Diese Arbeit betrachtet das Thema Arbeit und möchte aufzeigen, wie Arbeit auch anders geht. Dabei wird auf zukunftsfähige Unternehmenskulturen eingegangen, die agil, digital und kooperativ sein sollen. Wenn wir an Arbeitsveränderung denken, dann vor allem an Fabriken, Büros, Maschinen, Werkzeuge, Manager, Computer, Energie, Rohstoffe und an Menschen, die ihre Arbeit tun. Das alles ist sichtbar.
Aber wie und warum und mit welchen Gefühlen die Menschen ihre Arbeit tun, was sie fordert, wie Arbeit uns fordert, herausfordert und wann sie uns überfordert, was Arbeit gibt und wozu sie zwingt, das bleibt oft unsichtbar.
Die Schlagzeilen der Veränderung der Arbeitswelt, der vermehrte Einsatz von Robotern und die Ablöse der Mitarbeiter durch die Maschinen beängstigen uns täglich. Wir fragen uns welche Auswirkungen die Zukunftsangst auf den Menschen hat und stellen den Menschen in den Mittelpunkt unserer Überlegung.
Mag. Ursula della Schiava-Winkler
ARBEIT ANDERS.
Plädoyer für eine zukunftsfähige Unternehmenskultur: agil - digital - kooperativ
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Angstmacher sehen künftig die Hälfte aller Arbeitsplätze durch den Einsatz von Robotern gefährdet und prognostizieren das Ende der Arbeit.1 Dies ist zwar nicht realistisch, aber Internet of Things (IoT) und Robotics, Machine Learning, künstliche Intelligenz, robotergesteuerte Automatisierung von Prozessen, Big Data und Echtzeit-Datenanalyse werden zukünftig unseren Arbeitsalltag verändern. Dies erzeugt bei vielen Menschen Zukunftsangst. Aber Veränderung und Angst müssten eigentlich nicht Hand in Hand gehen. Denn Prognosen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)2 in Deutschland und des Instituts für Höhere Studien (IHS)3 in Österreich zeigen ein überwiegend positives Bild der zukünftigen Berufswelt. In diesem Sinne droht in Österreich bei neun Prozent der Beschäftigten der Jobverlust durch Automatisierung. Die potenziell am stärksten Betroffenen sind einfache, sich wiederholende, manuelle und leicht standardisierbare Arbeiten. Eine Studie des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) zeigt jedoch nachvollziehbar auf, dass an anderen Stellen des Arbeitsmarkts neue Jobs dazukommen.4
Laut „Trending Topics“5 werden für 80 Prozent der Jobs künftig Kenntnisse aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik erforderlich sein. Gewinner der globalen Trends sind IT, Telekommunikation und Logistik. Wichtig ist zu betonen, dass die heutige Arbeitswelt gegenwärtig in hohem Maße durch teilweise länger zurückreichende wirtschaftsstrukturelle Transformationen geprägt ist, die die personalpolitischen Strategien der Betriebe - bildlich gesprochen - auf die schiefe Bahn gebracht haben und jetzt zusätzlich zur Digitalisierung Neugestaltungen zur Folge haben.
Durch die Digitalisierung ändert sich die Arbeit, aber sie wird nicht weniger Die Arbeit wird durch die Digitalisierung nicht weniger, aber anders. Analysieren wir, wie sich Beschäftigung und Arbeitsplatzqualität durch die Digitalisierung im Zusammenspiel mit einer Vielzahl anderer Faktoren ändert, erhalten wir folgenden Befund: Auf der betrieblichen Ebene gehen Produktinnovationen und organisatorische Innovationsprozesse mit einer besseren Beschäftigungsentwicklung einher. Dies gilt sowohl für Männer als auch Frauen. Dieser positive Zusammenhang ist jedoch auf qualifizierte Arbeitskräfte beschränkt. Demgegenüber haben diese Innovationsprozesse eher negative Auswirkungen auf die Beschäftigung von gering qualifizierten Beschäftigten. Dies dürfte auf die Automatisierung von Arbeitsprozessen zurückzuführen sein, die überproportional zur Substitution einfacher Routinetätigkeiten beiträgt, so das Ergebnis des von 2015 bis 2018 durchgeführten europäischen Forschungsprojektes „Quality of Jobs and Innovation generated Employment Outcomes“ (QuInnE),6 an dem Deutschland, Großbritannien, Schweden, die Niederlande, Frankreich, Ungarn und Spanien mitgewirkt haben. Dabei wurden Betriebsbefragungen in Produktions- und in Dienstleistungsbetrieben durchgeführt.
