Diese Arbeit ist dem Problem einer Verhältnisbestimmung von formaler Logik und argumentativer Praxis gewidmet. Die Aristotelische Syllogistik, bei der die abendländische Tradition logischen Nachdenkens und Nachdenkens über Logik einen historischen Ursprung hat, soll als Exemplar für ein System formaler Logik im Umriss dargestellt werden, da sich Stephen Toulmin mit seiner Argumentationstheorie, die als modernes Paradigma philosophischer Reflexion praktischer Argumentationskontexte verstanden wird, explizit mit dieser auseinandersetzt. Es wird zu prüfen sein, ob und inwieweit ein pragmatisch-juristisches Modell zur Darstellung der „Geltung unserer Geltungsansprüche“ (GvA, S. 14) im Stile Toulmins solche Ansprüche tatsächlich adäquat abbildet und worin eventuelle Unzulänglichkeiten der verschiedenen Modelle jeweils bestehen. Dazu müssen Fragen wie „Was bedeutet `Argument´ in dem jeweiligen Modell?“ und „Welche Funktionen und Zwecke erfüllen beide Theorien?“ gestellt und beantwortet werden. Neben dieser Gegenüberstellung zweier konträrer Ansätze und ihrer Reichweite werden auch weitreichendere Frage zum Verhältnis von natürlicher (Umgangs-) Sprache und formal-kanonischen Sprachen tangiert. Hat formale oder gar `mathematische´ Logik eine argumentative Funktion oder ist sie argumentationstheoretisch „nicht repräsentativ“ (GvA, S. 131) bzw. zu schlicht? In welchem Verhältnis stehen Logik und natürliche Sprache(n) überhaupt? Solche Fragen, die durch die Konfrontation der Syllogistik mit der Argumentationstheorie Toulmins generiert werden, können dabei natürlich nicht erschöpfend in all ihren Facetten behandelt (geschweige denn beantwortet) werden. Meine Antworten diesbezüglich haben eher tastend-orientierenden Wert. Den Abschnitten 1.1. und 1.2., in denen die logische Grobstruktur der Syllogistik dargestellt und in knapper Form etwas zur Klassifizierung und zur Relation von Syllogismen untereinander gesagt wird, folgt Abschnitt 1.3., der als Schnittstelle zwischen Teil 1. und 2. gelesen werden kann. Dort werden grundsätzliche Probleme einer Argumentationstheorie an Hand der Frage nach der Bedeutung oder Verwendung von „Argument“ skizziert. In 2.1. stelle ich Toulmins Argumentationsschema vor und setze mich unter 2.2. mit seiner Kritik an der formallogischen Tradition nach Aristoteles auseinander.
Inhaltsverzeichnis
0. Einleitung
1. Eine klassische Theorie der Argumentation – 'die Syllogistik'
1.0. Einführung
1.1. Die logische Struktur des Syllogismus
1.2. Syllogistische Haupttypen und ihre Relation
1.3. Syllogistik vs. Argumentationstheorie
2. Eine moderne Theorie der Argumentation – das Toulmin-Schema (TS)
2.0 Einführung
2.1. Die Struktur von TS
2.2 Bereich, Gültigkeit und Typen von Argumentationen
2.2.1. Der Bereich einer Argumentation
2.2.2. Bereichsabhängigkeit und -unabhängigkeit einer Argumentation
2.2.3. Die Gültigkeit von Argumentationen
2.2.4. Analytische und substantielle Argumentationen
3. Die Substanz analytischer Argumentationen – ein Resümee
4. Zeichenerklärung
5. Zitierte oder verwendete Literatur
0. Einleitung
Diese Arbeit ist dem Problem einer Verhältnisbestimmung von formaler Logik und argumentativer Praxis gewidmet. Die Aristotelische Syllogistik, bei der die abendländische Tradition logischen Nachdenkens und Nachdenkens über Logik einen historischen Ursprung hat, soll als Exemplar für ein System formaler Logik im Umriss dargestellt werden, da sich Stephen Toulmin mit seiner Argumentationstheorie, die als modernes Paradigma philosophischer Reflexion praktischer Argumentationskontexte verstanden wird, explizit mit dieser auseinandersetzt. Es wird zu prüfen sein, ob und inwieweit ein pragmatisch-juristisches Modell zur Darstellung der „Geltung unserer Geltungsansprüche“ (GvA, S. 14)[1] im Stile Toulmins solche Ansprüche tatsächlich adäquat abbildet und worin eventuelle Unzulänglichkeiten der verschiedenen Modelle jeweils bestehen. Dazu müssen Fragen wie „Was bedeutet `Argument´ in dem jeweiligen Modell?“[2] und „Welche Funktionen und Zwecke erfüllen beide Theorien?“ gestellt und beantwortet werden.
