Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Entwicklung sozialstaatlichen Schutzes, sowie gegenwärtigen Problemen bzw. Mängeln und Alternativen zum aktuellen Sozialstaatssystem. Da die Entwicklung des deutschen Sozialstaates eng mit Erwerbsarbeitsverhältnissen verknüpft ist, wird analog dazu auch die Transformation der Arbeitsverhältnisse beschrieben.
Im ersten Teil werden die historische Entwicklung des Sozialstaates seit den 1940er Jahren skizziert, wie auch die Transformation der Arbeitsverhältnisse. Auf Basis dieser Skizze werden anschließend Gründe herausgearbeitet, die dafür sprechen, dass es einer Alternative zum bestehenden lohnarbeitszentrierten Sozialstaat bedarf. Im zweiten Teil wird das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) als eine solche Alternative diskutiert. Dazu ist vorab eine Unterteilung in marktliberale und existenzsichernde Konzepte notwendig. In Orientierung an Ronald Blaschke werden die wesentlichen Merkmale beider Konzepttypen beschrieben, sowie daraufhin die Potenziale eines existenzsichernden BGE erörtert. Beispielhaft widmet sich der Schluss dieses Teils mit dem BGE Konzept der BAG Grundeinkommen und den LINKEN.
Im dritten Teil wird die Soziale Infrastruktur der AG links-netz als Alternative vorgestellt. Ein Konzept, das Sozialpolitik neu interpretiert und BGE nur partiell für eine gelungene gesellschaftliche Transformation verantwortlich sieht. Sowohl das BGE, als auch die Soziale Infrastruktur werden hier im Sinne einer "real Utopie" zur "symbiotischen Transformation" der Gesellschaft nach Erik Olin Wright gedacht und sollen den Boden für weitere Neugestaltungsweisen bereiten. Im Anschluss wird das Thema der Finanzierung beider Alternativen knapp angeschnitten. Der abschließende Ausblick stellt vor, warum gerade jetzt ein Potenzial für solch grundlegende gesellschaftliche Transformationen besteht.
Der gegenwärtige Sozialstaat in Deutschland steht unter massiver und breitflächiger Kritik. Alle politischen Lager haben an ihm etwas auszusetzen. Dabei scheint es, als wäre der Sozialstaat in seiner Konstitution zunehmend weniger in der Lage, die Probleme für deren Lösung er vorgesehen ist, zu adressieren. Daher werden derzeit zahlreiche Alternativen zur aktuellen Sozialstaatsform diskutiert.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I. Entwicklung sozialstaatlichen, sozialen Schutzes
1.1 Die soziale Moderne
1.2 Sozialstaat, Unternehmen und Gewerkschaften ab den 1970er Jahren
1.3 Prekarisierung von Erwerbsarbeit und Individualisierung von Verantwortung
I.5 Zusammenfassung der Abstiegstendenzen
II. Das bedingungslose Grundeinkommen
11.1 Marktliberale und emanzipatorische Modelle
11.2 Über die Höhe des Transfers
11.3 Das existenzsichernde bedingungslose Grundeinkommen
11.4 Vorstellung eines ausformulierten Konzeptes: Das emanzipatorische Grun-deinkommen
11.5 Problemquellen
III. Soziale Infrastruktur
111.1 Beschreibung des Konzeptes
111.2 Soziale Infrastruktur am Beispiel des Gesundheitswesens
IV. Wege der Realisierung
IV.1 Finanzierungsweisen
IV.2 Ausblick
Einleitung
Der gegenwärtige Sozialstaat in Deutschland steht unter massiver und breitflächiger Kritik.
Alle politischen Lager haben an ihm etwas auszusetzen. Dabei scheint es, als wäre der Sozial-staat in seiner Konstitution zunehmend weniger in der Lage, die Probleme für deren Lösung er vorgesehen ist, zu adressieren. Daher werden derzeit zahlreiche Alternativen zur aktuellen Sozialstaatsform diskutiert.
Inhalt dieser Thesis ist, es die Entwicklung sozialstaatlichen Schutzes, als auch ihre gegen-wärtigen Probleme bzw. Mängel, sowie Alternativen zum aktuellen Sozialstaatssystem vorzustellen. Da die Entwicklung des deutschen Sozialstaates eng mit Erwerbsarbeitsverhält-nissen verknüpft ist, wird analog dazu auch die Transformation der Arbeitsverhältnisse beschrieben.
Im ersten Teil wird die historische Entwicklungen des Sozialstaates seit den 1940er Jahren skizziert wie auch die Transformation der Arbeitsverhältnisse. Auf Basis dieser Skizze werden anschließend Gründe herausgearbeitet, die dafür sprechen, dass es einer Alternative zum bestehenden lohnarbeitszentrierten Sozialstaat bedarf.
