Raum ist abhängig von den „systemspezifisch variierenden Modi seiner Konstruktion“
(Krämer-Badoni/Kuhm 2003, S. 7).
Das menschliche Gehirn ist derart disponiert, dass es in allem nach Ordnung und Struktur sucht - auch dort wo diese fehlt. Die den Menschen umgebene Wirklichkeit wird ausgehend von der individuellen Wahrnehmung zur subjektiven Wirklichkeit indem, basierend auf den gemachten Erfahrungen im Raum, kognitive Raumstrukturen ausgeprägt werden, welche als Grundlage aller weiteren Handlungen dienen. Raum ist das Produkt der auf dieser Struktur aufbauenden Handlungen und demnach aufgeladen mit Vorstellungen, Erfahrungen und Erinnerungen. Er stellt eine Erfahrbarmachung von Sinnbildern dar (Vgl.: Wöhler 2003, S. 243).
Die vorliegende Arbeit widmet sich der menschlichen Wahrnehmung des Raumes und den auf dieser Wahrnehmung fußenden Handlungen, welche den Raum konstituieren. Hierbei steht die raumprägende Bedeutung der „Welt in unseren Köpfen“ (Downs/Stea 1982) im Zentrum der Ausführungen.
Die Betrachtung löst sich dabei von der Vorstellung von Raum als ein für alle Betrachter gleichartig gestaltetes Gebilde und ersetzt es durch ein Verständis von Raum als Fluidum, das durch menschliche Vorstellungen geprägt wird und gleichzeitig prägend auf dieselbigen wirkt. Raum wird als Produkt und Medium der hybriden Überlagerung verschiedener Raumvorstellungen skizziert. Dabei wird die Bedeutung der Wahrnehmung für die Raumgestaltung und -aneignung und somit die allgegenwärtig vorherrschende subjektive Komponente der Wirklichkeit mittels des aus dem angloamerikanischen Raum stammenden Konzeptes der Mental Maps aufgezeigt. Die Darstellung schließt indem die Bedeutung von Mental Maps im städteplanerischen und baulichen Kontext am Beispiel der Hamburger Hafen City betrachtet wird.
Die vorliegenden Ausführungen sprechen sich insgesamt für eine größere Wertschätzung und ein stärkeres Augenmerk auf die Untersuchungsmethode der Mental Maps innerhalb der Stadtplanung und Stadtgeographie aus.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Einordnung in den Theorierahmen der Sozialgeographie
3 Gelebte Wirklichkeit und die „Welt in unseren Köpfen“
3.1 Das Konzept der Mental Maps
3.2 Wahrnehmung
4 Mental Maps und der (touristische) Stadtraum
5 Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
1 Einleitung
Raum ist abhängig von den „systemspezifisch variierenden Modi seiner Konstruktion“ (Krämer-Badoni/Kuhm 2003, S. 7).
Das menschliche Gehirn ist derart disponiert, dass es in allem nach Ordnung und Struktur sucht - auch dort wo diese fehlt. Die den Menschen umgebene Wirklichkeit wird ausgehend von der individuellen Wahrnehmung zur subjektiven Wirklichkeit indem, basierend auf den gemachten Erfahrungen im Raum, kognitive Raumstrukturen ausgeprägt werden, welche als Grundlage aller weiteren Handlungen dienen. Raum ist das Produkt der auf dieser Struktur aufbauenden Handlungen und demnach aufgeladen mit Vorstellungen, Erfahrungen und Erinnerungen. Er stellt eine Erfahrbarmachung von Sinnbildern dar (Vgl.: Wöhler 2003, S. 243).
Die vorliegende Arbeit widmet sich der menschlichen Wahrnehmung des Raumes und den auf dieser Wahrnehmung fußenden Handlungen, welche den Raum konstituieren. Hierbei steht die raumprägende Bedeutung der „Welt in unseren Köpfen“ (Downs/Stea 1982) im Zentrum der Ausführungen.