Neben dieser Gegenüberstellung zweier konträrer Ansätze und ihrer Reichweite werden auch weitreichendere Frage zum Verhältnis von natürlicher (Umgangs-) Sprache und formal-kanonischen Sprachen tangiert. Hat formale oder gar `mathematische´ Logik eine argumentative Funktion oder ist sie argumentationstheoretisch „nicht repräsentativ“ (GvA, S. 131) bzw. zu schlicht? In welchem Verhältnis stehen Logik und natürliche Sprache(n) überhaupt? Solche Fragen, die durch die Konfrontation der Syllogistik mit der Argumentationstheorie Toulmins generiert werden, können dabei natürlich nicht erschöpfend in all ihren Facetten behandelt (geschweige denn beantwortet) werden. Meine Antworten diesbezüglich haben eher tastend-orientierenden Wert.
Den Abschnitten 1.1. und 1.2., in denen die logische Grobstruktur der Syllogistik dargestellt und in knapper Form etwas zur Klassifizierung und zur Relation von Syllogismen untereinander gesagt wird, folgt Abschnitt 1.3., der als Schnittstelle zwischen Teil 1. und 2. gelesen werden kann. Dort werden grundsätzliche Probleme einer Argumentationstheorie an Hand der Frage nach der Bedeutung oder Verwendung von „Argument“ skizziert. In 2.1. stelle ich Toulmins Argumentationsschema vor und setze mich unter 2.2. mit seiner Kritik an der formallogischen Tradition nach Aristoteles auseinander.
1. Eine klassische Theorie der Argumentation – 'die Syllogistik'
1.0. Einführung
Meine Hauptintention in diesem Teil ist die Darstellung und Rechtfertigung des in der Überschrift 1. formulierten Zusammenhangs. Einem unbefangenen Rezipienten der klassischen Logik, wie sie in den diversen Formen des Syllogismus ihren Ausdruck gefunden hat, muss dieser Zusammenhang, d. h. die Interpretation der Syllogistik als eine Theorie der Argumentation, nicht als ein factum sui generis erscheinen und auch der wichtige Appell an ein historisches Bewußtsein, das sich die geschichtlichen Hintergründe der syllogistischen Logik als sich konkreten Gesprächskontexten verdankt bewusst macht[4], reicht allein nicht hin, ihn zu erklären („Hintergründe“ meint eben nicht immer „Gründe“). Was also hat die klassische formale Logik in ihrer Gestalt als Syllogistik mit einer Theorie der Argumentation in systematischer Hinsicht zu tun und was bedeutet dann „Argumentation“ bzw. „Syllogismus“? Um die Suche nach Antworten auf diese Fragen soll es im Folgenden hauptsächlich gehen, nicht zuletzt aus dem Grund, den Gegenstand des kritischen Projektes Toulmins exemplarisch etwas genauer zu betrachten.[3]
1.1. Die logische Struktur des Syllogismus
Ein Syllogismus (gr.: „συλλογισμός“ > „die Berechnung“; „der logische Schluss“) ist die Verknüpfung dreier Aussagen[5] derart, dass eine dieser Aussagen – die Konklusion – aus den beiden anderen Aussagen – den Prämissen – notwendig folgt.[6] Als Aussage gilt dabei jede kopulative Zusammenstellung zweier genereller Termini[7]. So besteht beispielsweise die (falsche) Aussage
(i) „Junggesellen sind verheiratet.“
aus dem generellen Terminus „Junggesellen“, der Kopula „sind“ und dem generellen Terminus „verheiratet“. Für die Verwendung in einem gültigen Syllogismus ist diese Aussage jedoch noch nicht vollständig bestimmt, da ihr quantitativer Wert nicht klar ist. „Quantität“ bezieht sich hierbei auf den Grad der Allgemeinheit einer Aussage und wird in der natürlichen (deutschen) Sprache mit Hilfe der Partikel „alle“, „jeder“, „einige“, etc. ausgedrückt. Jede Aussage in einem Syllogismus hat immer genau einen von zwei quantitativen Werten, der ihre Universalität („alle“, „jeder“, „kein“) resp. Partikularität („manche“, „einige“) determiniert.[8] Neben dem Kriterium der quantitativen Determination ist in der Syllogistik die Qualität der Aussage bedeutsam. Diese gibt an, ob eine Aussage affirmiert (bejaht) oder negiert (verneint) wird.
