Das Erleben und Verhalten von Konsumenten wird maßgeblich über die Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsprozesse eines Individuums bedingt. Um die Neugier der Kunden aufrechtzuerhalten, entwickelt der Handel daher immer wieder neue Konzepte. Dabei gewinnen Pop-Up-Stores zunehmend an Bedeutung.
Welchen Einfluss hat die Emotion Neugier auf das Kaufverhalten der Kunden? Wie funktioniert Guerilla-Marketing? Steigt die Bereitschaft zur Weiterempfehlung, wenn Kunden einen Pop-Up-Store besuchen? Inwiefern beeinflusst die Neugier auf einen Pop-Up-Store die Kaufabsicht?
Martina Töpfer gibt einen umfassenden Überblick über das innovative Handelsformat Pop-Up-Stores. Sie zeigt, wie Einzelhändler, Projektentwickler und Städte mit solchen Temporary-Stores sowohl die Neugier als auch das Kaufinteresse von Kunden wecken können. Dabei fokussiert sie sich auf den Einfluss von Emotionen auf die Verhaltensabsicht von Individuen.
Aus dem Inhalt:
- Word of Mouth;
- Neugier;
- Retail;
- Guerilla-Marketing;
- Emotionen;
- Kaufabsicht
Inhaltsverzeichnis
Über die Autorin
Zusammenfassung
Abstract
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Aufbau und Relevanz der Arbeit
2 Theoretischer Rahmen
2.1 Von der selektiven Wahrnehmung hin zur verhaltensbezogenen Reaktion eines Individuums – eine psychologisch wissenschaftliche Betrachtung
2.2 Neugier im Konsumentenverhalten als Voraussetzung für Guerilla-Marketing und die Entwicklung aktueller Handelsformate
2.3 Pop-Up-Stores – Ein innovatives Handelsformat
2.4 Pop-Up-Stores, Emotionen und Verhalten
2.5 Forschungsfrage und theoriegeleitete Hypothesen
3 Methodisches Vorgehen
3.1 Erhebungsinstrument und Fragebogenaufbau
3.2 Fragebogenerhebung und Untersuchungsdurchführung
4 Statistische Auswertung und Ergebnisdarstellung
4.1 Datenanalyse und -bereinigung
4.2 Deskriptive soziodemografische Auswertung
4.3 Hypothesenbezogene Auswertung
4.4 Auswertung der Nebenhypothesen
5 Diskussion, Reflexion und Ausblick
5.1 Diskussion der Ergebnisse
5.2 Kritische Reflexion der Studie und Forschungsausblick
5.3 Implikationen für die Praxis
5.4 Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang Bilderauswahl für den Fragebogen mit Quellenangaben
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Impressum:
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Ein Imprint der GRIN Publishing GmbH, München
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Über die Autorin
Martina Töpfer ist seit 7 Jahren selbstständig als systemischer Coach & Organisationsberaterin mit Sitz in Düsseldorf tätig (www.martinatoepfer.com).
Sie berät Unternehmen in der Mitarbeiterführung und setzt die Förderung der individuellen Stärken in den Fokus ihrer wissenschaftlich fundierten sowie praxisbezogenen erfolgreichen Arbeit.
Als Diplom-Betriebswirtin und Wirtschaftspsychologin ist ihr USP die Mischung beider Disziplinen, die ihre Kunden deutschlandweit und darüber hinaus in Wien und Mailand sehr schätzen.
Als Autorin hat sie bereits 2009 ein Werk zur Synergie von Einkaufszentren, Galerien und dem innerstädtischen Einzelhandel veröffentlicht. Durch die Beratung vieler Kunden aus dem Retail ist Martina Töpfer Expertin für Themen rund um die Mitarbeiterführung. Sie ist Führungskräften somit ein wertvoller Sparring-Partner.
Die Sachkunde für den Retail findet sich zudem in ihren Veröffentlichungen wider.
Mit diesem aktuellen Beitrag greift Martina Töpfer als erste Absolventin des Master-Studiengangs Fashion & Retail Management Deutschlands das innovative Handelsformat Pop-Up-Stores auf. Martina Töpfer zeigt wirtschaftspsychologisch und betriebswirtschaftlich wie Einzelhändler, Projektentwickler und Städte durch Pop-Up-Stores sowohl die Neugier als auch das Kaufinteresse von Kunden wecken können.
Zusammenfassung
Das Erleben und Verhalten von Konsumenten wird maßgeblich über die Wahr-nehmungs- und Aufmerksamkeitsprozesse eines Individuums bedingt. Daher müssen entsprechende theoretische Erkenntnisse als Grundlage für die Exploration der Emotion Neugier auf die Verhaltensabsichten Word of Mouth und Kaufabsicht am Beispiel des innovativen Handelsformats Pop-Up-Store, das als Guerilla Marketingtool verwendet wird, Berücksichtigung finden. Die vorliegende empirisch quantitative Arbeit weist mit einer Stichprobe in Höhe von N = 368 nach, dass es keinen signifikanten Unterschied in der empfundenen Neugier bei Besuchern mit oder ohne Pop-Up-Store Erfahrung gibt, denn die Mehrheit der Befragten erlebt einen Temporary-Store mit einer erhöhten Neugier. Die Erkenntnis, dass ein frei stehender Pop-Up-Store im Vergleich zu einem integrierten Pop-Up-Store besser bewertet wird und zugleich eine signifikant höhere Neugier beim Rezipienten auslöst, wurde empirisch erstmalig erfasst und ist damit ein Novum. Zudem ergibt die Exploration, dass die zunehmend ausgelöste Emotion Neugier beim Konsumenten eine signifikante Steigerung der Weiterempfehlung und der Kaufabsicht bewirkt. Ferner zeigen die Ergebnisse, dass mit höheren Werten der Neugier auch das Erlebnis der Pop-Up-Store Besucher steigt.
Abstract
The experience and behavior of consumers are decisively determined by the per-ceptual and attention process of an individual. Therefore theoretical findings as a basis for the exploration of the emotion curiosity towards behavioral intentions Word of Mouth and purchase intent, through the example of the innovative commercial format Pop-Up-Store, which is used as a Guerilla marketing tool, must find con-sideration. The present empirically quantitative work proves with a sample in the amount of N = 368 that there are no significant differences in the perceived curiosity of consumers with or without Pop-Up-Store experience. The majority of the 368 respondents experienced a Temporary-Store with enhanced curiosity. The findings that a freestanding Pop-Up-Store compared to an integrated Pop-Up-Store would be rated better and which would simultaneously set off a significant higher curiosity by the recipients was grasped empirically for the first time and is therefore a novelty. In addition, the exploration indicates that the increasingly triggered emotion curiosity by the consumers cause a significant increase to further recommendation and purchase intent. Furthermore, the results show that with a high level of curiosity the experience of Pop-Up-Store visitors would tend to increase.
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Zwei-Faktoren-Modell der Emotion
Abb. 2: Dreikomponentenmodell der Einstellung
Abb. 3: Die Theorie des geplanten Verhaltens
Abb. 4: S-O-R Modell im Konsumentenverhalten
Abb. 5: Einschätzung der Relevanz unterschiedlicher Trends im deutschen Einzelhandel
Abb. 6: Umfrage zur Häufigkeit des Kleidungskaufs in Pop-Up-Stores
Abb. 7: Pop-Up-Store Klassifikations-Schema
Abb. 8: Erfolgsfaktoren von Pop-Up-Stores
Abb. 9: Uniqlo Pop-Up-Store in New York City
Abb. 10: Planungs- und Implementierungsrahmen für Pop-Up-Stores
Abb. 11: Modell zur Hypothesenentwicklung
Abb. 12: Bevorzugte Produktkategorien der Teilnehmer
Abb. 13: Erfahrung der Teilnehmer mit Pop-Up-Stores
Abb. 14: Histogramm zur Prüfung auf Normalverteilung des Konstrukts Neugier
Abb. 15: Mann-Whitney-U-Test bei unabhängigen Stichproben zur Hypothesenüberprüfung von H1.1
Abb. 16: Bevorzugung der Pop-Up-Store Kategorie
Abb. 17: Mann-Whitney-U-Test bei unabhängigen Stichproben zur Hypothesenüberprüfung von H1.2
Abb. 18: Histogramm zur Normalverteilung der Variable Weiterempfehlung
Abb. 19: Linearität des Streudiagramms zur Hypothese H2.1
Abb. 20: Normalverteilung des Fehlerwertes zur Hypothese H2.1
Abb. 21: Histogramm zur Normalverteilung der Variable Kaufabsicht
Abb. 22: Linearität des Streudiagramms zur Hypothese H2.2
Abb. 23: Normalverteilung des Fehlerwertes zur Hypothese H2.2
Abb. 24: Modell zur Hypothesenentwicklung
Abb. 25: Pop-Up-Store Logo von Zalando
Abb. 26: Örtlich integrierte Pop-Up-Stores
Abb. 27: Örtlich frei stehende Pop-Up-Stores
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Geburtsjahre der Teilnehmer in 10-er Intervallen
Tab. 2: Tests auf Normalverteilung zum Konstrukt Neugier
Tab. 3: Mittelwerte zur Hypothesenüberprüfung von H1.1
Tab. 4: ANOVA zur Hypothese H2.1
Tab. 5: Signifikanz der Korrelationskoeffizienten zur Hypothese H2.1
Tab. 6: Modellgüte zur Hypothese H2.1
Tab. 7: ANOVA zur Hypothese H2.2
Tab. 8: Signifikanz der Korrelationskoeffizienten zur Hypothese H2.2
Tab. 9: Modellgüte zur Hypothese H2.2
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Aufbau und Relevanz der Arbeit
Die vorliegende empirische Ausarbeitung stellt den Forschungsgegenstand des innovativen Handelsformats Pop-Up-Store in das Zentrum der Betrachtung. Aktuelle Statistiken zeigen die Relevanz neuer Konzepte im Handel und insbe-sondere die zunehmende Bedeutung von Pop-Up-Stores (vgl. Lührmann, 2016, S. 2 ff.; vgl. EHI Retail Institute, 2015, S. 21). Doch um das Phänomen dieser sogenannten Kurzzeitläden explorieren zu können, bedarf es einer hinreichenden Analyse der theoretischen Grundlagen.