Im zweiten Teil wird das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) als eine solche Alternative diskutiert. Dazu ist vorab eine Unterteilung in marktliberale und existenzsichernde Konzept notwendig. In Orientierung an Ronald Blaschke werden die wesentlichen Merkmale beider Konzepttypen beschrieben, sowie daraufhin die Potenziale eines existenzsichernden BGE erörtert. Beispielhaft widmet sich der Schluss dieses Teils mit dem BGE Konzept der BAG Grundeinkommen und den LINKEN.
Im dritten Teil wird die Soziale Infrastruktur der AG links-netz als Alternative vorgestellt. Ein Konzept, das Sozialpolitik neu interpretiert und BGE nur partiell für eine gelungene gesellschaftliche Transformation verantwortlich sieht. Im Kern zielt das Konzept auf die Her-stellung und Bereitstellung einer Grundlage für „vernünftiges gesellschaftlichen Lebens“ (links-netz 2013a: 57).
Sowohl das BGE, als auch die Soziale Infrastruktur werden hier im Sinne einer „real Utopie“ zur „symbiotischen Transformation“ der Gesellschaft nach Erik Olin Wright gedacht und sollen den Boden für weitere Neugestaltungsweisen bereiten (Wright 2010: 10f, 453f). Im Anschluss wird das Thema der Finanzierung beider Alternativen knapp angeschnitten. Der abschließende Ausblick stellt vor, warum gerade jetzt ein Potenzial für solch grundle-gende gesellschaftliche Transformationen besteht.
I. Entwicklung sozialstaatlichen, sozialen Schutzes
I.1 Die soziale Moderne
Mit der Durchsetzung des bismarkischen Sozialversicherungssystems begann die Entwick-lung des deutschen Sozialstaats. Innerhalb der „sozialen Moderne“1, wurden auf diesem Sozialversicherungssystem aufbauend sukzessive große Teile der Bevölkerung durch ein „Soziales Netz“ vor den wichtigsten gesellschaftlichen Risiken geschützt (Nachtwey 2016: 17) (vgl. Castel 2009: 24).
Damit wurden zunehmend die wesentliche Aufgabe der Gewährung sozialer Sicherheit von traditionellen Gemeinschaftskollektiven, wie der Familie und Nachbarschaft, an den Sozial-staat delegiert. Diese Kollektive und die Erwerbsarbeit waren bis dato die einzige Möglichkeit vor sozialer Unsicherheit2 abgesichert zu sein. Waren Arbeiter_innen aufgrund einer Krankheit, eines Unfalls, aus Altersschwäche oder anderen Ursachen nicht mehr in der Lage zu arbeiten, gefährdete das direkt ihre Existenzen, solange kein traditionelles Kollektiv die Folgen ihrer Erwerbslosigkeit auffangen konnte. Das änderte sich im Laufe des 20. Jahrhun-derts, indem die Erwerbsarbeit mit einem Status versehen wurde, der an starke, staatliche Schutzmechanismen geknüpft war (vgl. Castel 2005: 40f), welche über soziale Rechte als Anspruch eingefordert werden können (vgl. Martin/ Wissel i. E.: 9). Dazugehörten: „[…] Mindestlohn, arbeitsrechtliche Bestimmungen, Unfall-, Kranken- und Rentenversicherung und so fort“ (Castel 2005: 41). Diese staatlichen Schutzmaßnahmen boten die Antwort auf die historisch grundlegende Kernfrage, wie Menschen mit mangelndem Eigentum und ohne angemessene Ressourcen ein Mittel gegen soziale Unsicherheit erhalten sollten (vgl. Castel 2005: 34). Dabei ist zu betonen, dass die Schaffung des „Soziales Netzes“ sich nicht selb-stverständlich aus der Veränderung der Arbeits- und Lebensweisen ergeben hat, sondern Ergebnis ökonomischer, sozialer und politischer Auseinandersetzungen ist (vgl. Hirsch, Herrschaft, Hegemonie und politische Alternativen, zitiert nach Martin/ Wissel i.E.: 8). Die Verknüpfung der Erwerbsarbeit mit einem Status war der Versuch, das der Gesellschaft immanente Ungleichgewicht zwischen Eigentümer_innen und Eigentumslosen durch die Etablierung sozialen Eigentums, das allen zugutekommen sollte, auszugleichen (vgl. Castel 2005: 41). Trotzdem herrschten weiterhin beträchtliche Unterschiede zwischen den Schichten.