Soziale Kompetenz und Empathie sind nicht durch Roboter ersetzbar Durch den digitalen Wandel muss die Arbeitswelt in einem kontinuierlichen Prozess umgestaltet werden. Einige etablierte Berufsbilder werden verschwinden und neue Jobprofile werden entstehen. In mittelfristiger Perspektive werden sich jedoch vor allem die Tätigkeiten und Arbeitsbündel im Kontext bestehender Berufe wandeln. Besonders gefragt wird am zukünftigen Arbeitsmarkt alles sein, was den Menschen von Robotern und Algorithmen abhebt - wie beispielsweise die Lösung unstrukturierter Probleme. Dabei stehen die Kombination von Fachwissen und formalen Qualifikationen mit vernetztem Denken, digitaler und sozialer Kompetenz, Lernwillen, Veränderungsbereitschaft, Neugierde und eine schnelle Umsetzungsfähigkeit im Vordergrund. Allzu oft trauen Führungskräfte ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eigenverantwortliches und selbstorganisiertes Arbeiten nicht zu. Sie argumentieren mit ihren diesbezüglichen Erfahrungen aus der Vergangenheit, führen engmaschig und machen so die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer unselbstständiger. Der Kreislauf der Abhängigkeit ist anscheinend bestätigt und die strikte Führung wird anscheinend gebraucht.
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INTERVENTIONEN
Tayloristische Kompetenzen haben ausgedient In Zeiten tayloristischer Massenproduktion waren andere Kompetenzen notwendig als heute und morgen. Für diesen historischen Produktionstypus waren nur wenige Talente nötig. Bei der großen Mehrheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer genügten Fleiß, Willigkeit und Disziplin. Um den zukünftigen Veränderungsanforderungen gerecht zu werden, ist es nötig, einen sozialen Raum zu schaffen, der sowohl Effektivität und Hochleistung als auch - gleichzeitig - Wohlfühlen, soziales Lernen und Lebensqualität ermöglicht. Die dafür erforderlichen Kompetenzen fokussieren auf Faktoren wie Beziehung, Vertrauen, Kooperation, Affekte, Anerkennung, Feedback, Wertschätzung und Respekt.
Jobseitig ist die Situation in Österreich laut WIFO7 wie folgt: Durch die Digitalisierung werden die meisten bestehenden Berufe nicht obsolet, aber es verschieben sich Arbeitsinhalte von Routinetätigkeiten hin zu Nicht-Routine-Tätigkeiten. Berufe mit vornehmlich analytischen und interaktiven Tätigkeiten stellen dabei höhere Ansprüche an die Kompetenzen und Qualifikationen der Beschäftigten. Gegenwärtig zeigt sich in Österreich noch kein starker Digitalisierungseffekt.8 Nicht-Routine-Tätigkeiten werden also zukünftig stark an Bedeutung gewinnen. Dazu gehören beispielsweise Arbeitsanforderungen wie das Verstehen und Kommunizieren von (neuen) Informationen, das Lösen unstrukturierter Aufgaben, aber auch manuelle Nicht-Routine-Tätigkeiten. Für die Lösung von Problemen werden nicht nur formale Qualifikationen und Erfahrungswissen, sondern zunehmend auch soziale Kompetenzen, Kommunikationsfähigkeit und Empathie gebraucht.
Digitalisierung erfordert menschliche Empathie Gerade bei der Kommunikation in einem digitalen Unternehmensumfeld spielt Empathie eine wichtige Rolle. Jeder und jede in diesem Bereich Tätige sollte sich in die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, in die Kolleginnen und Kollegen sowie in Lieferantinnen und Lieferanten sowie Kundinnen und Kunden - also in das gesamte soziale Umfeld - hineinversetzen können und die eigene Arbeit aus deren Perspektive betrachten können.