Beide dyadischen Deteminanten einer Aussage sind notwendig dafür, dass eine Aussage in einem syllogistischen Schluss überhaupt Verwendung finden kann. Zur syllogistischen Vollbestimmtheit könnte das Beispiel von oben dann in
(ii) „Kein Junggeselle ist verheiratet.“
abgewandelt weden, denn es handelt sich um eine universelle, negierende (wahre) Aussage.
Kombinatorisch sind genau vier syllogistische Aussagetypen möglich, denen in der Standartnotation seit dem Mittelalter die vier (kleinen oder großen) lateinischen Vokale a (universell/bejahend), i (partikulär/bejahend), e (universell/verneinend) und o (partikulär/verneinend) zugeordnet werden.
Innerhalb des jeweiligen Syllogismus unterscheidet man drei Arten von Termini. Der Terminus S (terminus minor) bezeichnet diejenigen Dinge, von denen in der Konklusion etwas durch den Terminus P (terminus maior) ausgesagt wird.[9] „SaP“ bedeutet dann also, dass alle Gegenstände der Extension von S auch zur Extension von P gehören. Die beiden Prämissen enthalten neben S und P den sog. Mittelterm (terminus medius) M, der in der Konklusion nicht mehr vorkommen darf, während S und P sowohl in den Prämissen als auch der Konklusion vorkommen müssen. Ein formal vollständiger Syllogismus setzt sich letztlich aus der ersten Prämisse (praemissa maior) mit M und P, der zweiten Prämisse (praemissa minor) mit M und S, der Konklusion mit S und P, sowie den jeweiligen quantitativen und qualitativen Determinanten a, i, e, o in jeder der drei Aussagen zusammen. Das kann am Beispiel dann so dargestellt werden:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Neben den bereits ewähnten Kriterien garantieren einige weitere Regeln die Gültigkeit des syllogistischen Schlusses, wie z. B. das Diktum, dass die Quantität der Konklusion kleiner oder gleich der der Prämissen sein muss.[10]
Eine alternative Darstellung der syllogistischen Struktur sei hier noch kurz erwähnt. Günther Patzig deutet den aristotelischen Schluss als Konditional, dessen Antecedens die Konjunktion aus praemissa maior und praemissa minor ist[11], also in unserem Fall „Wenn PeM und SaM, so SeP.“ oder „Wenn kein Junggeselle verheiratet ist und jeder Ehemann verheiratet ist, dann ist kein Ehemann ein Junggeselle.“ Diese Interpretation ist sowohl semantisch äquivalent (d. h. alle Syllogismen sind salva veritate in einen Satz der Form „Wenn A und B, dann C“ übersetzbar) als auch mit einigen Textstellen gut belegbar.[12] Allerdings ist dieser Ansatz nicht ohne Kritik geblieben.[13] Gegen diese Interpretation habe ich mich entschieden, da sie als Interpretament zur kritische Voraussetzung hat, dass es sich bei einer solchen „wenn, so“-Formulierungen tätsächlich um einen Syllogismus im Sinne Aristoteles' handelt und nicht um „eine Behauptung über ihn“[14]. Damit will ich die wichtige und richtige Textbeobachtung Łukasiewiczs, Patzigs und anderer, dass Aristoteles nicht drei separate Aussagen untereinander, sondern immer einen komplexen Satz formulierte, nicht negieren, aber zu bedenken geben, dass Aristoteles implizit die moderne Unterscheidung von Objekt- und Metasprache, von Verwendung (use) und Erwähnung (mention), bereits angewendet haben könnte.[15]
1.2. Syllogistische Haupttypen und ihre Relation
Aristoteles nennt genau drei syllogistische Haupttypen, die sog. Figuren, die alle Syllogismen nach der Funktion des in ihnen enthaltenen terminus medius hin klassifizieren.[16] Im Mittelalter wurde dann ein vierter Typ eingeführt.[17]