Es bestand eine große Einkommensspanne und Eigentum blieb ungleich verteilt (vgl. Castel 2005: 45). Mit dem Unterschied, dass nun die Mehrheit die gleichen sozialen Rechte besaßen, überwiegend denselben arbeitsrechtlichen Bestimmungen unterlagen und ein hohes Ab-sicherungsniveau bestand (vgl. Castel 2005: 45). Es entstand eine gesellschaftliche Organisa-tionsform die Castel als „Gesellschaft der Ähnlichen“ versteht (Castel 2005: 46). Die Hauptaufgabe des Sozialstaates beinhaltete, also kein flächendeckende Umverteilung. — Am Beispiel der Rente wird deutlich, dass Lebensverhältnisse reproduziert wurden/ werden. — Vielmehr lag es in der Verantwortung des Sozialstaates Schutz vor existentiellen Problem-lagen zu gewähren (vgl. Castel 2005: 47)
Über Jahrzehnte hinweg war eine kontinuierliche Verbesserung der Arbeits- und Lebensbe-dingungen großer Teile der deutschen Gesellschaft feststellbar (vgl. Nachtwey 2016: 24ff). Grundlage für diesen Fortschritt war, dass alle von einem langfristig hohen Wirtschaftswachs-tum profitierten, das auf den keynesianischen Kapitalismus gegründet war (vgl. Nachtwey 2016: 17). Zwischen 1950 und 1980 stieg das deutsche BIP um mehr als 1500% (vgl. SOFI 2008: 3). Der kaufkraftbereinigte Lohn pro Arbeitnehmer_in stieg in der selben Zeit weitest-gehend parallel zu den Unternehmens- und Vermögenseinnahmen, sowie den Kapitalgewin-nen, und vervierfachte sich (vgl. SOFI 2008: 6, 8, 11). Arbeitnehmer_innen wurden vor-wiegend durch den Einsatz kollektive Vertretungsinstanzen (u. a. Gewerkschaften und Be-triebsräte) in diesem Maße an den Gewinnen beteiligt (vgl. Castel 2005: 45, 51). Diese gesellschaftlichen Umstände beflügelten die Etablierung des sogenannten „Normalar-beitsverhältnisse" (Mückenberger 1985). Ein gesamtgesellschaftlichen Arrangement, das die individuelle Existenzsicherung über die Rolle der Erwerbsarbeit vorsieht (vgl. Mückenberger 1985: 420). Es umfasst die Vollzeitarbeit mit Kranken-, Unfall-, Arbeitslosen- und Rentenver-sicherung, die Orientierung an einem Tarifvertrag, Arbeitszeitregulierung, Kündigungsschutz, sowie die rechtliche Bindung an die Betriebsverfassung (vgl. Hentschel 1983: 206f). Nach der bayerischen Zukunftskommission betrug 1970 der Anteil von Normalarbeitsverhältnissen an allen Arbeitsplätzen 86% (bayerische Kommission, Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit in Deutschland, zitiert nach Nachtwey 2016: 64). Der Anteil von Teilzeitbeschäftigungen lag im selben Jahr bei ca. 10 Prozent (vgl. Müller-Jentsch/ Gittermann 2000: 53). Diese Erwerbsar-beitsverhältnisse waren vornehmlich in mittleren und großen Unternehmen ausgestellt. An-dere Arbeits- , bzw. Lebensverhältnisse, also kreativ, Teilzeit oder gar nicht zu arbeiten wur-den zunächst nur von einer Minderheit verfolgt (vgl. Nachtwey 2016: 39f).
Allerdings ist hinzuzufügen, das nicht alle mitgemeint sind, wenn von der „Etablierung des Normalarbeitsverhältnisses“ gesprochen wird. Frauen, wie Migrant_innen blieben im Bezug auf die Etablierung des Normalarbeitsverhältnisses vorwiegend ausgeschloßen (vgl. Nachtwey 2016: 83). Der Sozialstaat untermauert patriarchale Verhältnisse über Regelungen, gleich der Hausfrauenehe und verfestigt „das Modell des männlichen Familienernährers“ (vgl. Martin/ Wissel i.E.: 10). Es ist davon auszugehen, dass es ohne die rechtlich normierte Zuord-nung der Frauen zur Hausarbeit, als auch der Aberkennung soziale und politischer Rechte von Arbeitsmigrant_innen keine „Etablierung des (männlichen) Normalarbeitsverhältnisses“ gegeben hätte (vgl. Martin/ Wissel i.E.: 9f).
Insgesamt boten sich jedoch historische Chancen der sozialen Mobilität, die Ulrich Beck unter der Metapher des „Fahrstuhl-Effekt“ fasste (Beck 1986: 122). Beck zufolge befanden sich alle Schichten in einem „Aufzug“ und stiegen gemeinsam aufwärts (vgl. Beck 1986: 122). Durch das kontinuierliche Wirtschaftswachstum bestand für die Lohnabhängigen selbst im Konflikt mit ihren Tarifpartner_innen immer auch die Hoffnung, dass sich ihre Lage in Zukunft verbessern würde. „Das nennt man sozialen Fortschritt, gegründet auf eine planbare Zukunft“ (Castel 2005: 48). Diese Planbarkeit war von essentieller Bedeutung für die Bekämpfung der sozialen Unsicherheit (vgl. Castel 2005: 48)
Bis Mitte der 70er Jahre Lohnabhängige vom „sozialen Kompromiss des Industriekapitalis-mus“ profitieren (Castel 2009a: 21). Ein Kompromiss zwischen den Arbeitnehmer_innen und den Marktinteressen der Unternehmen, wonach Arbeitnehmer_innen für ihre aktive Koopera-tion an den im Rahmen des Wirtschaftswachtums entstehenden Vorteile beteiligt wurden (vgl. Wright 2010: 395) (vgl. Castel 2009a: 21). Es kam zu einer signifikanten Reduzierung sozialer Unsicherheit (vgl. Castel 2005: 48).
