnen erlauben, das eigene Unternehmen auf Kostendämpfungspotentiale hin zu analysieren und diese dann wahrzunehmen, um so die Verbrauchsgebühren zu senken. Zum anderen sollen die einzelnen Einflüsse auf die zu veranschlagende Gebührenhöhe zur kostendeckenden Abwasserbeseitigung herausgearbeitet werden.
Da Kostensenkungen von dem jeweiligen Standpunkt aus (Auftraggeber, Betreiber, Zuschussgeber oder Anschlussnehmer) zu betrachten sind und Kostensteigerungen bzw. Kostensenkungen für die eine Gruppe mit Kostensenkungen bzw. Kostensteigerungen einer anderen einhergehen können, trägt die Arbeit bewusst den Titel „Ansätze zur Kostenoptimierung“. So ermöglicht z.B. die Erhöhung der Fördermittelrate des Landes für Investitionen die Absenkung der Beitragsgebühren für Anschlussnehmer. Oberstes Ziel ist es, die Abwassergebühren für den Gebührenzahler so gering wie möglich zu halten.
Zum Einstieg in das Thema der kommunalen Abwasserbeseitigung wird in Kapitel 2. ein Überblick zum Umfang der Abwasserentsorgungsinfrastruktur, die rechtlichen Rahmenbedingungen und möglichen Organisationsformen der Abwasserentsorgung gegeben. Ferner soll das Abnehmerverhalten und die Veränderung der Abnehmerzahl hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Systeme der Abwassertechnik betrachtet werden.
Kapitel 3. setzt sich mit der Finanzierung der kommunalen Abwasserentsorgung auseinander. Neben der Darlegung der einzelnen Varianten soll zum einem auch der Einfluss der verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten auf die Investitionskosten im Bereich der Abwasserbeseitigung untersucht werden. Zum anderen soll die Frage der Vorteilhaftigkeit einzelner Finanzierungsvarianten für die Abwasserbeseitigung unter bestimmten Voraussetzungen betrachtet werden.
Um den Einfluss der anfallenden Kosten bei der Abwasserbeseitigung auf die Gebührenhöhe nachzuvollziehen wird in Kapitel 4. der Umgang mit Kosten und deren Umfang dargelegt. Zum allgemeinen Verständnis werden die Systematik und Aufgaben der Kostenrechnung erklärt. Daran anschließend erfolgt die Beschreibung zum Ablauf der Investitionskostenplanung und ein Überblick zur Planung und Aufteilung der Betriebskosten. Vor dem Hintergrund des Vorwurfs mangelnder Wirtschaftlichkeit bei der kommunalen Abwasserentsorgung wird die Methode der Kostenvergleichsrechnung für den Bereich der Abwasserentsorgung vorgestellt. Die in anderen Bereichen der Betriebswirtschaft eingesetzten Instrumente zum Kostenmanagement werden ferner auf ihre Anwendbarkeit im Bereich der Abwasserentsorgung analysiert.
Die konkrete fallbeispielbezogene Untersuchung von Kostenoptimierungsmöglichkeiten erfolgt in Kapitel 5. anhand von zwei Brandenburger Regionen. Dabei werden sowohl fallbeispielbezogene Möglichkeiten zur Kostenoptimierung als auch allgemeingültige Ansätze untersucht.
2. Grundlagen der Abwasserentsorgung
Mit diesem Kapitel soll ein Überblick über die kommunale Abwasserentsorgung in Deutschland gegeben werden. Dazu erfolgt zunächst eine Definition der Begriffe „Abwasser“ und „Abwasserbeseitigung“. Anschließend erfolgt eine qualitative und quantitative Bestandserfassung der Systeme der Abwasserentsorgung. Ferner werden zur Einordnung der gemeindlichen Aufgabe der kommunalen Abwasserbeseitigung die rechtlichen Rahmenbedingungen und möglichen Organisationsformen betrachtet. Abschließend wird auf die Veränderungen der Kundenzahlen und Verbrauchsgewohnheiten und die damit verbundenen Auswirkungen auf die bestehenden Systeme der Abwasserentsorgung eingegangen.
2.1 Begriffsbestimmungen
Die beiden zentralen Begriffe dieser Arbeit, Abwasser und Abwasserbeseitigung, erfahren in diesem Kapitel eine kurze Beschreibung. Im Rahmen dieser Arbeit soll für Abwasser die Definition des § 2 Abs. 1 Satz 1 Abwasserabgabegesetz (AbwAG) und für Abwasserbeseitigung die Definition des § 18a Abs. 1 Satz 3 Wasserhaushaltgesetz (WHG) Gültigkeit besitzen.
Abwasser
Der historische Abwasserbegriff bezeichnet als Abwasser „das gesamte verunreinigte Wasser sowie Wassergemische ohne Rücksicht auf die Ursache, das Ausmaß oder die Schädlichkeit der Verschmutzung“ (zit. Hornig 1998 S. 189). In heutiger Zeit wird vorrangig die Definition des AbwAG zur Beschreibung von Abwasser bemüht, wonach unter Abwasser „das durch häuslichen, gewerblichen, landwirtschaftlichen oder sonstigen Gebrauch in seinen Eigenschaften veränderte und das bei Trockenwetter damit zusammen abfließende Wasser (Schmutzwasser) sowie das von Niederschlägen aus dem Bereich von bebauten oder befestigten Flächen abfließende und gesammelte Wasser (Niederschlagwasser)“ zu verstehen ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 AbwAG). Zur näheren Konkretisierung des Abwassers werden oftmals auch weitere differenziertere Unterscheidungen vorgenommen, wie z.B. in häusliches und betriebliches Schmutz-, Misch-, Fremd- oder Kühlwasser (vgl. Preuß 2001 S. 6). Durch die einzelnen Unterscheidungsformen wird deutlich, dass Abwasser ein Vielstoffgemisch ist (vgl. Köhler 1999 S. 201 f).
Abwasserbeseitigung
Die Verschmutzung der Gewässer wird zu einem Großteil durch öffentliche und industrielle Abwässer verursacht. Durch entsprechende Anforderungen an die umweltgerechte Abwasserbeseitigung bzw. Abwasserentsorgung, die Begriffe werden in dieser Arbeit synonym verwendet, wird von Seiten des Gesetzgebers versucht diesem Umstand entgegenzuwirken (vgl. Sparwasser/ Engel/ Vosskuhle 2003 S. 503 f). Nach dem WHG umfasst Abwasserbeseitigung „das Sammeln, Fortleiten, Behandeln, Einleiten, Versickern, Verregnen und Verrieseln von Abwasser sowie das Entwässern von Klärschlamm in Zusammenhang mit der Abwasserbeseitigung“ (§ 18a Abs. 1 Satz 3 WHG). Die Abwasserbeseitigung hat dabei so zu erfolgen, „dass das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird“ (§ 18a Abs. 1 Satz 1 WHG). Die Pflicht zur Abwasserbeseitigung liegt bei den Gemeinden (vgl. Czychowski/ Reinhardt 2003 S. 586). Sie besteht nur, wenn tatsächlich Abwasser entstanden ist, dessen sich der Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Wird angefallenes Abwasser dagegen im innerbetrieblichen Produktionsprozess gehalten, ist § 18a WHG Abs. 1 nicht einschlägig (vgl. Kotulla 2002 S. 315).
2.2 Eckdaten zur materiellen Infrastruktur - unter Beachtung des Landes Brandenburgs
Die technischen Anlagen zur Abwasserbeseitigung sind durch Langlebigkeit, Kapitalintensität und Unteilbarkeit gekennzeichnet. Trotz dieser Eigenschaften wird insbesondere der unterirdisch liegende Teil der Abwasserentsorgungsinfrastruktur fast nicht wahrgenommen. Das Abwassernetz ist eine der wichtigsten und umfangreichsten Lebensadern der Stadt, deren Funktionsfähigkeit unverzichtbar für das Zusammenleben in dichtbesiedelten Gebieten wie der Bundesrepublik ist. Was auch im Anschlussgrad[1] von 95 % der Bevölkerung an das öffentliche Kanalnetz deutlich wird (vgl. StBA 2003 S. 9). Nachfolgend erfahren die Systeme der Abwassertechnik eine quantitative und qualitative Betrachtung.
