Der Löwe bestimmt maßgeblich die epische Handlung des Artusromans „Iwein“ von Hartmann von Aue. Die Forschung ist sich in dem Punkt, dass die Begegnung Iweins mit dem Löwen thematisch und strukturell bedeutungsvoll ist, einig. Umstritten ist allerdings die Symbolik des Löwen und inwiefern die Gemeinschaft zwischen dem Artusritter und seinem Gefährten als höfische Freundschaft bezeichnet werden kann. Deshalb beschäftige ich mich in dieser Arbeit mit der Beziehung zwischen Iwein und dem Löwen. Mein Ziel ist es, die These, dass es sich bei der Gemeinschaft zwischen Iwein und dem Löwen um eine spezielle Art der höfischen Freundschaft handelt, zu überprüfen. Kernelement der Ausarbeitung ist dabei die Analyse der Beziehung im Hinblick darauf, ob es sich um eine höfische Freundschaft unter Waffenbrüdern handelt, der Löwe also die höfischen Tugenden eines Ritters symbolisiert. Um beurteilen zu können, ob die Gemeinschaft mit einer Freundschaft zwischen Rittern verglichen werden kann, spielt das mittelalterliche Verständnis von Freundschaft eine entscheidende Rolle. Im 2. Kapitel fasse ich deshalb wichtige Eigenschaften der höfischen Freundschaft des Mittelalters zusammen. Dabei konzentriere ich mich auf Aspekte, die in der Literatur diskutiert werden. Ob sich die Eigenschaften und Tugenden der höfischen Freundschaft auf die Gemeinschaft des Ritters Iwein mit dem Löwen übertragen lassen, untersuche ich im 3. Kapitel. Die Arbeit endet mit der Auswertung und der Diskussion (4. Kapitel).
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Eigenschaften höfischer Freundschaft
2.1 Der Freund als Vorbild
2.2 Bereitschaft zum dienest
2.3 Bewährung der Freundschaft
2.4 triuwe als Grundkraft der Freundschaft
2.5 einvalt: vollkommene Verbundenheit der Freunde
2.6 Die Ausdrucksgebärden der Freundschaft
2.7 Die Anrede vriunt
2.8 Gegenseitige Achtung und Anerkennung
3. Analyse der Gemeinschaft zwischen Iwein und dem Löwen
3.1 Der Freund als Vorbild
3.2 Bereitschaft zum dienest
3.3 Bewährung der Freundschaft
3.4 triuwe als Grundkraft der Freundschaft
3.5 einvalt: vollkommene Verbundenheit der Freunde
3.6 Die Ausdrucksgebärden der Freundschaft
3.7 Die Anrede vriunt
4. Auswertung und Diskussion
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Der Löwe bestimmt maßgeblich die epische Handlung des Artusromans „Iwein“ von Hartmann von Aue. Die Forschung ist sich in dem Punkt, dass die Begegnung Iweins mit dem Löwen thematisch und strukturell bedeutungsvoll ist, einig. Umstritten ist allerdings die Symbolik des Löwen und inwiefern die Gemeinschaft zwischen dem Artusritter und seinem Gefährten als höfische Freundschaft bezeichnet werden kann.
Deshalb beschäftige ich mich in dieser Arbeit mit der Beziehung zwischen Iwein und dem Löwen. Mein Ziel ist es, die These, dass es sich bei der Gemeinschaft zwischen Iwein und dem Löwen um eine spezielle Art der höfischen Freundschaft handelt, zu überprüfen. Kernelement der Ausarbeitung ist dabei die Analyse der Beziehung im Hinblick darauf, ob es sich um eine höfische Freundschaft unter Waffenbrüdern handelt, der Löwe also die höfischen Tugenden eines Ritters symbolisiert. Um beurteilen zu können, ob die Gemeinschaft mit einer Freundschaft zwischen Rittern verglichen werden kann, spielt das mittelalterliche Verständnis von Freundschaft eine entscheidende Rolle.
Im 2. Kapitel fasse ich deshalb wichtige Eigenschaften der höfischen Freundschaft des Mittelalters zusammen. Dabei konzentriere ich mich auf Aspekte, die in der Literatur diskutiert werden.
Ob sich die Eigenschaften und Tugenden der höfischen Freundschaft auf die Gemeinschaft des Ritters Iwein mit dem Löwen übertragen lassen, untersuche ich im 3. Kapitel.
Die Arbeit endet mit der Auswertung und der Diskussion (4. Kapitel).
