Diese Masterarbeit will Organisationen bei der Analyse und Entwicklung von Datenmarktplätzen unterstützen, indem es die Herausforderungen der Datenmarktplätze im Kontext der Datenökonomie identifiziert, entsprechende Anforderungen ableitet und ein Funktionsreferenzmodell konstruiert. Das entwickelte Modell bietet den Akteuren der Datenwirtschaft in zweierlei Hinsicht Hilfestellung und Anleitung: Praktiker können das Referenzmodell als Instrument zur Einordnung, Gestaltung und Implementierung von Datenmarktplätzen nutzen. Darüber hinaus erleichtert das Referenzmodell die Bewertung von Softwarelösungen und unterstützt bei der Ermittlung von praktischen Anwendungsfällen. Aus wissenschaftlicher Sicht ist das Referenzmodell ein Design-Artefakt und stellt somit eine Abstraktion eines Informationssystems im Bereich der Datenmarktplätze dar.
Die Digitalisierung führt in nahezu allen Wirtschaftsbereichen zu einer Disruption etablierter Wertschöpfungsstrukturen und traditioneller Geschäftsmodelle. Im Mittelpunkt dieses Megatrends stehen Daten, welche eine unverzichtbare Ressource für die betriebliche Wertschöpfung bilden. So werden Daten einerseits zur Optimierung interner Prozesse und Kundenbeziehungen genutzt und stellen andererseits das Fundament für die Entstehung neuartiger datengetriebener Innovationen und Geschäftsmodelle dar. Doch obwohl der Datenbestand innerhalb eines Unternehmens reichlich vorhanden ist und stetig wächst, werden Daten in großem Umfang nicht offen und transparent geteilt oder gehandelt. Da die Qualität der Informationen, die aus Daten gewonnen werden können, mit der verfügbaren Datenmenge und -qualität steigt, haben die an der Datenwirtschaft beteiligten Unternehmen ein großes Interesse daran, auf Daten anderer Marktteilnehmer zuzugreifen.
Der Handel mit Daten etabliert sich daher als immer wichtigeres Geschäftsfeld, in dem Datenmarktplätzen als digitale Handelsplattformen eine Schlüsselrolle zukommt. Solche Plattformen rücken in das Zentrum der Datenökonomie vor, indem sie eine Infrastruktur für den Handel von Daten und datennahen Dienstleistungen anbieten und dadurch die Bereitschaft zum Datenaustausch erhöhen. Zugleich erleichtern sie den Zugriff auf große, qualitativ hochwertige Datensätze und schaffen den Raum zur Monetarisierung des eigenen Datenbestands. Trotz der wachsenden Aufmerksamkeit für die Bedeutung des Datenmarktes befinden sich die meisten Datenmarkplätze noch in ihrer Anfangsphase.
I Inhaltsverzeichnis
Kurzfassung
I Inhaltsverzeichnis
II Abbildungsverzeichnis
III Tabellenverzeichnis
IV Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Ausgangssituation
1.2 Ziel, Forschungsfragen und Ergebnisse der Arbeit
1.3 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Grundlagen der ökonomischen Betrachtung von Daten
2.1.1 Bedeutung von Daten im Wandel der Zeit
2.1.2 Begriffliche Grundlagen der Daten
2.1.2.1 Daten und Informationen
2.1.2.2 Datenorganisation und Datenarten
2.1.2.3 Datenqualität
2.1.2.4 Datenlebenszyklus
2.1.3 Ökonomische Betrachtung von Daten
2.1.4 Bewertung von Datengütern
2.2 Datenökonomie und Datenökosysteme
2.2.1 Datenökonomie als Innovations- und Wachstumstreiber
2.2.1.1 Datengetriebene Wertschöpfung
2.2.1.2 Datenaustauch und Datenhandel in der Datenökonomie
2.2.2 Bedeutung des Ökosystembegriffs
2.2.2.1 Begriffsabgrenzung
2.2.2.2 Eigenschaften von Ökosystemen
2.2.2.3 Rolle des Keystone Akteurs im Ökosystem
2.2.3 Vernetzung von Datenökosystemen in der Datenökonomie
2.2.3.1 Komponenten von Datenökosystemen
2.2.3.2 Eigenschaften von Datenökosystemen
2.2.3.3 Kriterien-Rahmenwerk für erfolgreiche Datenökosysteme
2.3 Grundlagen der Datenmarktplätze
2.3.1 Digitale Plattformmärkte
2.3.1.1 Eigenschaften digitaler mehrseitiger Märkte
2.3.1.2 Schlüsselfaktoren erfolgreicher Plattformen
2.3.2 Konzeptionelle Erfassung von Datenmarktplätzen
2.3.2.1 Datenmarktplätze und Datenanbieter
2.3.2.2 Beteiligte Rollen
2.3.2.3 Klassifikation von Datenmarktplätzen
2.3.2.4 Kernfunktionen von Datenmarktplätzen
2.3.3 Trends und Entwicklungsszenarien
2.4 Grundlagen der Referenzmodellierung
2.4.1 Referenzmodellbegriff
2.4.2 Vorgehensmodell der Referenzmodellentwicklung
2.4.3 Entwurfsmuster für die Konstruktion von Referenzmodellen
3 Analyse des Gestaltungsbereichs
3.1 Gestaltungsbereich „Marktplatzzentriertes Datenökosystem“
3.1.1 Einordnung des Datenmarktplatzes in das Datenökosystem
3.1.2 Merkmale des marktplatzzentrierten Datenökosystems
3.2 Herausforderungen und Anforderungen der Datenmarktplätze
3.2.1 Herausforderungen im marktplatzzentrierten Datenökosystem
3.2.2 Anforderungen an den Datenmarktplatz im Gestaltungsbereich
3.2.2.1 Anforderungen zu „Vertrauen und Transparenz“
3.2.2.2 Anforderungen zu „Sicherheit und Datensouveränität“
3.2.2.3 Anforderungen zu „Compliance und Regulierung“
3.2.2.4 Anforderungen zu „Datenqualität“
3.2.2.5 Anforderungen zu „Datenökosystem“
3.2.2.6 Anforderungen zu „Monetarisierung und Wertermittlung“
3.2.2.7 Anforderungen zu „Interoperabilität“
3.2.2.8 Anforderungen zu „Dynamik und Skalierbarkeit“
3.3 Zwischenfazit zu der Analyse des Gestaltungsbereichs
4 Empirische Untersuchung
4.1 Methodologie der Erkenntnisgewinnung
4.1.1 Forschungsdesign
4.1.2 Forschungsinstrument
4.1.3 Auswertungsmethode
4.2 Konzeption des Forschungsprozesses
4.3 Ausgestaltung der Experteninterviews
4.3.1 Interviewausgestaltung der Marktplatzbetreiber
4.3.2 Interviewausgestaltung der Unternehmen
4.4 Auswertung der Experteninterviews
4.5 Ergebnisvalidierung
4.6 Kritische Würdigung der empirischen Untersuchung
5 Entwicklung des Referenzmodells für Datenmarktplätze
5.1 Anforderungen an das Referenzmodell
5.2 Charakterisierung des Entwicklungsprozesses
5.3 Grundlegung der Modellentwicklung
5.3.1 Strukturierung des Ordnungsrahmens
5.3.2 Inhalte des Referenzmodells
5.4 Referenzmodellkonstruktion
5.4.1 Strategieebene
5.4.1.1 Konstruktion der Taxonomie
5.4.1.2 Klassifikationsschema