I. Figur: terminus medius ist Subjektterm der ersten und Prädikatenterm in der zweiten Prämisse
II. Figur: terminus medius ist in beiden Prämissen Prädikatenterm
III. Figur: terminus medius ist in beiden Prämissen Subjektterm
IV. Figur: terminus medius ist Prädikatenter in der ersten und Subjektterm der zweiten Prämisse
Jeder Typ hat entsprechend der möglichen Verteilung der Quantitäten und Qualitäten vier (I. und II. Figur), fünf (IV. Figur) bzw. sechs (III. Figur) Subtypen (Modi), so dass 14 (bei Aristoteles) bzw. 19 gültige Schlussformen vorliegen.[18] Ob Aristoteles die IV. Figur als eine Variante der ersten schlicht als überflüssig außer Acht gelassen hat oder ob es systemimmanente Gründe für seine Beschränkung auf drei Typen gibt, darüber kann ich hier nicht endgültig urteilen.[19] Wichtiger ist jedoch, dass sich Aristoteles nicht mit einer Typentheorie und Aufzählung gültiger syllogistischer Schlüsse zufrieden gibt, sondern die II. und III. Figur auf die I. als basalste zurückführt. Einen solchen Reduktionsbeweis möchte ich für den Syllogismussubtyp der II. Figur (siehe 1.1. (iii)) – er wird auch Cesare genannt – kurz vorführen. Aristoteles führt
(iii') PeM
SaM
\ SeP
auf den Syllogismussubtyp der I. Figur (Celarent)
(iv) MeP
SaM
\ SeP
zurück.[20] Dabei bedient er sich einer Symmetrieregel für die Negation (conversion simplex e): Wenn M von keinem P ausgesagt wird, dann wird P auch keinem M zukommen. „κατηγορείσθω γαρ το Μ του μεν Ν μηδενός [...] ουδενι τω Μ υπάρξει το Ν.“[21] Der Beweis sieht dann so aus:
I. PeM (praemissa maior)
II. SaM (praemissa minor)
III. MeP (conversion simplex e, ex I.)
IV. SaM (ex II.)
V. \ SeP (ex III. et IV./quod erat demonstrandum)
Als Grund der Gültigkeit dieser Konversionsregel nennt Aristoteles schlicht die `Umkehrbarkeit der Negation´ („επει ουν αντιστρέφει το στερητικόν“[22] ). Damit ist gemeint, dass bei allen universell-verneinten Aussagen (Konversionsregeln gibt es allerdings auch für affirmierende Aussagen) die aussagenbildenden generellen Termini gegeneinander austauschbar sind, ohne dass sich der Wahrheitswert der Aussage ändert. Mit Hilfe dieser und ähnlicher Konversionsregeln sind alle Modi der II., III. und IV. Figur auf die I. zurückführbar resp. jene aus dieser ableitbar. Dabei ist bemerkenswert, dass selbst nach den strengen logischen Standards der modernen Quantorenlogik erster Ordnung diese Konversionsregel gültig ist, d. h. sie ist beweisbar und eine quantorenlogische Tautologie.[23] Für den weiteren Gang meiner Untersuchung wichtig ist, dass es Aristoteles und den ihm folgenden Logikern mit Hilfe weniger, extrasyllogistisch begründeter, Schlussregeln gelang, die Pluralität der möglichen Schlussformen auf eine überschaubare Zahl zu reduzieren und so eine Grundlage (nämlich Einfachheit) für eine effiziente Theorie zu schaffen. Nun soll nach dem Verhältnis dieser Theorie zum Begriff der Argumentation bzw. der Bedeutung von „Argument“ überhaupt gefragt werden.
[...]
[1] Zur Zitation: Die Primärliteratur wird im Haupttext oder den jeweiligen Fußnoten mit Siglen verkürzt zitiert. Sekundärtexte führe ich in Kurzform (Autorennachname (ggf. Ersterscheinungsjahr in runden Klammern) Erscheinungsjahr der zitierten bzw. verwendeten Ausgabe) an. Kurzform und Siglen werden unter 5. expliziert. Ausnahmen von diesen Regeln bilden selbstverständlich als klassisch geltende Schriften, welche traditionell mit kanonischen Siglen/Kurzformen zitiert werden.
