In dieser Arbeit das Selbstkonzept lautsprachlich kommunizierender hörgeschädigter Jugendlicher einer Förderschule in Nordrhein-Westfalen untersucht werden. Es soll betrachtet werden, ob ihre Hörschädigung und der Besuch einer Förderschule einen Einfluss auf ihr Selbstkonzept haben. Diese Untersuchung soll außerdem Aufschluss darüber geben, ob sich hörgeschädigte Jugendliche von ihren Freunden und von ihrer Familie als Person akzeptiert und in ihrem Selbstkonzept gestärkt fühlen.
Das Selbstkonzept ist von besonderer Relevanz, da es Einfluss auf das psychische Wohlbefinden, die Qualität von Freundschaften, die schulischen Leistungen und den Umgang mit Herausforderungen wie der Berufswahl hat. Um dem Ziel dieser Arbeit nachzugehen werden im zweiten Kapitel zunächst die grundlegenden Begriffe dieser Arbeit definiert. Eingangs wird der Begriff „Hörschädigung“ und verschiedene Arten der Hörschädigung und Hörhilfen betrachtet.
Es folgt eine Erläuterung des Begriffs „Jugendalter“, wobei auf die verschiedenen Entwicklungsaufgaben des Jugendalters eingegangen wird. Dieser Altersabschnitt ist von besonderem Interesse, da er durch eine erhöhte Selbstreflexion geprägt ist. Jugendliche setzen sich vermehrt mit der Frage „Wer bin ich?“ auseinander und das Selbstkonzept bildet sich aus.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Hörschädigung
2.1.1 Arten von Hörschädigungen
2.1.2 Hörschädigungsgrade
2.1.3 Hörhilfen
2.2 Jugendalter
2.2.1 Entwicklungsaufgaben im Jugendalter
2.3 Selbstkonzept
2.3.1 Die Struktur des Selbstkonzeptes
2.3.2 Die Entwicklung des Selbstkonzeptes im Kindesalter
2.3.3 Die Entwicklung des Selbstkonzeptes im Jugendalter
2.3.4 Schule und Selbstkonzept
2.3.5 Selbstkonzept und Hörschädigung
3. Empirischer Teil
3.1 Fragestellung
3.2 Methode
3.2.1 Die Frankfurter Selbstkonzeptskalen
3.3 Rekrutierung und Stichprobe
3.4 Durchführung
3.5 Auswertung
3.6 Ergebnis und Interpretation
3.7 Diskussion
3.7.1 Eignung und Einschränkungen des Fragebogens
3.7.2 Exkurs: Wortschatz hörgeschädigter Schüler
3.7.3 Förderansätze zur Förderung des Selbstkonzeptes hörgeschädigter Jugendlicher
4. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
1 . Einleitung
Das Selbstbild entwickelt sich in Interaktion mit anderen Menschen und ein sehr wesentlicher Teil dieser Interaktion besteht aus sprachlicher Kommunikation. Das Selbstbild […] ist zu einem wesentlichen Teil das Ergebnis sprachlicher Kommunikation und selbstreflexiver Prozesse, die ihrerseits wieder auf verinnerlichter Sprache beruhen.“ (Grawe 2004, S. 250)
Dieses Zitat verdeutlicht die besonderen Herausforderungen lautsprachlich kommunizierender hörgeschädigter Jugendlicher bei der Entwicklung eines positiven Selbstkonzeptes. 90 Prozent dieser Jugendlicher wachsen in einem lautsprachlichen Umfeld mit gut hörenden Eltern auf (vgl. Mitchell/ Karchmer 2004, S. 138). Eine Hörschädigung erschwert hier die lautsprachliche Entwicklung und Kommunikation, welche grundlegend für die Entwicklung des Selbstkonzeptes sind.
Daher soll in dieser Arbeit das Selbstkonzept lautsprachlich kommunizierender hörgeschädigter Jugendlicher einer Förderschule in Nordrhein-Westfalen untersucht werden. Es soll betrachtet werden, ob ihre Hörschädigung und der Besuch einer Förderschule einen Einfluss auf ihr Selbstkonzept haben. Diese Untersuchung soll außerdem Aufschluss darüber geben, ob sich hörgeschädigte Jugendliche von ihren Freunden und von ihrer Familie als Person akzeptiert und in ihrem Selbstkonzept gestärkt fühlen. Das Selbstkonzept ist von besonderer Relevanz, da es Einfluss auf das psychische Wohlbefinden, die Qualität von Freundschaften, die schulischen Leistungen und den Umgang mit Herausforderungen wie der Berufswahl hat (vgl. Hintermair/ Tsirigotis 2008, S. 36; vgl. Beutel/ Hinz 2008, S. 38).
Um dem Ziel dieser Arbeit nachzugehen werden im zweiten Kapitel zunächst die grundlegenden Begriffe dieser Arbeit definiert. Eingangs wird der Begriff „Hörschädigung“ und verschiedene Arten der Hörschädigung und Hörhilfen betrachtet.
Es folgt eine Erläuterung des Begriffs „Jugendalter“, wobei auf die verschiedenen Entwicklungsaufgaben des Jugendalters eingegangen wird. Dieser Altersabschnitt ist von besonderem Interesse, da er durch eine erhöhte Selbstreflexion geprägt ist. Jugendliche setzen sich vermehrt mit der Frage „Wer bin ich?“ auseinander und das Selbstkonzept bildet sich aus.