2.2.1 Umfang der Kanalisation
Nach der letzten großen Erhebung des Statistischen Bundesamtes (StBA) aus dem Jahr 2001 hat die öffentliche Kanalisation in der BRD eine Länge von 486.159 km (vgl. StBA 2003 S. 17). Dabei sind ca. 48,1 % des Kanalnetzes als Mischsystem[2] und ca. 51,9 % als Trennsystem[3] ausgestaltet (vgl. StBA 2003 S. 17). Innerhalb des Abwassersystems der BRD stehen 24.490 Regenüberlaufbecken (Gesamtvolumen ca. 14,4 Mio. m³), 12.212 Regenrückhaltebecken (Fassungsvermögen ca. 25,3 Mio. m³ und 2.307 Regenklärbecken (Gesamtvolumen ca. 2,5 Mio. m³) zur Verfügung (vgl. StBA 2003 S. 18).
Über die Länge der privaten Abwasserleitungen liegen keine genaueren Informationen vor. In der wasserwirtschaftlichen Literatur werden daher hilfsweise relative Ansätze gewählt, denen die Länge des öffentlichen Kanalnetzes als Bezugsgröße zugrunde gelegt wird (vgl. Prager 2002 S. 27). Das Längenverhältnis reicht dabei von 2:1 bis 4:1. Danach hätten die privaten Abwasserkanäle eine Gesamtlänge von gut 970.000 bis gut 1.940.000 km. Auf Grundlage des 2:1-Verhältnisses gehen Herz/ Werner/ Marschke von einem pro Kopf Gesamtbestand von 18 m an Abwasserkanälen und -leitungen aus (6 m öffentliche Abwasserkanäle vorrangig unter Straßen und 12 m private Abwasserkanäle im Grundstücksbereich) (vgl. Herz/ Werner/ Marschke 2002 S. 2). Zu einem vergleichbaren Ergebnis kommt auch die Abwassertechnische Vereinigung e.V. (ATV) in ihrem Bericht zum „Zustand der Kanalisation in der Bundesrepublik Deutschland“, in welchem die Länge des privaten Abwassernetzes mit ca. 900.000 km angegeben wird (vgl. ATV 2002 S. 8).
Anhand spezifischer Einheitskosten[4] von 400 €/ m ermitteln Herz/ Werner/ Marschke einen Wiederbeschaffungswert von 7.200 €/ Kopf bzw. 576 Mrd. € für das gesamte Abwasserrohr und -kanalnetz[5] (vgl. Herz/ Werner/ Marschke 2002 S. 2). Der wirkliche Vermögenswert liegt aber wesentlich niedriger, da ein Großteil des Abwassernetzes bereits abgeschrieben ist. Allerdings muss dieser i.d.R. auch noch erneuert werden, da die wirtschaftlich optimale Laufzeit bereits überschritten wurde (vgl. Herz/ Werner/ Marschke 2002 S. 2).
Nach den Ermittlungen von Herz/ Werner/ Marschke hätten die in Brandenburg vorhandenen ca. 10.000 km öffentliche Kanalisation (vgl. MLUR Bbg. 2001a S. 7) und ca. 20.000 km private Kanalisation zusammen einen Wert von ca. 12 Mrd. €.
2.2.2 Alter und Zustand der Kanalisation
Die im Jahr 2001 von der ATV durchgeführte Umfrage[6] zum „Zustand der Kanalisation in der Bundesrepublik Deutschland“ liefert Daten über das Alter und den Zustand der Kanalisation (vgl. ATV 2002). Den Umfrageergebnissen zufolge ist knapp ein Drittel (30 %) der Kanäle in der BRD unter 25 Jahre alt, etwas mehr (36 %) sind zwischen 25 und 50 Jahre, 10 % der Kanäle ist zwischen 50 und 75 Jahre, 14 % sind in der Altersklasse 75 bis 100 Jahre, 4 % der Kanäle sind älter als 100 Jahre und bei 6 % ist das Alter unbekannt (vgl. ATV 2002 S. 3). Auffällig sind Unterschiede bei der Altersverteilung zwischen den alten und den neuen Bundesländern. Zum einen stammen in den neuen Ländern noch über 50 % der Kanäle aus der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg, andererseits ist der Anteil der Kanäle unter 25 Jahren deutlich höher als in den alten Ländern (vgl. ATV 2002 S. 3). Dies ist vorrangig auf die Anstrengungen zum Aufbau der Infrastruktur in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung zurückzuführen. Ende 1990 gab es z.B. in Brandenburg einen Bestand von ca. 5.400 km Rohrnetz, welches bis Ende 1999 um ca. 4.600 km auf 10.000 km durch die Gemeinden und Abwasserverbände erweitert wurde (vgl. MLUR Bbg. 2001a S. 7).
Laut ATV-Umfrage liegt der Anteil der Kanäle, die einer Zustandserfassung unterzogen wurden, im Mittel bei 75 % (vgl. ATV 2002 S. 5). Von den inspizierten Kanälen weisen 7 % sofortigen bis kurzfristigen Handlungsbedarf auf, 10 % müssen mittelfristig saniert werden, bei 14 % besteht langfristiger Handlungsbedarf und für 69 % kein Handlungsbedarf (vgl. ATV 2002 S. 6). Zu den häufigsten Kanalisationsschäden zählen schadhafte Anschlüsse (bei 27 % der inspizierten Leitungen) und Risse (bei 19 % der inspizierten Leitungen) (vgl. ATV 2002 S. 5 f). Bei der erfragten Häufigkeit von Schäden an Schächten dominieren mit einer Häufigkeit von 31 % Schäden an Abdeckung und Rahmen, sowie die von 25 % der Befragten benannten schadhaften Steighilfen (vgl. ATV 2002 S. 6). Der Sanierungsbedarf in den Kommunen unter 100.000 Einwohner ist überdurchschnittlich hoch. Vor diesem Hintergrund schätzt die ATV den mittleren Sanierungsbedarf in der BRD auf 17 % des Kanalnetzes bzw. rund 83.000 km (vgl. ATV 2002 S. 6). Aufgrund zahlreicher Neubaumaßnahmen auf der einen Seite und verhältnismäßig alter Kanalisationsanlagen auf der anderen Seite differiert der Sanierungsbedarf in den einzelnen Abwasserentsorgungsunternehmen des Landes Brandenburg wahrscheinlich sehr stark. Genauere Untersuchungen dazu konnten nicht ermittelt werden.
Zur Gewinnung von Anhaltspunkten über den Zustand des privaten Abwassernetzes wurde in der ATV-Umfrage explizit danach gefragt. Von den 162 Kanalnetzbetreibern konnten 124 Angaben zur Länge der privaten Entwässerungsleitungen in ihrer Kommune machen (vgl. ATV 2002 S. 8). Im Jahr 1997 war nicht einmal die Hälfte der Befragten Kanalnetzbetreiber dazu in der Lage (vgl. ATV 1998 S. 20). Bei den Angaben handelt es sich nahezu ausschließlich um Schätzungen, da Daten zu privaten Abwasserleitungen in den Gemeinden kaum vorhanden sind. Die Netzbetreiber schätzen, dass ca. 40 % der privaten Leitungen sanierungsbedürftig sind (vgl. ATV 2002 S. 8).
Die im Jahr 2000 angefallenen Kosten für Kanalsanierungsmaßnahmen beliefen sich, nach Auskunft der an der ATV-Umfrage beteiligten Kanalnetzbetreiber, zusammenfassend auf 42 DM pro angeschlossenen Einwohner (vgl. ATV 2002 S. 7). Bei ca. 82 Mio. Bundesbürgern und einem Anschlussgrad von 95 % ergaben sich demnach im Jahr 2000 Ausgaben von ca. 3,27 Mrd. DM bzw. 1,67 Mrd. € für die Kanalsanierung.