[2] Zur Notation: Wenn ich mich über sprachliche Ausdrücke äußere, dann setzte ich zur Kennzeichnung die betreffenden Ausdrücke in Anführungszeichen, so dass damit nicht immer eine Literaturzitation vorliegt, wenn doppelte Anführungszeichen vorkommen, sondern auch die Erwähnung eines sprachlichen Ausdrucks. Mit den nicht in doppelten Anführungszeichen stehenden einfachen Anführungszeichen wird eine distanzierte Haltung zu dem entsprechenden (vagen, zu metaphorischen, etc.) Wort oder Begriff zum Ausdruck gebracht. Prägnanz und Betonung werden durch die kursive Schreibweise angedeutet. Einige synkategorematische Zeichen wie formallogische Ausdrücke, u. dgl. werden unter 4. übersetzt.
[3] „Die Syllogistik“ bleibt eine Facon de parler, wenn nicht gesagt wird, von welchen Syllogismen die Rede ist. Allerdings gibt es etwas, dass allen Syllogismen – seien sie hypothetisch, deontisch, modal, disjunktiv oder assertorisch – gemeinsam ist, nämlich ihr Anspruch, irgendeine Art von ableitungs- bzw. wahrheitsdefiniter Folgebeziehung abzubilden – jedenfalls ist das gemeint, wenn ich hier und im Folgenden hin und wieder „die Syllogistik“ oder „die klassische Logik“ schreibe, da dies m. E. auch der Verwendungsweise Toulmins entspricht, der meist ganz undifferenziert von „der Wissenschaft der Logik“ (GvA, S. 10) bei Aristoteles oder „dem Prinzip des Syllogismus“ (GvA, S. 116) schreibt. Als Paradigma dient mir allerdings die verbreitetste Form – die des assertorischen Syllogismus.
[4] Gemeint ist die schlecht bestreitbare Tatsache, dass „[h]istorisch gesehen [...] die formale Logik bei Platon und Aristoteles aus der Unterredungskunst (dialektike techne) entstanden [ist, wobei] [d]er wesentliche Bezug von Logik auf Wahrheit [...] häufig dazu geführt [hat], daß man sie selbst als eine Theorie besonderer Wahrheiten – eben der logischen Wahrheiten – interpretierte und ihren argumentationstheoretischen Hintergrund vergaß.“ Schnädelbach (1991) 19982, S. 691.
[5] „Aussage“ ist meine Übersetzungsentscheidung für das griechische Wort „απόφανσις“, was ebenso wie seine deutschen Pendants eine Interpretation als Token („Äußerung“, „Satzvorkommnis“, „Sprechakt“) oder als Typ („Proposition“, „Satztyp“) zulässt. Diese Ambiguität möchte ich nicht glätten. Andere Übersetzungen wie „Aussagesatz“ oder „Urteil“ sind natürlich logisch-semantisch ebenso legitim, solange das so bezeichnete die von Aristoteles geforderte τι(νος) κατα τινος-Struktur aufweist und dem Bivalenzprinzip folgt. Die Type/Token-Unterscheidung geht auf die Semiotik Charles Sanders Peirce und dessen zeichentheoretische Differenzierung in Sin- und Legisign zurück. Siehe C. S. Peirce 1965, 2.243-2.246.
[6] Die weitreichende Definition bei Art. An. pr. 24b18-20 lautet so: „συλλογισμoς δέ εστι λογος εν ω τεθεντων τινων έτερον τι των κειμένων εξ ανάγκης συμβαίνει τω ταυτα ειναι.“ Worauf sich „τεθεντων τινων“ bezieht, wird aus dem Kontext klarer. Gemeint ist die ληψις (> „Annahme“) eines Beweises als Vordersatz oder Prämisse (> „πρότασις“) (Cf. Art. An. pr. 24a22-24.), welche selbst „απόφανσις“ (dazu z. B. Art. An. post. 72a8 f. und Fn. 5) und „λογος καταφατικός η αποφατικός τινος κατα τινος“ (Art. An. pr. 24a16 f.) ist.
