Angesichts der immensen Bedeutung, welche die Entscheidungen und Ereignisse während des Ersten Weltkrieges für die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie hatten, ist es nicht verwunderlich, dass die Literatur zu dieser Thematik umfangreich ist. Ebenso wenig erstaunt dabei die ideologische Prägung der DDR-Geschichtsschreibung, in der die sozialdemokratische Burgfriedenspolitik überwiegend als Verrat an Sozialismus und
Arbeiterbewegung dargestellt wird. Weniger voreingenommen präsentiert sich die bundesdeutsche Geschichtsschreibung, die sich eingehend auch mit
widersprüchlichen Traditionen und Tendenzen der SPD und ihrer Ausgangssituation 1914 beschäftigt und ihre Politik während des Krieges keineswegs unkritisch beleuchtet. Eine neuere Studie untersucht nochmals eingehend die Motivationen der SPD im August 1914 und revidiert dabei auch einige bis dahin gängige Auffassungen über die Wirkung des Augusterlebnisses auf die SPD und deren Überzeugung vom Verteidigungskrieg. Eine Außenseiterposition nimmt das Werk des amerikanischen Historikers Carl E. Schorske ein, der die umstrittene These vertritt, die Parteispaltung habe sich bereits seit 1905 zwangsläufig entwickelt5. In Anbetracht der Breite des Themas - das vom Burgfriedensschluss über die weitere Politik der Mehrheitssozialdemokratie bis zum innerparteilichen Konflikt und der Parteispaltung reicht - ist im Rahmen der vorliegenden Arbeit nur die Behandlung eines Teilaspektes möglich. Da die Entscheidung vom 04. August 1914 den Auftakt für die weiteren Entwicklungen darstellte und den Bruch mit der bisherigen oppositionellen Politik der SPD markierte, sollen die Motivationen für diese Entscheidung das Thema der Arbeit bilden. Diese Beweggründe lagen sowohl in der Vergangenheit der Partei, als auch in ihren Zielperspektiven für die Zukunft, weshalb es sinnvoll ist, zunächst knapp die Situation der SPD am Vorabend der Ersten Weltkrieges zu umreißen. Im Anschluss daran werden dann die Gründe für Kreditbewilligung und Burgfriedensschluss eingehender betrachtet.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die SPD am Vorabend des Ersten Weltkrieges
- Kriegskreditbewilligung und Burgfriedensschluss — Ursachen und Motive
- Das „Augusterlebnis"
- Die Angst vor staatlichen Repressionen
- Das Prinzip der Landesverteidigung
- Das traditionelle Rußlandfeindbild
- Der Wunsch nach nationaler Integration und die Hoffnung auf innenpolitische Reformen
- Fazit
- Verwendete Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit analysiert die Entscheidung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) im August 1914, die Kriegskredite zu bewilligen und sich dem Burgfrieden anzuschließen. Die Arbeit befasst sich mit den Motiven und Hintergründen dieser Entscheidung und beleuchtet die widersprüchliche Situation der SPD am Vorabend des Ersten Weltkrieges.
- Die Rolle des „Augusterlebnisses" und die Stimmung innerhalb der Arbeiterschaft
- Die Angst vor staatlichen Repressionen und die Sorge um die Existenz der Partei
- Die sozialdemokratische Tradition der Landesverteidigung und die Frage der Kriegsschuld
- Der Einfluss des traditionellen Rußlandfeindbildes und die Deutung des Krieges als Befreiungskrieg
- Der Wunsch nach nationaler Integration und die Hoffnung auf innenpolitische Reformen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik ein und erläutert die Bedeutung der Entscheidung der SPD im August 1914 für die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie. Daraufhin wird die Situation der SPD am Vorabend des Ersten Weltkrieges beleuchtet, wobei die nationale Ausgrenzung, innere und äußere Widersprüche sowie das Festhalten an einer fundamental-oppositionellen Haltung bei gleichzeitigen starken Tendenzen zur Anpassung hervorgehoben werden.
Das dritte Kapitel analysiert die Motive für die Kriegskreditbewilligung und den Burgfriedensschluss. Es werden verschiedene Faktoren untersucht, darunter der Einfluss der allgemeinen Stimmung, die Angst vor staatlichen Repressionen, die Tradition der Landesverteidigung, das Rußlandfeindbild und der Wunsch nach nationaler Integration.
- Citation du texte
- Tatjana Schäfer (Auteur), 2004, Der sozialdemokratische Burgfriedensschluss 1914, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54327
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