Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht die Frage, inwieweit die Traumapädagogik im Kitaalltag anwendbar ist und wie pädagogische Fachkräfte traumatisierten Kindern im Vorschulalter wertschätzend begegnen und sie unterstützen können.
Der Autor konzentriert sich vor allem auf konkrete Handlungsansätze für den pädagogischen Alltag, die belastende Kindheitserfahrungen berücksichtigen und Kinder in ihrer Entwicklung stützen können.
Die Traumapädagogik hat sich schon seit längerem als eigenständige Fachdisziplin etabliert. Jedoch findet eine grundsätzliche Verankerung traumapädagogischer Erkenntnisse und Methoden bisher nur in speziellen Einrichtungen statt. Daraus ergibt sich eine Versorgungslücke, die schnellstmöglich geschlossen werden sollte. Ebenso Fachkräfte in Einrichtungen der Erziehung und Bildung treffen auf Kinder, die Traumatisches erlebt haben. Kindertagesstätten gelten somit als Institution, die an erster Stelle stehen, wenn frühe Formen der Traumatisierung bei einem Kind deutlich werden.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkurzungsverzeichnis
Glossar
1. Einleitung
2. Das Trauma
2.1. Begriffsdefinition Trauma
2.2. Traumafolgestorungen - Einblick in die posttraumatische Belastungsstorung
2.3. Die traumatische Reaktion und mogliche Symptome
3. Mogliche Ursachen einer fruhkindlichen Traumatisierung
3.1. Vernachlassigung
3.3. Sexuelle Gewalt
3.4. Ursachen von Kindesmisshandlungen
3.5. Folgen von Kindesmisshandlungen
4. Traumapadagogische Haltungsansatze und Konzepte
4.1. Traumapadagogik als eine Moglichkeit des padagogischen Umgangs mit Traumata
4.2. Der Einsatz der Traumapadagogik im Kindergarten
4.3. Traumasensible Haltungsansatze
4.3.1. Die Annahme des guten Grundes
4.4. Traumapadagogische Konzepte
4.4.1. Der Kindergarten als sicherer Ort
4.4.2. Die Fachkraft als sicherer Hafen
4.4.3. Das Kind als Subjekt seines Lebens
5. Schlussbetrachtungen und Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Einteilung traumatischer Ereignisse und Risikograde fur die Ausbildung einer PTBS (Maercker & Karl 2005 zit. n. Lindner et al. 2016: 36)
Abbildung 2: Die Entstehung von Traumafolgestorungen (nach Kriiger2017: 21)
Abbildung 3: Mogliche Symptome, aufgeschliisselt nach dem Alter des Kindes (Kriiger 2006 zit. n. Lindner et al. 2017: 41)
Abbildung 4: Klassifikation von Traumatisierungen (nach Arndt & Klingen 2011: 53)
Abbildung 5: Anlasse der Inobhutnahmen Minderjahriger (bis 18 Jahre) durch Jugendamter in Deutschland im Jahr 2018 (Statistisches Bundesamt 2019)
Abbildung 6: Maslowsche BedCirfnispyramide (nach Maslow 1954)
Abbildung 7: Entwicklungsabhangige Verhaltensauffalligkeiten sowie psychische und psychosomatische Symptome und Storungen (Moggi 2005 zit. n. Moggi 2009: 870)
Abbildung 8: Die Padagogik des sicheren Ortes (nach Kiihn 2013: 32)
Abkurzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Glossar
Amygdala
Die Amygdala ist ein Kerngebiet des Gehirns und Teil des limbischen Systems. Sie ist an komplexen Hirnfunktionen wie beispielsweise Lernprozessen, Gedachtnisbildung, Emotio-nen, sowie Verhaltensaktionen beteiligt (vgl. Gahleitner et al. 2016: 458).
BAG Traumapadagogik
Die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Traumapadagogik zielt auf die Entwicklung, Forde-rung und Forschung von und zu Konzeptionen und Projekten in Erziehungs-, Bildungsein-richtungen, sowie der Jugend- und Behindertenhilfe. Im Fokus stehen physische, psychi-sche, soziale und gesellschaftspolitische Grundlagen und Folgen von Stressreaktionen bei Kindern und Jugendlichen auf lebensbiographische traumatische Ereignisse, sowie mogli-che padagogische Begegnungen, sowie Interventionen.
Bindungstheorie
Die Bindungstheorie ist so wie wir sie jetzt vorfinden das gemeinsame Werk von John Bow-Iby und Mary Ainsworth. Bowlby formulierte die Grundzuge derTheorie in den 1950erJah-ren und bezog sich hauptsachlich auf die Mutter-Kind-Bindung und ihre Veranderbarkeit durch Trennung oder Schadigung dieser. Ainsworth erweiterte die Theorie in dem sie zu-nachst empirische Befunde fur Bowlby Aussagen erforschte und den Begriff der sicheren Basis hinzufugte (vgl. Bretherton 2009: 27ff.). Je nachdem inwieweit Bezugspersonen auf die Bedurfnisse des Kindes reagieren, verinnerlicht das Kind diese Erfahrungen und entwi-ckelt daraus Arbeitsmodelle von Bindungsverhalten (vgl. Gahleitner et al. 2016: 459).
DSM-5
DSM-5 ist die Abkurzung fur die funfte Auflage des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM; englisch fur „Diagnostischer und statistischer Leitfaden psychi-scher Storungen"). Das DSM stellt das dominierende psychiatrische Klassifikationssys-tem in den USA und spielt dort eine zentrale Rolle bei der Definition von psychischen Er-krankungen. Das DSM-5 wird von der Amerikanischen Psychiatrischen Gesellschaft (APA) herausgegeben und ist seit Mai 2013 die aktuell gultige und fur die psychiatrische Diagnos-tik verbindliche Ausgabe. Sie ist das grofie Diagnoseschema neben dem ICD-10 oder -11.