Im Kapitel 2.3 „Das Selbst und das Selbstkonzept“ werden zunächst gängige Definitionen des Begriffes „Selbstkonzept“ dargelegt. Danach wird auf die Struktur und die Entwicklung des Selbstkonzeptes eingegangen. Es wird der Begriff „Selbstkonzept“ in Hinblick auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu „Selbstwert“, „Selbstbewusstsein“, „Identität“ und „Persönlichkeit“ betrachtet. Anschließend wird die Entwicklung des Selbstkonzeptes im Kindes- und im Jugendalter beschrieben. Die durch die Pubertät bedingten Veränderungen des Körpers und der Hirnstrukturen sowie das zunehmende Loslösen vom Elternhaus können zu negativen Emotionen und zu Schwankungen des Selbstkonzeptes führen (vgl. Lohaus/ Vierhaus 2015, S. 254ff.). Im nächsten Unterkapitel wird die Institution Schule als besonderer Einflussfaktor auf das Selbstkonzept betrachtet. Die Schule ist der Ort, an dem Kinder ihre meiste Zeit verbringen und wo sie sich mit ihren Peers vergleichen. Von ihnen und von ihren Lehrkräften erhalten sie regelmäßig Rückmeldungen zu ihrer Person und ihren Leistungen. Darauf aufbauend wird sich mit den besonderen Herausforderungen einer Hörschädigung in Bezug auf die Entwicklung des Selbstkonzeptes befasst. Eine Hörschädigung stellt neben den Entwicklungsaufgaben des Jugendalters einen zusätzlichen Risikofaktor für die Entwicklung eines positiven Selbstkonzeptes dar. Defizite in Kommunikation und Sprache behindern die auf Sprache basierende Selbstreflexion und die Auseinandersetzung mit der Umwelt (vgl. Grawe 2004, S. 250; Hintermair 2007, S. 94). Hörgeschädigte Kinder können eigene und fremde Gedanken und Gefühle schlechter ausdrücken und reflektieren als Kinder ohne Hörschädigung (vgl. Moog et al. 2011, S. 2). Von klein auf an kann der Selbstwert hörgeschädigter Kinder aufgrund von Kommunikationsdefiziten nicht zuverlässig gestärkt werden (vgl. Hintermair 2007, S. 96). Sie können bestätigende Äußerungen ihrer Eltern nicht immer zuverlässig wahrnehmen (vgl. Hintermair 2005, S. 28). Eine gelingende Kommunikation ist außerdem für den Aufbau von Freundschaften und soziale Integration relevant, welche ein positives Selbstkonzept fördern (vgl. Antia/ Kreimeyer 2003, S. 164; Keilmann et al. 2007, S. 1748). Die regelmäßige Frustration in der lautsprachlichen Umwelt durch Missverständnisse und die Ausgrenzung in Unterhaltungen ist eine weitere Gefährdung für die Entwicklung eines positiven Selbstkonzeptes (vgl. Muigg et al. 2010, S. 238; vgl. Jambor/ Elliot 2005, S. 65). Hinzu kommt, dass hörgeschädigte Schüler sich mit verschiedenen Gruppen identifizieren können. Sie können sich als hörend, gehörlos, keiner oder beiden Gruppen zugehörig definieren. Dies hat verschiedenen Einfluss auf das Selbstkonzept.
Anschließend beginnt in Kapitel 3 der empirische Teil dieser Arbeit. Zunächst werden die dieser Arbeit zugrundeliegenden Fragestellungen dargelegt. Welche Fragestellungen wurden in der betrachteten Literatur aufgeworfen und sollen untersucht werden? Danach wird auf die Auswahl der Methode eingegangen und die Auswahl des Fragebogens begründet. Im folgenden Teil der Arbeit werden die einzelnen Skalen des Fragebogens beschrieben. Das Inventar besteht aus 10 eindimensionalen Skalen, die 10 verschiedenen Selbstkonzepten zugeordnet werden. In Kapitel 3.3 wird die Stichprobe und die Rekrutierung beschrieben. Danach folgt die Beschreibung der Durchführung und Auswertung. Im Anschluss werden die Ergebnisse der sieben befragten Schüler dargelegt und interpretiert. Sechs der sieben untersuchten Schüler bewegen sich in den verschiedenen Skalen im neutralen bis positiven Bereich. Eine Schülerin weist hauptsächlich Summenscores im negativen Bereich auf. In der Diskussion werden die Grenzen dieser Untersuchung aufgezeigt. Es handelt sich um eine sehr kleine Stichprobe, die keine Beantwortung der im Voraus aufgestellten Fragen erlaubt. Hinzu kommt, dass der Fragebogen einige schwierige und veraltete Formulierungen enthält. Dies kann den Schülern die Beantwortung des Fragebogens erschwert haben. Daran anschließend werden Ansatzpunkte für die Förderungen des Selbstkonzeptes hörgeschädigter Jugendlicher aufgezeigt. Dies steht im engen Zusammenhang mit der optimalen Förderung der sprachlichen Fähigkeiten hörgeschädigter Kinder. Um dieser einen guten Weg zu ebnen, müssen zum Beispiel Eltern in Fragen der Schulwahl oder bei anderen Problemen ihrer hörgeschädigten Kinder individuell beraten werden. In der pädagogischen Arbeit mit dieser Zielgruppe sind außerdem die Themen ressourcenorientiertes Handeln, Empowerment und Identitätsarbeit relevant. Daher wird auf diese ein Blick geworfen. Ebenfalls wird auf die Relevanz der außerschulischen Jugendarbeit für die positive Entwicklung des Selbstkonzeptes hörgeschädigter Jugendlicher eingegangen. Ein zusammenfassendes Fazit beschließt diese Arbeit.
Aus Gründen der Lesbarkeit wird bei Gruppen mit männlichem und weiblichem Anteil die männliche Form gewählt, es ist jedoch immer ebenfalls die weibliche Form gemeint.
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Hörschädigung
In Deutschland gibt es etwa 15 Millionen Menschen mit einer Hörschädigung (vgl. (Renzelberg 2001, S. 129). Die meisten dieser Menschen weisen eine erworbene Altersschwerhörigkeit auf. Aufgrund des schulischen Kontexts dieser Arbeit werden im Folgenden die Arten von Hörschädigungen betrachtet, die im Kindesalter auftreten. In Deutschland betrifft dies 20.000 bis 35.000 Kinder und Jugendliche (vgl. ebd., S. 120).
2.1.1 Artenvon Hörschädigungen
Bei einer Hörschädigung liegen verschiedene Arten von Funktionsstörungen im Hörorgan, der Hörbahn oder dem Hörzentrum vor (vgl. Leonhardt 2010, S. 50).
Bei der auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (AVWS) handelt es sich um eine zentrale Hörschädigung. Hierbei sind bei normalem peripheren Gehör die zentralen Prozesse des Hörens wie Sprachverstehen oder Schalllokalisation gestört (vgl. Leonhardt 2010, S. 57). Die Ursachen für AVWS sind ungeklärt (vgl. ebd.).