Durch ein höheres Einkommen und geringere Arbeitszeit erweiterten sich die Handlungsspiel-räume der Lohnabhängigen. Neben der Zunahme des Wohlstandes und einer gewissen Anstieg der sozialen Mobilität nahm die Klassenprägung ab. Werte und Lebenswege wurden individualisiert (vgl. Nachtwey 2016: 107). Für die Mehrheit der Bevölkerung war es zuse-hends normal, ein Auto zu besitzen oder in den Urlaub zu fahren (vgl. Nachtwey 2016: 28). Paradoxerweise ermöglichte der Sozialstaat eine Individualisierung und machte die Indi-viduen dabei abhängig von sozialen Institutionen (vgl. Nachtwey 2016: 107f).
I.2 Sozialstaat, Unternehmen und Gewerkschaften ab den 1970er Jahren
Ab den Siebziger Jahre begann sich der gemeinsamen Fortschritt aufzuspalten. Die kollektiv-en Regelungssystem, die sich seit dem 19. Jahrhundert entwickelt hatten, gerieten unter Bedrängnis. Vorher war es dem korporatistische Dreieck zwischen Staat, Arbeitgeber_innen und Gewerkschaften überwiegend gelungen in konsensorientierten Auseinandersetzungen in Bezug auf gemeinsame Interessengebiete zur Einigungen zu gelangen (vgl. Nachtwey 2016: 39). Ab den 70er Jahren wurde dieser Klassenkompromiss jedoch zunehmend brüchig (vgl. Nachtwey 2016: 41ff).
Vornehmlich der Nationalstaat erlitt einen Machtverlust. Sukzessive gab er die Kontrolle über die wichtigsten Wirtschaftsparameter ab und ist seither immer weniger in der Lage wirtschaftliche und soziale Entwicklung anzugleichen (vgl. Castel 2005: 56f). Als Ursachen für diesen Machtverlust werden ein stagnierendes Wirtschaftswachstum, die Globalisierung, Massenarbeitslosigkeit, sowie ein Anstieg von Arbeitsbeziehungen mit weniger sozialer Sicherheit gehandelt (vgl. Castel 2005: 56f) (vgl. Nachtwey 2016: 48f). Diese Entwicklung darf aber nicht als eine aufgefasst werden, in der der schutzlose Nationalstaat verselbst-ständigten Globalisierungsprozessen gegenüber standen (vgl. Martin/ Wissel i.E.: 12). Vielmehr leiteten gesellschaftliche Machtverhältnisse, die über die Staatsapparate Ausdruck finden, eine Deregulierung der Kapitalmärkte und eine Veränderung der Produktionsbedin-gungen ein, welche in der Einschränkung der Handlungsfähigkeit von Nationalstaaten resul-tierten (vgl. Martin/ Wissel i.E.: 12).
Es kam zum Ende einer Periode in der Produktion, Nachfrage, Produktivität und Profite aus-geglichen stiegen (vgl. Gorz 2000: 21). Diese Ereignisse stellten die Gleise für eine Abkehr vom Keynsianismus hin zum Neoliberalismus (vgl. Streeck 2013. 55ff). Da sich im damaligen System bei mangelndem Wirtschaftswachstum der Druck des Staates auf die Gesellschaft zur Akkumulation staatlicher Mehreinnahmen erhöht, um Defizite zu kompensieren, befürchte die Kapitalseite eine aus ihrer Sicht übermäßige Vergesellschaftung (vgl. Gorz 2000: 21f). Dies erforderte einen Strategiewechsel. Unternehmen sahen ihr größtes Potenzial fortan in der Mo-bilität und Anpassungsfähigkeit. Dazu sollten sozialstaatliche Zwänge gelockert werden und der Staat sich an dem «Konkurrenzimperativ» orientieren (vgl. Gorz 2000: 22, 30). Weil die Gewinnpotentiale auf den einzelnen Binnenmärkten stetig kleiner wurden, galt es anderer Märkte zu erschließen. Dabei war Globalisierung auch ein Vorwand um die Konkur-renz zwischen den Märkten bzw. den Staaten zu maximieren, um die Senkung der Reallöhne, den Abbau der Sozialstaaten, die Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen, die Ver-schlechterung der Arbeitsbedingungen etc. zu rechtfertigen (vgl. Gorz 2000: 27). Un-ternehmen übten damit zur Stärkung ihrer Position neue Zwänge aus (vgl. Gorz 2000: 30). Ersichtlich ist diese Neuausrichtung an dem Ende der weitestgehend parallelen Steigung von den Einkommen der Lohnabhängigen zu den Unternehmens- und Vermögenseinnahmen, sowie den Kapitalgewinnen (vgl. SOFI 2008: 11) (Abb. 1). Seit dem Ende der 70er Jahre haben sich die Kapitalgewinne bis 2005 vervierfacht, während sich der Lohn pro Arbeit-nehmer_in nicht ein mal verdoppelt hat (vgl. SOFI 2008: 11). Zur selben Zeit stiegen die Löhne nicht mehr parallel, sondern langsamer als der BIP und die Arbeitsproduktivität. Diese Aufspaltung spricht für eine Aufkündigung des Klassenkompromisses auf Seiten der Un-ternehmen.