Wir kennen unterschiedliche Ebenen der Empathie. Auf der ersten Ebene ermöglicht die Empathie, ähnlich wie andere Menschen zu empfinden, also den Mitmenschen emotional zu begegnen. Auf der zweiten Ebene geht es nicht nur um das Erfassen der Gefühlswelt, sondern auch darum, die Absichten der anderen zu erkennen und zu verstehen sowie daraus Verhaltensschlüsse zu ziehen. Auf der dritten Ebene der Empathie kann in komplexen Situationen, in unterschiedlichen Kulturen, bei unterschiedlichen Bedürfnis- und Interessenslagen und im Kontakt mit stark diversen Charakteren ein Verständnis für soziale Kontexte, in denen und durch die Gefühle entstehen, entwickelt werden, um einander mit Offenheit und Respekt zu begegnen.
Empathie bedeutet Resonanzfähigkeit, das Teilen und Verstehen von Gefühlslagen. Mitgefühl schafft dagegen die Möglichkeit, sich um andere zu kümmern und zu sorgen, und ist damit eine wichtige Voraussetzung für gute Mitarbeiterführung und Kundenzufriedenheit. Empathische Mitarbeiterführung ist ein aktiver Prozess des einfühlenden Verstehens, der mit korrigierender, akzeptierender und wertschätzender Haltung einhergeht. Empathie fördert Motivation, Engagement und die Leistungsbereitschaft von Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeitern und ist daher ein wesentlicher Bestandteil der Führungskompetenz sowie eine Voraussetzung für das Führen von selbstorganisierten Gruppen und Teams. Einfühlung ist also ein aktiver und kreativer Vorgang.
Empathisches Miteinander erfordert die Fähigkeit, sich als Akteurin bzw. Akteur fiktiv in Geschichten, Themen, inneren Szenen anderer Menschen hineinzuversetzen, entsprechend zu handeln und darüber hinaus andere Standpunkte zu verstehen, also die Welt mit anderen Augen zu sehen und zu begreifen. Damit wird es möglich, Sympathie zu erleben, die Gefühle anderer nachzuvollziehen sowie die eigene Betroffenheit zu erkennen und zu zeigen. Wie fühlt es sich als Mitarbeiterin bzw. Mitarbeiter oder als Kundin bzw. Kunde an, in dieser oder jener Situation zu sein? Was braucht es im Hier und Jetzt? Indem man deren Fühlen und Erleben aus der Umfeldperspektive betrachtet, fühlt man sich in die Gedankenwelt von Mitmenschen eingebettet und versucht, die Handlungsimpulse des Gegenübers nachzuempfinden. Dies gibt einem die Möglichkeit, realistische, quergedachte und doch klare und authentische Lösungen für Probleme zu finden; ganz im Gegensatz zu einem aufgesetzten oder manipulativen Verhalten, bei dem man mit eingelernten Floskeln zum Gegenüber spricht und ein Ziel pusht. Hat man empfunden, was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder Kundinnen und Kunden empfinden, kann man Situationen (zum Beispiel Mitarbeiter- und Kundenprozesse) emotional ansprechend designen und die jeweiligen Bedürfnisse besser erfüllen.
Die unbefriedigten Bedürfnisse unserer sozialen Umgebung sind die Lücken, die sich durch innovative Produkte und wertvolle sowie nützliche Dienstleistungen schließen lassen. Das empathische und emotionale Erleben sowie die Fähigkeit, zwischen den Datenzeilen mitlesen zu können, ermöglicht auch im digitalen Raum eine menschliche Begegnung. Dieses Wissen und Verständnis öffnen ein Fenster in die weite Welt.
Psychologen wie Arno Gruen9 und Carl Rogers10 weisen auf eine angeborene, nicht determinierte Empathiefähigkeit bereits bei Kleinkindern hin. Rupert Lay11 erforschte die frühkindliche Empathie und untersuchte die Fähigkeit von Babys, in der Kommunikation mit ihren Bezugspersonen die eigenen Grenzen und die Grenzen anderer intuitiv zu erkennen. Im Laufe der ersten beiden Lebensjahre wird diese angeborene intuitive Fähigkeit allerdings abgebaut und durch kulturelle Einflüsse ersetzt bzw. überformt. Im Erwachsenenalter kann man auf diese „roots of empathy“ aufbauen und durch entsprechende methodische Settings und narrative Empathieszenen eine erwachsenengerechte Form von Empathie einüben.