Flashback
In einem Flashback wird die traumatische Situation durch einen Ausloserreiz reaktualisiert. Somit sind Flashbacks blitzartige Riickblenden in die Bedrohungssituation, welche in der Gegenwart an Macht gewinnen wollen (vgl. Gahleitneret al. 2016: 461).
Gewaltfreie Kommunikation
Im Fokus der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) steht die Sprache, die zu keinerlei Ver-letzung fiihren soil. Es handelt sich als urn eine ehrliche, respektvolle und einfuhlsame Form der Kommunikation. „Die GFK hilft uns bei der Umgestaltung unseres sprachlichen Aus-drucks und unserer Art zuzuhoren. Aus gewohnheitsmafiigen, automatischen Reaktionen werden bewusste Antworten, die test auf dem Boden unseres Bewusstseins dessen ste-hen, was wir wahrnehmen, fuhlen und brauchen." (Rosenberg 2016: 18f.)
ICD-11
Die ICD-11 ist die Abanderung der bisher gultigen ICD-10 von 1991. Die ICD (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) ist das wichtigste, welt-weit anerkannte Klassifikationssystem fur medizinische Diagnosen. Es dient zur Verschliis-selung von Diagnosen und dient somit zur internationalen statistischen Klassifikation von Krankheiten. Die ICD-11 wurde im Juni 2018 publiziert und im Mai 2019 von der WHO (Weltgesundheitsorganisation)herausgegeben.
Psychohygiene/Selbstfursorge
Unter Psychohygiene oder auch Selbstfursorge wird die „Sicherstellung von inneren Res-sourcen, die als Basisqualitaten vorhanden sein mussen, urn korperlich und psychisch so gesund zu bleiben, dass den Anforderungen und Belastungen des Berufsalltags begegnet werden kann, ohne Schaden zu nehmen" (Friedrich & Scherwath 2012: 195) verstanden. Sie dient als Schutz vor Sekundarer Traumatisierung.
Psychotraumatologie
Die Psychotraumatologie befasst sich mit „der Entstehung, der Erfassung, dem Verlauf und der Behandlung von seelischen Verletzungen (...), die in der Folge extrem belastender und/oder lebensbedrohlicher Ereignisse auftreten" (Landolt 2012: 13).
Resilienz
Bei Resilienz handelt es sich urn die psychische Widerstandsfahigkeit des Menschen. „Wenn sich Personen trotz gravierender Belastungen oder widriger Lebensumstande psychisch gesund entwickeln, (...) [wird von Resilienz gesprochen]" (Frohlich-Gildhoff & R6nnau-B6se 2019: 9). Sie entwickelt sich in Interaktion zwischen Individuum und Umwelt und ist demnach nicht angeboren (vgl. Frohlich-Gildhoff & R6nnau-B6se 2019, 10).
Selbstkonzept
Das Selbstkonzept ist „die Gesamtheit von Einstellungen, Urteilen und Werthaltungen eines Menschen bezuglich seines Verhaltens, seiner Fahigkeiten und Eigenschaften" (Gahleitner etal. 2016:466).
Sekundare Traumatisierung
Die Sekundare Traumatisierung findet besondere Betrachtung im Rahmen der Arbeit mit traumatisierten Menschen. Demnach unterliegen Therapeufinnen, Padagog*innen und an-dere am Menschen arbeitende und psychosoziale Fachkrafte einem Risiko selbst Schaden zu nehmen und mogliche Symptome einer Posttraumtischen Belastungsstorung zu entwickeln. Als Voraussetzung fur die Entwicklung einer Sekundaren Traumatisierung wird eine ausgepragte, jedoch auch notwendige Empathiefahigkeitgesehen. Dadurch istes moglich, dass die Fachkraft die Emotionen des traumatisierten Menschen ubernimmt (vgl. Friedrich &Scherwath2016: 190).
Trigger
Als Trigger werden Stimuli/Reize bezeichnet, die einen an einen Aspekt des ursprunglichen traumatischen Ereignisses erinnern. Aufgrund dieser reaktivierenden Reize in der Gegen-wart werden traumatische Erinnerungen hervorgerufen, wodurch Flashbacks ausgelost werden konnen (vgl. Gahleitner et al. 2016: 468).
1. Einleitung
Die Traumapadagogik hat sich mittlerweile als eigenstandige Fachdisziplin etabliert und kann in vielfaltigen Arbeitsfeldern eingesetzt werden. Jedoch zeigt sich, dass sich Verof-fentlichungen auf den Schulbereich, sowie die stationare Jugendhilfe, weniger jedoch auf Kinder im Vorschulalter beziehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Erzieher*innen, Kindheits-und Heilpadagog*innen sowie weitere Fachkrafte in Kindertagesstatten auf Kinder treffen, die Traumatisches erlebt haben, ist Realitat. Demnach richtet sich diese Arbeit vor allem an alle Fachkrafte, die mit eben jenen traumatisierten Kindern im Vorschulalter arbeiten. Diese Bachelorarbeit thematisiert die Traumatisierung von Kindern, sowie Methoden und Konzepte der Traumapadagogik fur Kinder im Vorschulalter, urn professionelle padagogi-sche Fachkrafte zu informieren und aufzuklaren, da diese vor grofien Herausforderungen stehen. Es werden Handlungsempfehlungenfurdie padagogische Praxis vermittelt, urn den Alltag mit traumatisierten Kindern meistern zu konnen und deren Verhaltensweisen und dysfunktionale Reaktionen aufgrund traumatischer lebensbiographischer Erfahrungen als entwicklungslogisch und sinnhaft zu verstehen.