Da die Auswirkungen des emotionsbasierten Motivators Neugier auf die Verhaltensintentionen Word of Mouth und Kaufabsicht eines Individuums empirisch überprüft werden, basiert die Aufstellung der dazugehörigen Hypothesen sowohl auf Prozessen der menschlichen Wahrnehmung als auch der Abhandlung des Konsumentenverhaltens. Daher besteht der theoretische Rahmen zunächst aus der psychologisch wissenschaftlichen Darstellung der menschlichen Wahrnehmung, der Neugier und stellt dann das Verhalten dar, vgl. Kap. 2.1. Der explizite Blick auf das Konstrukt Neugier im Zusammenwirken mit dem Konsumentenverhalten unter Berücksichtigung aktueller Herausforderungen im Handel schließt gemäß der fortschreitenden Logik daran in Kap. 2.2 an. Auch die entscheidende Unternehmensstrategie des Guerilla-Marketings wird in diesem Teilkapitel erörtert. Nur durch Berücksichtigung dieses Fundaments kann in Kap. 2.3 das maßgebende Phänomen Pop-Up-Store vollständig erarbeitet werden und zudem in Kap. 2.4 mit dem zuvor Diskutierten zusammengefügt werden, um einen exakten und vollständigen Rahmen zu bilden.
Nach Aufstellung der zu überprüfenden Hypothesen in Kap. 2.5 folgt in Kapitel 3 die Benennung des empirischen Vorgehens und die hinzunehmende Betrachtung des Fragebogenaufbaus. Durch die gesamte Vorgehensweise ist es möglich, in Kapitel 4 die Überprüfung der aufgestellten Hypothesen durchzuführen, bevor diese final in Kapitel 5 diskutiert und reflektiert werden. Die Handlungsempfehlungen und das Fazit runden dann die vorliegende Arbeit vollständig ab.
2 Theoretischer Rahmen
Der zentrale Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit ist die emotionale Wahrnehmung von Pop-Up-Stores und die daraus entstehende Handlungsabsicht. Um diese Thematik empirisch zu erheben, müssen die relevanten Aspekte zunächst in einem theoretischen Rahmen dargestellt werden. Daher folgt im ersten Teil dieses Kapitels zunächst die Erörterung des menschlichen Wahrnehmungsprozesses, der über die Emotionen und die Motivation zum Einstellungserwerb führt, bevor daraus ein Verhalten resultiert. Der zweite Abschnitt der Theorie beinhaltet die Anwendung der bisherigen Ausarbeitungen auf das Themengebiet Einzelhandel. Das Konsumentenverhalten und wie dieses insbesondere durch das Guerilla-Marketing beeinflusst werden kann, wird in Kap. 2.2 dargestellt. Die Übertragung aller gewonnenen Erkenntnisse auf das innovative Handelsformat Pop-Up-Store, dessen Definition und Strategien, werden in Kap. 2.3 und Kap. 2.4 vertiefend dokumentiert. Durch diese Vorgehensweise ist es möglich, in Kap. 2.5 schließlich die zentralen Hypo-thesen dieser Arbeit zu entwickeln und durch eine empirische Erhebung zu überprüfen.
2.1 Von der selektiven Wahrnehmung hin zur verhaltensbezogenen Reaktion eines Individuums – eine psychologisch wissenschaftliche Betrachtung
Die Zielsetzung dieser Arbeit umfasst die Exploration des Zusammenwirkens der Konsumentenwahrnehmung, der Emotion bzw. Motivation Neugier des Konsu-menten und dessen Verhalten am Beispiel von Pop-Up-Stores. Zur begrifflichen Hinführung und anschließenden Anwendung in der Konsumforschung erfolgt zunächst eine Analyse und Einordnung dieser Variablen aus der psychologischen Forschung unter Hinzunahme des Aspekts der sozialen Kognition. Da Emotionen Organismus-Variablen des Individuums darstellen, die sich primär aus der Wahrnehmung bilden, wird diese zunächst thematisiert, bevor darauf aufbauend die Bereiche Emotion, soziale Kognition, Einstellung sowie das Verhalten als Reaktion (Response) erörtert werden.
2.1.1 Wahrnehmung
Die menschliche Wahrnehmung erfolgt über die Sinne. Es werden fünf Sinneswahrnehmungen unterschieden: visuell, auditiv, kinästhetisch, olfaktorisch und gustatorisch. Diese senden neuronale Impulse an das limbische System im Gehirn, wodurch es entsprechend der biologischen Entwicklung zu Emotionen sowie einem Abgleich mit dem bereits vorhandenen Wissen kommt. Im Anschluss daran folgt die Entwicklung bzw. die Aktivierung von Eindrücken und Einstellungen. Die Wahrnehmung des Individuums ist damit subjektiv (vgl. Loucks/Pechey, 2016, S. 1223, S. 1227; vgl. Orgs/Bestmann/Schuur/Haggard, 2011, S. 712 f.; vgl. Stoffregen/Bardy, 2001, S. 195).
Objektive Realitäten werden entsprechend der eigenen Motivation, Erfahrung und dem Austausch mit Gleichgesinnten zu subjektiv wahrgenommenen Wirklichkeiten konstruiert. Die Forschung spricht an dieser Stelle vom Konstruktivismus und akzentuiert dabei, dass Individuen nicht ausschließlich aufgrund von Reizen reagieren. Stimuli werden zunächst durch die aktive intraindividuelle Organismus-Variable gedeutet und führen dann zu Reaktionen im Sinne eines Verhaltens. Dabei können mehrere Personen aufgrund einer gemeinsamen Kultur ein einheitliches Verständ-nis über die Wertung bestimmter Konstruktionen haben. Letztlich bleibt die Wahr-nehmung aber ein vereinheitlichender Prozess innerhalb eines Individuums, bei dem durch diverse einwirkende Reize ein Ganzes für den Betrachtenden entsteht. Dies erklärt, warum unterschiedliche Personen abweichende Einstellungen und Verhaltensweisen zu einem gleichen Stimulus-Material haben können (vgl. Antoni-des/van Raaj, 1998, S. 110; vgl. Loucks/Pechey, 2016, S. 1222 f.).
Die Verarbeitungskapazität sämtlicher Reize ist begrenzt. In der Forschung wird dies als selektive Wahrnehmung bezeichnet. Das Individuum ist dementsprechend nicht fähig, alle situativ einwirkenden Reize gleichzeitig bzw. vollständig zu verarbeiten. Was wahrgenommen wird, hängt von der Zentralität eines Stimulus, der Aufmerksamkeit im Sinne der Motivation und der Fähigkeit einer Person ab. Ist ein Reiz auffällig oder relevant für ein Individuum, besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit zur Aufmerksamkeit. Reize, die damit zentral sind, werden als salient bezeichnet. Ist das Individuum hingegen abgelenkt, nicht motiviert oder verfügt nicht über die kognitiven Ressourcen zur Wahrnehmung, wird die Aufmerksamkeit auf andere Sub- oder Objekte gerichtet, die salienter sind (vgl. Stoffregen/Bardy, 2001, S. 196-200; vgl. Purschke, 2014, S. 31; vgl. Blanz, 1999, S. 2-6).
Diese Erkenntnisse sind auch für den vorliegenden zentralen Forschungsgegenstand der Pop-Up-Stores relevant, denn auch Pop-Up-Stores entstehen überraschend und sind häufig auffallend gestaltet. Dies führt zu der Annahme, dass auch Pop-Up-Stores eine Salienz für den Betrachter haben, die dementsprechend die Aufmerksamkeit erhöhen sollte. Anschließend sollte dann auch die Neugier des Beobachters steigen.
2.1.2 Soziale Kognition, Emotionen und Neugier
Da Reize soziale Kognitionen und Emotionen im Individuum auslösen, werden diese Variablen in den Teilkapiteln 2.1.2.1 und 2.1.2.2 beschrieben. Beide Komponenten wirken wechselseitig auf die Einstellungen einer Person ein, wobei die so-ziale Kognition entscheidend für eine ausgelöste Emotion ist. Daher wird zunächst die soziale Kognition und im Anschluss das Konstrukt Emotion erläutert. Da im empirischen Teil der vorliegenden Arbeit die Variable Neugier von zentraler Bedeu-tung ist, wird diese zudem im Kontext dieses Kapitels als Emotionsform definiert.
2.1.2.1 Soziale Kognition
Soziale Kognitionen umschreiben die wissentlichen Prozesse der Gedanken, die Individuen in einem sozialen Kontext tätigen. Daher sind unmittelbare Umweltfaktoren, wie andere Personen und die direkte Face-to-Face-Interaktion, im Rahmen sozialer Kognitionen notwendigerweise stets mit zu betrachten (vgl. Fiske/ Goodwin, 1994, S.147, S. 150). Gleichzeitig sind Kognitionen verbunden mit den Themen Attribution (d.h. Prozesse der Ursachenzuschreibung), Stereotype und Vorurteile (beides sind Einstellungen gegenüber anderen Personengruppen). Folglich thematisieren Kognitionen sowohl automatisches als auch kontrolliertes Wissen sowie Erwartungen an andere Personen und Faktoren einer sozialen Umwelt. Sie sind damit eng verknüpft mit den folglich dargestellten Befunden zum Thema Einstellung (vgl. Fiske, 2004, S. 122 f.).
Während einige Kognitionsprozesse aus Persönlichkeitsmerkmalen resultieren, werden andere Denk- und Bewertungsprozesse durch Interaktionen, Beziehungen, Erfahrungen und Erwartungen mit der Umwelt beeinflusst. So kann auch die Kultur, durch die ein Individuum geprägt ist, dessen Kognitionsprozesse beeinflussen. Resultierend kann die eigene Äußerung eine intendierte Erwartung an eine andere Person beinhalten (vgl. Fiske/Haslam, 1996, S. 143; vgl. Proulx/Todorov/Aiken/de Sousa, 2016, S. 1; vgl. Wang, 2016, S. 583, S. 592).
Bereits erworbene soziale Kognitionen werden in Form bekannter Schemata automatisch verwendet. Wenn neue Reize der Umwelt nicht kongruent mit den bis-herigen Kognitionen eines Individuums sind, kommt es zur Erweiterung bzw. Modifikation alter Schemata oder zur Implementierung einer neuen Kognition. Gleichzeitig können veränderte Situationen bekannter Kognitionen zu einer Richtungsänderung hinsichtlich positiver oder negativer Gedanken führen (vgl. Fiske/Haslam, 1996, S. 146 f.; vgl. Fiske/Cuddy/Glick, 2001, S. 77).
Das Umfeld beeinflusst dementsprechend die sozialen Kognitionen und damit auch die Selbstwahrnehmung eines Individuums. Werden Erwartungen und Muster durch positive Gedanken als nützlich bestätigt, wird sich eine Person weiterhin mit entsprechenden Umweltfaktoren umgeben. Bedrohen sie hingegen den Selbstwert, so wird das Individuum in Folge der ausgelösten Kognitionen künftig Abstand zu den auslösenden Faktoren halten oder diese negativ bewerten. Der Selbstwert kann beispielsweise aufgrund der mangelnden Kompetenz zur wissentlichen Verarbeitung gefährdet werden. Die Beurteilung der sozialen Kognition wirkt damit unmittelbar auf die Einstellung des Individuums ein (vgl. Proulx et al., 2016, S. 16 f.; vgl. Fiske/Haslam, 1996, S. 155 f.; vgl. Fiske et al., 2001, S. 82).