Die Betrachtung löst sich dabei von der Vorstellung von Raum als ein für alle Betrachter gleichartig gestaltetes Gebilde und ersetzt es durch ein Verständis von Raum als Fluidum, das durch menschliche Vorstellungen geprägt wird und gleichzeitig prägend auf dieselbigen wirkt. Raum wird als Produkt und Medium der hybriden Überlagerung verschiedener Raumvorstellungen skizziert. Dabei wird die Bedeutung der Wahrnehmung für die Raumgestaltung und -aneignung und somit die allgegenwärtig vorherrschende subjektive Komponente der Wirklichkeit mittels des aus dem angloamerikanischen Raum stammenden Konzeptes der Mental Maps aufgezeigt. Die Darstellung schließt indem die Bedeutung von Mental Maps im städteplanerischen und baulichen Kontext am Beispiel der Hamburger Hafen City betrachtet wird.
Die vorliegenden Ausführungen sprechen sich insgesamt für eine größere Wertschätzung und ein stärkeres Augenmerk auf die Untersuchungsmethode der Mental Maps innerhalb der Stadtplanung und Stadtgeographie aus.
2 Einordnung in den Theorierahmen der Sozialgeographie
Die folgenden Betrachtungen gehen von einem menschenbezogenen Verständnis der Raumaneignung aus und sind dabei den Ansätzen der handlungszentrierten und verhaltenstheoretischen Sozialgeographie verpflichtet (siehe hierzu auch Brassel/Kollmair/ Schmitt 2000, S. 57).
Im Fachgebiet der Sozialgeographie treffen die Fragestellungen und Interessen der klassischen Geographie („Raum“) und die der Soziologie („Gesellschaft“) aufeinander. Die Sozialgeographie im Allgemeinen betrachtet das Verhältnis zwischen Raum und Gesellschaft unter der Perspektive des Menschen als sozialen Akteur (Vgl.:Werlen 2000, S.11). Sie postuliert, dass der Mensch und somit die Gesellschaft Raum durch die alltäglichen Aktivitäten gestaltet. Nach ihrem Begründer Wolfgang Hartke und dessen Schüler Benno Werlen sind es die Handlungen der Menschen, die Räume definieren. „So wie jeder Mensch täglich Geschichte macht [...] macht jeder Mensch natürlich auch Geographie“ (Werlen 1997, S. 305). Im Zentrum dieses Ansatzes stehen demnach nicht Ideen oder Ideologien sondern die Handlungen und die ihnen zugrunde liegende Wahrnehmung der Individuen im sozialen Kontext.
Werlen gründet seine Ausführungen auf Giddens, der in „Die Konstitution der Gesellschaft“ beschreibt, wie die Gesellschaft durch Handlungen gestaltet wird, die in einem Kontext vollzogen werden, welcher durch frühere Handlungen entstanden ist und wiederum durch die kontinuierlich neu hinzukommenden Handlungen verändert wird (Vgl.:Giddens 1997, S. 13 und S. 60). Menschen und die sie umgebenen Räume werden als sich ständig verändernde Variabeln betrachet (Vgl.:Knox/Pinch, S. 303). Durch die Einbettung in die Alltagswirklichkeit zeichnete die Sozialgeographie seismographisch diese dynamische Veränderungsprozesse der Gesellschaft nach, beziehungsweise auf.
Die verhaltenstheoretische Sozialgeographie legt dabei ein größeres Schwergewicht auf das Bewusstsein. Menschliches Verhalten wird als Reaktion auf selektiv wahrgenommene Informationen betrachtet. Zentral sind Fragen der subjektiven Raumwahrnehmung und die auf ihnen fußende Untersuchung von Images von bestimmten Orten. Im Sinne dieser Fragestellung gestalten sich die folgenden Ausführungen.
3 Gelebte Wirklichkeit und die „Welt in unseren Köpfen“
„Nicht die Wirklichkeit ist das Reale, sondern was unser inneres Auge daraus macht“
Josef Hofmiller (zit. nach Hobmair 1998, S. 50)
Da die alltäglichen raumstrukturierenden Aktivitäten auf dem bisherigen Raumerleben und somit der Raumwahrnehmung fußen, kann dieser Raum ergo über die Betrachtung des Bewusstseins und der Wahrnehmung von Räumen erschlossen werden.
Physische und psychologische Zuschreibungen prägen die Eigenschaften von Räumen. Der menschliche Alltagsraum ist dabei jedoch weitaus stärker von psychologischen Eigenschaften geprägt und unterscheidet sich demnach merklich von seiner physischen Definition.
