Mit der folgenden Arbeit soll vor allem versucht werden, die Frankfurter Buchmesse des 16. Jahrhunderts aus der Perspektive der Gegenwart zu betrachten, sowie durch Vergleiche mit der Buchmesse des 21. Jahrhunderts ihre erstaunliche Aktualität aufzuweisen. Zunächst soll in Kapitel drei die Entwicklung der Buchmesse vor ca. 500 Jahren aus der allgemeinen Frankfurter Warenmesse beleuchtet wer‐ den. Dabei möchte ich besonders darlegen, warum nicht von einer „Gründung“ der Buchmesse gesprochen werden kann.
Die damaligen und jetzigen Funktionen der Messe und der Ablauf derselben, die zu dieser Zeit üblichen Messerituale und rechte thematisiere ich anschließend und versuche dadurch, das Bild der Messe ein wenig zu beleben und zu veranschaulichen. Es wird sich zeigen, dass gerade die Funktionen der im 16. Jahrhundert stattfindenden Messe von großer Bedeutsamkeit für die Gegenwart sind. In Kapitel vier wird untersucht, inwiefern die buchhändlerischen Gepflogenheiten des 16. Jahrhunderts bereits modernen Buchhandelsusancen entsprechen oder wenigstens eine Tendenz dazu aufweisen. Dazu werden die Paragraphen der buchhändlerischen Verkehrsordnung als mögliche Parallele herangezogen.
Inhalt
1. Einleitung
2 Forschungsstand und Literatur
3. Die Entstehung der Frankfurter Buchmesse
4. Die Funktionen der Buchmesse
5. Der Ablauf der Messe - Rituale und Rechte
6. Buchhandelsusancen
7. Fazit
8. Literaturangaben
1. Einleitung
Mit der folgenden Arbeit soll vor allem versucht werden, die Frankfurter Buchmesse des 16. Jahrhunderts aus der Perspektive der Gegenwart zu betrachten, sowie durch Vergleiche mit der Buchmesse des 21. Jahrhunderts ihre erstaunliche Aktualität aufzuweisen.
Zunächst soll in Kapitel drei die Entwicklung der Buchmesse vor ca. 500 Jahren aus der allgemeinen Frankfurter Warenmesse beleuchtet werden. Dabei möchte ich besonders darlegen, warum nicht von einer „Gründung" der Buchmesse gesprochen werden kann.
Die damaligen und jetzigen Funktionen der Messe und der Ablauf derselben, die zu dieser Zeit üblichen Messerituale und -rechte thematisiere ich anschließend und versuche dadurch, das Bild der Messe ein wenig zu beleben und zu veranschaulichen. Es wird sich zeigen, dass gerade die Funktionen der im 16. Jahrhundert stattfindenden Messe von großer Bedeutsamkeit für die Gegenwart sind.
In Kapitel vier wird untersucht, inwiefern die buchhändlerischen Gepflogenheiten des 16. Jahrhunderts bereits modernen Buchhandelsusancen entsprechen oder wenigstens eine Tendenz dazu aufweisen. Dazu werden die Paragraphen der buchhändlerischen Verkehrsordnung als mögliche Parallele herangezogen.
2. Forschungsstand und Literatur
Zum Thema „Frankfurter Buchmesse im 16. Jahrhundert" gibt es zahlreiche Werke, die sich in der Herangehensweise zum Teil stark unterscheiden; der Umfang reicht von allgemeinen Ubersichtswerken über die Buchhandelsgeschichte wie »Geschichte des deutschen Buchhandels« von Kapp/Goldfriedrich von 1886, Widmanns »Geschichte des deutschen Buchhandels vom Altertum bis zur Gegenwart« von 1952 und Wittmanns »Geschichte des deutschen Buchhandels« aus neuester Zeit, über Einzelaspekte betrachtende Werke wie »Funktionen der Frankfurter Buchmesse im Wandel - von den Anfängen bis heute« von Niemeier oder »Die Buchmesse in Frankfurt am Main vor 1560. Ihre kommunikative Bedeutung in der Frühdruckzeit« von Toeller. Besonders im Bezug auf die Ubersichtswerke ist zu bemerken, dass sie sich in weiten Teilen nicht sonderlich unterscheiden, dieselben Quellen aufgreifen - die Quellenlage ist eben sehr beschränkt - nicht viel Neues liefern und sich häufig gegenseitig zitieren. Aus meiner Sicht ist das sehr umfangreiche und detaillierte Werk der Autoren Kapp und Goldfriedrich am besten geeignet, um sich über das Thema Messe einen Überblick zu verschaffen. Es ist auch das Werk, welches von allen Nachfolgern am häufigsten zitiert wird. Daneben habe ich für die Allgemeinsituation des Buchhandels im 16. Jahrhundert Wittmann herangezogen, der allerdings nur sehr knapp das eigentliche Thema umreißt. Widmanns Werke sind zur Ergänzung von Kapp/Goldfriedrich sehr hilfreich. Auf das Buch von Niemeier werde ich vor allem im Kapitel über die „Funktionen der (Buch-)Messe" zurückgreifen, weil es explizit über dieses Thema meines Wissens keine weitere Literatur gibt. Keiner der Autoren zieht einen Vergleich der Situation im 16. Jahrhundert mit der Gegenwart in Erwägung, was meiner Meinung nach besonders bei den Funktionen durchaus möglich ist und daher von mir versucht werden soll.