„Wirbieten kein Mitleid, sondern Mitgefuhl. Wirsehen nicht die armen Opfer, sondern Kinder, die Erstaunliches geleistet haben. Wirwissen nicht alles besser, sondern fragen die Kinder, wie sie das erlebt haben und welche Strategien sie gewahlt haben. Wenn wir den Kindern zuhoren, erfahren wir von vielen Ritualen und Vorstellungen, Imaginationen, die ihnen ge-holfen haben, die traumatischen Lebenssituationen zu uberstehen." (Weill 2013: 174)
Zu oft werden traumatisierte Kinder vorschnell der Psychotherapie verwiesen, obwohl die Traumapadagogik Fachkrafte zum Handeln auffordert und in dem Sinne unterstutzt (vgl. Bausum2013:9).
Diese Arbeit bezieht sich auf Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren, da die folgenden beschriebenenErscheinungsbilderfur Kinder unterdrei Jahren nicht ausreichend empirisch untermauert sind. Die gewahlte Altersspanne richtet sich nach dem ublichen Einschulungs-alter im Land Berlin, in dem Kinder nach der Vollendung des sechsten Lebensjahres schul-pflichtig werden.
Die Forschungsaktivitat bezuglich psychischer Storungen hat in den letzten Jahren zuge-nommen, hierbei wurde sich vor allem mit der Posttraumatischen Belastungsstorung (PTBS) als Folge traumatischer Erlebnisse oder auftergewohnlicher Bedrohung beschaf-tigt, welche im traditionellen Klassifikationssystem nach ICD-10 und 11, sowie DSM-V auch fur das Kindesalter zutreffend beschrieben wird (vgl. AWMF 2015: 5f.). Jedoch wird die Anwendbarkeit dieser Klassifikationen auf das Vorschulalter hinterfragt. Als Grundlage der weiteren Ausfiihrungen definiert diese Arbeit den Begriff des Traumas, als auch der PTBS, da beispielsweise die PTBS zu jenen Storungen im Vorschulalter gehort, die bereits intensiv erforscht wurde und somit uber eine fundierte Datenlage verfugt.
Die personliche Motivation fur die Beschaftigung mit diesem Themenbereich ergab sich zum einen aufgrund gewonnener Erfahrungen wahrend des Praxissemesters, welches ich innerhalb des Studiums der Kindheitspadagogik absolvierte. Ich entschied mich dafur mein praktisches Studiensemester in einem Schutzraum fur gefluchtete Kinder anzutreten, was mich oft an meine Grenzen brachte. Kinder und Jugendliche, die traumatische Lebenser-fahrungen machten, zeigten nichtselten ihrLeid und personliche Uberlebensstrategien, die sie entwickelt hatten. Der Tag an dem mich ein Kinder verbal, als auch korperlich angriff, in einer Situation, die fur mich als „alltaglich" und vor allem machbar erschien, erweckte in mir die Begierde Neues zu lernen. Zum anderen weckten Situationen aus meinem beruflichen Alltag in einer Kindertagesstatte das Interesse am Themenbereich, da immer wieder Situationen auftraten, in denen ich die Kinder nicht nachvollziehen konnte und nach Erklarun-gen suchte. Mithilfe dieser Arbeit mochte ich sowohl meine Unsicherheit als auch die mei-ner Kolleg*innen uberwinden und Handlungsansatze empfehlen, urn potenziell traumati-sierte Kinder in der padagogischen Arbeit zu unterstutzen. Ebenso wurde das Interesse fur dieses Thema durch das Schwerpunktseminar der Psychologie im sechsten Semester be-starkt, sodass fur mich schnell feststand mein Wissen dahingehend zu erweitern. Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht folglich die Frage, inwieweit die Traumapadagogik im Kitaalltag anwendbar ist und wie padagogische Fachkrafte traumatisierten Kindern im Vorschulalter wertschatzend begegnen und sie unterstutzen konnen. Urn die Komplexitat des Themas zu begrenzen, wird zunachst der Begriff des Traumas definiert und anschliefiend auf Traumafolgestorungen eingegangen, wobei die in der Offentlichkeit bekannteste mog-liche Traumafolgestorung, die Posttraumatische Belastungsstorung, eingefuhrt wird. An-schlieftend werden mogliche traumatische Reaktionen erlautert (Kapitel 2). Weiterfuhrend wird im Kapitel 3 der Fokus auf die moglichen Ursachen einer fruhkindlichen Traumatisierung gelegt. Ausfuhrlicher werden dort Vernachlassigung, seelische Misshand-lung und sexuelle Gewalt als Formen der Kindesmisshandlung thematisiert und darauffol-gend die Ursachen solcher in den Blick genommen. Abschliefiend werden die Folgen von Kindesmisshandlungen erlautert.
Im vierten Kapitel wird die Traumapadagogik als Moglichkeit des padagogischen Umgangs mit traumatisierten Kindern im Vorschulalter beleuchtet. Hierbei werden traumapadagogi-sche Haltungsansatze sowie Konzepte und Methoden der Traumapadagogik erlautert. Die fett/curs/Vgedruckten Worter werden im Glossar erklart. Bezuglich des methodischen Vorgehens der Bachelorarbeit wurde auf die Durchfuhrung einer empirischen Untersu-chung aufgrund einiger Herausforderungen, wie beispielsweise dem Kniipfen von Kontak-ten zu traumatisierten Vorschulkindern, verzichtet. Jedoch ware eine empirische Forschung hinsichtlich dieser Thematik unter anderen Rahmenbedingungen interessant. Stattdessen wird eine Literaturarbeit vorgenommen.