Insgesamt sind zukunftsfähige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefordert, die folgenden Kompetenzen12 zu entwickeln bzw. zu stärken:
Upskilling: In allen bestehenden Jobs müssen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darin geschult werden, die zur Verfügung stehenden (neuen) Technologien einzusetzen und anzuwenden. Dazu ist die Einschulung in digitale Tools und Methoden notwendig.
Digital reskilling: Durch die Digitalisierung entstehen neue Anforderungen an die Arbeit, an die Zusammenarbeit sowie an die Entwicklung von Prozessen, Produkten und Services. Auch hier sind neue Fähigkeiten zu vermitteln.
Human reskilling: Da sich die gesamte Arbeitswelt verändert, benötigen Organisationen Führungskräfte sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich gegenseitig auf Veränderungen vorbereiten, sich austauschen sowie zum Lernen und zum Entwickeln neuer Fähigkeiten motivieren. Deshalb ist ein erweitertes Einfühlungsvermögen sowohl im Innenverhältnis eines Betriebs als auch im Umgang mit Kundinnen und Kunden sowie Lieferanten oder Zulieferern nötig. Um sich auf neue digitale Angebote einzulassen und diese nutzbar zu machen, ist ebenso ein vertrauensvoller Umgang miteinander erforderlich.
Metaskills: Selbstorganisation, Führungs-, Anpassungs- und Teamfähigkeit sowie Kreativität sind grundsätzlich wichtig, weil lebenslanges Lernen und die Fähigkeit, sich auf berufliche Veränderungen einzulassen, im Zeitalter der Digitalisierung immer wichtiger werden.
Upskilling und Reskilling sind kurzfristige Maßnahmen, mit denen Unternehmen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schulen können, um gleich zu Beginn eines Innovationsprozesses auf technologische Veränderungen zu reagieren. Metaskills hingegen sind langfristig benötigte Fähigkeiten, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Lage versetzen, sich auch dauerhaft auf Veränderungen einzustellen und sich weiterzuentwickeln.
UPSKILLING HUMANSKILLING
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Geringere Anwesenheit bei höherer Produktivität?
In Österreich liegt die Teilzeitquote bei den Erwerbstätigen bezogen auf das Jahr 2017 bei 29,15 Prozent. 1.224.900 Personen waren 2017 teilzeitbeschäftigt.
Teilzeitbeschäftigung ist weiblich. 47,75 Prozent der Frauen und 11,9 Prozent der Männer arbeiten nicht im Vollzeitmodus, so die Statistik Austria.13 Mittlerweile kommen hierzulande auf 100 Vollzeitstellen fast 38 Teilzeitjobs.
Im Zehnjahresvergleich erhöhte sich die Teilzeitquote der Frauen von 40 Prozent (2006) auf fast 48 Prozent (2016). In der EU verzeichnet Österreich damit, knapp vor Deutschland, den zweithöchsten Wert. An der Spitze befinden sich die Niederlande - allerdings auch bei Männern. Im EU-Schnitt liegt die Teilzeitquote bei 32,6 Prozent. Bei den Männern zeigt sich ebenfalls eine Zunahme der Teilzeitbeschäftigung von 6,6 Prozent (2006) auf 11,8 Prozent (2016).
Vor dem Hintergrund der in Österreich seit September 2018 gesetzlich erlaubten Tagesarbeitszeit auf zwölf Stunden sind einige Details durchaus interessant. Demnach arbeitete eine österreichische Vollzeitkraft zuletzt im Schnitt nur mehr 34,2 Stunden pro Woche. Unter statistischer Einbeziehung der Teilzeitkräfte lag die Zahl der geleisteten Wochenstunden sogar nur mehr bei durchschnittlich 28,9 Stunden. Dies entspricht einem Rückgang um drei Stunden seit 1995. Dieser statistische Wert entstand durch die Bereinigung der Daten um Krankenstände und freie Tage.