3. Die Entstehung der Frankfurter Buchmesse
In der Literatur ist immer wieder von „Gründer/n" und „Gründung" der Frankfurter Buchmesse zu lesen. So zum Beispiel, wenn Stöckl und Kuen- zer in ihrer Publikation »Die Gründer der Frankfurter Buchmesse mit einem Exposé: "Gutenberg hat überhaupt nichts gedruckt"« den bedeutenden Druckerverleger Peter Schöffer und den zu seiner Zeit ebenfalls sehr bekannten Druckerverleger Johannes Fust sowie den hessischen Buchdrucker und späteren Mann der Fust-Witwe Konrad Henckis als Gründer der Buchmesse bezeichnen - wörtlich heißt es dort:
„Als Pioniere innerhalb der Entwicklung des Verlagswesens erwiesen sich Johannes Fust, Peter Schöffer, sowie Konrad Henckis. ALLE DREI GELTEN ZWEIFELSFREI ALS DIE GRÜNDER DER FRANKFURTER BUCHMESSE."[1].
Man kann diese Aussage meiner Meinung nach so nicht unkritisiert stehen und gelten lassen. Meine Gegenthese lautet: Die Frankfurter Buchmesse wurde nicht gegründet, sondern entstand im Laufe der Zeit aus der allgemeinen Frankfurter Warenmesse. Denn weder gibt es ein definitives Gründungsdatum - auf das in der Literatur oft erwähnte Jahr 1462 soll später noch einmal eingegangen werden - oder gar eine Gründungsurkunde, noch geben die geschichtlichen Quellen in der Auswertung bis heute Anlass dazu, die drei bedeutenden Drucker und Verleger als Gründer der Buchmesse zu nennen. Die Autoren stützen ihre Aussage unter anderem auf Dietz, der Fust, Schöffer und Henckis in seinem Werk »Frankfurter Handelsgeschichte« als „[...]die Begründer der Frankfurter
Buchhändlermesse [,..]"[2] betitelt. Kapp und Goldfriedrich hingegen gehen in ihrem Werk »Geschichte des Deutschen Buchhandels« lediglich davon aus, dass „man [...] also mit einigem Recht sagen [kann], daß bereits die ersten Buchdrucker, welche ihre Kunst geschäftsmäßig ausbeuteten, daß Fust und Schöffer die Frankfurter Messe zugleich zur Buchhändlermesse prädestinierten."[3], also als Wegbereiter, aber nicht als Gründer derselben betrachtet werden können.
„Aber fraglich kann es dennoch sein, ob Fust und Schöffer ihr Samenkorn im vollen Bewusstsein der späteren Tragweite ihres Vorgehens ausstreuten. [...] Zunächst gehorchten sie also vielleicht nur dem Gebote des Zwangs wenn sie, wie in Paris, so auch in Frankfurt ihr buchhändlerisches Geschäft fortzubetreiben und hier mittels der Messen möglichst auszudehnen suchten."[4]
Von einer tatsächlichen Gründung, von Fust und Schöffer als Gründer der Buchmesse - wie es die Autoren Stöckl und Kuenzer bereits durch ihren Titel suggerieren - kann also keine Rede sein und ist daher Abstand zu nehmen.