2. Das Trauma
In diesem Kapitel wird der in der Alltagssprache oft uberstrapazierte Begriff „Trauma" be-schrieben. Relevante Definitionen von „Trauma" dienen hierbei als Einstieg in diese Arbeit. Anschliefiend werden einige Traumafolgestorungen erlautert. Dabei wird der Unterschied zwischen einem Trauma und einem traumatischen Ereignis beleuchtet. Ebenso soil es urn Faktoren gehen, die eine Situation zu einer traumatischen Erfahrung machen konnen.
2.1. Begriffsdefinition Trauma
Der Begriff „Trauma" hat seinen Ursprung in der griechischen Sprache (Tpauua: trauma) und ist mit „Wunde" oder„Verletzung"zu ubersetzen (vgl. Bialek& Kiihn 2017: 31; Friedrich & Scherwath 2016: 20; Gahleitner et al. 2012: 6). Je nach Kontext wird dem Wort eine andere Bedeutung zugeschrieben. In der Medizin wird der Begriff „Trauma" fur korperliche Verwundungen durch beispielsweise Auswirkungen eines Unfalls benutzt (vgl. Wittmann 2015: 137). Ebenfalls wird der Begriff nach dem medizinischen Klassifikationssystem ICD- 11 derWeltgesundheitsorganisation (WHO)wiefolgtdefiniert: „Nach ICD-11 sind Traumata definiert als Ereignis oder Serie von Ereignissen von au&ergewohnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaft." (WHO 2018 zit. n. Augsburger & Maercker 2019: 15) Wah-rend sich diese Beschreibung ausschliefilich auf ein Ereignis oder eine Serie von Ereignissen bezieht, geht das amerikanische DSM-5 deutlicher auf den Ursprung des Traumas als Wunde ein und verweist damit auf die Folgen, sowie die Bedeutung fur Betroffene. Traumata werden demnach als eine „Konfrontation mittatsachlichem oderdrohenden [sic!] Tod, ernsthafter Verletzung oder sexueller Gewalt" (APA 2013: 369) beschrieben. Durch das ICD-11 wurden deutliche Verbesserungen, vor allem bezuglich des Bereichs Trauma, ein-gefuhrt. Aus dem Grund empfiehlt Jan Gysi (2018) „nicht mehr nach dem wissenschaftlich veralteten Klassifikationsmanual ICD-10 zu diagnostizieren, sondern bereits jetzt das mo-derne ICD-11 anzuwenden" (Gysi 2018: 1).
Im Folgenden soil es fokussiert urn das psychische Trauma oder auch genannt Psycho-trauma gehen. Fischer und Riedesser erlautern das psychische Trauma als „vitales Dis-krepanzerlebnis zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und individuellen Bewaltigungs-moglichkeiten, das mit Gefiihlen von Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe einhergeht und so eine dauerhafte Erschutterung von Selbst- und Weltverstandnis bewirkf (Fischer & Riedesser 2009: 84). Menschen besitzen demnach Anpassungs- oder auch Selbstschutzstra-tegien (Flucht und Widerstand/Kampf), sowie erlernte Hilfestrategien. Kommt es zu Ereig-nissen bei denen bisherige individuelle Kompetenzen zur Bewaltigung nicht ausreichen und jegliches Handeln sinnlos ist, reagiert der Mensch mit Ohnmacht und Kontrollverlust. Die amerikanische Traumaforscherin Judith Herman definiert das Trauma in dieser Hinsicht treffend: „Psychisches Trauma ist das Leid der Ohnmachtigen. Das Trauma entsteht in dem Augenblick, wo das Opfer von einer iiberwaltigenden Macht hilflos gemacht wird" (Herman 2003: 53). Begleitet wird eine solche Situation, die als psychisches Trauma beschrieben werden kann, von Gefiihlen intensiver Angst und Hilflosigkeit (vgl. Bialek & Kiihn 2017:31; Friedrich & Scherwath 2016: 21; Gahleitner et al. 2012: 6; WeiB 2016a: 25). Dabei handelt es sich urn traumatische Reaktionen, die durch traumatische Ereignisse entstehen konnen (vgl. Herman 1994: 54ff. zit. n. WeiB 2016a: 25). Nach Kriiger bedeutet ein traumatisches Ereignis oder eine traumatische Situation fur ein Kind „(...) eine extreme, existenzielle Be-drohung. Dabei kann das Kind entwedersich selbst sowie seine korperliche und seelische Einheitoderandere Menschen als bedrohterleben" (Kriiger 2017:19). Die Ausweglosigkeit bezeichnet er demnach als „Traumafalle" (ebd.). Michaela Huber fiihrte dazu den Begriff der „traumatischen Zange" ein. Demnach konnen notwendige Handlungsoptionen nicht zur Losung der Situation genutzt werden, sodass der Mensch in die „traumatische Zange" ge-rat. Handlungsimpulse und Reaktionen aus Vernunft gesteuerten (kortikalen) und emotio-nalen (subkortikal-limbischen) Bereichen des Gehirns stehen dem Menschen in diesem Zustand nicht zur Verfiigung, bleiben somit stehen, sodass eine Reaktion nicht moglich ist (vgl. Friedrich & Scherwath 2016: 22f.). In diesem Moment der kompletten Hilflosigkeit, kann weder Widerstand/Kampf (no fight) noch Flucht (no fight) dem Menschen helfen. Das Erlebnis sowie diefehlenden Handlungsoptionen fiihren zu einer Traumatisierung. Wieder-holt sich ein traumatisches Ereignis mehrfach, kann das Urvertrauen und somit Vertrauen in die Welt, sowie das sich entwickelnde Selbstvertrauen eines Kindes nachhaltig iiberwal-tigt werden oderverschwinden.