2.1.2.2 Emotionen
Emotionen stellen eine affektive Komponente dar, die sowohl negativ als auch positiv ausgerichtet sein kann (vgl. Jonas/Stroebe/Hewstone, 2007, S. 89; vgl. Ekman/Davidson, 1994, S. 7 f.). Sie werden durch wahrgenommene Ursachen in Form von Reizen ausgelöst. Gleichzeitig sind Emotionen mit dem Anstieg des physiologischen Erregungsniveaus, genannt Arousal, verbunden (vgl. Sartory, 1986, S. 95 f.; vgl. Berlyne, 1966, S. 31).
Kleinginna und Kleinginna (1981) verweisen in ihrer Definition von Emotionen auf mehrere fundamentale Merkmale, die bei der wissenschaftlichen Forschung für das Grundverständnis elementar sind. Die Autoren akzentuieren, dass Emotionen aus einem Wechselprozess von objektiv sowie subjektiv wahrgenommenen Bestand-teilen resultieren. Sie werden sensorisch und neuronal an das Gehirn weitergeleitet. Folglich steigt das Arousal, welches sowohl die Lust als auch die Unlust evoziert. Parallel werden durch Emotionen auch Bewertungen gegenüber Einstellungs-subjekten oder -objekten im Individuum hervorgerufen, die einen Eindruck bilden oder festigen. Folglich kann es zu körperlichen Reaktionen im Sinne des Verhaltens kommen (vgl. Merten, 2003, S. 12 f.; vgl. Gross/Levenson, 1993, S. 970; vgl. Bernat/ Cadwallader/Seo/Vizueta/Patrick, 2011, S. 509 f.).
Gross (1998) hat nachgewiesen, dass die Art der ausgelösten Emotion kognitiv beeinflussbar ist. Sie hängt ab vom Stimulus-Material, welches einer Person bewusst dargeboten wird. Gross` Untersuchungen beinhalteten elektromagnetische Testverfahren, mit denen die veränderten Muskelaktivitäten im Gehirn, verursacht durch den Einfluss der Reize, gemessen wurde. Genau diese Veränderungen sind ein Grund für die ausgelöste Emotion. Resultierend kann ein Sender intentional Reize an eine Person darbieten und damit im Empfänger eine vermeintlich absehbare Emotion auslösen (vgl. Gross, 1998, S. 224 f.).
Bernat und Kollegen (2011) konnten in diesem Zusammenhang umgekehrt zeigen, dass die Folge von ausgelösten Emotionen ebenfalls kognitiv kontrollierbar ist (vgl. Bernat et al., 2011, S. 511 ff.). Sie boten ihren Versuchspersonen Stimulus-Materialien in Form von Bildern, die lerntheoretisch Emotionen im Individuum auslösen. Die Probanden wurden daraufhin gebeten, die Emotion, die sie erlebten, an einem Computer zu betiteln und zudem die Intensität der wahrgenommenen Emotion zu benennen. Damit fand eine kognitive Bewertung der Emotion statt. Genau diese Beschreibung und Wertung kann vom Teilnehmer u.a. von seiner Motivation und Fähigkeit kontrolliert und damit wissentlich beeinflusst werden (vgl. ebd., S. 499 ff.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Zwei-Faktoren-Modell der Emotion (eigene Darstellung in Anlehnung an Jonas/Stroebe/ Hewstone, 2007, S. 98).
Insgesamt kann entsprechend der erörterten Befunde und analog zu Abb. 1 festgestellt werden, dass Emotionen folglich aus der Intensität der physiologischen Erregung im Sinne des Arousals und der Qualität vorhandener Kognitionen entstehen. Das intensive Zusammenwirken aus Emotion, Kognition und Arousal bedingt damit die Einstellung eines Individuums. Diese Thematik wird nachstehend beschrieben, während zunächst die Neugier als Variable erörtert wird.
2.1.2.3 Neugier
Vor dem Hintergrund der Themenstellung dieser Arbeit ist die Variable Neugier von besonderer Bedeutung. Um diese im Kontext von Pop-Up-Stores in Kapitel 2.4 hin-reichend darzustellen, ist die Darbietung der Definition für ein einheitliches Ver-ständnis entscheidend, insbesondere vor dem Hintergrund, dass Neugier grundsätzlich als ein Motivationskonzept gewertet, jedoch auch dem Konstrukt Emotion zugeordnet wird. Zudem wird postuliert, dass Neugier stark positiv mit den Persönlichkeitsdimensionen Offenheit für neue Erfahrungen und Extraversion korreliert (vgl. Kashdan/Roberts, 2006, S. 145).
Dem Wort nach stammt die Bezeichnung Neugier aus dem lateinischen curiosus und bedeutet einerseits wissbegierig, nach Neuem suchend und andererseits sorgsam, vorsichtig. Damit dient die Neugier als Funktion primär dem Selbstschutz eines Individuums. Zudem ist Neugier als Begriff grundsätzlich wertneutral (vgl. Akhtar, 2017, S. 266 f.).
Neugier ist eine Reaktionsform des Individuums auf innovative, unbekannte und komplexe Reize. Diese führen zu einem erhöhten Arousal und einer motivationsbedingten Intention, sich vermehrt dem emotionsauslösenden Objekt zuzuwenden. Damit ist die Neugier eine anregende und aktivitätsauslösende Variable (vgl. Berlyne, 1966, S. 25 ff.; vgl. Bianchi, 2014, S. 3). Sie ist primär persönlichkeitsabhängig, kann aber auch situativ bei jedem Individuum ausgelöst werden. Gleichzeitig kann das zeitlich überdauernde Ausbleiben neuer oder anregender Reize zu einem passiven Verhalten aufgrund mangelnder Neugier führen, genannt Langeweile (vgl. Cohen, 2010, S. 201; vgl. Berlyne, 1966, S. 25-29; vgl. Kashdan/Steger, 2007, S. 159; vgl. Bianchi, 2014, S. 14 f.).
Die relevante aktivierende Neugier löst temporär begrenzt Impulse aus, durch die der Einstellungserwerb und das Verhalten eines Individuums gefördert werden. Diese werden nachstehend in Kap. 2.1.3 und 2.1.4 thematisiert. Insbesondere bei Gegebenheiten, die einer Person unbekannt sind, aber attraktiv oder interessant erscheinen, entsteht ein erhöhtes Arousal. Parallel weckt dies das Bedürfnis der intensiveren Auseinandersetzung mit dem Neugier auslösenden Objekt/Subjekt (vgl. Berlyne, 1966, S. 30 f.; vgl. Cohen, 2010, S. 201; vgl. Kashdan/Roberts, 2006, S. 140; vgl. Bianchi, 2014, S. 13). Phillips (2015) tituliert die verstärkte Bindung bzw. das vermehrte Interesse als erhöhte Aufmerksamkeit (vgl. Phillips, 2015, S. 149).
Kashdan und Roberts (2006) fanden heraus, dass Herausforderungen durch Un-sicherheiten gekennzeichnet sind. Dadurch entsteht ein erhöhtes Erregungsniveau und ein gesteigerter Affekt, weshalb auch die Neugier steigt. Auch neue Situationen können eine aktivierende Neugier auslösen. In Folge der Neugier wird ein Indivi-duum Reize der Umwelt intensiver wahrnehmen und im Verhalten so reagieren, dass die Neugier wieder minimiert wird (vgl. Kashdan/Roberts, 2006, S. 143). Philipps (2015) nennt das vermehrte Frageverhalten zur Reduktion der Neugier als einen der entscheidenden Treiber des Konstrukts (vgl. Phillips, 2015, S. 149).
Insgesamt konnte nachgewiesen werden, dass Personen mit verstärktem Bestreben nach Neugier an Tagen, an denen sie Neugier empfunden haben, als wertstiftender erlebt haben als Tage, an denen sie keine Neugier wahrnahmen. Darüber hinaus wurde die eigene Zufriedenheit an diesen Tagen ebenfalls höher bewertet. Auch Individuen, die Neugier eher situativ wahrnehmen, bezeichnen Tage als bedeutungsvoller und sinnstiftender, wenn an diesen Tagen Neugier in ihnen wahrgenommen wurde, als solche ohne diese. Im direkten Vergleich zeigt sich, dass Individuen mit Neugier als stark ausgeprägtes Persönlichkeitsmerkmal zwar häufiger Veranstaltungen besuchen, die mit Aktivitäten verbunden sind, diese aber mit weniger Vergnügen erleben als Personen mit situativ empfundener Neugier. Bei diesen kann das Erlebnisempfinden bis zum Folgetag anhalten. Insgesamt kann Neugier folglich einen unmittelbaren Effekt auf das Wohlbefinden eines Individuums haben (vgl. Kashdan/Steger, 2007, S. 152).
2.1.3 Einstellung
Einstellungen sind definiert als primär affektive und grundsätzlich langfristige Bewertungstendenzen hinsichtlich eines Einstellungssubjektes, -objektes oder Sachverhalts (vgl. Thurstone, 1928, S. 531). Damit haben Einstellungen eine Richtung – von positiv bis negativ oder neutral – und unterscheiden sich dementsprechend hinsichtlich ihrer Valenz. Gemäß des Multikomponentenmodells basieren Einstellungen, wie in Abb. 2 dargestellt, aus kognitiven, affektiven und verhaltensbezogenen Prozessen (vgl. Vargas/von Hippel/Petty, 2004, S. 207). Gleichzeitig kann je nach persönlicher Erfahrung und Motivation die Ausprägungsstärke einer Einstellung individuell variieren. Die Forscher postulieren ferner, dass Einstellungen zu Reaktionsweisen führen, die ebenfalls affektiv, kognitiv oder verhaltensbezogen sind (vgl. Eagly/Chaiken, 1993, S. 1; vgl. Eagly/Chaiken, 2007, S. 595 f.; vgl. Petty/Krosnick, 1995, S. 3 f.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Dreikomponentenmodell der Einstellung (eigene Darstellung in Anlehnung an Werth/Mayer, 2008, S. 206).
Entsprechend der ausgelösten Affekte kann auch die Bewertung eines Einstellungs-objektes unterschiedlich erfolgen. Die Art des Affekts wird dabei durch Lernprozesse aus der Vergangenheit, durch Persönlichkeitseigenschaften und zudem durch die Vertrautheit mit dem Einstellungsobjekt/-subjekt bedingt. Einstellungen werden im Zuge von unterbewussten Informationsprozessen automatisch aktiviert (vgl. Olson/Fazio, 2001, S. 413; vgl. Jonas et al., 2007, S. 191 ff.).