Ausgehend von einer Gesamtlänge der öffentlichen Kanalisation in der Bundesrepublik von 486.159 km, einer Sanierungsbedürftigkeit von 17 % und dem durch die ATV errechneten durchschnittlichen Einheitswert für Sanierungskosten[7] von 1.162 DM/ m, ergeben sich mittelfristig insgesamt anfallende Sanierungskosten von ca. 96 Mrd. DM bzw. 49 Mrd. € für das Kanalisationsnetz in der BRD. Schätzungen für das Land Brandenburg konnten nicht ermittelt werden. Das Land unterstützt aufgrund starker Defizite gegenüber den alten Ländern den Bau und den Betrieb von Anlagen zur Abwasserentsorgung durch die Bereitstellung von Fördermitteln. Auf der Grundlage der Förderrichtlinien des Ministeriums für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung des Landes Brandenburg (MLUR Bbg.) (vgl. MLUR Bbg. 2001b) wurden 1991 bis 2000 knapp 1,7 Mrd. DM an Fördermitteln für Maßnahmen der Abwasserableitung und -behandlung bereitgestellt. Die Höhe der bereitgestellten Fördersummen variierte in den einzelnen Jahren stark (vgl. Anlage 2).
2.2.3 Kläranlagen
Nach den Angaben des StBA gab es 2001 in der BRD 10.188 Kläranlagen mit einer Jahresabwassermenge von rund 10.470 Mio. m³ (vgl. StBA 2003 S. 20). Von diesen Kläranlagen sind 402 rein mechanisch wirkend[8] (ca. 16 Mio. m³), 4.758 sind biologische Kläranlagen[9] ohne zusätzliche Verfahrensstufen (ca. 542 Mio. m³) und 5.028 sind biologische Anlagen mit zusätzlichen Verfahrenstufen (ca. 9.916 Mio. m³) (vgl. StBA 2003 S. 24).
Der Anschlussgrad an die öffentliche Kanalisation mit anschließender Behandlung des Abwassers in einer öffentlichen Kläranlage beträgt 93 % (vgl. StBA 2003 S. 9). Bei einem Gesamtanschlussgrad von 95 % an die Kanalisation ergibt sich, dass 2 % der Abwässer, von an die Kanalisation angeschlossenen Einwohnern in nicht öffentlichen Kläranlagen behandelt oder unbehandelt in die Gewässer gelangen.
Die gegenwärtige Struktur der Abwasserbeseitigung in Brandenburg ist geprägt durch die bei den Kommunen liegende Abwasserbeseitigungspflicht und den nach der Wiedervereinigung politisch erstarkten Kommunen. Dies hat unabhängig von der Frage der Wirtschaftlichkeit dazu geführt, dass im Land Brandenburg bei 436 Kommunen (Stand 26.10.2003) 295 Kläranlagen (Stand 31.12.1999) existieren (vgl. MI Bbg. 2003 und MLUR Bbg. 2001a S.7). Die 295 Abwasserbehandlungsanlagen mit einer Jahresschmutzwassermenge von ca. 190 Mio. m³ hatten eine Gesamtausbaugröße von ca. 3,33 Mio. Einwohnerwerten[10] (EW) und reinigten das Abwasser von ca. 2 Mio. Einwohnern (Einw.) (vgl. MLUR Bbg. 2001a S.7).
2.3 Rechtliche Rahmenbedingungen
Die Abwasserentsorgung in Deutschland bestimmt sich im einzelnen nach den Gesetzen, Verordnungen und Vorschriften der Europäischen Union (EU), des Bundes, der Länder und der Gemeinden (vgl. Abb. 2-1). Nachfolgend sollen nur die wichtigsten rechtlichen Rahmenbedingungen betrachtet werden. Ein umfassenderer Überblick findet sich z.B. bei Wellmann „Abwasserentsorgung – Rechtsgrundlagen und Organisatorische Gestaltungsoptionen“ (vgl. Wellmann 1996).
Abb. 2-1 Aufbau des Abwasserrechts
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.3.1 Europarecht
Die EU hat den Umweltschutz und damit auch die Sicherheit der Abfall- und Abwasserentsorgung zu ihrem Ziel erhoben (vgl. Lederer 1997). In Umsetzung dieses Ziels hat sie in Richtlinien Maßstäbe für die Entsorgung in der Union gesetzt (vgl. Wellmann 1996 S. 47). Der Einfluss der Richtlinien, welche die EU in unregelmäßigen Abständen für den Gewässerschutz erlässt, ist für die Entwicklung der nationalen Gesetzgebung im Bereich des Wasserrechts von großer Bedeutung, da diese Richtlinien in nationale Gesetze umgesetzt werden müssen (vgl. Brandl 2001 S. 3 ff).
Mit der „Richtlinie des Rates über die Behandlung von kommunalem Abwasser“ (Richtlinie: 91/271/EWG) vom 21.05.1991 wurde von der EU vor dem Hintergrund schwerer ökologischer Schäden in der Nordsee ein grundsätzlicher Anforderungskatalog für die Abwasserentsorgung festgelegt (vgl. Wellmann 1996 S. 2 f). Diese Richtlinie musste bis zum 31.12.1993 in nationales Recht umgesetzt werden und legt fest, bis zu welchem Zeitpunkt Gemeinden bestimmter Größenklassen mit einer Kanalisation auszustatten sind, z.B. bis zum 31.12.2005 Gemeinden mit 2.000 bis 15.000 EW.
Die „Richtlinie zum Schutz der Umwelt und insbesondere der Böden bei der Verwendung von Klärschlamm in der Landwirtschaft“ (Richtlinie: 86/278/EWG) vom 12.06.1986, ist von besonderer praktischer Bedeutung für die Abwasserentsorgung (vgl. Wellmann 1996 S. 3). Sie sieht Grenzwerte für Klärschlamm vor, der auf landwirtschaftlichen Flächen aufgebracht werden soll, und legt die Voraussetzungen fest, unter denen die landwirtschaftliche Klärschlammverwendung verboten ist.
Neben zahlreichen anderen europäischen Richtlinien (vgl. Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft 2003) kommt vor allem der sogenannten „Wasserrahmenrichtlinie“ (Richtlinie: 2000/60/EG), die am 22.12.2000 in Kraft getreten ist, herausragende Bedeutung zu. Sie dient zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik und soll die Richtlinien, Verordnungen und Ratsbeschlüsse der EU im Bereich Gewässerschutz und Bewirtschaftung der Wasserressourcen vereinheitlichen. Die Umsetzung dieser Richtlinie in nationales Recht erfolgte im Zuge der siebten Novelle zum WHG am 25.06.2002 (vgl. Viertel 2002).
2.3.2 Bundesrecht
Nach Art. 75 Nr. 4 Grundgesetz (GG) unterliegt die Gesetzgebung zum Wasserhaushalt der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes. Der Bund kann somit nur solche Gesetze erlassen, die von den Ländern ausgefüllt werden (vgl. Brandl 2001 S. 11). Das entsprechende Rahmengesetz ist das WHG, welches die grundlegenden Vorschriften zur Abwasserentsorgung beinhaltet (vgl. Czychowski/ Reinhardt 2003 S. 83).
Nach den Festlegungen des WHG sind die Gewässer „so zu bewirtschaften, dass sie dem Wohl der Allgemeinheit und im Einklang mit ihm auch dem Nutzen Einzelner dienen, vermeidbare Beeinträchtigungen ihrer ökologischen Funktion und der direkt von ihnen abhängenden Landökosysteme und Feuchtgebiete im Hinblick auf deren Wasserhaushalt unterbleiben“ (§ 1a Abs. 1 Satz 2 WHG). Bei Maßnahmen, mit denen Einwirkungen auf ein Gewässer verbunden sein können, muss nach § 1a Abs. 2 WHG von jedermann die den Umständen erforderliche Sorgfalt angewendet werden (vgl. Kotulla 2002 S. 86 f). Wegen dieser Grundvoraussetzung des Gewässerschutzes ist das Einleiten von Abwasser in Gewässer nach § 1 Abs. 3 Ziff. 1 sowie § 3 Abs. 1 Ziff. 4 und 5 WHG eine zulassungspflichtige Benutzung. Die Erlaubnis zur Abwasserein-leitung wird je nach wasserwirtschaftlicher Bedeutung von den Unteren und Oberen Wasserbehörden erteilt. Die Anforderungen an das Einleiten von Abwasser werden in § 7a WHG festgelegt (vgl. Kotulla 2002 S. 197 ff).