5.4.2 Systemebene
5.4.2.1 Aufbau des Funktionsreferenzmodells
5.4.2.2 Funktionsmodell
5.4.3 Organisations- und Prozessebene
5.4.3.1 Rollenmodell
5.4.3.2 Anwendungsfallmodellierung
5.5 Zusammenfassung der Ergebnisse
6 Evaluation
6.1 Grundlagen der Evaluation
6.2 Charakterisierung der Evaluation
6.3 Evaluation aus Ingenieursperspektive
6.3.1 Analytische Beurteilung der GoM
6.3.2 Analytische Beurteilung von Konstruktionsrichtlinien
6.3.3 Analytische Beurteilung der spezifizierten Anforderungen
6.4 Evaluation aus ökonomischer Perspektive
6.5 Zusammenfassung der Evaluation
7 Schlussbetrachtung
7.1 Zusammenfassung
7.2 Kritische Würdigung und weiterer Forschungsbedarf
Literaturverzeichnis
Anhang A: Forschungsergebnisse
Anhang B: Dokumentation der empirischen Untersuchung
Kurzfassung
Die Digitalisierung führt in nahezu allen Wirtschaftsbereichen zu einer Disruption etablierter Wertschöpfungsstrukturen und traditioneller Geschäftsmodelle. Im Mittelpunkt dieses Megatrends stehen Daten, welche eine unverzichtbare Ressource für die betriebliche Wertschöpfung bilden. So werden Daten einerseits zur Optimierung interner Prozesse und Kundenbeziehungen genutzt und stellen andererseits das Fundament für die Entstehung neuartiger datengetriebener Innovationen und Geschäftsmodelle dar. Doch obwohl der Datenbestand innerhalb eines Unternehmens reichlich vorhanden ist und stetig wächst, werden Daten in großem Umfang nicht offen und transparent geteilt oder gehandelt. Da die Qualität der Informationen, die aus Daten gewonnen werden können, mit der verfügbaren Datenmenge und -qualität steigt, haben die an der Datenwirtschaft beteiligten Unternehmen ein großes Interesse daran, auf Daten anderer Marktteilnehmer zuzugreifen.
Der Handel mit Daten etabliert sich daher als immer wichtigeres Geschäftsfeld, in dem Datenmarktplätzen als digitale Handelsplattformen eine Schlüsselrolle zukommt. Solche Plattformen rücken in das Zentrum der Datenökonomie vor, indem sie eine Infrastruktur für den Handel von Daten und datennahen Dienstleistungen anbieten und dadurch die Bereitschaft zum Datenaustausch erhöhen. Zugleich erleichtern sie den Zugriff auf große, qualitativ hochwertige Datensätze und schaffen den Raum zur Monetarisierung des eigenen Datenbestands. Trotz der wachsenden Aufmerksamkeit für die Bedeutung des Datenmarktes befinden sich die meisten Datenmarkplätze noch in ihrer Anfangsphase.
Die vorliegende Masterarbeit will Organisationen bei der Analyse und Entwicklung von Datenmarktplätzen unterstützen, indem es die Herausforderungen der Datenmarktplätze im Kontext der Datenökonomie identifiziert, entsprechende Anforderungen ableitet und ein Funktionsreferenzmodell konstruiert. Das entwickelte Modell bietet den Akteuren der Datenwirtschaft in zweierlei Hinsicht Hilfestellung und Anleitung: Praktiker können das Referenzmodell als Instrument zur Einordnung, Gestaltung und Implementierung von Datenmarktplätzen nutzen. Darüber hinaus erleichtert das Referenzmodell die Bewertung von Softwarelösungen und unterstützt bei der Ermittlung von praktischen Anwendungsfällen. Aus wissenschaftlicher Sicht ist das Referenzmodell ein Design Artefakt und stellt somit eine Abstraktion eines Informationssystems im Bereich der Datenmarktplätze dar.
Als Erkenntnisgrundlagen zur Anforderungsermittlung und Modellentwicklung werden in der Ausarbeitung Ansätze aus der wissenschaftlichen Literatur und Praxis sowie die Ergebnisse aus der empirischen Untersuchung zugrunde gelegt.
Abstract
Digitalization leads to a disruption of established value creation structures and traditional business models in almost all economic sectors. In this context, data is an indispensable resource for operational value creation. On the one hand, data is used to optimize internal processes and customer relationships, on the other hand, it represents the foundation for the emergence of novel data-driven innovations and business models in the so-called “data economy”. However, despite the fact that data within a company is abundant and constantly growing, it is not shared or traded openly and transparently on a large scale. As the quality of the information, that is obtained from data, increases with the amount and quality of data available, companies involved in data economy are keen to access data from other market participants.
Data trading is therefore establishing itself as an increasingly important business segment in which data marketplaces play a key role as digital trading platforms. Such platforms are moving to the center of the data economy by providing an infrastructure for trading data and data-related services, thereby increasing the willingness to exchange data. Furthermore, they enable access to large, high-quality data sets and create the capacity to monetize a company's own database. Despite growing awareness of the data market, most data marketplaces are still in their infancy.
This master thesis aims to support organizations in the analysis and development of data marketplaces by identifying the challenges of data marketplaces in the context of data economy, deriving appropriate requirements and designing a functional reference model. The resulting model offers support and guidance to actors in the data economy in two ways: practitioners can use the reference model as a tool for classifying, designing and implementing data marketplaces. In addition, the reference model facilitates the evaluation of software solutions and supports the determination of practical use cases. From a scientific point of view, the reference model is a design artifact and thus represents an abstraction of an information system in the field of data marketplaces.
As a foundation of knowledge for the determination of requirements and model development, approaches from scientific literature and practice as well as the results from an empirical research are taken into account.
II Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1-1: Aufbau der Arbeit
Abbildung 2-1: Thematischer Detaillierungsverlauf der Erkenntnisgewinnung
Abbildung 2-2: Rolle von Daten in der betrieblichen Leistungserstellung
Abbildung 2-3: Begriffslandkarte der typischen Daten in Unternehmen
Abbildung 2-4: Begriffshierarchie in der Datenwelt
Abbildung 2-5: Einflussfaktoren der Datenökonomie
Abbildung 2-6: Komponenten eines Geschäftsmodells
Abbildung 2-7: Datenökosystem – Kernkomponenten
Abbildung 2-8: Datenwertschöpfungsnetzwerk (Aktivitäten und Aktionen)
Abbildung 2-9: Design-Kriterien für ein erfolgreiches Datenökosystem
Abbildung 2-10: Kategorisierung von digitalen Plattformen
Abbildung 2-11: Konzept der mehrseitigen Märkte
Abbildung 2-12: Vorgehensmodell der adaptiven Referenzmodellierung
Abbildung 3-1: Vorgehen zur Analyse des Gestaltungsbereichs
Abbildung 3-2: Vernetzung von Einzelakteuern im marktpl. Datenökosystem
Abbildung 4-1: Ablaufmodell deduktiver Kategorienanwendung nach Mayring
Abbildung 4-2: Methodischer Ablauf des Forschungsprozesses
Abbildung 4-3: Kategoriensystem zur inhaltlichen Strukturierung
Abbildung 4-4: Anzahl Nenn. bzgl. Herausforderungen auf Unternehmensseite
Abbildung 4-5: Anzahl Nenn. bzgl. Umsetzungsproblemen d. Marktpl.-betreiber
Abbildung 5-1: Übersicht des Modellentwicklungsprozesses
Abbildung 5-2: Bezugsrahmen des Datenmarktplatz-Referenzmodells
Abbildung 5-3: Übersicht der Entwicklung der DMP-Dimensionen
Abbildung 5-4: Modellierung funktionaler Hierarchien
Abbildung 5-5: Funktionsgruppen (linke Spalte) und dazugehörige Funktionen
Abbildung 5-6: Rollenmodell für Datenmarktplätze
Abbildung 6-1: Verwendete Evaluationskriterien und -methoden
Abbildung 0-1: Funktionsreferenzmodell für Datenmarktplätze –Version 1.0
Abbildung 0-2: Funktionsreferenzmodell für Datenmarktplätze
III Tabellenverzeichnis
Tabelle 2-1: Häufig verwendete Datenqualitätsdimensionen
Tabelle 2-2: Finanzielle Datenbewertungsverfahren im Vergleich
Tabelle 2-3: Übersicht ausgewählter Datenökonomie-Definitionen
Tabelle 2-4: Morphologie zur Klassifizierung eines Datenmarktplatzes
Tabelle 2-5: Entwurfsmuster für die Konstruktion von Referenzmodellen
Tabelle 3-1: Überblick der Merkmale d. marktplatzzentrierten Datenökosystems
Tabelle 4-1: Vergleich ausgew. Merkmale qualitativer & quantitativer Forschung
Tabelle 4-2: Übersicht der befragten Datenmarktplatzbetreiber
Tabelle 4-3: Übersicht der befragten Unternehmen
Tabelle 4-4: Validierung der empirisch ermittelten Herausforderungen
Tabelle 4-5: Validierung der empirisch ermittelten Anforderungen
Tabelle 5-1: Anwendung des Entwurfsmusters auf das Referenzmodell
Tabelle 5-2: Übersicht der analysierten Datenmarktplatzlösungen
Tabelle 6-1: Verifikation nach den GoM
Tabelle 6-2: Validierung nach den Konstruktionsrichtlinien
Tabelle 6-3: Validierung nach den eigenen Modellanforderungen
Tabelle 0-1: Anforderungskatalog
Tabelle 0-2: Unterfunktionen des Funktionsreferenzmodells
Tabelle 0-3: Beschreibung des Merkmalsausprägungen
Tabelle 0-4: Charakterisierung der Nutzergruppen
Tabelle 0-5: Strukturierte Darstellung der Kodierungsergebnisse pro Kategorie
IV Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
1.1 Ausgangssituation
In der heutigen digitalisierten Wirtschaftswelt gelten Informationen als eines der wichtigsten Güter für Unternehmen und die Gesellschaft im Allgemeinen (vgl. Stahl et al. 2014, S. 5). Neue technologische Entwicklungen, wie das Mobile Computing und das Internet der Dinge, führen zu einem kontinuierlichen Anstieg von IT-Applikationen und Anwendungen, welche durch die Generierung unstrukturierter Informationen einen enormen Mehrwert für Organisationen aller Branchen schaffen (vgl. Fricker & Maksimov 2017, S. 1). Als Rohstoff für die Gewinnung von Informationen wird Daten eine immer höhere Bedeutung zugemessen (vgl. Lange et al. 2017, S. 1). So hat sich in den vergangenen Jahren gezeigt, dass der Handel mit Rohdaten, entsprechenden Analysediensten und den resultierenden verarbeiteten Daten stark angestiegen ist (vgl. Muschalle et al. 2013, S. 4). Weiterhin hängen im Zeitalter des maschinellen Lernens bedeutende Innovationen von großen Mengen an Trainingsdaten und damit von der Verfügbarkeit beträchtlicher Datenmengen ab (vgl. Richter & Slowinski 2019, S. 5). Im Zuge dieser Entwicklungen avancieren Daten zu einem eigenständigen Produkt der betrieblichen Wertschöpfung, auf deren Basis neuartige digitale Leistungsangebote und sogar neue datengetriebene Geschäftsmodelle entstehen (vgl. Otto & Österle 2016, S. 1).
Trotz der aufgezeigten Potenziale ist die wirtschaftliche Verwertung dieser Daten aktuell nur eingeschränkt möglich (vgl. Benders et al. 2018, S. 4). Demnach werden Daten in der Regel nur innerhalb der Unternehmensgrenzen genutzt, wo sie z. B. als Input zur Optimierung von Geschäftsprozessen dienen (vgl. Fedkenhauer et al. 2017, S. 2). Um eine unternehmensübergreife Nutzung von Daten zu realisieren, sind hingegen meist individuelle Vereinbarungen zwischen den Unternehmen und ggf. die Zustimmung durch die Dateneigentümer erforderlich (vgl. Benders et al. 2018, S. 4). Dieser Umstand erschwert vor allem für kleinere Unternehmen den Zugang zu den benötigten Daten, wodurch mögliche Innovations- und Wertschöpfungspotenziale nicht vollständig ausgeschöpft werden können (ebd.). Darüber hinaus ist es oft schwierig, Datensätze zu finden, welche den Bedürfnissen eines Datennutzers in zufriedenstellender Qualität entsprechen (vgl. Stahl et al. 2014, S. 5).