Die kognitive Komponente im Konstrukt Einstellung umfasst das Wissen sowie die Erfahrung und die Erwartung an einen Sachverhalt oder an eine Zielperson. Ent-sprechend der Abb. 2 folgt aus den bisherigen Erörterungen das Verhalten eines Individuums (vgl. ebd.; vgl. Petty/Krosnick, 1995, S. 7 f.). Dabei ist das Bedürfnis hin zu einer aufrechterhaltenden positiven Selbstwahrnehmung zu berücksichtigen, denn dieses Motiv leitet das Verhalten einer Person. Einstellungen unterstützen damit die Selbstwahrnehmung eines Individuums und die Selbstdefinition im Sinne des Selbstkonzepts (vgl. ebd.; vgl. Zunick/Teeny/Fazio, 2017, S. 1136).
Fabrigar und Kollegen (1998) weisen darauf hin, dass das Verhalten einer Person signifikant von der Einstellungsintensität hinsichtlich des zu bewertenden Gegen-übers abhängt. Umso stärker eine bereits bestehende Einstellung ist, desto intensiver ist auch die Auseinandersetzung mit Informationen zum Gegenüber bzw. über das Einstellungsobjekt. Die Folge kann eine stärkere Post -Einstellung sein, die in Abhängigkeit von den beeinflussenden Informationen zu einem Umdenken oder einer Festigung der Einstellung führt.
Hat ein Individuum hingegen noch keine starke Einstellung, ist nicht die Stärke von Argumenten zum Einstellungserwerb entscheidend, sondern die Mischung aus affektiven und kognitiven Prozessen (vgl. Fabrigar/Priester/Petty/Wegener, 1998, S. 339 f., S. 344 ff.).
2.1.4 Verhalten
Menschliches Verhalten resultiert aus den bisher beschriebenen Mechanismen. Es ist damit eine Reaktion auf einwirkende Reize – auch Output-Variable genannt –, die im Organismus entsprechend ihrer Salienz oder Wichtigkeit verarbeitet werden. Für ein Verhalten sind neben den Stimuli einer Situation aber auch Persönlichkeitsvariablen verantwortlich. Im Rahmen dieser Ausarbeitung sei daher zunächst auf das Sensation Seeking und die Impulskontrolle hingewiesen.
2.1.4.1 Sensation Seeking als verhaltensauslösende Persönlichkeitsvariable
Sensation Seeking ist eine Persönlichkeitsvariable, die sich unmittelbar auf das menschliche Verhalten auswirkt; sie ist damit überdauernd und zeitlich stabil. Individuen mit einer hohen Ausprägung der Variable Sensation Seeking haben das Streben nach sozialen sowie körperlichen Erfahrungen und Erlebnissen, die von einem hohen Intensitäts- und Innovationsgrad geprägt sind. Auch eine gesteigerte Risikobereitschaft kann mit Sensation Seeking einhergehen. Personen, bei denen die beschriebene Variable stark ausgeprägt ist, neigen auch bei einem vergleichsweise uninteressanten Reizmaterial dazu, dieses mit Neugier zu betrachten (vgl. Zuckerman/Glicksohn, 2016, S. 48; vgl. Hoyle/Stephenson/Palmgreen/Lorch/Donohew, 2002, S. 401 ff.).
Sensation Seeking korreliert unmittelbar positiv mit den Variablen Impulsivität sowie nicht-sozialisiert erlernter Kognition und Neuheitsstreben. Der Zusammenhang mit der Persönlichkeitsvariable Gewissenhaftigkeit ist hingegen negativ (vgl. Zuckerman, 1996, S. 125). Das Bedürfnis nach Stimulation ist dementsprechend individuell verschieden ausgeprägt. Personen mit einem hohen Sensation Seeking Wert suchen in ihrem sozialen Umfeld eine höhere Stimulanz, um das damit verbundene Arousal zu steigern, als Individuen mit niedrigen Werten. Exzessive Aktivitäten sind damit erstrebenswert für Personen mit hohem Sensation Seeking, auch wenn diese dysfunktional sein können; beispielsweise, wenn damit eine Delinquenz, der Gebrauch toxischer Mittel oder der erhöhte Alkoholkonsum verbunden ist.
Ein Beharren oder Verweilen an gleichbleibenden Orten erleben Individuen mit hohem Sensation Seeking als beunruhigend; sie streben nach Arousal steigernden Aktivi-täten (vgl. Zuckerman/Glicksohn, 2016, S. 48 ff.; vgl. Phillips, 2015, S. 151; vgl. Hoyle et al., 2002, S. 405; vgl. Jackson, 2011, S. 29).
2.1.4.2 Impulskontrolle als verhaltensauslösende Variable
Einer Verhaltensabsicht folgt ein aktives oder auch passives Verhalten. Dieses ist einerseits von den bisher beschriebenen Prozessen abhängig, gleichzeitig aber auch von der Impulskontrolle. Überwiegen die affektive Instanz und das Arousal im Entscheidungsprozess für ein Verhalten, kommt es zum impulsiven Verhalten; es findet damit keine oder eine mangelnde Impulskontrolle statt. Die Impulskontrolle liegt hingegen vor, wenn kognitive Prozesse zur Verhaltensentscheidung den Affekt und das Arousal dominieren. Ein durch den Impuls geleitetes Verhalten kann damit aktiv und bewusst vermieden werden (vgl. Merz et al., 2009, S. 1; vgl. Bühringer, 2004, S. 86 ff.; vgl. George/Yaoyuneyong, 2010, S. 291 ff.).
Auch im Zusammenhang mit Kaufverhalten zeigen Studien, dass Personen, die zu weniger Impulskontrolle neigen, vermehrt Spontankäufe tätigen und sich insbe-sondere von einem wahrgenommenen Erlebnisgewinn leiten lassen. Der Mangel an kognitiver Ressource in dieser Situation oder auch der intraindividuelle Konflikt zwischen dem ausgelösten Impuls etwas zu kaufen und der Kognition, dieses Objekt nicht besitzen zu können – in Form einer kognitiven Dissonanz –, kann zu einem impulsgeleiteten Kaufverhalten führen. Beeinflusst wird die Ausprägung der Impulskontrolle auf das Einkaufsverhalten junger Erwachsener auch durch die familiäre Interaktion. So zeigen Baker und Kollegen (2016), dass ein Interaktionsstil, der eher sozial geprägt ist, mit weniger Impulskontrolle beim Kaufverhalten korreliert als ein konzeptioneller Kommunikationsstil, der durch eine eher kognitive Denk-weise beeinflusst ist. Gleichzeitig führt aber auch der Austausch mit Bekannten, Freunden oder der Familie über Mode oder Einkaufsgelegenheiten zu einer situativ bedingten verringerten Impulskontrolle. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit eines Spontankaufs (vgl. Baker/Moschis/Rigdon/Fatt, 2016, S. 293 f., S. 297; vgl. George/ Yaoyuneyong, 2010, S. 292-295).
2.1.4.3 Verhaltensabsicht und gezeigtes Verhalten
Ob aus einem beabsichtigten Verhalten auch ein faktisches Verhalten entsteht, hängt insbesondere von der Handlungsabsicht und der aktuellen Kontrolle eines Individuums ab. Ajzen und Kollegen (2007) haben dazu ein Modell entwickelt, welches insbesondere die zuvor erörterten Aspekte – wie u.a. das Sensation Seeking und die Impulskontrolle – darstellt, die zu einem spontanen oder kontrollierten Verhalten führen. Diese werden zur Vollständigkeit zusammengefasst beschrieben, vgl. Abb. 3 (vgl. Ajzen/Albarracin/Hormik, 2007, S. 15 ff.).
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Abb. 3: Die Theorie des geplanten Verhaltens (eigene Darstellung in Anlehnung an Ajzen/Albarracin/ Hormik, 2007, S. 6).
Menschliches Verhalten entsteht u.a. aus einem Zusammenwirken von stabilen Persönlichkeitsmerkmalen wie dem Selbstwertgefühl, den Emotionen und Erfah-rungen bzw. dem Wissen hinsichtlich eines Verhaltensobjektes. Gleichzeitig wirken aber auch die Faktoren Bildung, Alter und Geschlecht moderierend und mediierend auf ein Verhalten ein. Unterschiede der menschlichen Verhaltensweisen können damit begründet werden (vgl. ebd.).
Genau diese persönlichen und situativen Merkmale bewirken verhaltensbezogene, gesellschaftlich normative oder auch kontrollierte Gedanken. Einstellungen hinsichtlich eines potentiell gezeigten Verhaltens, subjektive Normen oder die wahrgenom-mene Verhaltenskontrolle wirken damit auf die Verhaltensabsicht ein. Aus der Intention resultiert dann das Verhalten (vgl. ebd., S. 13-16).
Gleichzeitig zeigt das Modell in Abb. 3, dass das tatsächliche Verhalten von der aktuellen (Impuls-)Kontrolle beeinflusst wird. Somit kann ein Mangel an wahrgenommener Kontrolle im Zusammenhang mit einem erhöhten Affekt und Arousal dazu führen, dass ein direktes Verhalten gezeigt wird und dies auch ohne eine Intention (vgl. ebd., S. 13 f.).
Diese Erkenntnisse über die Verhaltensabsicht und das gezeigte Verhalten sind insbesondere in dem Zusammenhang mit Pop-Up-Stores von besonderer Bedeutung. Zudem zeigt das Modell, wie Emotionen und Einstellungen auf das menschliche Verhalten einwirken. Um den Prozess der Wahrnehmung bis hin zum Verhalten stringent auf Pop-Up-Stores anzuwenden, erfolgte in diesem Teilkapitel zunächst die vornehmlich psychologische Darstellung der relevanten Variablen. Im Folgenden werden diese Erkenntnisse mit der Erörterung aktuell maßgebender Einzelhandelsfaktoren verbunden und erläutert. Somit entsteht ein ganzheitliches Konzept für die Ausarbeitungen im Zusammenhang mit einem Pop-Up-Store.