[7] Aristoteles spricht hier von „όρος“, der ein Resultat der Analyse der „απόφανσις“ ist. Seine Definition findet sich bei Art. An pr. 24b16-18. Mit „genereller Terminus“ wird, v. a. in der analytischen Sprachphilosophie in Abgrenzung zu singulären Termini, jeder sprachliche Ausdruck bezeichnet, mit dem sich ein Sprecher auf mehr als einen Gegenstand beziehen resp. etwas von mehr als einem Gegenstand aussagen kann. „Gegenstand“ wird in logischen Kontexten sehr weit gefasst, so dass jede Entität ein Gegenstand ist (also Flüsse sowohl als auch Menschen, Häuser, Bundestagswahlen, Zahlen, u. dgl. mehr). Siehe zu dieser Differenzierung und zur Diskusion einiger mit dieser zusammenhängenden Probleme z. B. Quine (1964) 1974, § 34; Tugendhat/Wolf 1993, S. 127-145. Dass singuläre Termini keine syllogistisch relevanten Aussagen generieren können, dazu siehe auch Fn. 32.
[8] Cf. Art. An. pr. 24a17. Die „πρότασις“ als „λογος“ erfolgt „καθόλου η εν μέρει“.
[9] So heißt es auch in der aristotelischen Definition von „όρος“: „...οιον τό τε κατεγορούμενον και το καθ ου κατηγορειται...“ (Art. An. pr. 24b16 f.). S ist dabei nur in der Konklusion immer Subjektterminus und P immer Prädikatenterm. In den Prämissen kann sowohl S Prädikatenterminus als auch P Subjektterminus sein.
[10] Siehe eine Auflistung dieser Regeln und Grundsätze z. B. in Bucher 1987, S. 138-140; Prechtl 19992, S. 578 f.
[11] Cf. Patzig 1959, v. a. S. 14. Patzig ist nicht der einzige (und erste), der ein solche Deutung vorschlug. Der polnische Logiker Jan Łukasiewicz, auf den sich Patzig explizit beruft, hat bereits 1951 eine moderne Formalisierung der aristotelischen Syllogistik auf der Basis der materialen Implikation (der logische „wenn, dann“-Operator, oder Subjunktion) vorgelegt. Cf. Łukasiewicz 1951, v. a. Kap. 1-5.
[12] Siehe z. B. Art. An. pr. 25b37-26a2 oder auch den praktischen Syllogismus z. B. in Art. NE. 1147a 36-1147b 1.
[13] Silnizki 1988, S. 12 argumentiert z. B. wie folgt gegen Patzig: „Wenn also das aristotelische dialektische Verfahren, ein Teil der Aristotelischen Syllogistik, einen Vorgang bedeutet, `zu dem im Grunde immer 2 Personen, A und B, gehören´, so kann doch `ein aristotelischer Schluß´ unmöglich `ein zusammengesetzter „Wenn-so“-Satz´sein“. Dazu ist anzumerken, dass das, was Silinizki, E. Kapp (auf den sich ersterer stützt) und andere unter „dialektischer Syllogismus“ verstehen – nämlich einen dialogischen Prozess zweier Gesprächspartner – nicht primär das ist, was Aristoteles mit „συλλογισμoς“ meint (Cf. Fn. 6), da es ihm um das geht, was aus Notwendigkeit folgt (εξ ανάγκης συμβαίνει) und das vermag ein Konditional tatsächlich dazustellen, so es eine logische Tautologie ist. Das bedeutet nicht, dass Aristoteles die kommunikativ-prozessualen Präsuppositionen und Aspekte nicht beachtet hätte. In seiner Schrift zur Rhetorik werden diese behandelt, doch stehen die Analytiken in einem strukturellen Fragehorizont. Siehe dazu 1.3.
[14] Sainati (1968) 19952, S. 119; Kursiv im Original. Vittorio Sainati beruft sich dabei auf Prior 1955, S. 116 f. Prior übt dort auf sehr subtile Weise an der Interpretation von Łukasiewicz Kritik, indem er verschiedene Bedeutungen von „Implikation“ („implications“) bei Aristoteles dahingehend unterscheidet, dass „although Aristotle does thus constantly talk in conditionals, the implications we need for formalizing his proofs are not quite the ones he uses, which are actual propositions about inferences“ (Ebd.). Konditionale können sowohl eine inferenziell-prozessive als auch inferenziell-deskriptive Bedeutung haben, d. h. sie können im Vollzug einer Schlussfolgerung oder in Beschreibungen von Schlussfolgerungen verwendet werden. Diese Differenz nicht zu beachten ist m. E. der, zur interpretatorischen Vorsicht mahnende, Kern der Kritik Priors und Sainatis, welcher ich mich anschließe.