In der wissenschaftlichen Betrachtung werden Traumata in Typ-I- und Typ-ll-Traumatisie-rung unterschieden. Differenziert wird hierzwischen einmal, plotzlich auftretende oderiiber langere Zeit, sich wiederholende traumatische Ereignisse (vgl. Wittmann 2015: 138). Das einmalige Erleben einer Naturkatastrophe, eines Unfalls oder eines Verlustes kann, sofern keine traumatische Vorbelastung vorhanden ist, zu einer Traumatisierung fiihren. Dabei handelt es sich urn eine Monotraumatisierung oder auch Typ-I-Traumatisierung. (vgl. Gah-leitner et al. 2012: 6f.; Wittmann 2015: 138f.). Davon unterschieden werden beispielsweise wiederholte Gewalterfahrungen, welche sich dazu uber einen langeren Zeitraum hinziehen, sowie Mobbing. Diese Erfahrungen verlaufen kumulativ und konnen zu einer komplexen Traumatisierung oder auch Typ-ll-Traumatisierung fiihren. Bei kumulativen Erfahrungen handelt es sich urn eine Serie miteinander verkniipfter Ereignisse von „personaler Gewalt" (Gloger-Wendland & Reekers 2016: 6), seelischer als auch korperlicher Art, sowie „politi-sche Gewalt" (ebd.), wie Krieg, Flucht oder Bedingungen in Erstaufnahmestellen. Diese Ereignisse haben in ihrer Summe, jedoch nicht grundsatzlich als einzelne Erfahrungen Fol-gen fur den Menschen (vgl. Riedesser2012: 162). Die Form der Typ-ll-Traumatisierung ist in jedem Fall komplexer, da sie in ihrer Wirkung als unklarer und folgenschwerer zu be-trachten ist (vgl. ebd.; Gahleitner et al. 2012: 7).
Maercker (1997) schlagt eine weitere Unterteilung vor. Er unterscheidet Traumata nach der jeweiligen Verursachung. Zum einen gibt es die direkt vom Menschen verursachten, „man-made" Traumata, zum anderen die nicht absichtlich durch Menschen oder Ereignisse verursachten, „nature-made" Traumata. Zu den „nature-made" Verursachungen zahlen jegli-che Art von Katastrophen, wie Naturkatastrophen (Vulkanausbriiche, Waldbrande, Hoch-wasser), technische (Einsturz von Bauwerken; Unfalle mit radioaktivem Material) und be-rufsbedingte (Polizei, Feuerwehr) Katastrophen. Auch Arbeits- und Verkehrsunfalle zahlen zu solchen „zufalligen" Verursachungen. „Man-made" Verursachungen sind im Gegensatz dazu beispielsweise sexuelle und korperliche Misshandlung, Kriegserlebnisse, zivile Ge-walterlebnisse, wie die Geiselnahme, sowie kriminelle und familiare Gewalt (vgl. Lindner et al. 2016: 35f.).
Beide Einteilungsmoglichkeiten sind miteinander kombinierbar und werden in folgender Ab-bildung umfassend verdeutlicht. Wahrend auf der horizontalen Ebene auf die Einteilung nach der Verursachung eingegangen wird, beziehen sich Maercker und Karl (2005) auf der vertikalen Ebene auf die Einteilung nach zeitlicher Dauer (Typ-I-, Typ-ll-Traumata). Wie hoch das Risiko fur eine Posttraumatische Belastungsstorung (PTBS), als Folge traumatischer Ereignisse, ist und wie sie definiert wird, erschliefit sich im unteren Teil der Abbildung. Folgend wird die Abkiirzung PTBS benutzt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Einteilung traumatischer Ereignisse und Risikograde fur die Ausbildung einer PTBS
(Maercker & Karl 2005 zit. n. Lindner et al. 2016: 36)
Die Auswirkungen der Verletzung auf das Selbstschutzsystems, sowie potenzielle Folgen werden im nachsten Punkt genauer erlautert. Ebenso werden mogliche Hinweisreize the-matisiert, welche bei Kindern zu traumatischem Stress fiihren und Ausloserfiir Alarmreak-tionen sind.
Wie in diesem Abschnitt erkenntlich, wird das Ausmafi der Literaturfulle in Bezug auf den Begriff des Traumas deutlich. Eine einheitliche Definition ist nur schwer moglich, da sich in vielerlei Hinsicht mit dem Begriff auseinandergesetzt werden kann.
2.2.Traumafolgestorungen Einblick in die posttraumatische Belastungssto-rung
Erlebt ein Kind ein traumatisches Ereignis, muss dies nicht unbedingt zu einer sogenannten Traumafolgestorung fuhren. Dies soil im Folgenden genauer erlautert werden.
Es macht einen wesentlichen Unterschied, in welchem Alter ein traumatisches Ereignis auf jemanden trifft und ob oder welche Folgen daraus resultieren konnen. Somit lasst es sich schwer sagen, ob ein Ereignis fur ein Individuum einen traumatischen Charakter hat oder nicht. Da Personlichkeit, aktuelle Lebenssituation und Vorerfahrungen des Opfers stets va-riieren, konnen traumatische Ereignisse unterschiedlichen Einfluss haben.