2.2 Neugier im Konsumentenverhalten als Voraussetzung für Guerilla-Marketing und die Entwicklung aktueller Handelsformate
Insbesondere im Einzelhandel ist die Befriedigung von Kundenansprüchen von entscheidender Relevanz. Die zunehmende Dynamik und die erhöhte Flexibilität der Konsumenten bedingen die steigenden Anforderungen an einzigartige Produkte und Einkaufserfahrungen. Das bewusst wahrgenommene Erlebnis ist elementar für die Kundenzufriedenheit. Damit wächst die Bedeutung emotionaler Aspekte für den Konsumenten. Dementsprechend beeinflussen kognitiv erkannte und benennbare Emotionen die Bewertung eines Konsumerlebnisses (vgl. Cachero-Martínez/Váz-quez-Casielles, 2018, S. 1; vgl. Krishna/Morrin, 2008, S. 811; vgl. Pookulangara/ Hawley/Xiao, 2011, S. 195 f.; vgl. da Silva/Alwi, 2006, S. 293).
Um die Relevanz dieser Treiber und die Auswirkungen der aktuellen Tendenzen im Einzelhandel nachzuvollziehen, wird in Kap. 2.2.1 zunächst das Konsumentenverhalten dargestellt, bevor dieses mit der Variable Neugier in Verbindung gebracht wird. Wie die Neugier mit der Weiterempfehlung und einer Kaufabsicht im Zusammenhang steht, wird unter Hinzunahme aktueller Befunde erörtert.
Die Verwendung von Guerilla-Marketing Maßnahmen kann die Intentionen eines Unternehmens aktivieren, vgl. Kap. 2.2.2. Unter Berücksichtigung der dargestellten Erkenntnisse, wird in Kap. 2.2.3 auf den aktuellen Bedarf innovativer Handelsformate hingewiesen. Somit wird das Entstehen von Pop-Up-Stores und deren Bedeutung als Marketingtool für ein Unternehmen deutlich. Das gesamte Teilkapitel 2.2 bildet damit die Voraussetzung für die in Kap. 2.3 explorierte zentrale Thematik der Pop-Up-Stores.
2.2.1 Konsumentenverhalten in Abhängigkeit psychologischer Mechanismen
Die Bewertung einer Konsumerfahrung und das damit verbundene Verhalten erfolgt gemäß des psychologischen S-O-R Modells. Diesem liegt die Annahme zugrunde, dass Individuen Reize (Stimuli = S) über die Sinneswahrnehmungen aufnehmen, folglich im Organismus (= O) mittels Erfahrungen, kognitiver Kapazitäten und motivationaler Aspekte verarbeiten und daraus ein Verhalten (Response = R) resul-tiert, vgl. Kap. 2.1. Cachero-Martínez und Vázquez-Casielles (2017a) übertragen dieses klassische S-O-R Modell auf den Bereich Konsum, vgl. Abb. 4 (vgl. Cachero-Martínez/Vázquez-Casielles, 2017a, S. 538).
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Abb. 4: S-O-R Modell im Konsumentenverhalten (eigene Darstellung in Anlehnung an Cachero-Mar-tínez/Vázquez-Casielles, 2017a, S. 538).
Kontrollierte Reize, die sowohl sensorisch, sozial als auch intellektuell sein können, werden in diesem Modell der Stimulus-Variable zugeordnet. Auch die pragmatische Erfahrung mit den Marketing-P`s Preis, Produkt, Promotion sind Stimuli. Die emotionale Erfahrung, sprich die daraus ausgelösten und hervorgerufenen Emotionen im Konsumenten, sind durch die aktive Organismus-Variable bedingt. Dabei ist zu beachten, dass Individuen abhängig von der eigenen Erfahrung, der temporären Motivation oder auch der eigenen Persönlichkeit unterschiedlich auf Reize reagieren. Interindividuelle Unterschiede müssen folglich insbesondere in der Organismus-Variable berücksichtigt werden. Als Reaktion folgt damit die erlebte Zufriedenheit sowie Werte, die hedonistisch oder utilitaristisch sein können (vgl. ebd., S. 538).1
Dieses Modell ist bedeutsam, denn es akzentuiert die Relevanz der entstehenden Emotion – an dieser Stelle die Neugier – für die Bewertung eines Pop-Up-Stores. Die Aktivierung sensorischer Reize muss analog bei der Planung eines Pop-Up-Stores einbezogen werden. Diese fördern die empfundene Neugier und lösen damit die Reaktion in Form von Zufriedenheit etc. beim Konsumenten aus.
Da Silva und Alwi (2006) ergänzen diese Ansätze mit dem Verweis darauf, dass sowohl emotionale als auch kognitive Faktoren das Kundenverhalten beeinflussen. Vor allem die eigene Erfahrung mit einer Marke sowie die Empfehlung von Bekannten beeinflussen die erlebte Wahrnehmung eines Konsumenten (vgl. da Silva/Alwi, 2006, S. 293 ff.). Auch Kästner und Kollegen (2011) akzentuieren genau diesen Aspekt. Sie weisen in ihrer Studie mittels Mann Whitney U-Test einen hoch signifikanten Zusammenhang (p < .001) zwischen dem erhöhten Bewusstsein einer Marke durch ein Event – beispielsweise einer Fashionshow – und einer damit verbundenen direkten Kaufabsicht von Konsumenten nach (vgl. Kästner/Springer/ Kirchgeorg, 2011, S. 25). Dementsprechend muss ein symbolischer Wert für den Besucher eines Geschäfts entstehen. Gleichzeitig muss für einen Konsumenten ein funktionaler Nutzen erkennbar werden und Emotionen müssen über die Sinne im Konsumenten hervorgerufen werden (vgl. da Silva/Alwi, 2006, S. 293 ff.).
2.2.1.1 Neugier im Zusammenhang mit Konsumentenverhalten
Emotionen, hervorgerufen durch die Wahrnehmung über die Sinnesorgane, haben – wie zuvor dargestellt – einen direkten, wenn auch zumeist unterbewussten Effekt auf das menschliche Verhalten und Wohlbefinden. Smith und Swinyard haben bereits 1988 die Bedeutung von Emotionen im Konsumentenverhalten betont. Da der Fokus bis dato auf das anerkannte Konstrukt Interesse gelegt wurde, akzentuierten die Autoren mit ihren Arbeiten die Emotion Neugier als auslösende Variable für ein Verhalten. Sie konnten nachweisen, dass neben dem Produkt-Bewusstsein auch eine Produktunsicherheit vorliegen muss, damit beim Konsumenten eine Neugier als internale situative Komponente entsteht. Sind diese Bedingungen gegeben, wird der Konsument mit einem gesteigerten Interesse für mehr Informationen reagieren (vgl. Smith/Swinyard, 1988, S. 3, S. 7, S. 10; vgl. Thomas/Vinuales, 2017, S. 886).
Cachero-Martínez und Vázquez-Casielles (2017a und 2017b) haben ebenfalls den Zusammenhang der Emotion Neugier im Handelskontext erforscht. Werden Konsumenten in einem Geschäft positiv überrascht, so werden in ihnen Emotionen wie Freude ausgelöst. Daraus resultiert der Effekt, dass Besucher sich länger in einem Store aufhalten, eher etwas kaufen und dieses Geschäft im Nachhinein besser bewerten. Die positive Neugier ist damit eine Voraussetzung für eine Shopping-erfahrung, die folglich kognitiv als Erlebnis bewertet wird und zudem im Rückblick mit einem Gefühl der Zufriedenheit assoziiert wird (vgl. Cachero-Martínez/Vázquez-Casielles, 2017b, S. 474, S. 482; vgl. Cachero-Martínez/Vázquez-Casielles, 2017a, S. 537, S. 539; vgl. Jang/Baek/Choo, 2018, S. 210).
Die Möglichkeit, Produkte anzufassen und damit haptisch wahrzunehmen, löst im Konsumenten ein angenehmes sowie stimulierendes Gefühl aus. Dieses fördert eine positive Gesamtbewertung in Bezug auf das Konsumerleben (vgl. Cachero-Martínez/Vázquez-Casielles, 2017a, S. 549). Auch die olfaktorische Wahrnehmung – im Sinne des Geruchs –, die das limbische System im Gehirn aktiviert, führt dazu, dass die wahrgenommenen Gerüche mit Erfahrungen assoziiert und auf das neue Erlebnis projiziert werden. Eine Marke kann damit über den wiederholten Geruch eines Duftes erkannt oder erinnert werden. Dies sind Effekte, die insbesondere in der Konsumentenpsychologie relevant sind, da damit unterbewusste Prozesse im Individuum aktiviert werden, die in Kaufentscheidungen von Bedeutung sind. Auch Musik, je nach Lautstärke, Geschwindigkeit und Genre, kann über die auditive Wahrnehmung Emotionen beim Kunden auslösen und somit als Übertragungseffekt fungieren (vgl. Cachero-Martínez/Vázquez-Casielles, 2017b, S. 473 ff.).
Die visuelle Wahrnehmung ist diejenige, die einem Individuum am ehesten kognitiv bewusst ist. Im Handelskontext zählen dazu u.a. die farbliche Raumgestaltung, das Design der Möbel und Waren, die Schaufenstergestaltung sowie das Aussehen und Auftreten des Verkaufspersonals. Jang und Kollegen (2018) weisen in ihrer Studie auf den visuellen Einfluss im Konsumverhalten hin. Sie postulieren, dass Individuen mit hohen Sensation Seeking Werten ein Geschäft primär visuell wahrnehmen und genau daraus die Bewertung entsteht, welche über das Verhalten entscheidet (vgl. da Silva/Alwi, 2006, S. 295; vgl. Cachero-Martínez/Vázquez-Casielles, 2017b, S. 476). Insgesamt führen alle Sinneswahrnehmungen dazu, dass Emotionen, ins-besondere die Neugier, im Konsumenten ausgelöst werden (vgl. ebd., S. 473; vgl. Jang et al., 2018, S. 210 ff., S. 221).
Aus den Ergebnissen der quantitativen Studie von Cachero-Martínez und Vázquez-Casielles (2017b) geht hervor, dass die primär emotionale Erfahrung vor allem in den Handelsbereichen Schmuck, Sport, Dekoration und Spielzeug relevant ist, wohingegen das sensorische Erlebnis vornehmlich im Mode-, Fashion-, Lifestyle-, Kosmetik- und Parfümerie-Sektor von Bedeutung ist (vgl. Cachero-Martínez/Váz-quez-Casielles, 2017b, S. 480). Emotionen haben damit einen signifikanten (p < .05) positiven Einfluss auf die verhaltensbezogene Zufriedenheit (vgl. Cachero-Mar-tínez/Vázquez-Casielles, 2017a, S. 546 f.; vgl. da Silva/Alwi, 2006, S. 298).