Neben dem WHG ist auf bundesrechtlicher Ebene das AbwAG für die Abwasserentsorgung von Bedeutung, dass ebenfalls ein durch die Länder ausführungsbedürftiges Rahmengesetz ist. Das AbwAG legt die Voraussetzungen und Bemessungsgrundlagen der Abgaben fest, welche für das Einleiten von Abwasser in die Gewässer von den jeweiligen Abwasserentsorgern an die Länder zu entrichten sind (vgl. Köhler 1999 S. 485 f). Nach § 13 AbwAG unterliegt die Abwasserabgabe einer Zweckbindung. Das Abgabeaufkommen muss für solche Maßnahmen verwendet werden, die der Erhaltung oder Verbesserung der Gewässergüte dienen (vgl. Köhler 1999 487 f). Ziel des AbwAG ist es, einen Anreiz für die Einleiter zu schaffen die Schadstofffracht des Abwassers möglichst gering zu halten. Es hat damit „die Regelung einer Öko-Abgabe zum Gegen-stand“ (zit. Wellmann 1996 S. 9).
2.3.3 Landesrecht
Zur Ausfüllung der Rahmenvorschriften haben alle Länder Wassergesetze beschlossen (vgl. z.B. BbgWG). Die Abwasserbeseitigungspflicht wurde dabei ausnahmslos den Kommunen per Gesetz aufgegeben. So ist die Abwasserentsorgung eine pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe der Gemeinden (vgl. Czychowski/ Reinhardt 2003 S. 586).
In den meisten Bundesländern wurde darüber hinaus bestimmt, dass sich die Kommunen zur Erfüllung ihrer Pflichten Dritter bedienen können. Eine Übersicht zu den Regelungen in den einzelnen Bundesländern findet sich z.B. bei Wellmann (vgl. Wellmann 1996 S. 48 ff). Allerdings bedingt die Ausgestaltung der Abwasserentsorgung als pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe der Gemeinden, dass sich die Kommunen der Entsorgungsaufgabe als solcher nicht entledigen können und ein bei der Entsorgung eingeschalteter Dritter nur als Erfüllungsgehilfe fungieren kann (vgl. Czychowski/ Reinhardt 2003 S. 594 f). Die Kommunen bleiben daher letztlich auch strafrechtlich verantwortlich für die ordnungsgemäße Durchführung der Abwasserbeseitigung und behalten die Satzungshoheit (vgl. BMU 1996 S. 10).
Das AbwAG des Bundes ist durch eigene Gesetze der Länder und durch zahlreiche Verordnungen und Verwaltungsvorschriften der Länder näher ausgestaltet worden. Die Einzelregelungen ausführlicher zu vertiefen, würde den Rahmen dieser Arbeit übersteigen. Eine genauere Betrachtung findet sich z.B. bei Nispeanu „Abwasserabgaberecht – Ein Wegweiser durch bundes- und landesrechtliche Vorschriften sowie durch den Vollzug des Abwasserabgaberechts“ (vgl. Nispeanu 1997). Gleiches gilt auch für zahlreiche Verordnungen und Verwaltungsvorschriften, von denen die Abwasserverordnung (AbwV) eine herausragende Rolle einnimmt (vgl. Lange/ Otterpohl 2000 S. 95).
2.3.4 Kommunale Satzungen
Auf der kommunalen Ebene wird das Abwasserrecht konkretisiert. Dies geschieht durch Ratsbeschlüsse, den Erlass interner Dienstrichtlinien und Satzungen (vgl. Gräser 1995 S. 14 f). Zu nennen sind dabei insbesondere die Abwassersatzungen, in denen u.a. der Anschluss- und Benutzungszwang festgeschrieben ist, sowie die Abwassergebühren und -beitragssatzungen.
Das Kommunalabgabegesetz (KAG) bildet die Rechtsgrundlage für die kommunale Gebühren- und Beitragserhebung (vgl. Jessen 2000 S. 110 f). Die Spielräume für die Gestaltung solcher Abgaben in den einzelnen KAG sind i.d.R. sehr groß. Daher werden von Zeit zu Zeit rechtsverbindliche Verwaltungsvorschriften von den Ländern erarbeitet, die über die genaue Praxis Auskunft geben (vgl. Niehoff 2000 S. 5 f). Des Weiteren sehen alle KAG einen Mindestinhalt der Satzungen vor, wie Kreis der Gebührenschuldner, Abgabensatz, Abgabengegenstand, Entstehen der Abgabenschuld, Fälligkeit der Abgabe und Abgabenmaßstab (vgl. Kirchhoff 1997 S. 14 f).
2.4 Organisationsformen
Mit der Übertragung der Abwasserbeseitigungspflicht wird den Kommunen nicht vorgegeben wie sie diese erfüllen müssen (vgl. Czychowski/ Reinhardt 2003 S. 594 f). Kraft der in Art. 28 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich gewährleisteten Organisationshoheit der Gemeinden obliegt es ihrer Entscheidung, in welcher Form sie die Aufgaben erfüllen (vgl. Hesselberger 2003 S. 216). Als Organisationsformen stehen öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Modelle zur Verfügung (vgl. Abb. 2-2).
Abb. 2-2 Organisationsmöglichkeiten der Abwasserentsorgung in der BRD
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung
Die nachfolgenden Beschreibungen der einzelnen Organisationsmöglichkeiten für die kommunale Abwasserentsorgung in Deutschland sind, sofern nicht anders angegeben, eine Zusammenfassung der Ausführungen von Prager und Wellmann zu diesem Themenkomplex (vgl. Prager 2002 S. 32 - 40 und Wellmann 1996 S. 12 - 45).
2.4.1 Öffentlich-rechtliche Modelle
Kommunale Organisationsformen bei der Abwasserbeseitigung in der BRD sind der Regiebetrieb, der Eigenbetrieb, die Anstalt öffentlichen Rechts, der Zweckverband und Wasser- und Bodenverbände.
2.4.1.1 Regiebetrieb
Der Regiebetrieb ist die klassische Organisationsform der Abwasserentsorgung in Deutschland. Er ist in rechtlicher, haushaltsrechtlicher, rechnungstechnischer, organisatorischer und personeller Hinsicht ein unselbstständiger Bestandteil der Gemeindeverwaltung. Defizite des Abwasserbetriebes werden daher im Rahmen der Gesamtdeckung ausgeglichen und Überschüsse gehen auf der anderen Seite im Gesamthaushalt unter. Es kann deshalb vorkommen, dass die Einnahmen aus der Abwasserentsorgung zum Teil für Maßnahmen in anderen Bereichen verwendet werden. Zwar erlauben die Haushaltsverordnungen der einzelnen Bundesländer i.d.R. eine Zweckbindung von Einnahmen mittels Haushaltsvermerk, doch wird davon in der kommunalen Praxis kaum gebrauch gemacht (vgl. Hauser 1987 S. 100). Als kritisch sind weiterhin das Auseinanderfallen von Kompetenz und Zuständigkeit sowie die Vermischung von Kontroll- und Durchführungsverantwortung zu sehen. Aufgrund der Unselbstständigkeit des Regiebetriebes innerhalb der Kommunalverwaltung wird dessen Leitung durch die Organe des allgemeinen Verwaltungsapparates vorgenommen, welche in ihrer Entscheidung von der Willensbildung der kommunalen Gremien abhängen.