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Balance zwischen Spannung und Entspannung Hochleistung und Entspannung müssen ausbalanciert sein. Laut einer Studie der Universität St. Gallen, die sich mit Fragen der „gesunden Führung“ beschäftigt, gibt es in 44 Prozent der befragten Unternehmen nach anstrengenden Veränderungsphasen gezielte Auszeiten zur Regeneration.14 Das verbessert die psychische Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um 23 Prozent und die Unternehmensleistung steigt um sechs Prozent. In 45 Prozent der Unternehmen sind Auszeiten und Reflexionsmomente in der Unternehmenskultur verankert. Dadurch kann die psychische Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um 22 Prozent verbessert werden und die Unternehmensleistung steigt um zehn Prozent. Psychisch gesunde Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter identifizieren sich um 54 Prozent häufiger mit dem Unternehmen, fühlen sich um 23 Prozent stärker integriert, sind um 30 Prozent zufriedener und zeigen um 26 Prozent mehr Bindung als jene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit psychischen Gesundheitsproblemen zu kämpfen haben. Darüber hinaus wirkt sich die psychische Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter positiv auf die Unternehmensleistung (plus 15 Prozent), das Engagement (plus 19 Prozent) und das Wohlbefinden (plus 30 Prozent) aus. Gleichzeitig sind bei Unternehmen mit psychisch gesünderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern negative Faktoren wie Kündigungsabsicht (minus 75 Prozent), destruktives Engagement (minus 63 Prozent) und Resignation (minus 52 Prozent) deutlich niedriger ausgeprägt. Verstärkt die Digitalisierung die soziale Ungleichheit?
In der nächsten Phase der Digitalisierung und Automatisierung könnten sich die bereits heute bestehenden Einkommensunterschiede verstärken. Denn jene Berufe, bei denen soziale Intelligenz, Kreativität, Wahrnehmung oder Feinmotorik im Vordergrund stehen, werden an Bedeutung gewinnen und höhere Einkommen erzielen können.15 Berufe, bei denen wiederholende, niedrigkomplexe und einfache Arbeiten dominieren, werden häufiger standardisiert und automatisiert werden und an Bedeutung verlieren. Die dadurch steigende soziale Ungleichheit könnte zur Gefahr des globalen Wirtschaftswachstums werden. Bewährtes Arbeiten aufzugeben, hat also Tücken. Agile Führung, Beteiligung und demokratische Entwicklung der Organisation sind zwar wichtig, können aber auch gesellschaftliche Nebenwirkungen nach sich ziehen, die durch präventive Maßnahmen zumindest gemildert werden sollten.
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Wie schnell schreitet die Digitalisierung voran?
Untersuchungen in Deutschland zufolge gibt es im Hinblick auf den Digitalisierungsfortschritt signifikante Unterschiede zwischen großen und kleinen Unternehmen. Große Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern erzielen demnach 63 von 100 Punkten, bei den Mittelständlern mit 100 bis 499 Mitarbeitern liegt der Wert bei 58 Punkten, während kleinere Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitern nur 53 Punkte erreichen. Dabei stehen null Punkte für „überhaupt nicht digitalisiert“ und 100 Punkte für „vollständig digitalisiert“. Die Gründe für diese Differenz liegen in der Investitionskraft, im Knowhow und in der Kompetenzausstattung. Auf einer Skala von null bis 100 Punkten erreichen alle von Bitkom16 befragten Unternehmen beim Digital Office Index einen Durchschnitt von 54. Zwei Drittel der Unternehmen sind im Hinblick auf das Digitalisierungsniveau up to date: 16 Prozent sind Vorreiter in ihrem Bereich, elf Prozent mit überdurchschnittlichem Digitalisierungsfortschritt ausgestattet und 40 Prozent liegen im Durchschnitt. Ein Drittel der Unternehmen hat im Bereich der Digitalisierung einen mehr oder weniger großen Nachholbedarf: 21 Prozent sind unterdurchschnittlich weit entwickelt, zwölf Prozent sind als Nachzügler zu werten.