Ein weiterer Streitpunkt, der die „Gründung" der Buchmesse betrifft, ist das in der Literatur oft erwähnte Jahr 1462 bzw. 1469. Bereits bei der Jahreszahl herrscht offenbar Uneinigkeit. Während Widmann in seinem Werk »Geschichte des deutschen Buchhandels vom Altertum bis zur Gegenwart« das Jahr 1462 als „Gründungsjahr" nennt, wird eben dieses Jahr von Kapp widerlegt und die „Gründung" auf das Jahr 1469 verschoben. Dieses Jahr wird auch von Dietz in seinem Werk »Frankfurter Handelsgeschichte. Bd. 3« vertreten. Stöckl und Kuenzer verbinden die Jahre 1462 und 1469 miteinander, indem sie das frühere Datum als das Erwerbsdatum und das spätere Datum als das der gerichtlichen Geldforderung annehmen. Die Autorin des Buches »Funktionen der Frankfurter Buchmesse im Wandel - von den Anfängen bis heute«, Niemeier, erwähnt diese Uneinigkeit wenigstens in einer Fußnote.[5] Wie dieser Unterschied zustande kommt, bleibt fraglich, handelt es sich doch offensichtlich um dieselbe Quelle: ein authentisches Dokument, welches belegt, dass sich wenigstens in einem dieser Jahre „der Frankfurter Rat in Lübeck für den Bevollmächtigten der Fustschen Erben und Stief-Schwiegervater sowie Teilhaber Peter Schöffers, Conrad Henckis von Gudensberg, wegen einer Forderung gegen den Kaufmann Konrad Horlemann [verwandte]"[6].
Aus welchem Jahr das genannte Dokument letztendlich stammt bleibt zu überprüfen. Diese Differenzen lassen auch hier nur den Schluss zu, dass nicht von einer „Gründung" der Buchmesse gesprochen werden kann. Im Stile der Herren Stöckl und Künzer gesprochen - »Die Entstehung der Frankfurter Buchmesse mit einem Exposé: „Fust und Schöffer haben überhaupt nichts gegründet."« - sehe ich die These der „Gründung" durch Fust, Schöffer und Henckis und dem Festhalten an einem „Gründungsjahr" widerlegt - es gibt keine Gründer, keine Gründung und kein Gründungsjahr. Es lässt sich bei Fust, Schöffer und Henckis allenfalls von Wegbereitern sprechen und bei den Jahreszahlen und dem damit zusammenhängenden Dokument handelt es sich um einen möglichen ersten Beleg, dass Frankfurt für den Buchhandel mit gedruckten Büchern überhaupt von Wichtigkeit war. Wie die folgenden kurz skizzierten historischen Geschehnisse bestätigen werden, hat sich die Frankfurter Buchmesse mit ihrer Ware Buch - wie oben bereits als Antithese formuliert - im Laufe der Jahre aus der allgemeinen Warenmesse zu dem die Messe dominierenden Handelszweig erst entwickeln müssen.
Bereits im 14. Jahrhundert war Frankfurt der bedeutendste Messeplatz für das gesamte westliche Europa und galt als Mittelpunkt der damaligen Kulturwelt. Unter allen erdenklichen Gütern der allgemeinen Warenmesse fanden sich auch schon zu dieser Zeit Bücher in Form von Handschriften - Toeller stellt diesbezüglich die Frage, ob die „Gründung" nicht bereits mit dem Beginn des Handschriftenhandels anzusetzen ist, lässt die Antwort aber offen.[7] Nach Frau Niemeier hatte die Messe bereits im Jahr 1240 nachweisbar Relevanz für den Handschriftenhandel.[8] Der Ursprung des Frankfurter Bücherhandels liegt also wesentlich weiter zurück, als das oft angeführte „Gründungsjahr" der Buchmesse 1462/69. Dieses Jahr kann - statt von einer Gründung zu sprechen - als ein Beleg herangezogen werden, der zeigt, dass sich dieser Buchhandel neben dem Handel mit anderen Waren auf der Frankfurter Messe gehalten und sich mit der technischen Entwicklung des Buchdrucks mittels beweglicher Metalllettern und Gutenbergs Erfindung des Handgießgeräts um 1452 auch auf gedruckte Erzeugnisse übertragen hat.
[...]
[1] Stoeckl/Kuenzer. S. 1.
[2] Dietz. S. 6.
[3] Kapp/Goldfriedrich. Bd. 1. S. 450.
[4] Kapp/Goldfriedrich. Bd. 1. S. 450f.
[5] Niemeier. S. 10.
[6] Skala. S. 195.
[7] Toeller. S. 35.
[8] Niemeier. S. 9.
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