2.4.1.2 Eigenbetrieb
Auch der Eigenbetrieb ist ein rechtlich unselbständiger Teil der Kommunalverwaltung, der keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt. Er ist organisatorisch verselbstständigt und stellt finanzwirtschaftlich ein Sondervermögen dar, so dass er nicht in den kommunalen Haushalt integriert ist. Nur Eigenkapitalbewegungen, Gewinne und Verluste, gehen in den gemeindlichen Haushaltsplan ein. Grundlage des Eigenbetriebs ist der Wirtschaftsplan, welcher nach den gleichen Grundsätzen wie der gemeindliche Haushaltsplan aufgestellt wird. Organisatorisch ist der Eigenbetrieb von der Kommunalverwaltung insoweit verselbständigt, als dass er über eine eigene Werksleitung sowie einen Werkausschuss verfügt. Die von der Gemeindevertretung bestellte Werksleitung ist für die Führung des laufenden Betriebes zuständig. Allerdings ist sie weitgehend von den Entscheidungen des Gemeinderates abhängig, wodurch eine Bürokratisierung der Gemeindewirtschaft und der Wirtschaftsbetriebe entsteht.
2.4.1.3 Anstalt öffentlichen Rechts
Die Anstalt öffentlichen Rechts ist eine Verwaltungseinrichtung, die einem bestimmten Nutzungszweck dient. Ihre Organisation ist nicht mitgliedschaftlich, sondern sie hat einzelne Benutzer. Das Verhältnis zu diesen wird über die Anstaltsordnung geregelt, die öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ausgestaltet sein kann. Errichtung, Änderung oder Auflösung der Anstalt öffentlichen Rechts erfolgt durch Gesetz oder auf Grund Gesetzes durch den Träger. Die Leitungsorgane sind der Vorstand oder die Geschäftsführung sowie der Aufsichts- bzw. Verwaltungsrat. Eine Gewinnerwirtschaftung darf nur in Verbindung mit dem öffentlichen Zweck betrieben werden.
2.4.1.4 Zweckverband
Gemeinden und Gemeindeverbände können sich zu einem Zweckverband zusammenschließen, der eine Körperschaft öffentlichen Rechts darstellt. Mit diesem Zusammenschluss gehen Rechte und Pflichten, wie z.B. die Abwasserbeseitigungspflicht, der einzelnen Gemeinden auf den Zweckverband über. Dessen Organe sind die Verbandsversammlung und der Verbandsvorsteher. Für den Zweckverband gilt das kommunale Haushaltsrecht und somit die gleichen Haushaltsgrundsätze wie für den Regiebetrieb. Da der Zweckverband wirtschaftlich auch als Eigenbetrieb geführt werden kann, besteht die Möglichkeit einer Befreiung von den engen Bindungen des gemeindlichen Haushaltsrechts. Wie auch die Gemeinden kann sich der Zweckverband zur Erfüllung seiner Aufgaben Dritter bedienen.
2.4.1.5 Wasser - und Bodenverband
Bei Wasser- und Bodenverbänden handelt es sich ebenfalls um Körperschaften des öffentlichen Rechts. Diese sind vorrangig von besonderer Bedeutung bei der Abwasserentsorgung in Nordrehein-Westfalen[11]. Verbandsorgane sind die Verbandversammlung und der Vorstand. Mitglied in einem Wasser- und Bodenverband können nicht nur andere Körperschaften öffentlichen Rechts, sondern auch Anlagen- und Grundstückseigentümer, Erbbauberechtigte, Baulastträger einer Verkehrsanlage, Personen, denen der Verband im Rahmen seiner Aufgaben Pflichten abnimmt, und weitere von den Behörden zugelassene, Personen sein. Der Verband finanziert sich durch Pflichtbeiträge seiner Mitglieder. Nach § 65 des Wasserverbandsgesetzes (WVG) ist der Verband haushaltspflichtig, allerdings nur zur einfachen Einnahmen- und Ausgabenrechnung verpflichtet. Grundlage des Verbandshaushalts ist der jährlich aufzustellende Haushaltsplan. Einnahmen und Ausgaben aus dem Vermögen des Verbandes sind in einem außerordentlichen Haushaltsplan aufzunehmen.
2.4.2 Privatrechtliche Modelle
Die Privatwirtschaft wird im Bereich der Abwasserentsorgung immer häufiger in die Aufgabenerfüllung eingebunden, um Kapazitäts- und Kompetenzproblemen zu begegnen und die bisher öffentlich erbrachten Leistungen effizienter und kostengünstiger bereitzustellen (vgl. Liebe/ Tomerius/ Trapp 2002 S. 12 f). Im Bereich der Abwasserentsorgung sind die wesentlichen Organisationsformen das Betreibermodell, das Betriebsführungsmodell, die Betriebsüberlassung und das Kooperationsmodell. Eine Sonderstellung nimmt die sogenannte Eigengesellschaft ein, welche zwar privatrechtlich geführt wird, aber die öffentliche Hand weiterhin sämtliche Risiken trägt. Eine zusammenfassende Übersicht zu internationalen Privatisierungsmodellen in der Abwasserentsorgung gibt Rohde in seiner Arbeit „Zum Zielkonflikt zwischen transparentem Ausschreibungswettbewerb und unternehmerischer Alternative bei Projektentwicklungen im Bereich der öffentlichen Infrastruktur, speziell des Wassersektors“ (vgl. Rohde 2001 S. 24 ff).
2.4.2.1 Eigengesellschaft
Anstelle der im vorangestellten Kapitel dargestellten öffentlich-rechtlichen Organisationsformen kommen auch privatrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten in Frage. Im Fall einer Organisationsprivatisierung gründen die Kommunen privatrechtliche Gesellschaften, i.d.R. eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) oder eine Aktiengesellschaft (AG), an denen sie 100 % der Anteile halten. Aus diesem Grund spricht man dabei von einer Eigengesellschaft. Mit der Gründung einer solchen Eigengesellschaft verlässt die Gemeinde öffentlich-rechtliches Terrain. Vielfach handelt es sich bei städtischen Entsorgungsgesellschaften um Abteilungen innerhalb der Stadtwerke, die als GmbH oder AG organisiert sind. Kommunales Handeln in Privatrechtsform ist grundrechtsgebunden und dem Rechtsstaat verpflichtet. Werden öffentliche Aufgaben erfüllt, gilt das Verwaltungsprivatrecht, denn die von der Gesellschaft wahrgenommene Aufgabe bleibt eine Funktion der Gemeinde. Die GmbH als auch die AG sind juristische Personen des Privatrechts mit eigener Rechtspersönlichkeit, die Haftung ist auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt. Eine derartige Haftungsbeschränkung ist durch die gemeindewirtschaftsrechtlichen Bestimmungen vorgeschrieben. Häufig ist darüber hinaus in den Gemeindeordnungen festgelegt, dass in analoger Anwendung des Eigenbetriebsrechts ein Wirtschaftsplan für das Wirtschaftsjahr aufzustellen ist. Die Leitungsorgane der Gesellschaft entscheiden frei über den Einsatz der verfügbaren Mittel, sofern in der Satzung bzw. im Gesellschaftsvertrag nichts anderes vermerkt ist.
2.4.2.2 Betreibermodell
Beim Betreibermodell bedient sich die Gemeinde eines privaten Unternehmens als Erfüllungsgehilfen. Das Verhältnis zwischen Bürger und Kommune bleibt weiterhin öffentlich-rechtlich, so dass der Bürger der Kommune Gebühren schuldet. Die Kommune schließt mit dem Privatunternehmen einen Werkvertrag und zahlt ihm ein zuvor festgelegtes Entgelt für die Finanzierung, Planung, Errichtung und Betrieb der Anlagen zur Abwasserbeseitigung. Das private Unternehmen erbringt die Gesamtleistung „Abwasserentsorgung“ und erhält dafür einen Festpreis pro m³ Abwasser. Mit dem Vertragsabschluss erwirbt der Betreiber das Eigentum an alten und neuen Anlagen. Die Kommune sichert sich im Betreibervertrag ausreichende Einflussmöglichkeiten. Für den Fall des Konkurses des Betreibers wird eine so genannte „Heimfallklausel“ festgeschrieben, nach der im Konkursfall Grund- und Boden sowie Anlagen wieder in den Besitz der Kommune gelangen. Die Betreiberverträge haben i.d.R. eine Vertragslaufzeit von 20 bis 30 Jahren. Bei einer erheblich kürzeren Vertragslaufzeit von bis zu 10 Jahren spricht man von einem Kurzzeitbetreibermodell. Der Kurzbetreiber plant, finanziert, errichtet und führt den Betrieb der Anlage. Nach Vertragsbeendigung wird die Anlage der Gemeinde übereignet. Diese Organisationsform empfiehlt sich vor allem dann, wenn erhebliche Investitionen anstehen (vgl. Nisipeanu 1998 S. 80).