Zu den peripheren Hörschädigungen gehören die Schallleitungsstörung und die Schallempfindungsstörung (vgl. ebd.) Bei einer Schallleitungsstörung ist die Schallübertragung im äußeren Ohr und Mittelohr gestört (vgl. ebd.). Ursachen sind Schädigungen des Gehörgangs, eingeschränkte Elastizität des Trommelfells oder fehlende Beweglichkeit der Gehörknöchelchen im Mittelohr. Diese werden durch Mittelohrentzündungen oder Infektionskrankheiten verursacht (vgl. Leonhardt 2010, S. 50). Eine Schallempfindungsstörung tritt durch Schädigung der Innenohrstrukturen sowie dem Hörnerv und den Hörbahnen auf (vgl. Muigg et al. 2010, S. 238). Diese kann vererbt, durch Krankheit der Mutter während der Schwangerschaft oder durch postnatalen Erkrankungen wie Meningitis verursacht werden (vgl. Leonhardt 2010 S. 53). Eine starke Schallempfindungsstörung kann zu einer Gehörlosigkeit führen (vgl. ebd., S. 55). Eine Schallleitungs- und eine Schallempfindungsstörung können kombiniert auftreten (vgl. Leonhardt 2010, S. 53).
2.1.2 Hörsch ä digungsgrade
Man unterscheidet verschiedene Grade einer Hörschädigung nach Ausmaß des Hörverlustes. Eine leichtgradige Hörschädigung umfasst einen Hörverlust von 0-40 dB, eine mittelgradige Hörschädigung einen Hörverlust von 35-65 dB und eine hochgradige Hörschädigung einen Hörverlust von 55- 85 dB (vgl. Günther 2008, S. 63). Bei einem Hörverlust über 90 dB spricht man von Gehörlosigkeit (vgl. ebd.). Gehörlosigkeit kann außerdem dadurch definiert werden, dass eine Person unabhängig von ihren Hörresten und genutzten Hörhilfen Lautsprache nicht aufnehmen kann (vgl. Marschark et al. 2002, S. 44). 98% der gehörlosen Menschen besitzen Hörreste (vgl. Pöhle 1994, S. 12). Unabhängig vom Grad der Hörschädigung definieren sich hörgeschädigte Menschen selbst als gehörlos, wenn sie sich der Gehörlosenkultur zugehörig fühlen (vgl. Leonhardt 2010, S. 22).
2.1.3 Hörhilfen
Je nach Art und Grad der Hörschädigung werden betroffene Menschen mit verschiedenen Hörhilfen versorgt, um eine Sprachwahrnehmung zu ermöglichen. Diese sollte bei hörgeschädigten Kindern so früh wie möglich erfolgen, um eine optimale Sprachentwicklung zu fördern (vgl. Szagun 2006). Dazu sollte das Fenster der spracherwerbssensiblen Phase zwischen dem 1. Und 3. Lebensjahr genutzt werden (vgl. ebd.).
Es werden Hörgeräte genutzt, wenn durch chirurgische oder medikamentöse Maßnahmen das Hören nicht verbessert werden kann (vgl. Leonhard 2010, S. 107). Diese nehmen akustische Signale über ein Mikrophon auf und senden sie als elektrische Signale an einen Verstärker (vgl. ebd.). Dort werden sie verstärkt an den Hörer gesendet welcher dieses Signal wiederum als Schallwellen über die Otoplastik in den Gehörgang abgibt (vgl. ebd.). Die Hinter-dem-Ohr-Geräte (HdO-Geräte) sind zurzeit die am häufigsten genutzten Hörhilfen (vgl. ebd., S. 108). Es liegt hinter der Ohrmuschel und ist mit einem Plastikschlauch mit dem individuell angepassten Ohrpassstück, der Otoplastik, verbunden (vgl. ebd., S. 109). Bei modernen digitalen Hörgeräten können je nach Umgebung verschiedene Programme gewählt werden. Ein Mikrochip steuert das Ausblenden von Störgeräuschen wie Geschrei oder Türknallen. (vgl. ebd.). Neben den HdO-Geräten werden die Im-Ohr-Geräte (IO-Geräte) verwendet (vgl. ebd., S. 110). Alle Bestandteile des HdO-Gerätes sind hier in der Otoplastik eingebaut (vgl. ebd.). Somit ist der Höreindruck natürlicher, da sich das Mikrophon am natürlichen Ort der Schallaufnahme befindet (vgl. ebd.). Dadurch wird eine bessere Klangqualität transportiert und Richtungshören ist besser möglich (vgl. ebd.). Wegen der kleinen Größe ist die Verstärkung dieser Hörgeräte nicht so hoch wie bei HdO-Geräten (vgl. ebd.). Daher eigenen sie sich nicht bei Hörschädigungen höheren Grades (vgl. ebd.).
Bei schweren Schädigungen des Innenohres wird sich meist dazu entschieden Kindern ein Cochlea Implantat (CI) zu implantieren (vgl. Leonhardt 2010, S. 116). Ein CI erfordert eine umfassende Nachsorge wie der Anpassung des Sprachprozessors und Hörerziehung (vgl. ebd., S. 119). Wie gut Kinder lernen, die gewonnene Hörkapazität zu nutzen, hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie der Funktion des Hörnervs und des zentralen Hörsystems, des sozialen Umfelds, der Qualität der pädagogischen Anleitung, dem Implantationszeitpunkt und der individuellen Disposition des Kindes (vgl. ebd.). Das Implantat selbst setzt sich aus Elektroden, Stimulator, der Empfängerspule und einem Magneten zusammen (vgl. ebd., S. 117f.). Es wird operativ in das ausgefräste Knochenbett hinter dem Ohr eingesetzt und die verbundenen Elektrodenträger in die Cochlea eingeführt (vgl. ebd.). Mikrophon, Sprachprozessor und Batteriefach werden hinter dem Ohr getragen (vgl. ebd.). Der Sprachprozessor wandelt, die durch das Mikrophon empfangenen akustischen Signale in speziell für die Verarbeitung im Gehirn geeignete elektrische Signale um (vgl. ebd., S. 118). Über ein Kabel werden diese Signale zur Sendespule geleitet (vgl. ebd.) Diese haftet dank eines Gegenmagnetes am Magneten im Implantat auf der Kopfhaut (vgl. ebd.). Die Sendespule überträgt die empfangenen Signale transkutan über die Haut an das Implantat (vgl. ebd.). Die Empfängerspule dekodiert die Signale und leitet sie an die in der Cochlea liegenden Elektroden weiter (vgl. ebd.). Diese stimulieren den Hörnerv (vgl. ebd.). Die von dem Hörnerv weitergeleiteten Signale können durch das Gehirn interpretiert werden (vgl. Kramme 2011, S. 266).