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Eine empirische Untersuchung des „Institutes für Führung und Leistung“ der Universität St. Gallen17 weist in einer Befragung zum Thema Gesunde Führung von 13.343 Personen in 87 Unternehmen zum Thema Speed, Performance und Gesundheit nach, dass lediglich 14 Prozent sogenannte High-Speed Unternehmen sind. Im Vergleich zu Unternehmen mit niedrigem Speed sind HighspeedUnternehmen deutlich erfolgreicher - sowohl bezogen auf ihre Gesamtunternehmensleistung (plus 17 Prozent) als auch in Bezug auf Effizienz (plus 20 Prozent), Innovationen (plus sechs Prozent), Unternehmenswachstum (plus 24 Prozent) und Mitarbeiterzufriedenheit (plus 17 Prozent). Speed lohnt sich also nicht nur kurz- und langfristig für die Leistung von Unternehmen, sondern fördert auch das Wohlergehen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Arbeitgeberattraktivität.18
Es gibt unterschiedliche Speed-Dimensionen. Während die Umsetzungsspeed die Geschwindigkeit beschreibt, mit der Unternehmen oder Teams Resultate erarbeiten, Entscheidungen umsetzen und effiziente Ergebnisse erzielen, zeigt die Innovationsgeschwindigkeit auf, wie rasch Unternehmen mit ihren Teams innovative Ideen und komplexe Problemlösungsmöglichkeiten hervorbringen. Die Changespeed beschreibt, wie schnell Unternehmen und Teams auf Markttrends reagieren und diese in den Veränderungsprozessen umsetzen, und misst somit die Geschwindigkeit, wie rasch neues Wissen und neue Technologien integriert und genutzt werden können. Das Speed Mindset beschreibt eine positive Mitarbeitergrundhaltung und die Präferenz für das Thema Geschwindigkeit im Unternehmen.
Laut einer Studie von Teece u. a.19 fordern die zunehmende Verdichtung des Arbeitsalltags, die gleichzeitige Agilisierung von Prozessen, die immer stärkere digitale Vernetzung sowie die ansteigenden Innovationsraten von Unternehmen hohe Geschwindigkeiten. Wie schafft man es also, die Geschwindigkeit in der Organisation zu erhöhen, ohne gleichzeitig - wie bei 50 Prozent der Unternehmen untersucht und erkannt - in eine sogenannte Beschleunigungsfalle zu tappen, also in eine kollektive Überhitzung der gesamten Organisation20, welche langfristig in erhöhten Krankheitsund Fluktuationsraten resultiert.21
Um die Beschleunigungskultur zu ändern, kann Geschwindigkeit aktiv gefördert werden. Einer der ersten Schritte besteht darin, von der Präventionsorientierung mit dem Fokus auf Fehlervermeidung, Angst und Sicherheit wegzukommen und sich einer proaktiven Entwicklung mit gleicher Geschwindigkeit und in die gleiche Richtung zuzuwenden. Sonst kommt es im Unternehmen zu einem gegenseitigen Ausbremsen und zu Leerläufen. Weiters sollten die sieben Speedprinzipien berücksichtigt werden. Diese lauten: Gegenseitiges Vertrauen ist Basis für Speed, jeder bzw. jede und alles dient den gemeinsamen Zielen, „Garagen“ fördern eine schnellere Lösungsfindung, „Emotion Cycles“ ermöglichen Regeneration und Höchstleistung, zwei Welten sind transparent zu trennen: Innovation und Exekution.
Speed bedeutet nicht immer Vollgas. Auffällig sind hier Taktung und der Gleichklang als Voraussetzung für Geschwindigkeit. Der Fokus und das gleiche Verständnis der Teamaufgabe und ein Zurücktreten der individuellen Ziele erhöhen die Geschwindigkeit und die Performance. Die Belohnungskultur einschließlich der Bezahlungssysteme müssen dabei auf das Team gerichtet sein und nicht auf die Einzelleistung. Doch es braucht auch freie Arbeitszeitmodelle, Wahlarbeitszeit, Sabbaticals und andere Möglichkeiten der Auszeiten, um die Geschwindigkeit gesund zu realisieren und Erschöpfung zu vermeiden. Führungskräfte und Mitarbeiter mit einem Speed Mindset sind dabei im Vorteil. Durch ihre Bevorzugung von Geschwindigkeit, Arbeiten unter Duck, positivem Umgang mit Wettbewerb und gleichzeitig einer Hands-on-Mentalität in Kombination mit hoher Resilienz, Chancenorientierung sowie Freude und Begeisterung am gemeinsamen Handeln wird eine gesunde Erbringung von Höchstleistungen ermöglicht.