Abb. 1 Entwicklung der L öhne und der Kapitalgewinne nominal (SOFI 2008: 8)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
I.3 Prekarisierung von Erwerbsarbeit und Individualisierung von Verantwortung
Der Wandlungsprozess des Kapitalismus zeichnet sich in seinem Einfluss auf die Arbeitsver-hältnisse durch eine Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen, sowie der beruflichen Karri-erewege und der Sozialversicherungsleistung aus, die an den Angestelltenstatus gekoppelt sind (vgl. Castel 2005: 60). Auch die Arbeitnehmervertretungen litten unter diesem Wandel (vgl. Castel 2005: 58).
Besonders hart traf sie die „Entstandardisierung der Erwerbsarbeit“ (Beck 1986: 220ff). Mit Massenarbeitslosigkeit, sowie der Ausdifferenzierung und Prekarisierung der Arbeitsverhält-nisse stieg die Konkurrenz „unter Gleichen“. Mit der Folge ,dass sich eine Entsolidarisierung-stendenz innerhalb der einzelnen Arbeitnehmergruppen breit machte und Sicherheitsleistun-gen abgebaut wurden (vgl. Castel 2005: 59f) (vgl. Martin/ Wissel i.E.: 12). Klaus Dörre führt eine der Hauptursachen für die Flexibilisierung von Löhnen, Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen auf die Überführung konstitutiver Elemente des Finanzkapitalimus aus der USA nach Europa zurück (vgl. Dörre 2009: 42). Im Zuge dessen wurden die Real-wirtschaften, über Märkte für Unternehmenskontrolle und Shareholder-Value-Steuerung der Unternehmen, an die Liquiditätsprinzipien globaler Finanzmärkte angepasst (vgl. Dörre 2009: 42). „Entstanden ist eine Planwirtschaft im Dienste von Maximalprofiten und Höchstrenditen “ (Dörre 2009: 42). Mit dem Ergebnis, dass sich Unternehmen verpflichtet sehen flexibler auf Aktienkursschwankungen zu reagieren. Eine Zielsetzung, die auf Kosten der Prekarisierung von Beschäftigungsverhältnissen, inkorporiert wurde. Den Gewinndruck geben die Un-ternehmen ebenso an die Subunternehmen und Zulieferunternehmen weiter, um ggf. eine der Konjunktur gemäßen Anpassung zu arrangieren (vgl. Dörre 2009: 42f). Beispielhaft ist die Untersuchung von Brinkmann und Nachtwey: Bei einem Automobilher-steller werden innerhalb eines Produktionsabschnittes Arbeitnehmer_innen verschiedenster Erwerbsarbeitsverhältnisse eingesetzt. Sie arbeiten in der Werkhalle Beschäftigte des Haup-tkonzernes direkt am Fließband. Dieses wird von einem Subunternehmen mit neuen Materi-alien beliefert. Beschäftigte des Subunternehmens werden durch eine blaue Linie, die durch die Halle gezogen ist von denen des Hauptkonzernes getrennt. Sie dürfen offiziell nicht miteinander kooperieren, weil es sich sonst um einen Scheinwerkvertrag handeln würde. In einer benachbarten Halle sind für einen anderen Produktionsabschnitt noch mal 34 Stammkräfte, sowie 10 Leiharbeiter_innen eines Zulieferunternehmens tätig. Für das An-schrauben der Achsen werden dann insgesamt 470 Leiharbeiter_innen aus sieben Verlei-hunternehmen beauftragt (vgl. Brinkmann/ Nachtwey 2014: 523ff).
Die soziale Unsicherheit ist höher, je weiter unten das Beschäftigungsverhältnis in der Hierar-chie angesiedelt ist. Die Stammbeschäftigung des Automobilherstellers verfügen über die höchsten Löhne und die größte Chance demokratischer Teilhabe. Leiharbeiter_innen des Hauptkonzernes genießen partielle Tarifbedingungen der Stammbeschäftigten. Die Sicher-heitsstandards der Beschäftigten der Subunternehmen, sowie der Leiharbeiter_innen der Sub- unternehmen liegen darunter (vgl. Nachtwey 2016: 104).
„Die Auslagerung von Arbeitskräften läßt den Kapitalismus für einen wachsenden Anteil der Erwerbstätigen die sozialen Bedingungen wiedereinführen, die zu Beginn des 19. Jahrhun-derts vorherrschten“ (vgl. Gorz 2000: 72).