„Ereignisse finden in einem sozialen und biographischen Zusammenhang statt, der haufig entscheidend ist. Das Zusammenwirken von Ereignis-, Schutz- und Risikofaktoren bedingt, ob Menschen extrem bedrohliche Ereignisse verarbeiten und integrieren konnen." (Martin & Zito2016:28)
Traumatisierungen in der Kindheit und Jugend pragen sich demnach anders aus als bei einer erwachsenen Person (vgl. Gahleitner et al. 2012: 8). Wie bereits in 2.1 erwahnt, kann ein traumatisches Ereignis das Urvertrauen eines Kindes enorm beeinflussen. Jedoch muss dies nicht heifien, dass sich bei jedem Menschen, der ein Trauma erleidet, beispiels-weise eine PTBS entwickelt (vgl. Korittko 2017: 45). PTBS steht abgekurzt fur eine Post-raumtische Belastungsstorung. Sie entsteht, wenn eine seelische Verarbeitung der traumatischen Erlebnisse nach langerem Zeitraum nicht moglich ist und Storungen, sowie Symp-tome entstehen. Demnach handelt es sich bei der PTBS urn korperliche, als auch seelische Schaden, die auftreten, nachdem die Verarbeitungsprozesse in Folge eines Traumas nicht stattfinden (vgl. Ellerbrock & Petzold 2014: 9). Die traumatischen Reaktionen einer PTBS werden nach den internationalen Klassifikationsschlusseln fur psychische Erkrankungen (ICD-10 und ICD-11) als eigenstandiges Storungsbild bezeichnet, ebenso wie Traumafol-gestorung. Sie erfassen jedoch nicht die Bandbreite der durch eine Traumatisierung verur-sachten Anzeichen, da es nach Ansicht aktiver Traumatherapeuth*innen viele weitere Fol-geerscheinungen gibt, welche fur eine ganzheitliche Auffassung der Traumafolgestorungen relevant ware (vgl. Scherwath 2012: 25f.). Jedoch ist der Hinweis notwendig, dass es einen grofien Unterschied zwischen Traumafolgestorung und PTBS gibt.
Erlebt ein Kind ein traumatisches Ereignis, hat es damit zu kampfen dies einzuordnen und richtig einzuschatzen. Das erkunden der Umwelt, was im fruhen Kindesalter eine wichtige Rolle spielt, kann dabei gehemmt werden, sodass es folglich zu Verzogerungen in der Ent-wicklung kommen kann. Dies macht deutlich, welche Rolle das Alter des Opfers spielt und ob das Ereignis als traumatisch erfahren wird oder nicht. Das nachfolgende Fallbeispiel veranschaulicht das Vorangeschriebene treffend. Hierbei beschreibt Andreas Kriiger1, arztderTrauma-Ambulanz in Hamburg. Er entwickelte spezielle Behandlungskonzeptefurtraumatisierte Kinder und Jugendliche. inwieweit bereits die Zeugenschaft einer Gewalttat im Kindesalter zu erheblichen Folgen fiihren kann. Unterstiitzend zum Fallbeispiel dient eine Abbildung, in der die Entstehung von Traumafolgestorungen zusammenfassend dargestellt wird.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Die Entstehung von Traumafolgestorungen (nach Kruger2017: 21)
„ Der 6-jahrige Florian hat bezeugt, wie sein Freund Maximilian unvermittelt aufdem gemeinsa-men Schulweg von drei alteren Kindern zunachst verbal bedroht wurde (siehe in Abb. 2 unter 2,3). Dann, so berichtet er, hatten die Jugendlichen begonnen, ihn zu schubsen und auf ihn einzutreten, als erzu Boden gegangen sei. Zunachst habe Maximilian sich noch gewehrt, habe geschrien, spatergeweint, dann keinen Lautmehrvon sich gegeben (4, 5, 6). Florian berichtete, dass er Angst urn das Leben seines Freundes gehabt habe (1). Die Situation habe bei ihm totale Angst (8) und Hilflosigkeit (9) ausgelost. Er hatte so gern etwas fur den Freund getan, wusste abernicht, was (10, 11). Er beschrieb in der Situation ,wie am Boden angeklebt' da gestanden zu haben. Er habe auch nicht weglaufen konnen, habe nichts mehr denken konnen (12, 13). Irgendwann hatten die Peiniger von seinem Freund abgelassen und hatten wohl selbst Angst gehabt, dass sie Maximilian ernsthaft verletzt haben konnten. Sie lielien den Jungen allein, rann-ten einfach weg. Erst einige Zeit spater sei Florian wieder in der Lage gewesen, sich zu bewe-gen. Er sei dann zu seinem Freund gegangen und sei froh gewesen, dass er noch lebte. Erst nach einer weiteren langeren Zeit sei eine Mere Dame vorbeigekommen, die sich aber abge-wandt habe (6). Florian habe sie nicht ansprechen konnen, Maximilian ebenso wenig. Der habe immer wieder schmerzhaft geweint. Erst der nachste Passant habe die Jungen angesprochen und Maximilian nach Hause begleitet. Ihn, Florian, habe er ohne weitere Kommentare nach Hause geschickt. In Folge konnten bei dem Jungen Anzeichen einer Posttraumatischen Belas-tungsstorung festgestellt werden (I.) Heftige Schuldgefuhle, dem Freund nicht geholfen haben zu konnen, kamen hinzu" (Kruger 2017: 20).