2. Die Eigenschaften höfischer Freundschaft
Nur die des Guten oder der Tugend wegen eingegangenen Freundschaften verdienen diesen Namen und bestehen langfristig. […] Ähnlichkeit schafft Freundschaft, wie in der Natur auch Ähnliches zueinander findet.[1]
Diese sehr allgemeine Definition von Freundschaft aus mittelalterlicher Sicht greift zwei sehr wichtige Aspekte auf: Bestimmte Tugenden bilden die Basis der Freundschaft, und generell werden Gemeinschaften ebenbürtiger Personen (z.B. Ritter) als Freundschaft bezeichnet. Die „geistige Teilnahme am Ergehen des anderen in Freude und Schmerz und […] helfendes Eingreifen oder Raten“[2] sind die typischen und entscheidenden Merkmale der höfischen Freundschaft. Dadurch unterscheidet sich die höfische Freundschaft von der „im geistigen, diskutierenden Austausch gelebte antike und mittelalterliche geistliche Freundschaft“[3]. Während die christliche Freundschaft durch die „Reflexion über das Wesen der gegenseitigen Bindung und […] diskutierender Selbstmitteilung und Spiegelung im anderen“[4] geprägt ist, steht bei der höfischen Freundschaft die „praktische Lebensgemeinschaft“[5] im Vordergrund.
„Die ritterliche Freundschaft der Heldenepik und des höfischen Romans (erwächst) aus der ständisch bestimmten Kampfgemeinschaft, die zu gegenseitigem Rat und Beistand verpflichtet.“[6] Das Fundament der höfischen Freundschaft setzt sich aus gegenseitiger Zuneigung, Vertrautheit, Verbundenheit und Liebe zusammen. Charakteristisch für die höfische Freundschaft sind demnach Wertevorstellungen, die sich aus der höfischen Kultur und dem ritterlichen Tugendsystem deduzieren lassen. Die wichtigsten der hier aufgeführten Aspekte werden im Folgenden detaillierter vorgestellt.
2.1 Der Freund als Vorbild
Höfische Freundschaften zeichnen sich dadurch aus, dass eine Person – meistens die ältere und in höfischer Gesittung vollkommene – die Vorbild-Funktion übernimmt, d.h., dass sie Tugenden verkörpert, an denen sich der Freund orientieren kann. Durch die Gemeinschaft mit dem tugendhaften Vorbild wird der Freund zur Nachfolge aufgefordert[7]. Auf Grund der Vorbild-Funktion übernimmt diese Person die Leitung der Freundschaft und somit auch eine Berater-Rolle. Doch trotz dieses Unterschiedes sind die Freunde in Bezug auf Recht und Stellung gleich; sie sind Gleichgestellte innerhalb einer bestimmten Personengruppe. „Keine Pflicht bindet sie aneinander, nur die freie Neigung, das gegenseitige Vertrauen und die Achtung des Jüngeren vor der Autorität des Älteren.“[8]
Ein Aspekt, der die Gleichheit der freundschaftlich verbundenen Gefährten unterstreicht, ist, dass Liebe sich nur dann entwickeln kann, wenn „sittliche und ritterliche Vollkommenheit in gleichem Maße vorhanden ist“[9]. Die Aufgabe des Älteren besteht folglich darin, in seinem jüngeren „Gesellen“ die Anlagen zur Vollkommenheit zu erkennen und diese in einer Freundschaft durch Vorbild und Rat zu fördern.
2.2 Bereitschaft zum dienest
Mit dienest wird im Mittelalter der Dienst für den Freund oder Verwandten bezeichnet[10]. Die Bereitschaft zum dienest, eine allgemeine Verpflichtung zu Hilfe und Beistand in der Heldenepik, wird in dem höfischen Roman auf die Freundschaft übertragen[11]. Diese Verpflichtung bezieht sich konkret auf Schutz, Rat und Beistand in Gefahren- und Kampfsituationen und somit auf die Verteidigung der êre des Freundes unter Einsatz des eigenen Lebens. Tritt man in einem Kampf für die Interessen seines Freundes ein, so drückt man dadurch seine freundschaftliche Verbundenheit, Zuneigung und Ergebenheit aus. Der Einsatz des Lebens dient als ein Beweis für die vollkommene Liebe. Konnten die Freunde ihren gegenseitigen Beistand über einen längeren Zeitraum unter Beweis stellen, ist die Freundschaft durch Vertrautheit[12] gekennzeichnet.