2.2 Jugendalter
Das Jugendalter beschreibt die Übergangsphase zwischen Kindheit und Erwachsenenalter. Die „Pubertät“, die biologische Geschlechtsreifung, beginnt zwischen 11 und 14 Jahr und markiert das Eintreten in das Jugendalter (vgl. Flammer/ Alsaker 2000, S. 76). Der biologische Eintrittszeitpunkt ist bei Mädchen meist früher als bei Jungen (vgl. Lohaus/ Vierhaus 2015, S. 247). Sie endet meist zwischen 17 und 18 Jahren (vgl. Gudjons 2003, S. 126). Die kognitiv-emotionale Reifung in der Jugendphase, die „Adoleszenz“, enden später mit dem Erreichen einer unabhängigen Lebenssituation (vgl. ebd.). Dies liegt je nach Kultur zwischen 17 und 25 Jahren (vgl. ebd.). Laut Jugendgerichtsgesetz liegt das Jugendalter in Deutschland zwischen 14 und 18 Jahren (vgl. JGG § 1).
2.2.1 Entwicklungsaufgaben im Jugendalter
Die Jugendphase ist durch viele Entwicklungsaufgaben gekennzeichnet. Die Veränderung des Körpers, wie die Ausbildung der Geschlechtsmerkmale, Akne, Wachstum und die Veränderung der Fettanteile im Körper können Jugendliche belasten (vgl. Lohaus/ Vierhaus 2015, S. 254). Sie müssen lernen mit den Veränderungen ihres Körpers umzugehen. Diese Veränderungen bringen die Entwicklung einer sexuellen Identität mit sich (vgl. ebd.). Sie beginnen erste sexuelle Beziehungen und Peer-Beziehungen rücken mehr in den Fokus (vgl. ebd.). Ein hohes Autonomiebestreben und das Loslösen vom Elternhaus können zu Konflikten mit den Eltern führen (vgl. ebd., S. 252). Trotz einer kognitiven Weiterentwicklung der Verarbeitungsgeschwindigkeit und der exekutiven Funktionen, sind Jugendliche sehr stark auf sich selbst fokussiert (vgl. ebd., S. 250). Dieser Jugendegozentrismus dient der Identitätsfindung (vgl. ebd.). Die neurobiologischen Veränderungen der Hirnstrukturen während der Pubertät können zu Problemen mit der Verarbeitung von Emotionen führen (vgl. Lohaus/ Vierhaus 2015, S. 250). Durch die gleichzeitige Veränderung des Neurotransmitterhaushaltes kommt es zu einer geringeren Stimulation des Belohnungszentrums im Gehirn, wodurch negative Emotionen zunehmen können (vgl. ebd.). Diese Entwicklungsaufgaben können zu internalisierendem Verhalten führen. Vor allem Mädchen neigen zu mangelndem Selbstbewusstsein und Unzufriedenheit mit ihrem Körper, vor allem bei frühem Eintritt in die Pubertät (vgl. ebd., S. 248). Bei Jungen kann ein später Eintritt in die Pubertät diese Auswirkung haben (vgl. ebd.). Ein sehr früher Eintritt in die Pubertät steht unabhängig des Geschlechts in Verbindung mit externalisierendem Verhalten wie frühem Drogenkonsum und delinquentem Verhalten (vgl. ebd., S. 248). Inwieweit Jugendliche diese Entwicklungsherausforderungen bewältigen, hängt stark von ihren Emotionsregulationsstrategien und positiv-unterstützenden sozialen Kontakten ab (vgl. ebd., S. 252).
2.3 Selbstkonzept
Das „Selbst“ beschreibt wie ein Mensch seine eigene Person als autonomes Wesen subjektiv wahrnimmt (vgl. Oerter/ Dreher 2008, S. 304). Das Selbstkonzept ist der wissenschaftliche Terminus des „Selbst“ (vgl. Mummendey 1990, S. 21) und wird in der Forschung meist als „geordnete Menge aller im Gedächtnis gespeicherten selbstbezogenen Information“ definiert (Krapp 1997, S, 328; vgl. Mummendey 2010, S. 38). Der Begriff wird häufig synonym mit „Selbst“, „Selbstsystem“ und „Selbstbild“ genutzt (vgl. Greve 2000, S. 16; vgl. Mummendey 2010, S. 38; vgl. Neubauer 1976, S. 36; vgl. Deusinger 1986, S. 11; vgl. Filipp 1979). Das Selbstkonzept bildet sich aus dem was eine Person über sich selbst denkt, welche Eigenschaften sie sich zuschreibt, wie sie sich beurteilt und welche Gefühle sie gegenüber sich selbst hat (vgl. ebd.). Es entwickelt sich aus im Laufe des Lebens gesammelten subjektiven Annahmen über den eigenen Körper, die eigenen Fähigkeiten, Vorlieben, Überzeugungen und Verhaltensweisen (vgl. Hellmich 2011, S. 21; vgl. Neubauer 1976, S. 36). Diese Informationen sammelt eine Person durch die Auseinandersetzung mit der Umwelt und in sozialen Interaktions- und Vergleichsprozessen (vgl. Moschner/ Dickhäuser 2010, S. 685; vgl. Mummendey, 2010, S. 89). Das Selbstkonzept ist dynamisch und entwickelt sich ein Leben lang weiter (vgl. Mummendey 2010, S. 89; vgl. Greve 2000, S. 40). Es kommen neue Bereiche dazu und andere Bereiche treten in den Hintergrund (vgl. Mummendey 2010, S. 89).