Kriiger macht deutlich, dass sich nicht nur Maximilian in der Position des Gewaltopfers, sondern sich auch Florian als Beobachter in einer kritischen Situation befand. Ware ihm wahrenddessen, spatestens aber anschliefiend Hilfe angeboten worden, hatten die Anzeichen einer PTBS vermieden werden konnen (vgl. Gahleitner 2012: 8f.; Kriiger 2017: 22). Hierbei wird deutlich, welchen Wert sozial unterstiitzende Bedingungen, als ein Beispiel fur sogenannte Schutzfaktoren, nach einer traumatisierenden Situation mit sich bringen. Schutzfaktoren sind „Aspekte, die sich positiv auf die Verarbeitung von extrem belastenden Erfahrungen auswirken" (Martin & Zito 2016). Werden Betroffene anschliefiend ausrei-chend unterstiitzt und wird ihnen Sicherheit, sowie Stabilitat vermittelt, so konnen mogliche Folgen und dauerhafte Probleme der Menschen verhindert werden (vgl. ebd.).
Auch hier wird deutlich, dass jedes Ereignis mit eventueller traumatischer Qualitat im Zu-sammenhang mit dem subjektiven Erleben des Kindes und dessen Moglichkeiten dies zu bewaltigen steht. Somit steht die Individualist des Kindes und deren eigene Geschichte im Vordergrund und ist stets zu beriicksichtigen.
Schlussendlich kann festgehalten werden, dass „je stabiler die Personlichkeit und die sozi-ale Situation sind, desto eher kann ein Mensch ein traumatisches Ereignis verarbeiten und integrieren" (Martin & Zito 2016: 30).
2.3. Die traumatische Reaktion und mogliche Symptome
In dem Zusammenhang mochte ich auf mogliche Phanomene hinweisen, an denen sich traumatische Erfahrungen festmachen lassen. Hierbei ist zu betonen, dass es keine immer gultigen Anhaltspunkte gibt, wie sich Kinder im Vorschulalter mit traumatischen Erfahrungen verhalten oder in bestimmten Situationen reagieren. Jedoch gibt die Literatur Informa-tionen uber traumatische Reaktionen und deren Symptome wieder. Folgend soil es vor al-lem urn Symptome, die auf ein Psychotrauma, also eine PTBS als haufigste Traumafolge hinweisen, gehen. Dies ist der Fall, wenn Ereignisfaktoren, die sich auf die Art und Lange der Belastung beziehen, Schutzfaktoren, wie beispielsweise die soziale Unterstutzung so-wie Risikofaktoren, also Bedingungen, die die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Storing erhohen, ungunstig zusammenwirken (vgl. Daum 2018: 16).
Kinder, die ein traumatisches Ereignis erlebt haben, zeigen haufig traumatische Reaktionen, urn so das Geschehene verarbeiten, integrieren oder vollstandig abspeichern zu kon-nen. In dieser Zeit treten oftmals folgende Symptome auf:
Wiedererleben, auch Intrusionen genannt: Dabei handelt es sich urn „ungewollt wiederkeh-rende und belastende Erinnerungen oder Erinnerungsbruchstucke" (Augsburger & Ma-ercker 2019: 19). Diese treten oft spontan auf und werden durch sogenannte Schlussel-/Hinweisreize oder auch Trigger (Ausloser) hervorgerufen, welche an Aspekte des Traumas erinnern. Dies konnen beispielsweise Geriiche, Bilder, Bewegungen, Orte, Beruhrun-gen oder bestimmte Worte sein. Wiedererleben tritt oft in Form von Albtraumen, Empfin-dungen, Angsten, Gedanken, u.v.m. auf, welche insgesamt als Flashback beze ich net werden. Es handelt sich dabei urn „posttraumatische Symptome der Intrusion" (Hoffman 2017: 51). Anders als Erinnerungen sind sie nicht steuerbar. Die Nervennetze, die wahrend des traumatischen Ereignisses durch einen Reiz entstehen, erinnern an die jeweilige Situation. Die Flashbacks werden durch Trigger aktiviert und losen eine bestimmte Reaktion aus. Es kommt zu einer erneuten Notfallreaktion, da das Gehirn die aktuelle Situation mit der da-maligen vertauscht, wodurch Gefuhle wie Angst, Hilflosigkeit, Uberwaltigung oder andere wieder hervorgerufen werden. Flashbacks sind somit auch immer verbunden mit einer ext-remen Beanspruchung der Psyche und des Korpers des Betroffenen (vgl. ebd.; Friedrich & Schwerwath 2016: 28f.; Korittko 2017: 36; Wittmann: 2015: 143).
Eine weitere Symptomgruppe ist die Vermeidung, auch Konstriktion genannt. Dabei geht es nicht nur, urn das bewusste Vermeiden von Gefuhlen, sondern auch von Gedanken, die an das Geschehene erinnern. Betroffene gehen ihnen bewusst aus dem Weg. Folglich kommt es nicht selten zur Einengung der eigenen Lebensqualitat, denn Betroffene befinden sich in einem Zustand erhohter Wachsamkeit. Zudem treten haufig Bewusstseinsanderun-gen auf. So reagieren Betroffene verzogert oder gar nicht auf andere Menschen, werden vergesslicher oder verleugnen sogar ihr eigenes Handeln. Dies kann zusatzlich fur eine erhohte Menge an Stresshormonen sorgen (vgl. Augsburger & Maercker 2019: 19; Fried-rich & Schwerwath 2016: 31; Wittmann: 2015: 143).