Welt ist nach Durkheim nicht tatsächliche Wirklichkeit, im Sinne einer vom Betrachter unabhängig existierenden Realität, sondern „gelebte Welt“ (Kern 1977, S. 24). Dieser von Weichhart als “erlebter Raum“ (Weichhart 1999, S. 80, siehe Anhang Abb. 3) bezeichnete subjektiv wahrgenommene Raum des Alltagshandeln wird nach O’Keefe/Nadel (Vgl. Schweizer/Katz/Janzen, S. 82) als „psychischer“ Raum bezeichnet und steht im Zentrum dieser wissenschaftlichen Auseinandersetzung.
Doch wie gestaltet sich dieser gelebte Raum? Mit Hilfe so genannter Mental Maps werden diese subjektiven Vorstellungswelten des erlebten Raumes erforschbar.
3.1 Das Konzept der Mental Maps
Mental Maps wurden als Forschungsmethode der Sozial- und Humangeographie in den 1950er-60er Jahren im angloamerikanischen Raum insbesondere von Kevin Lynch entwickelt (Vgl.:Jebbink/Keil 2003, S. 32; Wildner 1995, S. 16) und in den 80er Jahren von Downs und Stea vertieft. Ganz im Sinne der verhaltenstheoretischen Sozialgeographie ist die Interpretation von Mental Maps im Überschneidungsbereich von Geographie und Psychologie anzusiedeln, da sowohl räumliche Gegebenheiten als auch kognitiv-neuronale Vorgänge eine Rolle spielen.
Mental Maps stellen "a person’s organized representation of some part of the spatial environment" (Downs/Stea 1977, S. 5 zit. nach Ott) dar. Sie sind somit individuelle kognitive Repräsentationsbilder eines bestimmten Raumes.
Als räumliche Modelle entstehen Mental Maps als interne Repräsentation des Bewusstseins indem Rauminformationen in Bezug zueinander gesetzt werden und dem Vergleich mit Wahrnehmungserfahrungen unterzogen werden (Vgl.:Krämer-Badoni/Kuhm 2003, S. 8). Der Erzeugungsprozess dieser Maps, der im Kindesalter beginnt und sich mit zunehmenden Alter weiter ausdifferenziert (Vgl.:Jebbink/Keil 2003, S. 33), wird nach Roger M. Downs und David Stea als „cognitive mapping“ – “a process composed of a series of psychological transformations by which an individual acquires, codes, stores, recalls and decodes information about the relative locations and attributes of phenomena in his everyday spatial environment" (Downs/Stea 1973, S. 9 zit. nach Ott, siehe hierzu auch Jameson 1986) bezeichnet. Das durch den Prozess des Umweltlernens erzeugte kognitive Produkt ist das Ergebnis „von Erfahrungen, sensomotorischen Interaktionen mit der Umwelt und von Lernen“ (Downs/Stea 1982, S. 64).
Mental Maps dienen der »Raumkognition« (Schweizer/Katz/Janzen, S. 80) und visualisieren auf welche Art und Weise Menschen auf ihre Umwelt reagieren, Raum konzeptualisieren und untergliedern (Vgl.:Downs/Stea 1982, S. 28). Sie zeigen auf wie Raum von Menschen angeeignet wird und welche Elemente für den Einzelnen von Bedeutung sind (Vgl.:Wildner 1995, S. 16). Sichtbar werden diese Karten im Kopf beim Versuch anderen Personen einen Eindruck von der uns bekannten Umwelt zu geben, beispielsweise in Form von mündlichen Wegbeschreibungen oder handgemalten Anfahrtsskizzen.