Das Modell der selbstbezogenen Informationsverarbeitung nach Filipp (1979)
Filipp (1979, S. 132) geht davon aus, dass man selbstbezogenes Wissen aus fünf Quellen bezieht. Sie nennt die Fremdquellen der direkten und indirekten Prädikatenzuweisung durch andere Personen. Hier werden Äußerungen über die eigene Person entweder von direkten Äußerungen oder indirekt aus Handlungen abgeleitet. Eine Person entwickelt ihr Selbstkonzept außerdem im Vergleich mit anderen Menschen: die Komparative Prädikatenselbstzuweisungen (vgl. ebd., S. 135). Bei der reflexiven Prädikatenselbstzuweisung werden Informationen aus dem Beobachten des eigenen Verhaltens gezogen (vgl. ebd., S. 136). Des Weiteren bildet sich das Selbstkonzept durch das Nachdenken über die eigene Person. Hierbei werden vergangene und antizipierte Informationen einbezogen. Dies nennt man die ideationale Prädikatenselbstzuweisungen (vgl. ebd.). Die Nutzung dieser Quellen wandelt sich in Abhängigkeit mit dem Lebensalter (vgl. ebd.).
Die vier Phasen der Verarbeitung selbstbezogenen Wissens nach Filipp (1979)
Die Verarbeitung der selbstbezogenen Informationen durchläuft nach Filipp vier Phasen: die Vorbereitung, die Enkodierung, die Speicherung und die Erinnerung (vgl. Filipp 1979, S. 139 f.). In der ersten Phase geschieht die Diskrimination von selbstbezogenen Informationen aus der Fülle aller Informationen, die ein Individuum aufnimmt (vgl. ebd., S. 140). In der Phase der Enkodierung werden die in der Diskriminierung gesammelten Informationen einer Selektion unterzogen. Es werden nach Filipp eher die Informationen herausgezogen, die an bestehende Selbstschemata angeglichen werden können oder den Selbstwert erhöhen (vgl. ebd.). In der dritten Phase, der Phase der Speicherung, werden die selektierten Informationen in das Selbstkonzept aufgenommen. Dabei wird die bisherige Struktur des Konzeptes verändert oder stabilisiert (vgl. Filipp 1979, S. 143). In der letzten Phase, der Phase der Erinnerung, wird das Abrufen dieser Informationen beschrieben. Werden gespeicherte Informationen über das Selbst abgerufen, wirken sie sich auf das Planen und Ausführen von Handlungen aus (vgl. ebd.).
Selbstkonzept, Selbstwert und Selbstbewusstsein
In der Literatur werden die Begriffe des „Selbstkonzeptes“, „Selbstwertgefühls“ („self-worth“) und „Selbstbewusstsein“ („self-esteem“) meist ohne klare Abgrenzung verwendet. Selbstbewusstsein meint einmal im wörtlichem Sinne das „Bewusstsein (des Menschen) von sich selbst als denkendem Wesen“ (Duden 2018). Und als zweite umgangssprachlich geläufigere Definition „das Überzeugtsein von seinen Fähigkeiten, von seinem Wert als Person, das sich besonders in selbstsicherem Auftreten ausdrückt“ (ebd.). In der Literatur findet man meist das Wort „Selbstwert(gefühl)“ (vgl. van Gurp 2001, S. 56). Nach Mummendey (2010, S. 69) beschreibt das „Selbstwertgefühl“ den „individuellen Grad an positiver Selbstbewertung“. Einerseits gibt es die Definition, dass das Selbstwertgefühl aus der Bewertung des Selbstkonzeptes resultiert (vgl. ebd.; Moschner/ Dickhäuser 2010, S. 760). Andererseits gibt es die Definition, dass sich das Selbstkonzept in einen affektiven Teil, dem Selbstwert, und einen kognitiven Teil unterteilt (vgl. Oerter/ Dreher 2008, S. 303 f.). In der Forschung werden „Selbstkonzept“ und „Selbstwert“ ebenso meist synonym verwendet (vgl. Flammer/ Alsaker 2002, S. 143). Dies ergibt sich daraus, dass das Selbstkonzept nie frei von Wertung und Emotionen ist (vgl. ebd.). Auch Deusinger (1986, S. 12) schreibt dem Selbstkonzept eine hohe emotionale Beteilung zu. Die Strukturierung und Verbalisierung des Selbst würden eher auf der kognitiven Ebene geschehen (vgl. ebd). Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird das Selbstwertgefühl als affektiver Teil des Selbstkonzeptes gesehen. Ein positives oder negatives Selbstbewusstsein oder Selbstwertgefühl wird als eng verbunden mit einem positiven oder negativen Selbstkonzept angesehen.
Selbstkonzept und Identit ät
Selbstkonzept und Identität sind ebenso zwei schwer abzugrenzende Begriffe (vgl. Flammer/ Alsaker 2002, S. 142). Nach Flammer und Alsaker (2002, ebd.) beschreiben sie zwei verschiedene Konzepte, die eng miteinander verbunden sind. Sie werden von Oerter (2008, S. 303) als „größtenteils deckungsgleich“ beschrieben. „Selbstkonzept“ ist ein kognitionspsychologisches Modell und wird eher im Kontext von Selbstwahrnehmung und Selbsterkenntnis genutzt (vgl. ebd.). „Identität“ ist ein soziologisches Konzept und beschreibt zusätzlich das Verhältnis einer Person zum sozialen Umfeld und die Annahme einer Rolle in der Gesellschaft (vgl. Kraus 2000, S. 124f.). Keupp et al. (2006, S. 25) definieren „Identität“ als subjektiven „Konstruktionsprozess, in dem das Individuum eine Passung von innerer und äusserer Welt zu erreichen sucht“. Identität umfasst zusätzlich die „einzigartige Kombination von persönlichen, unverwechselbaren Daten des Individuums wie Name, Alter, Geschlecht und Beruf, durch die das Individuum gekennzeichnet ist und von allen anderen Personen unterschieden werden kann.“ (Oerter/ Dreher 2008, S. 303). Der Begriff „Identität“ kann in Bezug auf das Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe angewendet werden: Ein Mensch kann sich mit verschiedenen Gruppen identifizieren und so eine religiöse, kulturelle, politische, nationale und sexuelle Identität besitzen (vgl. Mummendey 2010, S. 85). Der Identitätsbegriff betont dabei, das individuelle Gleichbleiben jedes Menschen, trotz des Annehmens verschiedener gesellschaftlicher Rollen (vgl. ebd.). Die Identität kann auch als grundlegender, umfassender stabiler Kern des Selbstkonzeptes gesehen werden (vgl. Flammer/ Alsaker 2002, S. 142). Es besteht die Annahme, dass erst im Zuge der Ausbildung eines Selbstkonzeptes, Jugendliche die Voraussetzungen für die Identitätsbildung besitzen (vgl. Mietzel 2002, S. 389; vgl. Baake 2005, S. 204).