Bei einem weiteren zentralen Phanomen der PTBS handelt es sich um den Zustand der Uberregung (Hyperarousal) oder auch die Wahrnehmung gegenwartiger Bedrohung. Kenn-zeichnen lasst sich diese Symptomgruppe durch eine erhohte Wachsamkeit, die in den Fachtermini auch als „ Hypervigilanz" (Augsburger & Maercker 2019: 20) bezeichnet wird. Betroffene haben dadurch ein standiges Gefuhl des Nicht-Trauen-Konnens. Es handelt sich dabei um ein fortdauerndes und unreales Gefuhl der Gefahrdung, wobei das Individuum stets auf eine Gefahr eingestellt ist. Es sieht sich dauerhaft in einer schutzlosen und vor allem fur sich bedrohenden Situation. Betroffen sind vor allem Situationen die unmittelbar an das Trauma erinnern, aber auch jene Umstande, die nicht mit dem Trauma zusammen-hangen. Auch hier steht der Mensch enorm unter Stress, da er seine Notfallreaktionen schnellstmoglich einsetzen muss. Folgen sind eine Ciberma&ige Schreckreaktion sowie Uberangstlichkeit, die bereits durch gewohnliche und ungefahrliche Gerausche oder Bewe-gungen erzeugt werden konnen (vgl. Augsburger & Maercker 2019: 20; Friedrich & Scher-wath 2016: 27). Diese Symptome treten vornehmlich bei Erwachsenen und Jugendlichen. Bei Kindern treten Reaktionen auf ein Trauma nochmals differenziert in Erscheinung.
Intrusionen {Wiedererleben) zeigen sich bei Kindern vor allem wahrend des Spiels dadurch, dass Themen des Traumas dargestellt werden. Hat ein Kind beispielsweise einen Autoun-fall erlebt, bei dem ein Mensch urns Leben gekommen ist und der Motorraum Feuer fing, kann es sein, dass es diesen Autounfall mit Spielzeug-Autos wochenlang reinszeniert. Das Erleben des Brandes kann durch die Rauchentwicklung bei dem Auspusten einer Kerze, ebenfalls zu einer Notfallreaktion fuhren. Ebenso sind Schreianfalle wahrend des Mittags-schlafs oder der Mittagsruhe keine Seltenheit, denn auch bei Kindern konnen Traume einen direkten Bezug zum traumatischen Ereignis haben.
Auch Symptome der Vermeidung {Konstriktion) zeigen sich bei Kindern. Diese sind denen der Erwachsenen ahnlicher. Kinder konnen ebenso alles umgehen, was sie an das Trauma erinnert. Haufig schweigen sie daruber, Ziehen sich von ihren Peers oder Bezugspersonen zuruck oder scheinen gefuhlskalt. Es kann durchaus sein, dass sie weder Interesse an fur sie fruher wichtige Dinge haben noch an ihrer Umwelt. Der Verlust bereits erworbener Kompetenzen ist hierbei ebenfalls moglich - sei es in Bezug auf die Selbststandigkeit, Spra-che Oder auch die Sauberkeitserziehung (vgl. Korittko 2017: 37).
Symptome der Uberregung (Hyperarousal) zeigen sich bei Kindern durch andere Auffallig-keiten. Hierbei kann es zu „Einschlaf- und Durchschlafstorungen, Konzentrationsstorungen, Gedachtnisstorungen, (...) Reizbarkeit, Wutausbriiche, Priigeleien, ubertriebene Wach-samkeit, Schreckhaftigkeit, Zerstoren von Gegenstanden, Weinen oder Schreien ohne er-kennbaren Anlass, somatische Storungen wie Magenschmerzen oder Kopfschmerzen, er-hohte Infektanfalligkeif (Kriiger: 38) kommen. Es wird deutlich, dass sich das Kind in einem andauernd erregten Zustand befindet und somit unter dauerhaftem Stress steht.
Kriiger stellt in seinem Buch „Erste Hilfefurtraumatisierte Kinder" mogliche Symptome ein-geteilt nach dem Alter des Kindes dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Mogliche Symptome, aufgeschlusselt nach dem Alter des Kindes (Kruger 2006 zit. n. Kruger 2017: 41)
Er geht hierbei auf offensichtliche Symptome ein, die beispielsweise im Alter von drei bis sechs Jahren deutlich werden. Auch er benennt das „Wiederholen traumatischer Erlebnisse mit Spielsachen (...)" (Kruger 2017: 41f.) als eine dieser Auffalligkeiten. Ebenfalls zahlen „lns-Leere-Starren, korperliche Beschwerden ohne Krankheitsbefund (...), sozialer Riick-zug, rucklaufige Sprachentwicklung, Verlust bereits erlangter sozialer Fahigkeiten, aggres-sives Verhalten" (ebd.) zu Symptomen dieser Altersspanne. Auch hier ist darauf hinzuwei-sen, dass diese Symptome hinterfragt werden mussen. Es stellt sich die Frage nach mog-lichen Anhaltspunkten fur eine Traumatisierung (vgl. ebd.).
Zusammenfassend kann das Trauma in drei Teile unterteilt werden:
- Traumaereignis: Ein extrem bedrohliches aulleres Ereignis fur dessen Verarbeitung es im Inneren kein Vorbild gibt.
- Traumaerfahrung: Der Mensch ist Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe ausgelie-fert.
- Traumafolgen: Zusammenbruch der Bewaltigungsmoglichkeiten und Erschutterung des Selbst- und Weltverstandnisses (vgl. Arndt & Klingen 2011: 52f.)
In folgender Abbildung wird deutlich, welche Auswirkungen vor allem eine fruhe Traumatisierung in der Kindheit und Jugend, sowie eine innerfamiliare Traumatisierung haben kon-nen. Demnach besteht ein hoheres Risiko fur die Entwicklung einer PTBS. AuGerdem fasst die Abbildung die bisher erlauterten Einteilungsmoglichkeiten zusammen, weshalb sie der Vollstandigkeit halber beigefugt wurde.
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- Arbeit zitieren
- Sarah Treichel (Autor:in), 2020, Methoden und Konzepte der Traumapädagogik im Vorschulalter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/542496
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