2.4.2.3 Betriebsführungsmodell
Beim Betriebsführungsmodell schließt die Gemeinde mit dem Entsorgungsunternehmen einen Betriebsführungsvertrag. Das Unternehmen führt den Betrieb der Abwasserentsorgungsanlage der Gemeinde in deren Auftrag und für deren Rechnung. Zumeist werden technische und kaufmännische Dienstleistungen übernommen, welche nach dem effektiven Aufwand abgerechnet werden. Wirtschaftliche Grundlage für die Betriebsführung ist ein Wirtschaftsplan, der für das betriebsführende Unternehmen bindend ist. Die Gemeinde behält das Eigentum an den Anlagen.
2.4.2.4 Betriebsüberlassung
Bei diesem Modell stellt die Gemeinde einem Entsorgungsunternehmen die abwassertechnischen Anlagen zur Verfügung, bleibt jedoch Eigentümerin der Anlagen. Die Kommune beschränkt sich auf die Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen Pflichten. Der Anlagenbetrieb wird vom Entsorgungsunternehmen eigenständig auf eigenen Namen und eigene Rechnung geführt. Für den Betrieb erhält das Unternehmen ein von ihm selbst kalkuliertes Entgelt.
2.4.2.5 Kooperationsmodell
Das Kooperationsmodell ist eine Mischform zwischen rein öffentlicher und überwiegend privatwirtschaftlicher Organisation der Abwasserentsorgung, bei der es sich um eine Beteiligungsgesellschaft handelt. Nach den Vorschriften des Wirtschaftverwaltungsrechts ist es den Kommunen nur gestattet sich an Unternehmen des privaten Rechts zu beteiligen, bei denen die Haftung der Gemeinde auf einen bestimmten Betrag begrenzt ist. Zumeist wird als Gesellschafterform die GmbH gewählt, eine AG als Form der Beteilungsgesellschaft ist ebenfalls möglich. Obwohl nicht zwingend vorgeschrieben, hält die Kommune i.d.R. die Anteilsmehrheit. Sie kann sich ihren Einfluss aber auch über den Gesellschaftervertrag sichern, z.B. durch Stimmbeschränkungen. Die Kommune schließt mit der Kooperationsgesellschaft einen Entsorgungsvertrag, der die Wahrnehmung der gemeindlichen Entsorgungsrechte und Entsorgungspflichten durch die Gesellschaft sicherstellt. Der private Partner erhält kein gesondertes Entgelt, sondern wird anteilig an den erwirtschafteten Gewinnen beteiligt. Auch bei dieser Kooperationsform ist eine Übertragung der Betriebsführung auf einen Dritten möglich.
2.5 Veränderte Nachfragebedingungen
Die vielerorts bestehenden Überkapazitäten im Klärwerksbereich sind hinlänglich bekannt (vgl. z.B. Kluge/ Koziol/ Lux/ Schramm/ Veit 2003). Lange Zeit ging die Planung von Investitionen der öffentlichen Abwasserentsorgung davon aus, dass die Nachfrage nach Entsorgungsdienstleistungen weiter steigen würde. Diese Prognosen stellen sich als falsch heraus. Folgend werden die Gründe für Verbrauchrückgänge benannt und deren Auswirkungen auf die Systeme der Abwasserbeseitigung aufgezeigt.
2.5.1 Abnehmerentwicklung
Die Bevölkerung in der Bundesrepublik stieg seit der Wiedervereinigung von 79,37 Mio. im Jahr 1990 auf 82,19 Mio. im Jahr 2000 (vgl. StBA 2002 S. 44). Diese positive Entwicklung, hervorgerufen durch Einwanderung[12], ist differenziert zu betrachten. So hatten die alten Länder[13], mit Ausnahme Bremens, Bevölkerungszuwächse innerhalb der 1990er Jahre zu verzeichnen, wohingegen die neuen Länder[14], mit Ausnahme von Brandenburg, Wanderungsverluste hinnehmen mussten. Die Ursachen dieser Entwicklung sind mehrfach dokumentiert worden (vgl. z.B. Lang/ Tenz 2003 S. 35 ff). Auf kleinräumiger Ebene ist festzustellen, dass die Innenstädte Bevölkerungsverluste zu Gunsten der Vororte hinnehmen mussten. Auch dieser seit mehreren Jahren anhaltende Suburbanisierungsprozess ist hinlänglich bekannt (vgl. z.B. BBR 2004). Als Folge der natürlichen Bevölkerungsentwicklung, der Wanderungsbewegung und des Suburbanisierungsprozesses kam es insbesondere in ostdeutschen Innenstädten zu massiven Wohnungsleerständen während der 1990er Jahre (vgl. Franz 2001 S. 263 ff).
2.5.2 Abnehmerverhalten
Die Systeme der Abwassertechnik sind auch ohne die Berücksichtigung lokal bedeutsamer Einwohnerrückgänge von einem stetigen Rückgang der Leistungsdichte geprägt (vgl. Koziol 2001 S. 42). Dies liegt ursächlich am geänderten Verbraucherverhalten aufgrund erheblicher Preissteigerungen (vgl. Abb. 2-3). So stieg der durchschnittliche Preis pro m³ Abwasser in der BRD um ca. 100 % innerhalb der 1990er Jahre.
Abb. 2-3 Entwicklung des Preisindexes[15] für die Lebenshaltung insgesamt und für die Abwasserbeseitigung in der BRD 1990[16] bis 2001
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung (basierend auf: StBA 1995, 1998, 2002)
Der tägliche Wasserverbrauch pro Kopf sank in der BRD von 144 Liter (1991) auf 127 Liter (2001) um 17 Liter innerhalb von 10 Jahren (vgl. StBA 2003 S. 8). Abnehmer bzw. Nachfrager von Abwasserentsorgungsleistungen, die privaten Haushalte und Unternehmen, nutzen zunehmend Einsparpotentiale. Diese werden folgend, getrennt nach Privathaushalten und Unternehmen, betrachtet.
2.5.2.1 Einsparpotentiale private Haushalte
Die Nachfrage privater Haushalte nach Abwasserentsorgung wird unter anderem bestimmt durch die Verbrauchsgewohnheiten, den Wasser- und Abwasserpreis[17] sowie die Verfügbarkeit von Wassereinspartechnologien und deren Kosten.
Die Preiselastizität der Nachfrage von Trink- und damit auch Abwasser, im folgenden zusammenfassend als Wasser bezeichnet, richtet sich nach dem jeweiligen Verwendungszweck für den Wasser im Haushalt benötigt wird. Die Preiselastizität der Nachfrage nach Wasser gibt Auskunft darüber, wie sensibel Verbraucher mit einer Mengenanpassung auf Preisänderungen reagieren[18]. Nach Auswertung empirischer Studien kommt Stuchty zu dem Ergebnis, dass eine Preiserhöhung von 100 % eine Mengenreduzierung von 10 bis 30 % nach sich zieht (vgl. Stuchty 2002 S. 21).
Für die leitungsgebundene Trinkwasserversorgung unterscheidet Stuchtey zwischen drei Anpassungsstrategien als Reaktion auf steigende Wasserpreise (vgl. Stuchty 2002 S. 21 f). Auf Grund der Bestimmung der Abwassermenge von privaten Haushalten anhand ihres Trinkwasserverbrauchs, sind diese zum Teil auf den Abwasserbereich übertragbar. Abwassereinsparungen können durch die Anschaffung verbrauchsarmer Geräte und wassersparender Armaturen, der Veränderung des Verbrauchsverhaltens oder der Eigenwassergewinnung bzw. Eigenabwasserbeseitigung erfolgen.