Anzumerken ist dabei, dass Konsumenten vermehrt aus Freizeitinteresse einkaufen und den Anspruch dabei erheben, Spaß zu haben und Neues zu erleben (vgl. Cachero-Martínez/Vázquez-Casielles, 2017b, S. 480 f.). Demnach können die emotionale und die sensorische Erfahrung grundsätzlich unterschieden werden. Insgesamt muss aber davon ausgegangen werden, dass beide Komponenten unterbewusst wahrgenommen und im Zuge der Informationsverarbeitung automatisch miteinander kombiniert werden. Die entstandene Neugier motiviert den Konsumenten dazu, Produkte zu testen, über seine Erlebnisse nachzudenken und mit Anwesenden darüber zu kommunizieren. Demzufolge resultieren für Händler positive Effekte aus der hervorgerufenen Neugier (vgl. ebd., S. 477). Eine weitere Studie der Au-toren zeigt zudem eine signifikant mittlere positive Korrelation zwischen den Variablen emotionale Erfahrung und Bindung (im Sinne von Engagement) mit r = .346 und p < .001. Daraus ergibt sich, dass mit zunehmender emotionalen Wahrnehmung eines Stores auch die Verbindlichkeit, Treue sowie die Bindung an ein Unter-nehmen steigt (vgl. Cachero-Martínez/Vázquez-Casielles, 2018, S. 11).2
Jeong und Kollegen (2009) stellen ebenfalls dar, dass die Kaufentscheidung und die Bewertung im Konsumentenverhalten durch den Erlebniswert bestimmt werden. Auch sie benennen als entscheidende Faktoren die Variablen Sensorik, Emotion und kognitive Stimulation, welche die Neugier bedingen und auch befriedigen. Die Ergebnisse ihrer Studie zeigen eine längere Verweildauer der Konsumenten in einem Geschäft sowie eine gestiegene Beschäftigungszeit mit der jeweiligen Marke, durch die im Konsumenten ausgelöste Neugier (vgl. Jeong/Fiore/Niehm/Lorenz, 2009, S. 106 f.; vgl. da Silva/Alwi, 2006, S. 298).
2.2.1.2 Folgewirkungen der Neugier und Weiterempfehlung auf das soziale Umfeld sowie das Kaufverhalten
Neugier, die zu einer Weiterempfehlung bzw. dem Berichten über das emotionsauslösende Objekt im sozialem Umfeld führt, löst im Empfänger wiederum eine Neugier aus. Insbesondere im sozialen Umfeld verursacht die Weitergabe von Erlebnissen eine erhöhte Neugier. Im Anschluss daran entsteht eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit der Beschäftigung mit dem emotionsauslösenden Objekt bzw. mit dem Sachverhalt. Die Gruppenzugehörigkeit beeinflusst somit das Verhalten Anderer und wird insbesondere durch die beschriebene wahrgenommene Emotion Neugier beeinflusst (vgl. Thomas/Vinuales, 2017, S. 885, S. 890).
Gerüchte – im Sinne von Meldungen – und Vorankündigungen von Produkten oder Marken wirken ähnlich, denn auch sie können Neugier im Rezipienten auslösen. Wie zuvor in Kap. 2.2.1.1 erwähnt, bewirkt die kognitive Unwissenheit über ein scheinbar reizvolles, begehrliches Objekt eine affektive Reaktion beim Rezipienten. Sowohl die Unsicherheit als auch Gerüchte über Produkte wirken sich positiv auf Marken aus, wenn bei den Konsumenten eine Neugier entsteht und sie ihre Aufmerksamkeit deshalb temporär auf eine Marke richten. Sääksjärvi und Kollegen (2017) wiesen nach, dass diese Effekte insbesondere dann verstärkt wirken, wenn es Gerüchte um neue und innovative Produkte sind. Gleichzeitig konnten sie einen signifikant positiven Zusammenhang zwischen der Neugier durch Gerüchte um ein neues Produkt einer bekannten Marke und der Kaufabsicht feststellen. Das heißt, mit zunehmend ausgelöster Neugier in Folge eines Gerüchts steigt auch die Kaufabsicht für dieses Produkt (vgl. Sääksjärvi/Gill/Hultink, 2017, S. 350 f., S. 353). Negative Gerüchte führen hingegen zu einem verringerten Interesse und folglich zu einer reduzierten Kaufintention (vgl. ebd., S. 352). Auch die vollständige Unwissenheit über ein Produkt kann zwar die Neugier steigern, nicht aber die Kaufabsicht. Damit eine tatsächliche Kaufabsicht als Folge einer ausgelösten Neugier resultiert, muss dem Konsumenten daher ein bestimmtes Maß an Information vorliegen (vgl. Hill/Fombelle/Sirianni, 2016, S. 1028).
2.2.2 Guerilla-Marketing als innovative Unternehmensmaßnahme
Aus den Erkenntnissen des zuvor behandelten Teilkapitels wird die Bedeutung des Marketings im Konsumentenverhalten deutlich. Neben der Ansprache sensorischer Reize, muss die Neugier im potentiellen Konsumenten ausgelöst werden, damit eine Marke besser wahrgenommen wird und gewünschte Verhaltensweisen folgen. Das Guerilla-Marketing bedient sich dieser Mechanismen als bewusst eingesetztes strategisches Mittel, das im Sinne des Ambient-Marketings räumlich bevorzugt an den Aufenthaltsorten der Zielgruppe platziert wird (vgl. Hutter/Hoffmann, 2014, S. 98; vgl. Hutter/Hoffmann, 2013, S. 23).
Als Guerilla-Marketing wird eine Bündelung innovativer Werbetechniken verstanden, die trotz eines geringen monetären Aufwands zu einer hohen Aufmerksamkeit führen. Gleichzeitig wird durch die damit verbundene Kommunikation eine erhöhte Reichweite in der Zielgruppe bewirkt. Levinson definiert Guerilla-Marketing als: „Guerilla Marketing is a body of unconventional ways of pursuing conventional goals. It is a proven method of achieving profits with minimum money.“ (Levinson zitiert in: Schulte, 2007, S. 16). Eine Intention dieses Tools besteht in der Weitergabe von Informationen, die damit die Bekanntmachung von einer und die Überzeugung für eine Marke fördern. Um diese Absicht effektiv zu erreichen, sind die Überraschung des Publikums und das Hervorrufen von Emotionen, die entscheidenden Aufgaben. Guerilla-Marketing Maßnahmen müssen daher unerwartet auf-treten, damit das Arousal und das situative Sensation Seeking im Beobachter steigen (vgl. Hutter/Hoffmann, 2011, S. 39 f.; vgl. Schulte, 2007, S. 16, S. 28 ff.; vgl. McNaughton, 2008, S. 303).
McNaughtin (2008) betont, dass Guerilla-Marketing auch deshalb erfolgreich funktioniert, weil Konsumenten diese unkonventionelle und nicht erwartete Maßnahme eines Unternehmens nicht mit direkter Werbung assoziieren. Der inserierte Effekt findet primär unterbewusst statt. Das heißt, durch die Überraschung dieser besonderen Attraktion, entsteht ein Erlebnisgefühl. Der Konsument wird darauf zufällig über seine Sinne aufmerksam und bewertet diese Aktion im Anschluss positiv (vgl. ebd., S. 303, S. 305; vgl. Hutter/Hoffmann, 2011, S. 41; vgl. Hutter/Hoffmann, 2014, S. 94 f.).
Die Überraschung der Rezipienten ist dementsprechend eines der Kennzeichen des Guerilla-Marketings. Sie wird tituliert als Emotion, die durch eine Abweichung zwischen der Erwartung und der Wahrnehmung hinsichtlich eines Einstellungsobjektes erzeugt wird. Außerdem besteht ein Zusammenhang mit dem Sensation Seeking und dem verbundenen Wunsch, medial darüber zu berichten (vgl. Chang, 2017, S. 699). Chang (2017) akzentuiert dabei, dass insbesondere Individuen mit einem hohen Sensation Seeking Persönlichkeitswert eher via Medien berichten, denn dadurch entsteht in ihnen ein erhöhtes Arousal. Insbesondere die Kenntnis von einer Marke ist dabei die Voraussetzung für diese Prozesse, denn dadurch ist bereits eine Erwartung im Individuum vorhanden. Folglich entsteht die Überrasch-ung insbesondere durch ein nicht angenommenes zeitlich limitiertes Event oder ein Stimulus-Material, welches an einem ungewöhnlichen Ort dargeboten wird. Mittels der Überraschung wird die Aufmerksamkeit des Konsumenten gesteigert und seine Erwartungshaltung wird erhöht (vgl. ebd., S. 689; vgl. Bigat, 2012, S. 1023 f.; vgl. Hutter/Hoffmann, 2011, S. 42 f.).
Auch der Kosteneffekt ist eine Absicht aus einer Guerilla-Maßnahme. Dies bedeutet für das Unternehmen, dass keine bzw. geringe monetäre Bezuschussungen entstehen, weil die Kommunikation des Konsumenten über das Erlebte an die Zielgruppe zunehmend intern erfolgt. Die Kosten für eine Guerilla-Aktion sind damit geringer als herkömmliche Werbemaßnahmen in Medien (vgl. ebd., S. 45 f.). Genau aus dem Aspekt des geringen Kosteneinsatzes folgt die Intention der Informationsstreuung und -weitergabe.
Guerilla-Marketing hat die Intention, dass der Konsument das Unternehmensereignis als Erlebnis wahrnimmt und Freunden bzw. Bekannten darüber im Anschluss berichtet; vornehmlich auch mittels Social Media. Genau diese persönliche Weiterempfehlung einer Marke im Sinne des Word of Mouth wirkt überzeugend für den Empfänger und ist damit ein wirksames Marketingmittel des viralen Guerilla-Marketing. Die Streuung der Informationen bedingt durch die Neugier und das Erlebnis, die Überraschung sowie die damit bewirkte Aufmerksamkeit hinsichtlich einer Marke steigt auf diese Weise exponentiell an (vgl. ebd., S. 44; vgl. Gökerik/ Gürbüz/Erkan/Mogaji/Sap, 2018, S. 1222, S. 1233; vgl. Langner, 2007, S. 27 ff.).
Das Guerilla-Marketing ist dementsprechend primär am Konsumenten und dessen kommunikativer Weitergabe der Informationen über ein Unternehmen ausgerichtet. Damit sind gleichzeitig Auswirkungen für das Unternehmen integriert, denn das Image einer Marke kann durch Guerilla-Marketing-Maßnahmen positiv beeinflusst werden. Entscheidend für das Word of Mouth sind nach Dinh und Mai (2016), dass die Guerilla-Aktion kreativ umgesetzt wird. Die Maßnahme muss für den Konsumenten als innovativ und zudem bedeutsam wahrgenommen werden. Noch entscheidender ist, dass die verwendete Maßnahme glaubwürdig und damit stimmig zum Unternehmensimage ist. Nur unter diesen Voraussetzungen folgt die beabsichtigte positive Weiterempfehlung der Guerilla-Aktion bzw. der Marke von Konsumenten an Bekannte (vgl. Dinh/Mai, 2016, S. 4; vgl. Hutter/Hoffmann, 2011, S. 44; vgl. Gö-kerik et al., 2018, S. 1222, S. 1233).