Zum Schutze oder zur Verbesserung der eigenen Lebens- und Arbeitsverhältnisse, muss jede/r individuelle Differenzen in den Mittelpunkt rücken (vgl. Maurin, L’égalité des possibles, zi-tiert nach Castel 2005: 59). Für Arbeitnehmer_innen wird eine Neuorientierung an der „Flexi-bilitätsnorm“ erwartet (Castel 2005: 60). Sie müssen sich an die Individualisierung der Ar-beitsprozesse anpassen, mobiler und stets verfügbar sein. Die Verantwortung wird auf das In-dividuum verlegt bzw. auf kleine Arbeitsgruppen (vgl. Castel 2005: 60f). Die damit einherge-henden Prekarisierungsprozesse fördern die Produktion „gefügiger Arbeitskräfte“ (vgl. Boltanski/ Chiapello 2003: 261).
Dabei beruht diese Veränderung der Arbeitsverhältnisse ebenfalls auf der „Künstlerkritik“ der 68er-Bewegung (vgl. Boltanski/ Chiapello 2003: 143f). Die Kritik an fehlender Autonomie, Spontanität, Kreativität, Disponibilität und Plurikompetenz wurde damit von Seiten der Un-ternehmen vereinnahmt (vgl. Boltanski/ Chiapello 2003: 81 und 143).
Die Etablierung des Normalarbeitsverhältnisses kehrte sich in seine Erosion um (vgl. Rainer 1999: 15). Der Anteil der sogenannten atypischen Beschäftigungsformen steigt seither kon-tinuierlich an (vgl. Rainer 1999: 13). Das heißt der Anteil von Beschäftigungsverhältnissen, die eines oder mehrere der folgenden Merkmale aufweisen: Teilzeit, geringfügige Beschäfti-gung, Leiharbeit, Scheinselbstständigkeit, fehlende Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitge-bers, Befristung (vgl. Rainer 1999: 13). Dabei gilt: „Je jünger und schlechter qualifiziert, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit atypischer Beschäftigung“ (Nachtwey 2016: 138 ). Die Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen schätzt, dass die Anzahl der Normalarbeitsverhältnisse an allen abhängigen Beschäftigungen in Westdeutsch-land zwischen 1970 und 1995 von fast 84% auf 68% gesunken ist (vgl. bayerische Kommis-sion, Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit in Deutschland, zitiert nach Nachtwey 2006: 22). 2017 betrug die Vollzeitquote nur noch 61% (vgl. IAB 2019). Die Teilzeitquote stieg von 19,3% im Jahre 1992 bis 2017 auf 39% (vgl. IAB 2019). Im selben Zeitraum stieg die Anzahl von Personen mit einem Nebenjob von 2,6% auf 7,7% (vgl. IAB 2019). Die atypischen Beschäftigungsverhältnisse haben sich seit der Verabschiedung der Agenda 2010 von 14,2% auf 22,2% erhöht (Stand 2017) (vgl. DGB 2018: 3). Nur noch 59% in West- und 49% in Ostdeutschland waren 2015 gebunden an einen Tarifvertrag beschäftigt (vgl. WSI 2017b: 20). Ein Grund für den verhältnismäßigen Rückgang der Normalarbeitsverhältnisse ist darüber hinaus, der sukzessive Anstieg der Erwerbstätigkeit von Frauen, der sich vornehmlich in Form von Teilzeitarbeit vollzog (vgl. Kohlmorgen, Regulation Klasse Geschlecht, zitiert nach Martin/ Wissel i.E.: 13).
Demgegenüber sank die Erwerbslosenquote seit der Weltwirtschaftskrise 2008 und erreicht 2018 3,3% (Statistisches Bundesamt 2019). Diese Quote wurde jedoch auf Kosten der Prekarisierung von Erwerbsarbeit erreicht (vgl. Dörre, Schluss: Strukturierende Effekte selek-tiver Arbeitspolitik, zitiert nach Nachtwey 2016: 121). Erwerbstätigkeit schützt nicht länger grundsätzlich vor Sozialer Unsicherheit (vgl. Castel 2011: 10). „Erwerbstätigkeit gewährt zunehmend weniger Menschen Sicherheit, Status und Prestige sowie die Möglichkeit einer kontinuierlichen Lebensplanung“ (Nachtwey 2016: 121).
Beispielhaft ist die Erwerbsarmutsrate3 („Working Poor“-Rate). Diese hat sich nach einer Studie der Hans Böckler Stiftung von 2004 bis 2014 von 4,8% aller Beschäftigten (1,9 Millionen Menschen) auf 9,6% (fast 4,1 Millionen Menschen) verdoppelt (vgl. WSI 2017a: 6f). Die Flexibilisierungsdynamik macht dabei nicht bei den niedrig qualifizierten Beschäftigun-gen Halt, sondern wirkt sich auch auf hoch qualifizierte Beschäftigungen (z. B. IT-Spezialis-ten) aus (vgl. Nachtwey 2016: 106). Bis in die Mittelschicht sind die Statusängste erzeugen-den Effekte spürbar (vgl. Nachtwey 2016: 152).