Bei mengenmäßiger Gesamtbetrachtung ergeben sich für private Haushalte die größten Einsparpotentiale aus der Anschaffung von verbrauchsarmen Geräten und wassersparenden Armaturen sowie der Veränderung des Verbrauchsverhaltens (vgl. Stuchty 2002 S. 22). Eine Investition in Wassereinspartechnologien ist frühestens dann ökonomisch sinnvoll, wenn diese über die Produktlebenszeit durch eingesparte Wassergebühren kompensiert wird. Gleiches gilt auch für den Bau einer eigenen Kleinkläranlage (vgl. Landwirtschaftskammer Westfalen-Lippe 2003). Der Bau von derartigen Anlagen zur Eigenabwasserbeseitigung ist, auf Grund des geringen Aufkommens, nur von untergeordneter Bedeutung.
Das Ausweichen auf Wasser geringerer Qualität bleibt aus hygienischen Gründen auf bestimmte Verwendungszwecke beschränkt. Möglichkeiten bieten sich z.B. im Rahmen der Gartenbewässerung und der Toilettenspülung. Der Ersatz von Trinkwasser durch Regenwasser für diese Bereiche stellt aus gebührentechnischer Sicht ein Problem dar. Entnommenes Trinkwasser, welches zu anrechenbarem Abwasser wird, würde durch Regenwasser ersetzt werden. Bei konstantem Abwasseraufkommen würde dies finanzielle Einbussen für Abwasserentsorger bedeuten und infolgedessen zu einer Gebührenerhöhung führen.
Der Ersatz von leitungsgebundenem Trinkwasser durch Flaschenwasser ist bei der mengenmäßigen und finanziellen Betrachtung zu vernachlässigen.
2.5.2.2 Einsparpotentiale Unternehmen
Die Nachfrage von Unternehmen nach Abwasserentsorgungsleistungen werden unter anderem bestimmt durch den Wasser- und Abwasserpreis, den Verwendungszweck des Wassers im Unternehmen, den Schadstoffgehalt des Abwassers sowie den technischen Möglichkeiten und Kosten von Wassereinsparmaßnahmen.
Die Möglichkeiten, Wasser in Unternehmen einzusparen sowie den Schadstoffgehalt des Abwassers zu reduzieren, sind unter anderem abhängig von der Unternehmensgröße und -struktur, der Branchenzugehörigkeit, den einzelnen Standortbedingungen und dem Verwendungszweck von Wasser im Produktionszyklus. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass Unternehmen über deutlich bessere Einsparmöglichkeiten von Wasser verfügen als private Haushalte. Entsprechend größer wird die Preiselastizität der Nachfrage nach Wasser sein. Empirische Studien konnten hierzu nicht ermittelt werden.
2.5.3 Auswirkungen auf die Systeme der Abwassertechnik
Auf Grund der demografischen und siedlungsstrukturellen Entwicklung müssen die kommunalen Entsorgungsträger im Bereich der Abwasserentsorgung damit rechnen, dass die Anzahl der Anschlussnehmer in einigen Bereichen stark abnimmt. Gleichzeitig führen ein geändertes Verbrauchsverhalten und die durch verbesserte Technik in einer Vielzahl von Wohngebäuden bedingten Wassereinsparungen (vgl. Sen.Stadt. 2003 S. 11 ff) zu einem Rückgang der einwohnerspezifischen Verbrauchsmengen. Dies wird erhebliche ökonomische, aber auch funktionale Probleme hinsichtlich des Betriebes der Netze und Anlagen nach sich ziehen (vgl. St.K. Bbg. 2004 S. 50 f).
Die Ableitung und Reinigung von Abwasser ist ein kapitalintensiver Vorgang. Der größte Teil der dabei entstehenden Kosten sind Fixkosten. Denn nach der einmal getroffenen Entscheidung über die benötigten Leitungs- und Kläranlagenkapazitäten, den Bau der Anlagen und ihre Inbetriebnahme fallen Kosten an, deren Höhe unabhängig davon ist, von wie vielen Nutzern die Anlage in Anspruch genommen wird und welche Mengen Abwasser gereinigt werden (vgl. Kapitel 4.2). Diese relativ konstanten Kosten der Abwasserbeseitigung müssen von der kleiner werdenden Nutzeranzahl anteilig getragen werden. Die Reduzierung der Durchflussmengen und die damit einhergehende Verringerung der Durchflussgeschwindigkeit führt zu einer vermehrten Bildung von Schwefelsäuren, wodurch Leitungen durch Korrosion zerstört werden. Dies macht aufwändige Gegenmaßnahmen nötig, z.B. zusätzliches Spülen oder zusätzlicher Einbau von Pumpstationen, welche wiederum auf die Nutzer umgelegt werden müssten.
3. Finanzierung der Abwasserentsorgung
In diesem Kapitel soll die Finanzierung, Bereitstellung und Beschaffung des Kapitals, zur Aufgabenerfüllung „kommunale Abwasserentsorgung“ betrachtet werden. Bezogen auf die Kapitalherkunft, lassen sich Innen- und Außenfinanzierung unterscheiden. Die von einem Teil der Fachvertreter vorgenommene Unterteilung in Innenfinanzierung, Außenfinanzierung und Sonderformen (vgl. z.B. Sander 2003 S. 67 ff) wird nicht übernommen, da i.d.R. die als Sonderformen beschriebenen Finanzierungsmöglichkeiten zwar Alternativen zum klassischen Kreditvertrag darstellen, die Kapitalherkunft und der Kapitalrückfluss jedoch klar der Außenfinanzierung zu zurechnen sind.
3.1 Innenfinanzierung
Zur kommunalen Innenfinanzierung zählen die Selbstfinanzierung in Form nicht ausgeschütteter Gewinne und die Kapitalfreisetzung mit Beträgen aus Rückstellungen und Abschreibungen (vgl. Sander 2003 S. 68). Zur kommunalen Selbstfinanzierung im kameralistischen Sinne des Einnahmeüberschusses gehören alle Einnahmen, über welche eine Gemeinde ohne Rückzahlungsverpflichtungen verfügen kann (vgl. Matschke/ Hering 1998 S. 50). Diese Einnahmen umfassen insbesondere die Abgaben, die sich in Beiträge, Gebühren sowie Steuern, Zuweisungen und Zuschüsse unterteilen. Durch die Bildung von Rückstellungen können Innenfinanzierungsmittel freigesetzt werden, welche als Fremdfinanzierung dem Unternehmen der Abwasserbeseitigung zur Verfügung stehen. Im Vergleich zu rein privatwirtschaftlichen Unternehmen spielt die Innenfinanzierung aus Rückstellungen und sonstigen Kapitalfreisetzungen eine untergeordnete Rolle (vgl. Hering/ Matschke 1997 S. 341). Die folgenden Darstellungen begrenzen, aufgrund der besonderen Bedeutung für die Abwasserentsorgung, die Innenfinanzierung auf Gebühren, Beiträge und Investitionszuweisungen.