Selbstkonzept und Pers önlichkeit
Der Begriff „Persönlichkeit“ beschreibt die Gesamtheit der persönlichen, charakteristischen Eigenschaften eines Menschen (vgl. Duden 2018). Deusinger (1986, S. 11) beschreibt den Zusammenhang wie folgt: „Ein System von Einstellungen zur eigenen Person, d. h. von Selbstkonzepten, so ist zu folgern, gehört zur und konstituiert mit die Persönlichkeit.“. Das Selbstkonzept entwickelt sich als Aspekt der Persönlichkeitsstruktur (vgl. ebd., S. 12). Nach Mummendey (1990, S. 80) werden zur Bildung des Selbstkonzeptes Persönlichkeitsmerkmale herangezogen.
Selbstkonzept und psychische Gesundheit
Das Selbstkonzept hängt eng mit der psychischen Gesundheit zusammen:
Psychische Gesundheit basiert unter anderem auf den Erfahrungen und dem Wissen darüber, welche Vorstellung(en) ich von mir habe, wie zufrieden ich mit ihnen bin und welche Möglichkeiten der Gestaltung und Beeinflussung sie mir in der Interaktion mit der Welt eröffnen. (Hintermair/ Tsirigotis 2008, S. 36)
Ein negatives Selbstkonzept weist auf psychische Instabilität wie Ängstlichkeit hin (vgl. Deusinger 1986, S. 14). Es kann ebenso ein Zeichen psychischer Störungen wie Depressionen darstellen (vgl. ebd.). Je positiver das Selbstbild, desto ausgeprägter ist die psychische Stabilität, Sicherheit und Stärke der Person (vgl. ebd.; vgl. Beutel/ Hinz 2008, S. 38). Eine große Diskrepanz zwischen Real-und Idealkonzept weist ebenso auf eine psychische Instabilität hin (vgl. ebd., S.15).
2.3.1 Die Struktur des Selbstkonzeptes
Es besteht die vorherrschende Annahme, dass sich das Selbstkonzept aus mehreren Teilkonzepten zusammensetzt (vgl. Hellmich 2011, S. 22; vgl. Neubauer 1979, S. 36; vgl. Moschner/ Dickhäuser 2010, S. 760). Um die verschiedenen Dimensionen des Selbstkonzeptes aufzuzeigen, wird in der Forschung häufig das hierarchisch gegliederte Modell von Shavelson et al. (1976) genutzt (vgl. Moschner/ Dickhäuser 2010, S. 762). In dem Modell spaltet sich das generelle Selbstkonzept in einen akademischen und einen nichtakademischen Teil. Die akademischen Teilselbstkonzepte umfassen die sprachlichen, mathematischen, geschichtlichen und naturwissenschaftlichen Begabungen und Fähigkeiten (vgl. Shavelson et al. 1976, S. 143). Die nichtakademischen Teilselbstkonzepte unterteilen sich in ein soziales, emotionales und körperliches Selbstkonzept (vgl. ebd.). Nach dem Modell von Greve (2000) setzt sich das Selbstkonzept aus der vergangenen Biographie, der aktuellen Situation und der Vorstellung der zukünftigen eigenen Person zusammen. Hier variiere das Selbstkonzept von Situation zu Situation (vgl. ebd., S. 39). Dieser Arbeit liegt die Theorie des Selbstkonzeptes nach Deusinger (1986) zugrunde. Sie vereint die beiden vorhergegangen Definitionen und geht davon aus, dass sich das Selbstkonzept aus verschiedenen Teilbereichen sowie aus Erfahrungen und antizipierten Vorstellungen bildet (vgl. Deusinger 1986, S. 11). Es wird davon ausgegangen, dass die verschiedenen Teilselbstkonzepte „interagieren d. h. sich in unterschiedlichem Maße beeinflussen, ein dynamisches System darstellen.“ (ebd.). Umso wichtiger und zentraler Teile des Selbst für einen Menschen sind, desto konsistenter sind sie (vgl. ebd., S. 17). Wie zentral Bereiche des Selbstkonzeptes für eine Person sind, ist von gesellschaftlichen Normen und der gesellschaftlichen Rolle abhängig (vgl. ebd., S. 17). Außerdem kann man das Selbstkonzept in das Realkonzept, die Vorstellung wie das Individuum tatsächlich ist, und das Idealkonzept, die Vorstellung wie das Individuum gerne sein möchte, teilen (vgl. Deusinger 1986, S. 13).