2.3 Bewährung der Freundschaft
Die staete (Beständigkeit, Festigkeit, Zuverlässigkeit) zählt zu den wichtigsten Tugenden des Mittelalters; sie ist zum Beispiel eine Grundbedingung der hôhen minne [13]. Aber auch die Freundschaft zwischen Rittern sollte durch staete geprägt sein: „Freundschaft unverbrüchlich zu halten – auch dann, wenn den anderen seine Bestimmung aus dem Artuskreis hinausführt“[14] – das ist die Anforderung, die eine Freundschaft in der höfischen Welt erfüllen muss. Beständigkeit bezieht sich u. a. auf den dienest, also auf die gegenseitige Bereitschaft, sich bis zum Tod beizustehen, auch wenn dieser „Freundschaftsdienst“ mit dem Leben bezahlt werden muss. Die freundschaftlichen Gefühle gelten als bewährt, wenn es zum Einsatz des eigenen Lebens zum Schutz des Freundes kommt. Als schwerste Prüfung für die Freunde gilt ein unbeabsichtigter Zweikampf. Ein Beispiel hierfür ist der Zweikampf zwischen Iwein und seinem Freund Gawein[15].
2.4 triuwe als Grundkraft der Freundschaft
„Treue ist im Mittelalter vor allem rechtlich ein als konstituierend verstandenes Element einer Personenbeziehung, besonders der von Lehnsherrn und Vasall. Sie (manifestiert) sich in wechselseitigen Leistungen (z.B. Kriegsdienst).“[16] Die triuwe (Treue) zählt zu den höchsten Tugenden[17] des Mittelalters und ist somit die „Grundkraft der Freundschaft“[18]. Höfische Freundschaft ist durch „unverlierbare Treue“[19] gekennzeichnet. Die Bedeutung des Wortes triuwe referiert auf die Verlässlichkeit der jeweiligen Person und auf die von ihr eingegangenen Bindungen und Verpflichtungen[20].
Freundschaft basiert außerdem auf „ getriuwen muot“ [21] (muot kann in diesem Zusammenhang mit Charakter, Empfinden, Sinn, Gemüt übersetzt werden), also auf treuem, ehrlichem Empfinden oder ehrlichen, zuverlässigen und beständigen Gefühlen.
2.5 einvalt:vollkommene Verbundenheit der Freunde
Einvalt (im Sinne von „einsseiend“, unteilbar, vollkommen) als eine Eigenschaft der höfischen Freundschaft bedeutet, dass sich die „Herzen als Ausdruck des geistigen Innen miteinander zu einer unlöslichen Gemeinschaft verbinden“[22]. Zwischen den Partnern besteht demnach eine vollkommene Verbundenheit.
[...]
[1] Lexikon des Mittelalters. Herausgegeben von Robert-Henri Bautier. München/Zürich 1989.
[2] Xenja von Ertzdorff: Höfische Freundschaft. In: Deutschunterricht 14 (1962). S. 35-51. S. 44.
[3] Xenja von Ertzdorff. S. 44.
[4] Xenja von Ertzdorff. S. 51.
[5] Xenja von Ertzdorff. S. 51.
[6] Xenja von Ertzdorff. S. 37.
[7] vgl. Xenja von Ertzdorff. S. 40 und S. 42.
[8] Xenja von Ertzdorff. S. 43.
[9] Xenja von Ertzdorff. S. 49.
[10] vgl. Otfrid Ehrismann: Ehre und Mut, Âventiure und Minne: höfische Wortgeschichten aus dem Mittelalter. München 1995. S. 42.
[11] vgl. Xenja von Ertzdorff. S. 40.
[12] vgl. Xenja von Ertzdorff. S. 39.
[13] vgl. Otfrid Ehrismann. S. 210.
[14] Xenja von Ertzdorff. S. 40.
[15] vgl. Hartmann von Aue: Iwein. Text der siebenten Ausgabe von G. F. Benecke, K. Lachmann und L. Wolff. Übersetzung und Nachwort von Thomas Cramer. 4. Auflage. Berlin/New York 2001. Z. 6907-7589.
[16] Sachwörterbuch der Mediävistik. Herausgegeben von Peter Dinzelbacher. Stuttgart 1992.
[17] vgl. Otfrid Ehrismann. S. 212.
[18] Xenja von Ertzdorff. S. 48.
[19] Xenja von Ertzdorff. S. 39.
[20] vgl. Otfrid Ehrismann. S. 213.
[21] Xenja von Ertzdorff. S. 43–44.
[22] Xenja von Ertzdorff. S. 49.
- Arbeit zitieren
- Verena Abthoff (Autor:in), 2003, Höfische Freundschaft: Der Löwe im "Iwein" von Hartmann von Aue, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54156
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