2.2.3 Aktuelle Umfrageergebnisse zur Dynamik im Einzelhandel
Die zuvor dargestellten Intentionen des Guerilla-Marketings sind relevanter denn je. Insbesondere vor der Tatsache wachsender bzw. konstant hoher Mietpreise für Einzelhandelsflächen in deutschen Innenstädten, nimmt der Anspruch der Unternehmen nach neuen Möglichkeiten zu, um die gewünschte Zielgruppe zu erreichen und ihr Interesse an einer Marke zu steigern. Die Umfrage von Lührmann (2016) und dem EHI Retail Institute (2015) veranschaulichen dazu die Einschätzung der Relevanz unterschiedlicher Betriebskanäle und -formen im Einzelhandel. Aus den Ergebnissen von Statista (2017) geht zudem hervor, wie das Kaufverhalten von Konsumenten bezüglich des relevanten innovativen Handelsformats Pop-Up-Store ist (vgl. BulwienGesa/DZ Bank, 2018a, S. 23; vgl. BulwienGesa/DZ Bank, 2018b, S. 24; vgl. Lührmann, 2016, S. 2 ff; vgl. Statista, 2017, o.S.; vgl. EHI Retail Institute, 2015, S. 21).
So weisen die aktuellen Studien darauf hin, dass die Mieten von Einzelhandels-flächen nach wie vor steigen bzw. auf einem konstant hohen Niveau bleiben. Die Mietpreise in Köln haben sich beispielsweise von durchschnittlich 240 Euro/qm im Jahr 2014 auf 255 Euro/qm im Jahr 2018 entwickelt. Ein gleichbleibender Wert ist für das Jahr 2019 prognostiziert (vgl. BulwienGesa/DZ Bank, 2018a, S. 23). In Deutschland liegen die Höchstwerte in München. Die durchschnittliche Spitzen-miete für Einzelhandelsimmobilien wuchs dort von 325 Euro/qm im Jahr 2014 auf 345 Euro/qm im Jahr 2018. Auch hier ist ein konstant hoher Wert für das Jahr 2019 prognostiziert (vgl. BulwienGesa/DZ Bank, 2018b, S. 24).
Die Statistiken verdeutlichen die Problematik vieler Einzelhändler in Bezug auf die hohen Mietpreise für Immobilienflächen. Auch dieser Aspekt kann für Unternehmen und die damit verbundene und im Folgenden erörterte Thematik der Pop-Up-Stores von entscheidender Bedeutung sein. Verstärkt wird die Notwendigkeit vor dem Aspekt der prognostizierten Relevanz aktueller Einzelhandelsformate. Dazu wurden 3.200 Expansionsbeauftragte in Deutschland befragt, vgl. Abb. 5.
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Abb. 5: Einschätzung der Relevanz unterschiedlicher Trends im deutschen Einzelhandel (Lührmann, 2016, S. 2).
Während 92 % der Befragten Multichanneling für zunehmend relevant halten, liegt der Anteil derer, die Monolabel-Stores für wichtig halten bei 81 %.3 Interessant vor dem Hintergrund dieser Arbeit ist, dass 80 % der 3.200 Befragten eine zunehmende Eröffnung von Pop-Up-Stores bejahen und damit deren Bedeutung im Einzelhandel akzentuieren. Lediglich zwei Prozent der Beteiligten glauben nicht an die Zunahme von Pop-Up-Stores (vgl. Lührmann, 2016, S. 2 ff.). Auch die Umfrage des EHI (2015) zur Auswirkung von Omnichannel-Konzepten im Einzelhandel (in Deutschland, Österreich und der Schweiz) ergibt, dass 73 % der befragten Ladenbauunternehmen eine Zunahme von Pop-Up-Stores erwartet. Dass die Anzahl von Pop-Up-Stores in Folge von Omnichannel-Konzepten steigt, denken 33 % der befragten Planungsunternehmer. Geschäftsführer hingegen schätzen die Relevanz von mehr Pop-Up-Stores mit nur fünf Prozent gering ein. Kritisch anzumerken ist jedoch, dass die Anzahl der Befragten mit N = 178 nicht repräsentativ ist (vgl. EHI Retail Institute, 2015, S. 21).
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Abb. 6: Umfrage zur Häufigkeit des Kleidungskaufs in Pop-Up-Stores (Statista, 2017, o.S.).
Abbildung 6 veranschaulicht aufbauend zu den bisherigen Erörterungen weitere Erkenntnisse, die explizit auf das innovative Einzelhandelskonzept der Pop-Up-Stores bezogen sind. Die Befragung zum Kaufverhalten von Kleidung in einem Pop-Up-Store ergibt, dass 32 % der 848 Befragten dort noch nie eingekauft hat. 31 % der Teilnehmer kennt keine Pop-Up-Stores oder gibt an, nicht zu wissen, ob dort bereits ein eigener Kauf getätigt wurde. Drei Prozent der Käufer in Pop-Up-Stores teilen mit, dort regelmäßig etwas zu erwerben. Zwölf Prozent der Befragten geben an, gelegentlich in einem Pop-Up-Store Kleidung zu kaufen, 22 % beantworteten diese Frage mit der Option selten (vgl. Statista, 2017, o.S.).
Die Ergebnisse der angeführten Umfragen verdeutlichen, dass das Einzelhandelskonzept Pop-Up-Store, welches eine Guerilla-Taktik eines Unternehmens darstellt, zunehmend thematisiert wird. Die Relevanz für eine Marke und das Potential, das durch Pop-Up-Stores angestrebt wird, ist der Schwerpunkt des folgenden Teilkapitels. Die Definition, die Bedeutung und die Intention von Temporary-Stores und deren Maßnahmen zur Zielerreichung unter Verwendung zugrunde liegender Erfolgsfaktoren werden folgend explizit beschrieben.
2.3 Pop-Up-Stores – Ein innovatives Handelsformat
Der Fokus der vorliegenden Studie besteht in der Exploration der entstehenden Emotion Neugier und der Weiterempfehlung (WoM) im Kontakt eines Konsumenten mit einem Pop-Up-Store4. Die bereits in Kap. 2.2.3 erörtere Darstellung von Pop-Up-Stores als ein innovatives Handelsformat bildet die Basis für die folgenden Ausführungen. Nach einer begrifflichen Hinführung zum einheitlichen Verständnis der verwendeten Definition eines Temporary-Stores in Kap. 2.3.1 sowie den Klassifikationen und Absichten, die mit einem Pop-Up-Store angestrebt werden (vgl. 2.3.2), folgt in Kap. 2.3.3 die Einordnung von Kurzzeitläden als strategisches Marketing-instrument unter Benennung der Erfolgsfaktoren, die aus Marketingsicht angestrebt werden. Das Teilkapitel der Pop-Up-Stores als innovatives Handelsformat endet mit einem Rahmenmodell, das die zuvor thematisierten Aspekte zusammenfasst und zentriert, was bei der Planung und Implementierung eines Temporary-Stores zu berücksichtigen ist.
2.3.1 Pop-Up-Stores – Eine definitorische Hinführung
„Der Pop-Up-Store [...] umschreibt ein Standort- und Ladenkonzept, das stationäre Einkaufstätten eines Einzelhändlers oder Markenartikelherstellers an wechselnden Standorten ermöglicht. Adäquat zum Pop Up im Internet (von engl. to pop up = plötzlich auftauchen) und einer Guerilla-Taktik sind die Grundvoraussetzungen der schnelle Auf- und Abbau sowie der möglichst problemlose Transport des gesamten Ver-kaufsraumes an einen anderen Ort. So bieten Pop-Up-Stores die Mög-lichkeit, Produkte im Zusammenspiel mit Events oder angesagten Szenetreffs in Beziehung zu bringen, ohne dabei teure, fest installierte Ladengeschäfte an mehreren Orten gleichzeitig eröffnen zu müssen.“ (Ausschuss für Definitionen zu Handel und Distribution, 2006, S. 53)
Pop-Up-Stores sind damit Kurzzeitläden, in denen temporär befristet Produkte angeboten werden. Die zeitliche Komponente ist bei Pop-Up-Stores einer der entscheidenden Faktoren, denn in Abgrenzung zu Filialen oder Flagship-Stores, in denen Waren eines Anbieters dauerhaft angeboten werden, existieren Pop-Up-Stores nur wenige Stunden, Tage oder Wochen an einem bestimmen Standort. Sie sind damit mobile Werbeflächen (vgl. Pomodoro, 2013, S. 344). Gleichzeitig entsteht über diesen Mechanismus der künstlichen Verknappung ein begehrter Reiz, eine Spannung und ein erhöhtes Interesse im Sinne einer Attraktivität und Neugier beim Konsumenten (vgl. Hutter, 2013, 38 ff.; vgl. Niehm/Fiore/Jeong/Kim, 2007, S. 4).
Die innovative Erfahrung und der Erlebnischarakter für die Besucher sind folglich Teile der Zielsetzung, die ein Unternehmen bei der Entscheidung für einen Pop-Up-Store verfolgt (vgl. Marciniak/Budnarowska, 2009, S. 10). Warnaby und Shi (2018) nennen in diesem Zusammenhang vier Voraussetzungen bzw. Kriterien, die als Schlüsselkennzeichen für einen Pop-Up-Store fungieren. Die Autoren postulieren, dass ein Temporary-Store ein Erlebnis bieten muss, zeitlich begrenzt an einem Ort besteht, werbewirksam und räumlich bzw. dreidimensional ist (vgl. Warnaby/Shi, 2018, S. 5).
Dabei ist die physische Präsenz eines Pop-Up-Stores eine Kommunikationsstrategie des Unternehmens, um Konsumenten zu zeigen, wie ein Label im Marktumfeld wahrgenommen werden soll. Die Auswahl des Standortes, an dem ein Pop-Up-Store positioniert wird, ist daher entscheidend bei der Strategie (vgl. Marciniak/Budnarowska, 2009, S. 5). So wurde der erste Pop-Up-Store in Deutschland 2014 von der Marke Comme des Garçons in Berlin in einem Szene-Stadtteil in einem Hinterhof eröffnet (vgl. Baumgarth/Kastner, 2012, S. 35).