2.3.2 Die Entwicklung des Selbstkonzeptes im Kindesalter
Schon Säuglinge können ihren Körper wahrnehmen und weisen ein „präkonzeptuelles oder implizites“ Selbstkonzept auf (Mummendey 2010, S. 94). Sie beginnen sich als von der Umwelt abweichendes Wesen zu sehen und zwischen einem „Ich“ und „Nicht-Ich“ zu unterscheiden (vgl. ebd.). Bis zum vierten Lebensmonat bauen Babys langsam ein Körperschema auf (vgl. Mummendey 2010, S. 96). In der zweiten Phase, bis zum achten Lebensmonat, entwickeln Säuglinge eine Selbst- und Personenpermanenz. Sie lernen zum Beispiel sich selbst und ihre Mutter von anderen Personen zu unterscheiden (vgl. ebd.). Vom achten bis zwölften Lebensmonat sind Kinder in der Lage ihre Umwelt in die Kategorien Alter und Geschlecht einzuteilen (vgl. ebd.). Sie beginnen ihr Spiegelbild länger zu fixieren (vgl. ebd.). Im Verlauf des zweiten Lebensjahres erkennen sie sich häufiger im Spiegel, können sich im Raum verorten und erkennen ihren eigenen Namen. Am Ende des zweiten Lebensjahres nutzen die meisten Kleinkinder ihren eigenen Namen und das Personalpronomen „ich“ (vgl. Filipp 1980, S. 111). In der Phase bis fünf Jahre beschreiben Kinder ihr Aussehen, ihre Beziehungen und Aktivitäten (vgl. Oerter, 2008, S. 321). Diese frühe Form der Selbstdarstellung ist noch sehr positiv und unkritisch, da Kinder in diesem Alter noch nicht in der Lage sind sich systematisch mit anderen Menschen zu vergleichen und zwischen realen und idealen Selbstkonzepten zu unterscheiden (vgl. Mummendey 2010, S. 97). Sie zeigen ein „Alles-oder-Nichts-Denken“ (Lohaus/ Vierhaus 2015, S. 189). Für sie ist es noch nicht möglich, dass Menschen gute und schlechte Eigenschaften gleichzeitig besitzen können (vgl. ebd.). Sie können jedoch zwischen dem „Fremd-Soll-Selbst (Subjektive Erwartung anderer an die eigene Person)“ und dem „Real-Selbst (subjektive Einschätzung der eigenen Person)“ unterscheiden (Lohaus/ Vierhaus 2015, S. 189). Eine Diskrepanz ist hier mit Scham- und Schuldgefühlen verbunden (vgl. ebd.). Vo m fünften bis achten Lebensjahr verknüpfen Kinder Merkmale zur Selbstbeschreibung in Kategorien (vgl. Oerter 2008, S. 321). Sie erlernen Empathie und Rollenübernahme (vgl. Mummendey 2010, S. 98). Aussagen anderer Personen über die eigene Person werden nun zu der Bildung des Selbstkonzeptes herangezogen (vgl. ebd.). Kinder beginnen die vorgelebten Normen zu verinnerlichen. Ihre Befolgung trägt zu einer positiven Selbstbewertung bei (vgl. ebd.). Mit dem Eintritt in die Schule beginnen Kinder mehr und mehr ihre Mitschüler als Vergleichspersonen heranzuziehen (vgl. Lohaus/ Vierhaus 2015, S 189). In der Grundschulzeit nähert sich die Selbsteinschätzung der Fremdeinschätzung durch die Lehrkräfte (vgl. ebd.). Bis zum 12. Lebensjahr lernen Kinder ihr Selbstkonzept mehr in Bereiche zu strukturieren (vgl. Oerter 2008, S. 321). Dies führt dazu, dass sie sich differenzierter betrachten. Sie können nun negative und positive Eigenschaften in ihr Selbstkonzept integrieren und lösen sich von dem „Alles-oder-Nichts“-Denken (vgl. Lohaus/ Vierhaus 2015, S. 190; vgl. Mummendey 2010, S. 102).
2.3.3 Die Entwicklung des Selbstkonzeptes im Jugendalter
Das Jugendalter wird durch den Beginn der Pubertät und den damit einhergehenden Veränderungen des Körpers markiert. Jugendliche beginnen sich nun stark mit ihrem eigenen Körper zu beschäftigen und müssen „ihr Körperbild dem reifenden Körper anpassen“ (Flammer/ Alsaker 2002, S. 142). Es steigt die Auseinandersetzung mit eigenen Wünschen, Überzeugungen und Gedanken (vgl. Pinquart/ Silbereisen 2000, S. 77). Jugendliche lernen sich differenzierter zu beschreiben und beginnen kontextspezifische Rollen zu unterscheiden (vgl. ebd.). Sie beginnen sich aus der Sicht anderer Menschen sehen zu können (vgl. ebd.; vgl. Mummendey 2010, S. 102). Ihre Selbstbeschreibung wird abstrakter, begründeter und sie verwenden dabei mehr psychologische Begriffe (vgl. Mummendey 2010, S. 102; vgl. Pinquart/ Silbereisen 2000, S. 78f). Außerdem werden Emotionen wie Schuldgefühle, Scham und Stolz im Jugendalter weiterentwickelt, was sich auf die Entwicklung des Selbstkonzeptes auswirkt (vgl. Mummendey 2010, S. 103). Jugendliche beziehen bei der Bildung ihres Selbstkonzeptes Informationen aus ihrer vergangenen und antizipierten Biographie mit ein. Die Quelle der ideationalen Prädikatenzuweisungen wird nun also genutzt (vgl. Lohaus/ Vierhaus 2015, S. 191). und führt zu der Ausbildung eines kohärenten Selbstbildes und eines Persönlichkeitskonzeptes (vgl. ebd.).
Das Selbstkonzept erlebt durch die verschiedenen Entwicklungsaufgaben in der Pubertät Schwankungen. Durch Stimmungsschwankungen können Jugendliche ihre Gefühle schlechter kontrollieren und negative Gefühle nehmen zu (vgl. Lohaus/ Vierhaus 2015, S. 251). Durch die zusätzliche Fokussierung auf sich selbst und auf die eigenen Gefühle, kommt es häufig zu einem Abfall des Selbstwertgefühls im Alter von 12 bis 13 Jahren (vgl. Pinquart/ Silbereisen 2000, S. 80). Danach steigt es wieder (vgl. ebd.). Widersprüchliche Erwartungen der Peer-Gruppe und der Eltern, die Zunahme an Verantwortung und der daraus resultierende Wechsel aus Erfolg und Misserfolg führen ebenfalls zu einem wechselhaften Selbstwertgefühl (vgl. Pinquart/ Silbereisen 2000, S. 80). Die körperlichen Veränderungen können zu Unsicherheit führen (vgl. ebd.), besonders wenn pubertierende Jugendliche nicht darauf vorbereitet wurden oder früher pubertieren als ihre Freunde (vgl. ebd., S. 82).