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Digitalisierung und rasche Tätigkeitsverlagerung würden der EU einen massiven Wachstumsschub ermöglichen Zum Stand der Digitalisierung in Europa 2017 insgesamt liegt der „Europe's Digital Progress Report“22 mit allen Länderprofilen vor. Österreich nimmt dabei unter den 28 EU-Mitgliedsstaaten seit mehreren Jahren unverändert den zehnten Platz ein. Die Digitalisierungsfortschritte entsprechen etwa dem EU-Schnitt. Bei den digitalen öffentlichen Diensten (E-Government) und beim Humankapital (digitalen Kompetenzen) schneidet Österreich überdurchschnittlich gut ab. Ebenso über dem EU-Durchschnitt liegt die Digitalisierungstechnik in den Unternehmen. Die Onlineinteraktion der Österreicherinnen und Österreicher erreicht - trotz günstiger Breitbandpreise - genau den EU-Durchschnittswert. Unterdurchschnittlich entwickelt ist dagegen die Nutzung von Internetdiensten, obwohl Onlineeinkäufe und Onlinebanking verhältnismäßig weit verbreitet sind. Vor allem Videoanrufe, aber auch soziale Netzwerke werden in Österreich weniger genutzt.
Das Beschäftigungsausmaß verschiebt sich - der Gender Pay Gap auch Während vollbeschäftigte Frauen im Jahr 2016 um 16 Prozent weniger verdienten als vollbeschäftigte Männer, verdienten teilzeitbeschäftigte Frauen um 38 Prozent weniger als teilzeitbeschäftigte Männer. In der EU wird der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern23 einheitlich für alle Mitgliedsstaaten anhand der durchschnittlichen Bruttostundenverdienste in der Privatwirtschaft berechnet. Im Vergleich zu 2006 (25,5 Prozent) hat sich der Gender Pay Gap in Österreich im Jahr wichtige Voraussetzungen. Wie die Aufgaben und Verantwortungsbereiche aufgeteilt sind, entscheidet das Tandem selbst. Da jeder Funktionsbereich, jede Abteilung und jedes Team individuelle Bedürfnisse, Erwartungen und Anforderungen hat, müssen jeweils individuelle Lösungen zwischen den Tandems untereinander und ihren Teams gefunden werden.
Flexible Arbeitszeitbedingungen und Jobsharing machen Arbeitgeber attraktiv Langfristig gesehen wird sich in der künftigen Arbeitswelt im Hinblick auf flexible Einsatzmöglichkeiten von Fach- und Führungskräften viel verändern. Flexibilisierung, Desksharing, Homeoffice, virtuelle und fluide Teams sind nur einige der diesbezüglichen Stichworte. Unternehmen können es sich zukünftig schlicht und einfach immer weniger leisten, wegen mangelnder Flexibilität auf gute Fach- und Führungskräfte zu verzichten. Die Öffnung der Strukturen von Büros und Produktionsstätten sowie die flexiblen räumlichen Bedingungen innerhalb der Unternehmung bewirken zudem auch einen mentalen Wandel hin zu mehr Offenheit, Eigenverantwortung und Beweglichkeit.
Ein Grund für die bei vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern feststellbaren Bedürfnisse nach Verringerung der Arbeitszeit dürfte in der Verschlechterung der Beschäftigungsbedingungen durch nicht sozialverträgliche Flexibilisierungstendenzen liegen. Die nicht sozialverträgliche Arbeitszeitflexibilisierung hat in manchen Unternehmen ein Niveau erreicht, das die betrieblich ausgehandelten Kompromisse sprengt und für Konflikte sorgt. Dies betrifft insbesondere die mit den privaten und oft auch familiären Interessen unvereinbare Ausweitung der Betriebszeiten in die Nacht und auf das Wochenende.