Damit existiert ein Konsens der Definitionen zum Begriff des Pop-Up-Stores insoweit, als das dieser ein Marketinginstrument darstellt (vgl. Gentry, 2011, S. 14). Während ein Pop-Up-Store lediglich temporär kurzfristig an einem physischen Ort existiert, können die damit verbundenen Marketingabsichten operational mit der Zielwirkung einer Steigerung des Vertriebs oder der PR sein oder sie sind strate-gisch mittel- bis langfristig (vgl. Baumgarth/Kastner, 2012, S. 35 f.).
2.3.2 Pop-Up-Stores – Zielausrichtungen, Merkmale und Klassifikationen
Temporary-Stores werden aus diversen Absichten im Handel eingesetzt. Primär wird eine Konsumentenaufmerksamkeit mit einer anschließenden Handlung beab-sichtigt, die durch die im Kap. 2.3.2.1 dargestellten Kennzeichen verstärkt werden können. Wie zudem die Gestaltung innerhalb sowie die äußeren Merkmale eines Kurzzeitladens eine gewünschte Wahrnehmung bei Besuchern fördern, wird in Kap. 2.3.2.2 beschrieben.
2.3.2.1 Intentionen und Kennzeichen
Die Idee des ersten Pop-Up-Stores und dessen Inszenierung entstand 1999 in Tokio. Der Manager der Modemarke Vacant erkannte, dass das Interesse an seinen Kollektionen erheblich zunahm als er ankündigte, sein Geschäft kurzfristig zu schließen. Diesen Effekt hat er im Jahr 2000 in New York City wiederholt; mit großen Erfolg. Die Merkmale der zeitlichen Befristung und der Inszenierung einer Marke, die damit die erhöhte Aufmerksamkeit bei Konsumenten fokussieren und seine Neugier wecken, wurden damit zentrale Kennzeichen eines Pop-Up-Stores (vgl. Hutter, 2013, S. 38; vgl. Haas/Schmidt, 2016, S. 90).
Aus Kommunikationssicht ist die Verwendung eines Pop-Up-Stores ein primär langfristiges Marketingtool, dem ein explizit gestaltetes Konzept zu Grunde liegt; vgl. Abb. 7. Neue Marken können durch die Informationsweitergabe oder die Empfehlung von Kunden bekannt gemacht oder getestet werden (Test-Store), während bestehende Labels wieder Relevanz in der Kundenwahrnehmung erzielen (Concept Brand-Store). Demzufolge ist ein Ziel, welches durch Pop-Up-Stores verfolgt wird, die Steigerung der Nachfrage durch die Konsumenten an neue Produkte, die in solch einer Handelsfläche angeboten werden (vgl. Marciniak/Budnarowska, 2009, S. 3).
In diesem Kontext weisen Haas und Schmidt (2016) darauf hin, dass Pop-Up-Stores in der Nachfrage der Konsumenten eher für Lifestyle und Premium Marken relevant sind. Andere Experten vertreten jedoch die Ansicht, dass Pop-Up-Stores grundsätzlich für jede Produktkategorie geeignet sind (vgl. Haas/Schmidt, 2016, S. 91; vgl. Picot-Coupey, 2014, S. 655). Wenn die vermehrte Kundenbindung und die aktive Kundenbeziehung die primär verfolgten Ziele darstellen, die mit einem Pop-Up-Store verfolgt werden, wird dieser zudem als Community-Store bezeichnet (vgl. Pomodoro, 2013, S. 348).5 Folglich findet unabhängig der Kategorisierung des Pop-Up-Stores immer eine Interaktion zwischen einer Marke und den Konsumenten statt (vgl. Warnaby/Shi, 2018, S. 12, S. 76 f.; vgl. Pomodoro, 2013, S. 348).
Die Perspektive aus Kundensicht bei der Konzeptentwicklung eines zeitlich befristeten Pop-Up-Stores ist damit zentral (vgl. Picot-Coupet, 2014, S. 656). Wenn ein Konsument einen Pop-Up-Store wahrnimmt, trifft er aufgrund interner als auch externer Faktoren die schnelle und kurzfristige Entscheidung, ob er die Erfahrung mit diesem Handelsformat erleben möchte (vgl. Retief/Jacobs/Fiore, 2013, S. 1). Eine direkte Weitergabe des Erlebnisses bzw. der Kunden-Erfahrung mit einem Temporary-Store an Freunde und Bekannte, fungiert damit als kostenfreie PR. Leinbach-Reyhle (2014) fand heraus, dass 50 % der Labels, die einen Pop-Up-Store eröffneten bis zu 30 % höhere Social Media Aktivitäten verzeichnen konnten (vgl. Leinbach-Reyhle, 2014, o.S.; vgl. Schmitt/Mangold, 2004, S. 159 f.; vgl. Baumgarth/ Kastner, 2012, S. 36; vgl. de Lassus/Anido Freire, 2014, S. 63 ff.; vgl. Burgess, 2012, S. 285).
Gleichzeitig kann auch die Kundenloyalität eine Folge aus der persönlichen Erfahrung und Zufriedenheit mit dem Temporary-Store einer Marke darstellen, wenn das Label bzw. das Produkt entsprechend präsentiert wird. Ein entscheidendes Merk-mal ist dabei, dass Pop-Up-Stores einen inszenierten Eventcharakter aufweisen. Die Intention ist es, nicht als normales Geschäft wahrgenommen zu werden, sondern als etwas Besonderes. Pomodoro (2013) leitet eine Parallele zwischen einer Cocktail-Party und einem Pop-Up-Store her, bei der der Unterhaltungswert, das Erlebnis in Kombination mit positiven Emotionen im Vordergrund steht. Auch Erlebnisse, wie bei einem Festival, die durch sehr starke Emotionen geleitet sind, sollen und können mit einem Temporary-Store bei Besuchern ausgelöst werden (vgl. Pomodoro, 2013, S. 344).
Auch Picot-Coupey (2014) konnte in ihrer qualitativen Studie herausfinden, dass der inszenierende Charakter eines Pop-Up-Stores, der Eventmerkmale aufweisen sollte, entscheidend für die Wahrnehmung und Bewertung eines Konsumenten ist. Sie fokussiert in ihrer Untersuchung das Potential zur Neukundengewinnung, welches durch den Erlebnischarakter eines Temporary-Stores für eine Marke entsteht. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Format des Pop-Up-Stores innovativ für den Besucher ist. Konsumenten empfinden einen Pop-Up-Store damit als wertstiftend (vgl. Picot-Coupey, 2014, S. 655 ff.).
Insbesondere Konsumenten, denen Innovationen und das Store-Design wichtig sind, haben eine signifikant höhere impulsive Absicht, einen Pop-Up-Store zu besuchen. Retief und Kollegen (2013) empfehlen daher, dass Temporary-Stores neue und unerwartete Gestaltungs- und Designelemente beinhalten sollten, um die maximale Aufmerksamkeit der Konsumenten zu erlangen. Auch Musik sowie eine Aktivierung der Besucher (beispielsweise durch die Möglichkeit der Produkttestung) steigern deren Interesse an einem Pop-Up-Store (vgl. Retief et al., 2013, S. 2 f.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 7: Pop-Up-Store Klassifikations-Schema (eigene Darstellung in Anlehnung an Warnaby/Shi, 2018, S. 29).
Eine abgrenzende Intention zur reinen kommunikations- und werbewirksamen Vermarktung eines Labels, die mit der Verwendung eines Pop-Up-Stores verfolgt wird und in der Literatur eine sekundäre Bedeutung hat, kann aus der Vertriebssicht resultieren; dies zeigt Abb. 7 ebenfalls. Durch einen Temporary-Store besteht die Chance zum kurzfristigen Abverkauf beispielsweise auch von alter oder über-schüssiger Lagerware. So weist Leinbach-Reyhle (2014) an dieser Stelle auf einen Anstieg des Abverkaufs um 35 % in einem Pop-Up-Store hin, wenn dieser eine maximale Öffnungsdauer von sechs Monaten hat (vgl. Leinbach-Reyhle, 2014, o.S.). Damit bietet ein Pop-Up-Store für ein Unternehmen neben den bereits beschriebenen Intentionen auch die Chance zur operativ kurzfristigen Absatz- und Umsatzsteigerung (vgl. Baumgarth/Kastner, 2012, S. 35; vgl. Hurth/Krause, 2010, S. 39 f.).
Eine weiterführende Konsequenz ist, dass ein erfolgreicher Pop-Up-Store für ein Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil darstellen kann. Dazu muss die Standortwahl hinsichtlich der Stadt und der lokalen Begebenheit selektiert und bewusst hinsichtlich der Faktoren Frequenz, Zielgruppe und Kaufkraft untersucht werden. Die finale Wahl des Standortes bedingt dabei entscheidend, wer mit welcher Kaufkraft den Pop-Up-Store wie wahrnimmt und wie hoch an dieser Stelle die Anzahl potentieller Zielgruppenmitglieder ist (vgl. Marciniak/Budnarowska 2009, S. 4 ff.).
[...]
1 Als hedonistisch werden vornehmlich Werte beschrieben, die Freude bereiten und sowohl von dem Genuss als auch dem Vergnügen dominiert werden. Sie werden internal wahrgenommen, während ein utilitaristischer Wert äußeren Entstehungsfaktoren zugewiesen wird. Utilitarismus meint damit den wahrgenommenen Nutzen eines Individuums durch die Umwelt (vgl. Cachero-Martínez/Váz-quez-Casielles, 2017a, S. 537 ff.).
2 Korrelationskoeffizienten können Werte zwischen -1 und 1 annehmen. Nach Cohen (1988) sind Werte zwischen -1 und -.50 als stark negative und Werte zwischen -.50 bis -.30 als negative Zusammenhänge zu bewerten. r -Werte zwischen -.30 bis .30 stellen keinen Zusammenhang dar, während Korrelationswerte zwischen .30 bis .50 einen positiven und Werte ab .50 als stark positive Zusammenhänge bewertet werden (vgl. Cohen, 1988, S. 82).
3 Unter Omnichannel wird die Verwendung mehrerer Kanäle zur verbesserten Zielkundenerreichung verstanden. Vor allem die Anwendung computergestützter Verfahren sowie Social Media im Han-delskontext zählen zur Begrifflichkeit des Omnichannels (vgl. Kaczorowska-Spychalska, 2017, S. 95 f.).
4 Synonyme für den Begriff Pop-Up-Store sind Temporary-Store oder auch Kurzzeitladen.
5 Zur Vollständigkeit der Klassifikationen von Pop-Up-Stores sei erwähnt, dass Pomodoro (2013) vor der zunehmenden Bewusstwerdung ökologischer und nachhaltiger Aspekte zudem die Begrifflichkeit sustainable temporary-store verwendet, wenn Unternehmen durch einen Pop-Up-Store als beson-ders umweltbewusst und fair wahrgenommen werden möchten (vgl. Pomodoro, 2013, S. 349).
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