Abb. 2 Arbeitseinkommensquote in Deutschland von 1960 bis 2012
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: EU-Kommission (2011),
Gestrichelte Linie: gleitender Zehnjahrestrend Symbolisch für die Veränderung der Beschäftigungsverhältnisse wie der Karrierewege ist die Scheinselbstständigkeit. Hier wird der Wunsch des Einzelnen nach Freiheit ausgebeutet. In-dem er jetzt nicht mehr direkt Teil des Unternehmens ist, erlangt er eine vermeintliche Entscheidungsfreiheit. Diese ist jedoch an den Verzicht auf eine Deckelung der Arbeitszeit, einem Verzicht auf Sozialversicherungsleistungen und andere Schutzmechanismen geknüpft (vgl. Gorz 2000: 74). Unternehmen profitieren von dieser lockeren Arbeitsregelungen der Selbstständigen, sowie der Konkurrenz unter ihnen. Da Selbstständige noch keine angemessene Organisationsstrukturen aufgebaut haben, können sich Unternehmen aus dem breiten Pool bedienen und die Preise drücken (vgl. Gorz 2000: 74). Mit der Folge, dass der Scheinselbständige in einem höheren Maß abgängig von seiner Erwerbsarbeit ist, die er Un-ternehmen zur Verfügung stellen muss. So leistet er in den Augen von vielen Arbeit-nehmer_innen unzumutbare Mehrarbeit (vgl. Gorz 2000: 74).
Anhand der Arbeitseinkommensquote ist die historische Regression der Beschäftigungsver-hältnisse von Arbeitnehmer_innen und (Schein)Selbstständigen erkennbar. Bis zum Anfang der 80er Jahre ist ein deutlicher Anstieg des Anteils der Einkommen von Arbeitnehmer_innen und Selbstständigen am Volkseinkommen eingetreten (Abb. 2). Ihren Höchstwert erlangte die Arbeitseinkommensquote 1981 mit 83,2 % (vgl. Krämer 2011: 17). Danach sank sie unter Schwankungen bis zur Wiedervereinigung um ca. 7% (vgl. Krämer 2011: 17f). Besonders schwerwiegend ist der Abstieg seit der Einführung der Agenda 2010. Die Arbeitseinkommen-squote sank noch vor den Weltwirtschaftskrise auf ihren bisherigen Tiefststand von 72,3 % im Jahre 2007 (vgl. Krämer 2011: 18). Bis 2014 erreichte die Quote ca. 76% und stagniert seither (vgl. Statistisches Bundesamt 2018: 333)4.
Hinsichtlich der Beteiligung an den wirtschaftlichen Gewinnen seitens der Arbeitnehmer_in-nen ist damit eine deutliche Abwärtstendenz feststellbar. Die verallgemeinerten wirtschaftlichen aber auch sozialen Bürgerrechten werden in der „regressiven Moderne5 “ wieder abgebaut (vgl. Nachtwey 2016: 106f).
Oliver Nachtwey macht im Bezug auf die regressive Moderne auf das veränderte Verständnis von Gleichheit und Gerechtigkeit aufmerksam. Der Fokus liege jetzt auf der Beseitigung hori-zontaler Diskriminierung. Diskutiert werden Gleichberechtigung und Identität. Erkämpft wer-den soll ein gleichberechtigter Zugang. Weniger geht es um vertikale Ungleichheiten, wie soziale Ungleichheit und Ausbeutung. Die Unterschiede zwischen (Berufs-)Postionen werden vernachlässigt. Dabei liege das Problem darin, dass Gleichheitspolitik auf radikale Chancen-gleichheit reduziert wird (vgl. Nachtwey 2016: 111).
Die radikale Chancengleichheit führe darüberhinaus zu einer „spezifisch paradoxen Regres-sion“ (Nachtwey 2016: 112). Durch die scheinbar gleichen Chancen wird nur die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt angehoben, während dabei die Perspektiven reicherer und gebildeteren Menschen (aufgrund des sozialen und kulturellen Kapitals) aussichtsreicher bleiben (vgl. Nachtwey 2016: 112) (Bourdieu 1989). Denn dem Kapitalismus bleibt inhärent einigen Men-schen ungerechte Vorteile zu verschaffen. Besonders deutlich wird dies im Bezug auf die un-gleichen Bedingungen, unter denen Kinder aufwachsen (vgl. Wright 2010: 102). „Chancengleichheit ist daher das Gerechtigkeitsprinzip einer individualisierten Gesellschaft, denn mit ihr werden Autonomie, Eigenverantwortung und Selbstverwirklichung radikalisiert, die Konkurrenz der Individuen innerhalb und zwischen den Gruppen erhöht und schließlich werden soziale und solidarische Bindungen untergraben“ (Nachtwey 2016: 112f). In Analogie zu Becks Begriff des „Fahrstuhl-Effekts“ bezeichnet Nachtwey die neuen gesellschaftlichen Bedingungen als „Rolltreppe nach unten“ (Beck 1986: 122) (Nachtwey 2016: 126f). Die Wohlhabenden haben bereits die nächste Etage erreicht mit der Möglichkeit auf die nächste Rolltreppe nach oben zu steigen. Der Rest der Gesellschaft befindet sich noch auf der Rolltreppe. Für sie hat sich die Fahrtrichtung nach unten gekehrt (vgl. Nachtwey 2016: 127). Die soziale Mobilität weckt keine positiven Erwartungen mehr. So zeichnet sich die Entwicklung durch einen „generellen Trend[] zu mehr Abstiegen aus“ (Pollack, „Soziale Mobilität“, zitiert nach Nachtwey 2016: 160f).