Als Konsequenz dieser Entwicklungen sind in den letzten Jahren zahlreiche neue digitale Handelsplattformen entstanden, die auf den kommerziellen Austausch von Daten und datennahen Dienstleistungen spezialisiert sind (vgl. Lange et al. 2017, S. 1; Stahl et al. 2015b, S. 4). Dabei erlangen insbesondere Datenmarktplätze wachsende Popularität in Wissenschaft und Praxis (ebd.). Datenmarktplätze bieten eine Infrastruktur für den Datenaustausch und Datenhandel, indem sie als digitaler Vermittler eine Verbindung zwischen Anbieter und Käufer schaffen (vgl. Koutroumpis et al. 2017, S. 3). Damit erleichtern sich den Zugang auf große, qualitativ hochwertige Datensätze und begünstigen gleichzeitig die Aktivierung von wertschöpfungskettenübergreifenden Datenökosystemen (vgl. Richter & Slowinski 2019, S. 5f.).
Das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Datenmarktplätzen wächst und führt dazu, dass sich eine steigende Zahl von Organisationen mit der Konzeption und Entwicklung von Datenmarkplätzen auseinandersetzt (vgl. Stahl et al. 2015b). Für das Verständnis relevanter Marktentwicklungen muss jedoch die Frage beantwortet werden, welche Wertversprechen das Entstehen von Datenmarktplätzen vorantreibt (vgl. Richter & Slowinski 2019, S.10). Gleichzeitig sind die verschiedenen Akteure eines geschäftsübergreifenden Datenökosystems im Rahmen des Datenhandels mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert, die wiederum einen signifikanten Einfluss auf die Anforderungen an einen Datenmarktplatz im Kontext der Datenökonomie ausüben.
Trotz der wachsenden Bedeutung dieser Thematik hat in der Wissenschaft eine intensive Auseinandersetzung mit den in diesem Abschnitt beschriebenen Problemen nicht stattgefunden. Demnach benötigen Unternehmen ein Modell, welches sie bei der Einordnung, Konzeption und Gestaltung von Datenmarktplätzen adäquat unterstützt.
1.2 Ziel, Forschungsfragen und Ergebnisse der Arbeit
Die zentrale Zielsetzung dieser Arbeit ist die Entwicklung eines Funktionsreferenzmodells zur Einordnung und Gestaltung von Datenmarktplätzen im Hinblick auf die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Richtung einer Datenökonomie und der damit verbundenen Entstehung von Datenökosystemen. Daraus leitet sich die zentrale Forschungsfrage (FF) ab, wie ein Datenmarkplatz im Kontext der Datenökonomie einzuordnen und in Bezug auf seinen Funktionsumfang zu gestalten ist. Die Motivation der Modellentwicklung ist, dass Unternehmen derzeit methodische Werkzeuge fehlen, um die Einordnung von Datenmarktplatzkonzepten hinsichtlich ihrer spezifischen Merkmale sowie die Bewertung bestehender und die Identifizierung erforderlicher Datenmarktplatz-Funktionalitäten durchzuführen. Außerdem dient das Referenzmodell als Orientierungshilfe, um Anwendungsszenarien für die Nutzung einer Datenhandelsplattform zu konzipieren. Zu diesem Zweck umfasst das Referenzmodell 1 ein Klassifikationsschema zur Einordnung von Datenmarktplätzen hinsichtlich grundlegender strategischer Gestaltungsziele, ein Rollenmodell sowie ein adaptierbares Funktionsmodell, aus denen Unternehmen Anwendungsfälle zur Erhöhung des datengetriebenen Wertbeitrags durch Verwendung von Datenmarkplätzen ableiten können.
In Anbetracht der Zielsetzung ist diese Masterarbeit der Design-Research Forschung zuzuordnen, da es die Entwicklung eines konkreten Artefakts (hier: Referenzmodell) beabsichtigt (vgl. March & Smith 1995, S. 256f.; Nunamaker et al. 1991; Winter 2008, S. 472). Im Rahmen der gestaltungsorientierten Forschung zielt Design Research darauf ab, Artefakte nach wissenschaftlichen Prinzipien zu gestalten, um praktische Probleme lösen zu können (vgl. Hevner et al. 2004, S. 81; March & Smith 1995, S. 256f.). Damit trägt das Referenzmodell sowohl zur Erfüllung konkreter unternehmerischer Anforderungen als auch zur Erhöhung des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns bei (vgl. Hevner et al. 2004 S. 81; Otto et al. 2012, S. 397):
- Beitrag zur Wissenschaft: Die Beschreibung des Entwurfsprozesses und der konkreten Designentscheide ermöglicht eine wissenschaftliche Validierung des Artefakts sowie dessen Erweiterung um bisher nicht ausreichend berücksichtigte oder differenzierte Aspekte. Darüber hinaus stellt das Referenzmodell eine Abstraktion eines Informationssystems im Bereich der Datenmarktplätze dar.
- Beitrag zur Praxis: Das Referenzmodell unterstützt Unternehmen bei der Bewältigung der oben aufgeführten Herausforderungen. Somit liefert es zum einen eine gemeinsame Terminologie für die interne und externe Kommunikation und erleichtert die Ableitung von konkreten Anwendungsszenarien für die verschiedenen Akteure des Datenökosystems. Gleichzeitig bietet es ein Instrument zur Einordnung der Datenmarkplätze hinsichtlich ihrer strategischen Ausrichtung sowie zur Bewertung bestehender und Identifizierung erforderlicher Datenmarktplatz-Funktionalitäten, wodurch der Vergleich und die Gestaltung von Instanziierungen ermöglicht wird.
Zur Erreichung der Zielsetzung und Beantwortung der damit aufgeworfenen leitenden Fragestellung ergeben sich weitere Forschungsfragen, auf die sowohl innerhalb der theoriegeleiteten Aufarbeitung der Literatur als auch der empirischen Datenerhebung dieser Arbeit Bezug genommen wird:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Aus der Beantwortung der aufgezeigten Forschungsfragen resultieren in dieser Arbeit zwei wesentliche Ergebnisse: Zum einen wird ein Überblick zum aktuellen Stand der Praxis und Forschung gewährt, der die konzeptionelle Erfassung von Datenmarktplätzen im Kontext der Trends von Datenzentrierung, Datenbewirtschaftung und Plattformisierung aus einer ökonomischen Perspektive umfasst. Die daraus gewonnen Erkenntnisse werden in einem Anforderungskatalog operationalisiert. Zum anderen stellt das Referenzmodell für Datenmarktplätze das zweite zentrale Ergebnis dieser Arbeit dar, dessen Beitrag für den wissenschaftlichen und praktischen Stand der Forschung bereits erläutert wurde. Die beiden zentralen Forschungsergebnisse sind im Anhang A vorzufinden.