3.1.1 Gebühren
„Gebühren sind Geldleistungen, die erhoben werden als Gegenleistung für eine besondere Leistung (Amtshandlung oder sonstige Tätigkeit) der Verwaltung oder für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen und Anlagen als Benutzungsgebühr“ (zit. Bund der Steuerzahler e.V. 1996 S. 14). Die Abwassergebühr ist das wiederkehrende Entgelt für die laufende Inanspruchnahme der Abwasserentsorgungsinfrastruktur und stellt somit eine Benutzungsgebühr dar. Entscheidend für den Gebühreneinzug ist das Ausmaß der Inanspruchnahme der öffentlichen Anlage. Bei der Gebührenerhebung sind das Kostendeckungsprinzip[19], das Verursacherprinzip[20] und das Äquivalenzprinzip[21] zu berücksichtigen (vgl. Jessen 2001 S. 114 ff), welche die Kalkulation der Gemeinde unabhängig von der gewählten organisatorischen und rechtlichen Struktur binden (vgl. Matschke/ Hering 1998 S. 64). Als Schuldner der Abwassergebühr kann die Kommune entweder die unmittelbaren Benutzer (Mieter bzw. Pächter) oder die mittelbaren Benutzer (Haus- bzw. Grundstückseigentümer) bestimmen. In der Praxis werden i.d.R. die mittelbaren Benutzer mit den Gebühren belastet (vgl. Prager 2002 S. 49). Mit dem Gebührenmaßstab wird die Bemessungsgrundlage der Abwassergebühr satzungsmäßig festgeschrieben. Er bestimmt zusammen mit der Anwendung des Gebührensatzes die Höhe der Gebührenschuld (vgl. z.B. Potsdam-Mittelmark 2003 S. 5). Die Abwassergebühr lässt sich in eine Grundgebühr und eine Verbrauchsgebühr unter-teilen, wobei die Verteilung der anfallenden Kosten auf den ein oder anderen Ge-bührenteil i.d.R. der politischen Willensbildung unterliegt.
[...]
[1] Der Anschlussgrad variiert stark zwischen den einzelnen Region. In dünn besiedelten Bundesländern, wie z.B. Brandenburg waren zum 31.12.1999 nur etwas mehr als 71 % der Bevölkerung an die öffentliche Kanalisation angeschlossen (vgl. MULR Bbg. 2001a S. 6).
[2] Mischsystem: Regen- und Schmutzwasser werden in einem Kanal abtransportiert. Die traditionelle Form der Siedlungsentwässerung mit der üblichen Vermischung der verschiedenen Abwässer ist aus ökologischen und auch ökonomischen Gründen nicht mehr zeitgemäß (vgl. Bioplan Ingenieurgesellschaft 2002a).
[3] Trennsystem: Regenwasser und Schmutzwasser werden nach dem bisherigen Stand der Technik nebeneinander in getrennten Schächten zur Kläranlage geführt. Dies verlangt aber eine kostspielige Anordnung von parallelen Rohrleitungen und die doppelte Anzahl von Schächten (vgl. Bioplan Ingenieurgesellschaft 2002b).
[4] Herz/ Werner/ Marschke machen keine Angaben zur Herleitung dieser Einheitskosten.
[5] Die Anlagen, welche zur Aufbereitung und Speicherung nötig sind, wurden dabei nicht mit eingerechnet.
[6] An dieser Umfrage beteiligten sich 162 Kommunen und Abwasserverbände aus dem gesamten Bundesgebiet, welche mit 21,6 Mio. Einwohnern gut ein Viertel der bundesdeutschen Bevölkerung repräsentieren. Die erfasste Kanallänge von ca. 80.000 km hatte zum damaligen Zeitpunkt einen Anteil von ca. 18 % am Gesamtnetz der BRD. Der ländliche Raum und die neuen Bundesländer waren in der Umfrage leicht unterrepräsentiert. Ihr Anteil hat sich gegenüber der Umfrage aus dem Jahre 1997 etwas erhöht (vgl. ATV 2002 S. 2 und ATV 1998 S. 10).
[7] Die Angaben der befragten Kanalnetzbetreiber zu getätigten Aufwendungen für Reparatur (729 DM/ m), Renovierung ( 836 DM/ m) und Erneuerung (1.440 DM/ m), wurden in Abhängigkeit der Einwohnerzahl der jeweiligen Kommunen gewichtet und zu einem durchschnittlichen Einheitswert zusammengefasst (vgl. ATV 2002 S. 7). Der angegebene Wert von 1.162 DM/ m bzw. 594 €/ m bezieht sich nur auf den Teil der öffentlichen Kanalisation und ist nicht zu verwechseln mit den von Herz/ Werner/ Marschke ermittelten Einheitswert zur Wiederbeschaffung von 400 €/ m, welcher sich auf das gesamte Kanalisationsnetz bezieht (öffentlich und privat).
[8] Mechanische Reinigung ist ohne großen Aufwand möglich. Die ungelösten Schmutzstoffe im Abwasser setzen sich von alleine und werden herausgeholt (vgl. LINEG a)
[9] Die biologische Klärstufe beruht auf den gezielten Einsatz von spezialisierten Bakterien, die sich in den sogenannten Belebungsbecken von gewässerbelastenden Stoffen ernähren. Je nach biochemischem Milieu sind sie in der Lage, Kohlenstoffe, Phosphor und Stickstoff aus dem Abwasser zu entfernen (vgl. LINEG b).
[10] Ein Einwohnerwert entspricht einer organisch-biologisch abbaubaren Belastung mit einem biochemischen Sauerstoffbedarf in fünf Tagen (kennzeichnet die leicht abbaubaren organischen Abwasserinhaltsstoffe) von 60 g Sauerstoff pro Tag.
[11] Die Existenz zahlreicher sondergesetzlicher Wasser- und Abwasserverbände ist eine nordrhein-westfälische Besonderheit, welche sich in ähnlicher Form nur noch im Saarland wiederfindet (vgl. Nisipeanu 1998 S. 70 f). Derartige Verbände sind: Abwasserverband Rur, Aggerverband, Bergisch-Rheinischer Wasserverband, Eifel-Rur-Verband, Emschergenossenschaft, Erftverband, Linksrheinische Entwässerungsgenossenschaft, Lippeverband, Niersverband, Ruhrverband, Wahnbachtalsperrenverband und Wupperverband.
[12] Ende der 1960er Jahre stellte sich sowohl in West- als auch in Ostdeutschland, mit der Verfügbarkeit wirksamer Mittel zur Empfängnisverhütung, ein rascher Rückgang der Geburtenrate ein. Begünstigt durch den Einbruch der Geburtenrate in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung, ist die natürliche Bevölkerungsentwicklung seit den 1990er Jahren deutlich negativ (vgl. BBR 2002 S. 32 f). So erklären sich die Bevölkerungszahlen in der BRD vorwiegend durch erhöhte Zuwanderungszahlen.
[13] Die Bevölkerungszahl stieg im früheren Bundesgebiet von 63,25 Mio. (1990) auf 67,20 Mio. (2000) (vgl. StBA 2002 S. 44).
[14] Die Bevölkerungszahl auf dem Gebiet der ehemaligen DDR verringerte sich von 16,11 Mio. (1990) auf 15,17 Mio. (2000) (vgl. StBA 2002 S. 44).
[15] Preisindex 1991 = 100
[16] Die Angaben zum Jahr 1990 berücksichtigen nur das alte Bundesgebiet
[17] Da das aus dem Trinkwasserleitungsnetz entnommene Wasser nach seiner Verwendung i.d.R. zu Abwasser wird, eine Ausnahme stellt z.B. das zur Gartenbewässerung entnommene und über eine zweite Wasseruhr erfasste Trinkwasser dar, ist für das Verbrauchsverhalten nicht nur der Abwasserpreis, sondern auch der Trinkwasserpreis von Bedeutung.
[18] Voraussetzung für eine entsprechende Reaktion ist die verbrauchsbezogene Abrechnung anhand eines eigenen Wasserzähler.
[19] Das Kostendeckungsprinzip besagt, dass die voraussichtlichen Kosten der Anlage bzw. Einrichtung durch das veranschlagte Gebührenaufkommen zu decken sind. Das Gebührenaufkommen darf die Kosten aber nicht überschreiten.
[20] Das Verursachungsprinzip besagt, dass derjenige, der eine Leistung der Gemeinde in Anspruch nimmt, die durch diese Leistung entstandenen Kosten zu tragen hat.
[21] Das Äquivalenzprinzip beruht auf dem rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsprinzip. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zwischen der Höhe der Gebühr und dem objektiven Vorteil bzw. dem wirtschaftlichen Wert aus der Inanspruchnahme ein angemessenes Verhältnis besteht.
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