Erwerbsarbeit verliert zunehmend ihre gesellschaftliche Intregrationsfunktion. In unteren Lohngruppen kann Vollzeitarbeit nicht mehr vor Armut schützen (vgl. Andreß/Seeck 2007 nach Nachtwey 2016: 140). In den letzten Jahrzehnten ist arbeitsmarktpolitisch insbesondere seit der Verabschiedung der Agenda 2010 eine deutliche Abkehr von dem Normalarbeitsver-hältnis (bzw. von sozialversicherungspflichtiger Vollzeitbeschäftigung) ersichtlich. Dahinge-gen hat sozialpolitisch eine solche Abkehr nicht stattgefunden. Mit der Folge, dass sinkenden Einnahmen nach dem hegemonialen Verständnis durch eine Strategie der inkrementellen Kostenreduktion kompensiert werden musste. Dazu gehören restriktivere Anspruchskriterien, ein geringeres Niveau der Sozialleistungen, sowie ein Kürzung der Bezugsdauer eben dieser Leistungen (vgl. Bieling 2017: 46). Die aktivierende Arbeitsmarktpolitik drängt die Leis-tungsbezieher_innen durch Bedürftigkeitsprüfungen und Bewährungsproblemen (z. B. Leis-tungsnachweise) zu Beschäftigung an die Grenze des Zumutbaren (und darüber hinaus) (vgl. Dörre, Schluss: Strukturierende Effekte selektiver Arbeitspolitik, zitiert nach Nachtwey 2016: 163)6. Fast jede/r Vierte abhängig Beschäftigte in Deutschland war 2015 unter der Niedriglohnschwelle tätig (vgl. Hans Böckler Stiftung 2018: 4).
I.5 Zusammenfassung der Abstiegstendenzen
In Anbetracht dieser Entwicklungen steht der deutsche Sozialstaat zwei grundlegenden Prob-lematiken gegenüber. Zum einen ist das an die Lohnarbeit gekoppelte Sozialversicherungssys-tem durch die Transformation der Arbeitsverhältnisse gefährdet. Der Anteil des Normalar-beitsverhältnisses nimmt sukzessive ab. Demgegenüber steigt der Anteil sogenannter atypis-cher Beschäftigungsverhältnisse. Das Fundament der Finanzierung des Sozialstaates ist damit substantiell gefährdet (vgl. Castel 2009b: 171).
[...]
1 Der Begriff „soziale Moderne“ nach Nachtwey beschreibt die Periode vom Ende der nationalsozialistischen Diktatur bis zur Mitte der Siebziger Jahre, die sich durch eine außergewöhnlich stabile und sozial abgesicherte Demokratie auszeichnet (Nachtwey 2016: 17).
2 “Soziale Unsicherheit“ wird hier im Sinne von Robert Castel als „[…] ein Ereignis definiert, dass die Fähigkeit der Individuen beschränkt, selbstständig für ihre soziale Unabhängigkeit zu sorgen“ (Castel 2005: 33).
3 Die Erwerbsarmut besteht nach der Definition der Studie, wenn eine erwerbstätige Person in einem Haushalt mit einem verfügbaren Einkommen unterhalb der Armutsgrenze lebt (60% des Medianeinkommens) (vgl. WSI 2017a: 6).
4 Die (bereinigte) Lohnquote nahm einen analogen verlauf und sank zwischen 2003 und 2017 von ca. 72% auf ca. 69% (vgl. Statistischen Bundesam. Daten herausgearbeitet von: Blickpunkt-Wieso 2019).
5 Der Begriff „regressive Moderne“ betont die der Zeit zwischen den 70ern und der Gegenwart inneliegenden Widersprüche und gegenläufigen Entwicklungen. Nachtwey bezeichnet die Moderne als „regressiv“, weil da Niveau an Integration gegenüber der „sozialen Moderne“ zurückfällt (vgl. Nachtwey 2016: 74f).
6 Infolgedessen werden ALG-II-Bezieher_innen abgekoppelt, weil die Nettoverdienste stärker ansteigen, als die Leistungsbezüge des ALG-II (vgl. Geißler, Die Sozialstruktur Deutschlands, zitiert nach Nachtwey 2016: 163).
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- Ken Kato (Author), 2019, Entwicklung sozialstaatlichen Schutzes und Transformation der Arbeitsverhältnisse, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/542638
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