1.3 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Abschlussarbeit ist in sieben Kapitel untergliedert, wobei die Kapitelstruktur im Wesentlichen die Phasen der Referenzmodellentwicklung reflektiert. Das sich an die Einleitung anschließende Kapitel 2 vermittelt dem Leser einen Überblick der begrifflichen, theoretischen und methodischen Grundlagen, auf die in der Modellentwicklung referenziert wird. Zunächst werden im Zuge der ökonomischen Datenbetrachtung die Bedeutung von Daten im digitalen Zeitalter, allgemeine Terminologien sowie Konzepte des Datenbewirtschaftung erläutert. Anschließend wird der Begriff der Datenökonomie definiert und dessen zentrale Charakteristika herausgestellt. Ein besonderer Schwerpunkt liegt hierbei auf der Betrachtung des Datenhandels und Entstehung von Datenökosystemen. Im Themenkomplex der Datenmarktplätze wird das Konzept der digitalen mehrseitigen Plattformmärkte beleuchtet, bevor bei der konzeptionellen Analyse beteiligte Rollen, Klassifikationsansätze, Kernfunktionen und Trends der Datenmarktplätze im Vordergrund stehen. Die Betrachtung der Referenzmodellierungsgrundlagen schließt das Theoriekapitel ab.
Das Kapitel 3 baut auf den theoriebasierten Erkenntnissen auf und widmet sich der Analyse des Gestaltungsbereichs. Nachdem ein Grundverständnis darüber geschaffen wurde, wie Datenmarktplätze in den kontextuellen Rahmen des Datenökosystems einzuordnen sind, werden daran anschließend die Herausforderungen an einen Datenmarkplatz identifiziert und die wesentlichen Anforderungen abgeleitet.
Zur Validierung der herausgearbeiteten Ergebnisse und praxisgeleiteten Erweiterung der Wissensbasis findet in Kapitel 4 eine empirische Erforschung des Gestaltungsbereichs mithilfe von Experteninterviews statt. Hierzu wird ausgehend von der methodischen Konzipierung des Forschungsprozesses die Ausgestaltung und Auswertung der Experteninterviews beschrieben. Auf Basis der Ergebnisgegenüberstellung von Theorie und Praxis erfolgt die Erstellung eines umfassenden Anforderungskatalogs, der die Inhalte des zu entwickelnden Referenzmodells wiedergibt.
Kapitel 5 beschäftigt sich mit der eigentlichen Konstruktion des Artefakts. Zu diesem Zweck werden zunächst die inhaltlichen und formalen Anforderungen an das Modell formuliert und der wissenschaftliche Entwicklungsprozess der Modellkonstruktion definiert. Im Anschluss daran findet die methodische Grundlegung für die Entwicklung des Referenzmodells statt. Hierzu wird ein Ordnungsrahmen vorgestellt, der den Bezugsrahmen des Modells repräsentiert. Die darauffolgende Konstruktion der Teilmodelle stellt schließlich den Mittelpunkt dieser Arbeit dar.
Das Kapitel 6 umfasst die Evaluation des konstruierten Referenzmodells. Dies erfolgt aus einer ingenieursmäßigen sowie ökonomischen Perspektive. Abgeschlossen wird diese Masterarbeit mit einer Zusammenfassung und kritischen Würdigung der Ergebnisse sowie einem Ausblick auf den weiteren Forschungsbedarf.
Abbildung 1-1 gibt den beschriebenen Argumentationsfluss und die aufeinander aufbauenden Kapitel wieder. In den Kapiteln 2 bis 7 werden einzelne Wörter im Fließtext kursiv hervorgehoben, um dem Leser eine inhaltliche und gliederungstechnische Hilfestellung zu geben.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1-1: Aufbau der Arbeit (eigene Darstellung)
2 Theoretische Grundlagen
Dieses Kapitel befasst sich mit den inhaltlichen und methodischen Grundlagen der Arbeit. Zuerst liefert die ökonomische Datenbetrachtung wichtige Begrifflichkeiten und die theoretische Basis für die weitere Diskussion aus Sicht des Datenmanagements (Abschnitt 2.1). Der Megatrend der Digitalisierung und die damit einhergehende gestiegene Bedeutung von Daten für den Unternehmenserfolg führt zu der Entstehung einer datengetriebenen Wirtschaft. Infolgedessen tauschen immer mehr Unternehmen ihre Datengüter mit anderen Akteuren innerhalb geschäftsübergreifender Datenökosysteme aus (Abschnitt 2.2.1). Um diese Austauschmechanismen zu erfassen, wird das Ökosystemkonzept als theoretischer Bezugsrahmen dargelegt (Abschnitt 2.2.2). Darüber hinaus bietet die Darstellung der Merkmale von Datenökosystemen weitere Hinweise auf die Aufgaben und Herausforderungen von Datenmarktplätzen in diesem Gestaltungsbereich (Abschnitt 2.2.3). Der Stand der Forschung und Praxis der Datenmarktplätze zeigt besondere Anforderungen an digitale mehrseitige Märkte und liefert eine umfassende Analyse des Konzepts der neuartigen Datenhandelsplattformen (Abschnitt 2.3). Schließlich definiert die Referenzmodellierung die methodischen Grundlagen zur Konstruktion eines adaptiven Referenzmodells (Abschnitt 2.4). Die herausgearbeiteten Ergebnisse der Literaturrecherche liefern die notwendige theoretische Wissensbasis, um im Hauptteil der Arbeit ein Referenzmodell für Datenmarktplätze im Kontext der Datenökonomie zu entwickeln. Die beschriebene Vorgehensweise ist in der folgenden Grafik dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2-1: Thematischer Detaillierungsverlauf der deduktiven Erkenntnisgewinnung (eigene Darstellung)
2.1 Grundlagen der ökonomischen Betrachtung von Daten
Zu Beginn des theoretischen Grundlagenkapitels wird in diesem Abschnitt der aktuelle Stand der Literatur zur ökonomischen Betrachtung von Daten in Unternehmen aufgezeigt. Dazu erfolgt zunächst eine Darstellung der sich wandelnden Rolle von Daten in der betrieblichen Leistungserstellung (Abschnitt 2.1.1). Außerdem werden relevante Terminologien in Bezug auf Daten erläutert (Abschnitt 2.1.2) und daran anschließend der Begriff des Datengutes eingeführt, dessen Ursprung in der Ressourcentheorie liegt (Abschnitt 2.1.3). Der Abschnitt schließt mit der Vorstellung bestehender Ansätze zur ökonomischen Datenbewertung (Abschnitt 2.1.4).