[15] Für die moderne formale Logik hat A. Tarski diese wichtige Differenzierung wieder betont. Cf. Tarski (1935) 19833[a]; Ders. (1935) 19833 [b], S. 494. In der Objektsprache werden sprachlichen Ausdrücke verwendet, um auf etwas außersprachliches Bezug zu nehmen, während in der Metasprache sprachlichen Ausdrücke der Objektsprache ohne referenziellen Gebrauch erwähnt werden, indem metasprachliche Ausdrücke verwendet werden, die sich auf die Ausdrücke der Objektsprache beziehen. Dieser Rekursionsprozess ist prinzipiell unendlich iterierbar, so dass Tarski auch von der „Meta-Metasprache“ (Tarski 1935[a], S. 399) sprechen kann. Zu „use“ und „mention“ siehe auch Searle (1969) 1995, S. 73-76.
[16] Art. An. pr. 41a13-18.
[17] Der Herausgeber und Übersetzer von „Organon Band 3/4“ in der Meiner-Reihe, Hans Günter Zekl, nennt auf S. XII seiner Einleitung Galenos (129-199 n. Chr.) als Urheber der vierten Figur, was bereits seit den Arbeiten Łukasiewicz als unhaltbar gilt.
[18] Eine Übersicht gibt z. B. Bucher 1987, S. 140 f.; Prechtl 19992, S. 578.
[19] Silnizki 1988, S. 75-78 meint, einen solchen Grund gefunden zu haben. Er schreibt: „Hätte Aristoteles nun aber die traditionell verstandene `vierte Schlußfigur´anerkannt, so hätte dies [...] bedeutet, dass nicht das Allgemeine, sondern vielmehr das Meson [Silnizkis Wort für „terminus medius“ bzw. gr.: „μέσον“] [...] als bekannt vorausgesetzt wird, so daß das Allgemeine zum Meson werden muß.“ (A. a. O., S. 78) Wie genau „das Allgemeine zum Meson“ werden kann und was dann „Allgemeines“ überhaupt bedeutet, bleibt mir jedoch nach diesem Argument unklar. Es scheint, dass der Autor hier die Quantität von Aussagen (allgemein, partikulär) mit der Funktion der Termini (maior, minor, medius) auf illegitime Weise kategorial parallelisiert oder identifiziert, was zu begrifflicher Verwirrung führt oder einen Kategorienfehler darstellt. Anders Patzig 1959, der meint, Aristoteles habe deshalb die vierte Figur nicht in sein System eingeführt, „weil er sie mit den von ihm entwickelten Methoden nicht definieren konnte“ (A. a. O., S. 123; Kursiv im Original).
[20] Art. An. pr. 27a5-9. Er verwendet im Unterschied zu mir für S die Variable Ξ und für P N.
[21] Ebd.
[22] Ebd.
[23] Zumindest gilt das für (a) universelle, negierte und (b) partikuläre, affirmierte Aussagen uneingeschränkt. Um z. B. die Gültigkeit von (a) nachzuweisen, werden „PeM“ und „MeP“ in eine quantorenlogische Sprache übersetzt; z. B. „PeM“ > „~$x (Px < Mx)“ und entsprechend „MeP“ > „~$x (Mx < Px)“. Dann wird eine Äquivalenz der Form „~$x (Px < Mx) ↔ ~$x (Mx < Px)“ bewiesen, was ich hier nicht weiter ausführen kann. Eine unmittelbare Schwierigkeit ist natürlich die Übersetzung, denn neben „PeM“ > „~$x (Px < Mx)“ ist auch „PeM“ > „"x ~(Fx ® ® Gx)“ oder „PeM“ > „"x (Fx ® ~Gx)“ möglich. Siehe zu weiteren Konsequenzen und Problemen bei solchen Übersetzungen für die Konversion und andere Regeln Sainati (1968) 19952, S.113-116.
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