Die Veränderung des Körpers bewirkt geschlechtsspezifische Schwankungen des Selbstkonzeptes im Jugendalter (vgl. Mummendey 2010, S. 100). Bei Mädchen nimmt das Selbstwertgefühl zum Ende des Jugendalters hin eher ab. Dies könnte darauf zurückgeführt werden, dass sich ihr Körper von dem schlanken Idealtyp entfernt (vgl. ebd.). Bei Jungen ist es anders herum: Ihr steigendes Selbstwertgefühl in der Zeit wird auf die Muskelzunahme und die damit einhergehende zunehmende Ähnlichkeit mit ihrem Körperidealbild zurückgeführt (vgl. ebd.; vgl. Flammer/ Alsaker 2002, S. 150). Mädchen beurteilen sich in dieser Zeit häufiger als „weniger attraktiv, ängstlicher und emotional labiler“ als die männlichen Gleichaltrigen (Mummendey 2010, S. 101).
Im Jugendalter nimmt die Bedeutung von Peer-Beziehungen stark zu (vgl. Pinquart/ Silbereisen 2000, S. 85). Die Qualität dieser Beziehungen hat einen starken Einfluss auf das Selbstwertgefühl (vgl. Flammer/ Alsaker 2002, S: 152f.; vgl. Pinquart/ Silbereisen 2000, S. 85f.). Während die Peers mehr in den Fokus rücken, verändert sich die Eltern-Kind-Beziehung. Jugendliche streben nach Unabhängigkeit und Selbstständigkeit. Die Unterstützung der Eltern bei diesem Prozess und eine gute Eltern-Kind-Beziehung hat einen positiven Einfluss auf das Selbstkonzept (vgl. ebd.).
Im späten Jugendalter ist das Selbstkonzept gefestigt (vgl. Mummendey 2010, S. 102). Die Entwicklung ist jedoch noch nicht abgeschlossen und vollzieht sich über die gesamte Lebensspanne (vgl. Pinquart/ Silbereisen 2000, S. 91; vgl. Mummendey 2010, S. 87). Mit zunehmendem Alter werden mehr Aspekte des Selbstkonzeptes differenziert (vgl. Deusinger 1986, S. 12).
2.3.4 Schule und Selbstkonzept
In der Schule werden Heranwachsende „mit zahlreichen selbstbezogenen Informationen konfrontiert“ (Pinquart/ Silbereisen 2000, S. 86). Daher hat sie einen starken Einfluss auf die Entwicklung des Selbstkonzeptes (vgl. ebd.). Schüler bewerten ihre eigenen Leistungen in Abhängigkeit von den Leistungen der Mitschüler. Die eigenen Leistungen werden in einem Umfeld von leistungsstarken Kindern eher als schlechter angesehen und in einem Umfeld von leistungsschwachen Kindern werden sie als besser angesehen, dies nennt man Fischteich-Effekt (vgl. ebd., S. 190). Ebenso wirken sich die Geschlechtsrollenstereotype auf das schulische Selbstkonzept aus: Mädchen bewerten sich in den stereotyp männlichen Fächern Mathematik und Physik schlechter als Jungen bei gleichen Leistungen (vgl. Lohaus/ Vierhaus 2015, S. 185 f.). Schüler mit besseren Noten weisen eine höhere Selbstwertschätzung auf aus Schüler mit schlechten Noten (vgl. Pinquart/ Silbereisen 2000, S. 86). Ein positives Selbstkonzept und gute schulische Leistungen bedingen sich gegenseitig (vgl. Beutel/ Hinz 2008, S. 42): Gute Noten wirken sich positiv auf das Selbstwertgefühl aus und Schüler mit positivem Selbstkonzept erbringen bessere Schulleistungen (vgl. ebd.; vgl. Mummendey 2010, S. 102). Schüler mit einem sehr positiven schulischen Selbstkonzept vertrauen auf ihre Leistungen (vgl. Beutel/ Hinz 2008, S. 42). Misserfolge führen sich auf externe Ursachen zurück (vgl. Schöne et al. 2003, S. 6). Im Gegensatz dazu führen Schüler mit niedrigem Fähigkeitsselbstkonzept Erfolge eher auf Zufälle zurück und Misserfolge auf die eigenen Fähigkeiten (vgl. ebd.). Solche Schüler können jedoch insgesamt trotzdem ein positives Selbstkonzept bewahren. Sie messen dem schulischen Selbstkonzept weniger Bedeutung bei (vgl. Flammer/ Alsaker 2002, S. 151). Das schulische Selbstkonzept hängt nicht nur von den schulischen Leistungen ab, sondern auch vom sozialen Status der Schüler, von ihrer Bewertung durch die Lehrkräfte und von dem Vergleich mit den Peers (vgl. Mummendey 2010, S. 101). Ein Schulwechsel kann sich negativ auf den Selbstwert auswirken, da alte Peer-Beziehungen abbrechen und neue aufgebaut werden müssen. Außerdem werden neue schulische Anforderungen an die Schüler gestellt (vgl. Pinquart/ Silbereisen 2000, S. 87).
2.3.5 Selbstkonzept und Hörschädigung
Eine Hörschädigung birgt eine weitere Herausforderung in der Entwicklung des Selbstkonzeptes. Durch sie sind lautsprachliches Sprachverständnis und Kommunikation gestört. Eine gelingende Kommunikation bildet jedoch die Grundlage für ein positives Selbstkonzept: „Das Selbstbild […] ist zu einem wesentlichen Teil das Ergebnis sprachlicher Kommunikation und selbstreflexiver Prozesse, die ihrerseits wieder auf verinnerlichter Sprache beruhen.“ (Grawe 2004, S. 250). Sprache dient dem Bewusstwerden von Gedanken, Erfahrungen und Wünschen anderer und der eigenen Person (vgl. Silvestre et al. 2007, S. 42). Dies macht es leichter andere Menschen und sich selbst zu verstehen (vgl. ebd.). Je besser die kommunikativen Fähigkeiten hörgeschädigter Jugendlicher sind, umso positiver ist ihr Selbstkonzept (vgl. ebd., S. 38). Jambor und Elliot (2005, S. 65) beschreiben Faktoren, die sich auf das Selbstkonzept hörgeschädigter Menschen auswirken. Davon sollen im Folgenden die Kommunikationsart zuhause, die besuchte Schulform und die Gruppenidentifikation genauer betrachtet werden.
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- Quote paper
- Anonymous,, 2018, Selbstkonzept und Hörschädigung bei Jugendlichen. Eine Untersuchung mit den Frankfurter Selbstkonzeptskalen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/540603
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