2.1.1 Bedeutung von Daten im Wandel der Zeit
Im Zuge der Digitalisierung sämtlicher Wirtschafts- und Geschäftsbereiche und der damit einhergehenden Technologien gewinnt die Unternehmensressource Daten zunehmend an Bedeutung (vgl. Otto & Österle 2016, S. 1). Als Grund für diese Entwicklung lässt sich zum einen die Durchdringung aller Lebens- und Wirtschaftsbereiche durch Daten identifizieren (vgl. Otto & Österle 2016, S. 3). So basiert nahezu jede Aktivität der betrieblichen Wertschöpfung und privaten Lebensbereiche auf informationstechnischen Infrastrukturen sowie digitalen Diensten (ebd.). Zum anderen liefert die zunehmende Vernetzung von physischen Objekten, die in Zusammenhang mit der „Industrie 4.0“2 und dem „Internet der Dinge“ diskutiert werden, sowie ein verändertes Leistungsangebot in der Digitalisierung weitere Gründe für die gewachsene Bedeutung von Daten (vgl. Otto & Österle 2016, S. 5-10; Bauernhansl et al. 2014; Kagermann 2016; BMBF 2017). Hierbei werden Daten als Fundament der digitalisierten Wirtschaftswelt aufgefasst, da sie als Treibstoff für die Etablierung neuartiger Geschäftsmodelle (z. B. Produkte und Dienstleistungen, Kundenzugänge, Preismodelle und Ökosysteme) dienen (vgl. Otto & Österle 2016, S. 1).
Insbesondere in der betrieblichen Wertschöpfung hat sich die Rolle von Daten in den vergangenen drei Jahrzehnten, angetrieben durch die kontinuierliche Weiterentwicklung der Informationstechnologie, stark gewandelt (vgl. Abbildung 2-2) (vgl. Otto & Legner 2016, S. 550). Daten fallen bereits seit der dritten industriellen Revolution in den 1970er Jahren und der damit einhergehenden Einführung von Informationssystemen zur Unterstützung von Geschäftsfunktionen an (vgl. Heistermann et al. 2017, S. 15). Zu dieser Zeit wurden Daten lediglich als Prozessergebnis verstanden, denen als Nebenprodukt der Wertschöpfungsprozesse kaum Wert zugesprochen wurde (ebd.). Der Wertbeitrag für das Unternehmen entstand ausschließlich aus dem materiellen Produkt (vgl. Otto et al. 2016, S. 10).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2-2: Rolle von Daten in der betrieblichen Leistungserstellung (vgl. Heistermann 2017, S. 15; Otto et al. 2016, S. 9)
Die Rolle der Daten wandelte sich, als in den 1980er und 1990er Jahren die Verbreitung von Manufacturing-Resource-Planning (MRP)-, Enterprise-Resource-Planning (ERP)- und Customer-Relationship-Management (CRM)-Systemen in der IT-Systemlandschaft von Unternehmen Einzug fand. Mithilfe dieser Anwendungssysteme wurde es möglich die steigende Datenmenge und -vielfalt zu bewältigen, umfangreichere Datenanalysen durchzuführen, darauf aufbauende Geschäftsentscheidungen zu treffen und diese in die unternehmensweiten Geschäftsprozesse einzubinden. (vgl. Heistermann et al. 2017, S. 15; Otto & Legner 2016, S. 550).
Mit der flächendeckenden Ausbreitung des Internets um die Jahrtausendwende bieten Unternehmen zunehmend Produkte an, die ohne Daten in hoher Qualität nicht möglich wären (vgl. Otto et al. 2016, S. 10). In einer steigenden Anzahl von internetbasierten Geschäftsmodellen stellen Daten dabei nicht nur einen Befähiger für (digitale) Produkte und Dienstleistungen dar, sondern sind das Produkt selbst (vgl. Otto & Legner 2016, S. 550; Kagermann 2014). Während früher das physische Produkt im Zentrum stand, sind heute komplementäre Dienstleistungen, Softwareprodukte oder Daten als Produkte hoch gefragt (vgl. Möller et al. 2017, S. 1). Darüber hinaus können durch die ständig wachsende Datenmenge aus verschiedensten Bereichen Produkte und Dienstleistungen digital erweitert und miteinander verknüpft werden, wodurch die Grenze zwischen materieller und immaterieller Welt verschwimmt (ebd., S. 2). Daten werden in diesem Zusammenspiel als das Bindeglied zwischen industrieller Produktion und Dienstleistung angesehen (ebd.). Sie stellen damit eine strategische Ressource und einen wichtigen Erfolgsfaktor dar, die einen wesentlichen Einfluss auf sowohl strategische als auch operative Geschäftsentscheidungen des Unternehmens ausübt (vgl. Otto & Österle 2016, S. 1; Davenport & Harris 2017, S. 78).
Es ist anzunehmen, dass der Trend zur Datenzentrierung in einer Data Economy 3 in den nächsten Jahren anhalten oder sogar zunehmen wird, da Daten einen maßgeblichen Treiber der wettbewerbsentscheidenden Innovationen und des Unternehmenserfolgs darstellen (vgl. Bullinger & Weisbecker 2014, S. 15; Otto & Österle 2016, S. 1). So führt insbesondere der Austausch von Daten zwischen Unternehmen dazu, dass durch zunehmende Datenintegration (d. h. Kombination mit anderen Daten) neue Produkte und Dienstleistungen entstehen können (vgl. Spiekermann et al. 2018b, S. 317). Der Trend zur Datenzentrierung wird überdies durch erste Studien und Untersuchungen gestützt, die nachweisen konnten, dass datengetriebene Unternehmen einen höheren wirtschaftlichen Erfolg aufweisen als ihre Wettbewerber (vgl. Brynjolfsson et al. 2011, S. 1; Rajesh & Ramesh 2016, S. 1).