Sozial verträglich gestaltete und auf die individuellen Bedürfnisse der Fach- und Führungskräfte ausgerichtete flexible Arbeitsbedingungen wirken sich dagegen positiv auf die Motivation und auf die Identifikation des Arbeitnehmers bzw. der Arbeitnehmerin mit dem Unternehmen aus. Im Krankheitsfall eines der Fach- oder Führungskräfte kommt es nicht zum Totalausfall. Stattdessen kann der Partner bzw. die Partnerin vieles auffangen. Dies führt letztlich wieder zu einer Kostenreduktion.
[...]
1 Die genauen bibliografischen Daten zu den Literaturangaben im vorliegenden Beitrag finden sich - sofern sie nicht in den Fußnoten angegeben sind - im Literaturverzeichnis im Schlussteil des vorliegenden Buches.
2 Matthes, Britta ; Weber, Enzo (2017) Veränderungen der Arbeitswelt. Zu den Auswirkungen der Digitalisierung und des demografischen Wandels für Geringqualifizierte. IAB-Stellungnahme 1/2017. URL: http://doku.iab.de/stellungnahme/2017/sn0117.pdf.
3 Nagl, Wolfgang; Titelbach, Gerlinde; Valkova, Katarina (2017) Digitalisierung der Arbeit: Substituierbarkeit von Berufen im Zuge der Automatisierung durch Industrie 4.0. URL: https://www.ihs.ac.at/fileadmin/public/2016_Files/Documents/20170412_IHS- Bericht_2017_Digitalisierung_Endbericht.pdf.
4 Siehe dazu im Interview mit Helmut Mahringer und Julia Bock-Schappelwein (Zukunft des Arbeitsmarkts ...) weiter oben im vorliegenden Buch.
5 Trending Topics, Digitale Heldinnen und Helden braucht das Land.: http://www.iaq.uni-due.de/iaq- report/2018/report2018-03.pdf
6 Jaehrling, Karen; Obersneider, Monika; Postels, Dominik (2018) Digitalisierung und Wandel von Arbeit im Kontext aktueller Marktdynamiken. Empirische Befunde zum Zusammenspiel von Innovationen, Beschäftigung und Arbeitsqualität. IAQ-Report 03/2018. URL: http://www.iaq.uni- due.de/iaq-report/2018/report2018-03.pdf.
7 Peneder, Michael; Bock-Schappelwein, Julia; Firgo, Matthias; Fritz, Oliver; Streicher, Gerhard (2016) Österreich im Wandel der Digitalisierung. URL: https://www.wifo.ac.at/jart/prj3/wifo/resources/person_dokument/person_dokument.jart7publikationsid =58979&mime_type=application/pdf.
8 Ein wahrscheinlicher Grund dafür - so die Einschätzung der o. g. WIFO-Experten - ist die gute Differenzierung der mittleren Ausbildung.
9 Arno Gruen 1997.
10 Carl Rogers, URL: https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/10439/1/Endfassung.pdf.
11 Lay, Weisheit für Unweise. S. 91, URL: https://www.rupert- lay.de/download/Lay_Weisheit_f%C3%BCr_Unweise.pdf
12 Ashoka, Mckinsey, URL: https://www.ashoka.org/sites/default/files/atoms/files/2018_the_skilling_challenge_ashoka_mckinsey.p df
13 Statistik Austria Teilzeitquote 2017.
14 Bruch/Kowalewski 2010.
15 Bowles 2014.
16 Bitkom (2018) Digital Office Index 2018. URL: https://www.bitkom.org/Bitkom/Publikationen/Bitkom- Digital-Office-Index-2018.html.
17 Dr. Sarah Genner: IAP Studie 2017: Der Mensch in der Arbeitswelt.
18 Teece David, Peteraf Margarete & Leih Sohvi. (2016). Dynamic capabilities and organizational agility: Risk, uncertainty, and strategy in the innovation economy.California Management Review,58(4), 13-35.
19 Ebd.
20 Bruch/Menges 2010.
21 Bruch/Kowalewski 2010.
22 EDPR, URL: http://ec.europa.eu/newsroom/document.cfm?doc_id=44285.
23 Statistik Austria, Gender Pay Gap 2016.
- Quote paper
- Ursula della Schiava-Winkler (Author), 2019, Veränderung der Arbeitswelt und zukünftige Unternehmenskulturen. Gründe und agile, digitale als auch kooperative Möglichkeiten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/542162
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