Das kognitive Kartieren ist eine grundsätzlich zielgerichtete Tätigkeit, die „Handlungspläne zur Lösung spezifischer räumlicher Probleme erstellt“ (Downs/Stea 1982, S. 100) und ein Bezugssystem für die Interpretation und das Verständnis der Umwelt liefert. Mental Maps veranschaulichen nach White das „Zusammenwirken von Denken, Fühlen und Handeln“ (White nach Poch 1995, S. 26). Sie verknüpfen Ideen und Vorstellungen mit Erfahrungen (Vgl.:Poch 1995, S. 27) „Das Bild ist ein Produkt aus unmittelbarer Erfahrung und der Erinnerung an vergangene Erfahrung; es wird benutzt, um Wahrgenommenes zu deuten und der Handlung eine Richtung zu geben“ (Lynch 1989, S. 13). Mental Maps dienen als Orientierungshilfe. Sie geben Auskunft wo der Mensch was bekommt und wie er dort hingelangt. Basierend auf diesen Informationen sind kognitive Karten grundsätzlich mit Entscheidungen – was tue ich wann, wo – verbunden und bilden darüber hinaus die Grundlage für unsere Erwartungen.[1]
Zudem sind Mental Maps von identitätsstiftender Qualität, da sie, durch die gespeicherten Informationen, Erinnerungen lebendig halten - über den Ort wird die Situation erinnert (Vgl.:Downs/Stea 1982, S. 49).
Kognitive Karten können von unterschiedlicher Größe sein - von der Wohnung bis zur Metropole sind dem kognitiven Kartieren keine Grenzen gesetzt. Nach Terence Lee spiegeln kognitive Karten jedoch vorrangig den Raum des alltäglichen Lebens (die “home area“) wider (Vgl:Knox/Pinch 2000, S. 305). Kognitive Karten müssen nicht zwingend visueller Natur sein, sondern können sich ebenso aus Gerüchen oder Geräuschen konstituieren (Vgl.:Downs/Stea 1982, S. 41).
Die Struktur von Mental Maps wird nach Lynch in unterschiedliche Grundelemente eingeteilt (Vgl.:Lynch 1989, S. 60 ferner Knox/Pinch 2000, S. 295 sowie Anhang Abb.10): Wege, an denen man sich entlang bewegt (zum Beispiel Straßen oder Kanäle) - so genannte Pfade; Barrieren oder Begrenzungen, die Gebiete von einander trennen (Küstenlinien, Mauern, Eisenbahnlinien); Bezirke oder Bereiche mit charakteristischen Merkmalen, die Menschen geistig betreten oder verlassen; Knoten- oder Brennpunkte - strategische Punkte wie Straßenecken, Verkehrsknoten oder Plätze und schließlich physische Bezugspunkte wie Hochhäuser, Monumente oder Geländeformen, die auch unter dem Name Landmarken oder Merkzeichen bekannt sind (Schweizer/Katz/Janzen 2000, S. 81).
Das kognitive Kartieren ist ein Prozess durch den Informationen aus der Umwelt in eine strukturierte Abbildung transferiert werden (Vgl.:Downs/Stea 1982, S. 91). Das Wissen über einen Raum bestimmt in der Konsequenz die Struktur der Mental Map desselbigen. Im Laufe der Erkundung eines fremden Raumes verändert sich demgemäß auch das kognitive Bild. Dabei hat die Art und Weise der Interaktion mit der Umwelt qualitätsbestimmenden Einfluss auf die Mental Map. Beispielsweise werden je nachdem ob ein Raum zu Fuß oder aber mit dem Auto erkundet wird, andere Raummuster ausgeprägt (Vgl.:Downs/Stea 1982, S. 110).
Allgemein ist die kognitive Karte umso detaillierter, je mehr Informationen eine Person aus erster Hand über ihre Umwelt besitzt und desto besser es diese Person versteht sekundäre Informationsquellen auszuschöpfen (Vgl.:Knox/Marston 2001, S. 288). Das Umweltlernen erfolgt dabei auf zwei unterschiedliche Art und Weisen, zum einen werden Informationen über das „was, wo, wann“ erweitert, zum anderen erfolgt das Lernen über die Bestätigung unserer selbst geschaffenen Lösungsstrukturen von räumlichen Problemen (Vgl.:Downs/ Stea 1982, S. 105).
[...]
[1] Diese generieren sich aus den Erfahrungsregeln (Heuristik) und den situationsspezifischen räumlichen Informationen (Vgl.:Downs/Stea 1982, S. 115).
- Citation du texte
- Juliane Krueger (Auteur), 2006, Von Räumen und Menschen - Eine Vorstellung der Forschungsmethode 'Mental Maps', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54134
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