2.1.2 Begriffliche Grundlagen der Daten
Im Rahmen der thematischen Auseinandersetzung mit der ökonomischen Betrachtung von Daten existieren viele unterschiedliche Begrifflichkeiten, welche die wissenschaftliche Diskussion erschweren. Vor diesem Hintergrund liefert dieser Abschnitt ein fundamentales Verständnis über die zentralen Konzepte und Begriffe in Bezug auf das Themenfeld „Daten“. Dazu wird im Folgenden eine zentrale Begriffslandkarte eingeführt, die einen Überblick über die wichtigsten Begriffe und ihre Beziehungen zueinander gewährt (vgl. Abbildung 2-3).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2-3: Begriffslandkarte der typischen Daten in Unternehmen (eigene Darstellung in Anlehnung an Otto & Österle 2016, S. 28)
Nachstehend werden die für diese Ausarbeitung relevantesten Terminologien tiefergehend erläutert und voneinander abgegrenzt. Die aufgezeigte Begriffsstruktur soll dem Leser im weiteren Verlauf der Arbeit als inhaltliche Hilfestellung dienen.
2.1.2.1 Daten und Informationen
In den Informationswissenschaften werden die Bedeutungsunterschiede der Terminologien „Daten“, „Informationen“ und „Wissen“ intensiv diskutiert (vgl. Badenoch et al. 1994; Boisot & Canals 2004, S. 44), wodurch zahlreiche Definitionen entstanden sind, die je nach Anwendungskontext unterschiedlich zum Einsatz kommen (vgl. Krcmar 2015, S. 2-6). So werden Daten im betriebswirtschaftlichen Rahmen häufig als Rohmaterial von Informationen bezeichnet (vgl. Van den Hoven 1999, S. 88; Otto 2015, S. 235). Informationen sind „zweckorientiertes Wissen“, die den Kenntnisstand eines Informationsbenutzers erweitern und als Produktionsfaktoren maßgeblich zur Leistungserstellung und damit zur Wertschöpfung eines Unternehmens beitragen (vgl. Krcmar 2015, S. 5). Daten besitzen in diesem Zusammenhang per se keinen Wert, solange sie noch nicht zu Informationen weiterverarbeitet wurden (vgl. Ackoff 1989, S. 3).
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Abbildung 2-4: Begriffshierarchie in der Datenwelt (vgl. Krcmar 2015, S. 4)
Aus Informationsverarbeitungsperspektive wird eine klare Abgrenzung der Begriffe „Daten“, „Informationen“ und „Wissen“ herausgestellt (vgl. Abbildung 2-4). Demnach stehen Zeichen auf der untersten Ebene der Begriffshierarchie und bilden die Basis für die darüber angesiedelten Begrifflichkeiten. Die Zusammenführung von einzelnen Zeichen in eine definierte, strukturierte Reihenfolge führt zu der Entstehung von Daten. Werden die Daten wiederrum mit einem Kontext angereichert, erhalten sie eine Bedeutung und können als Informationen betitelt werden. Informationen sind subjektiv, da ihr Nutzen und Wert vom jeweiligen Betrachter abhängt (vgl. Checkland & Scholes 1999). Durch die Vernetzung von Informationen mit weiteren Informationen entsteht letztendlich Wissen, welches der obersten Hierarchieebene des Begriffsmodells zuzuordnen ist. (vgl. Krcmar 2015, S. 4)
Allerdings wird von zahlreichen Autoren wie Bodendorf (2006, S. 2) angemerkt, dass eine klare Trennschärfe zwischen den Begrifflichkeiten kaum möglich ist. In weiteren Arbeiten wird sogar vorgeschlagen, die Begriffe „Daten“ und „Informationen“ synonym zu verwenden, da in der betrieblichen Praxis üblicherweise keine Unterscheidung zwischen dem Management von Daten und Informationen durchgeführt wird (vgl. DAMA 2017, S. 20; Otto & Hinderer 2009, S. 23). Im Rahmen dieser Arbeit wird eine strikte Differenzierung dennoch vorgenommen, da der Fokus auf Daten liegt, die als handelbares Gut auf Datenmarkplätzen gegen Bezahlung ausgetauscht werden und damit einen eigenständigen Vermögenswert für das Unternehmen darstellen. Folglich besitzen Daten einen inhärenten Wert und tragen damit zur betrieblichen Wertschöpfung bei, ohne dass ihnen eine Semantik oder Anwendung in betriebseigenen Geschäftsprozessen zugeordnet werden muss. Die Betrachtung von Daten als Wirtschaftsgut wird in Abschnitt 2.1.3 näher thematisiert.
2.1.2.2 Datenorganisation und Datenarten
Zur Erfassung, Beschreibung und Strukturierung von Daten werden in der logischen Datenorganisation verschiedene Aggregationsebenen unterschieden (vgl. Chen 1976; Levitin & Redman 1998; Yoon et al. 2000). Auf der untersten Ebene bilden Datenelemente die Instanziierungen der Attribute von Datenobjekten ab (z. B. Vorname eines Kunden, wobei „Vorname“ dem Datenelement und „Kunde“ dem Datenobjekt entspricht). Durch die Zusammenführung verschiedener Datenelemente entsteht auf der zweiten Aggregationsebene ein Datensatz. Dieser repräsentiert die Instanziierung eines Datenobjekts (z. B. ein Kundenstammdatensatz mit all seinen Attributen). Mit zunehmenden Aggregationsgrad können Datensätze weiterhin in Tabellen zusammengefasst und in Datenbanken aggregiert werden. Die Gesamtheit aller Datenbanken bildet letztendlich sämtliche Datenbestände eines Unternehmens ab. (vgl. Otto & Österle 2016, S. 27f.) Im Rahmen dieser Arbeit steht die Betrachtung der zweiten Aggregationsebene im Vordergrund, da innerhalb eines Datenökosystems der Datenaustauch primär in Form von Datensätzen erfolgt. Diese Datensätze können dabei entweder als statische Datenpakete oder als Datenströme (z. B. für die Bereitstellung von Echtzeitdaten) angeboten werden.
Eine Strukturierung von Daten ist neben der Aggregationsebene auch in Hinblick auf ihre inhärenten Eigenschaften und den Datennutzungskontext 4 möglich. Die verschiedenen Ausprägungen werden als Datenarten bezeichnet. Nach Piro & Gebauer (2015, S. 143) können Daten in Bezug auf die inhärenten Eigenschaften u. a. durch Format, Struktur und Inhalt unterschieden werden. Das Format legt fest, wie Daten IT-technisch spezifiziert werden und wie sie bei der Datenverarbeitung zu interpretieren sind (vgl. Piro & Gebauer 2015, S. 144). Häufig genutzte Datenformate auf Datenmarktplätzen sind CSV, XLS, JSON und XML (vgl. Stahl et al. 2015a, S. 13). Des Weiteren erfolgt die Differenzierung von Daten hinsichtlich ihrer Struktur, was nach Otto & Österle (2016, S. 30) unter den Begriff „Datentyp“ fällt. Demnach liegen Daten in einer strukturieren Form vor, wenn zusätzliche strukturgebende Informationen – Metadaten – vorhanden sind (vgl. Piro & Gebauer 2015, S. 144). Dies trifft in der Regel bei Daten aus internen Datenquellen zu, da diese in den betriebsinternen, relationalen Datenbanken verwaltet und genutzt werden müssen (vgl. Zechmann 2018, S. 64). Die Digitalisierung führt jedoch dazu, dass Unternehmen zunehmend Daten aus externen Datenquellen nutzen, die allerdings nicht den unternehmensinternen Regeln der Datenmodellierung entsprechen und somit nicht direkt interpretiert und verarbeitet werden können (ebd.). Bei den unstrukturierten Daten handelt es sich z. B um E-Mails, PDF-Dateien sowie Bilder, Videos und Inhalte aus sozialen Netzwerken. Als letzte strukturelle Ausprägung sind semistrukturierte Daten zu nennen, die in ihren einzelnen Bestandteilen zwar strukturiert sein können, in der Gesamtheit jedoch keine eindeutige, spezifische Struktur aufweisen (vgl. Piro & Gebauer 2015, S. 145). Ein Beispiel für diesen Datentyp sind XML-Dateien. Neben Format und Struktur stellt der Dateninhalt ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal dar. So lassen sich Daten zunächst in Inhalts-5 und Metadaten6 einteilen. Während erstere den eigentlichen Inhalt, also das Geschäftsobjekt, beschreiben, ordnen Metadaten die Inhaltsdaten einer festgelegten Struktur zu (ebd.). Im Kontext dieser Ausarbeitung werden Inhaltsdaten darüber hinaus anhand ihres thematischen Informationsgehalts unter dem Begriff „Datendomäne“ unterschieden. Die Begriffsabgrenzung ist relevant, da sich Datenmarktplätze durch das Spektrum des Datenangebots in Bezug auf die Datendomäne entscheidend voneinander abgrenzen. So gibt es Marktplätze, die sich vollständig auf den Handel innerhalb einer bestimmten Datendomäne spezialisiert haben (z. B. Automobildaten bei Caruso-dataplace), während andere hingegen ein eher breit gefächertes und generelles Datenangebot vorweisen (z. B. Dawex Data Marketplace).
2.1.2.3 Datenqualität
Der Erfolg eines Unternehmens in einer zunehmend digitalisierten Wirtschaft wird elementar von der Qualität der im Unternehmen vorhandenen und genutzten Daten bestimmt (vgl. Weigel 2015, S. 70). Datenqualität 7 definiert „die Gesamtheit der Ausprägungen von Qualitätsmerkmalen eines Datenbestandes bezüglich dessen Eignung, festgelegte und vorausgesetzte Erfordernisse in Geschäftsprozessen zu erfüllen (Otto & Österle 2016, S. 197).“ Gemäß dieser Definition ist Datenqualität als mehrdimensionales und kontextabhängiges Konzept zu verstehen (vgl. Wang & Strong 1996, S. 6). Die Kontextabhängigkeit gibt zum Ausdruck, dass die Qualität wesentlich von den Anforderungen des Datennutzers 8 abhängt, anhand derer er entscheidet, inwiefern die vorliegenden Daten zur Nutzung für einen bestimmten Verwendungszweck (engl.: „fitness for use“) geeignet sind (vgl. Otto et al. 2011, S. 8; Strong et al. 1997, S. 108f.). Die Mehrdimensionalität bezieht sich hingegen darauf, dass Datenqualität nicht mit einem Merkmal, sondern anhand verschiedener Qualitätsdimensionen beschrieben und gemessen werden kann (vgl. Wang & Strong 1996). Autoren aus Wissenschaft und Praxis definieren eine Vielzahl von Ansätzen zur Identifikation und Klassifikation unterschiedlicher Qualitätsdimensionen 9 (vgl. Wang & Strong 1996; English 1999; Eppler & Bihn 2003; Redman 1996). Zu den relevantesten und am häufigsten diskutierten gehören nach Otto & Österle (2016, S. 197) die folgenden Dimensionen:
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Tabelle 2-1: Häufig verwendete Datenqualitätsdimensionen (eigene Darstellung)
Da die Messung der Datenqualität anhand einer Dimension nur wenig Aussagekraft besitzt, wenden Unternehmen in der Praxis meist verschiedene Metriken an, um die Datenqualität zu prüfen (vgl. Ofner 2013, S. 51). Zudem muss berücksichtigt werden, dass die Datenmessung eine Zeitpunktbetrachtung darstellt, da sich die realen Geschäftsobjekte, welche die Daten repräsentieren, stetig verändern (vgl. Otto & Österle 2016, S. 31; Boisot & Canals 2004, S. 52). Die Aktivitäten zur Messung, Verbesserung und Sicherung der Datenqualität fallen in den Aufgabenbereich des Datenqualitätsmanagements (DQM)10 (vgl. Otto & Österle 2016, S. 32). Diese Teilfunktion wird darüber hinaus durch die Etablierung einer Data Governance 11 unterstützt, die in diesem Zusammenhang als Führungsfunktion des DQM zu verstehen ist (vgl. Otto 2011, S. 241f.).
Die Verfügbarkeit von Daten in hoher Qualität ist aus mehreren Gründen bedeutsam für den ökonomischen Unternehmenserfolg. Zum einen stellt eine hohe Datenqualität die potenzielle Nutzbarkeit von Daten sicher und bildet damit die Grundlage für die Ausführung zahlreicher Unternehmensprozesse (vgl. Otto 2015, S. 234). In Anbetracht der aktuellen Entwicklungen der Digitalisierung, welche die Zunahme IT-gestützter Geschäftsprozesse einbezieht, erfordert das Thema Datenqualität daher besondere Aufmerksamkeit (vgl. Otto & Österle 2016, S. 2). Des Weiteren wird der Wert von Daten mit wachsender Qualität positiv beeinflusst, da Daten nach verbreitetem Verständnis erst durch Vorliegen eines Nutzungskontexts einen Wert erhalten (vgl. Otto 2011, S. 241; Even & Shankaranarayanan 2007, S. 76). Zum derzeitigen Stand der Forschung ist der Einfluss der Datenqualität auf den Wert von Daten jedoch nicht hinreichend untersucht (vgl. Otto 2015, S. 237). Demgegenüber sind auftretende Datenqualitätsdefizite mit zahlreichen negativen Folgen für den Unternehmenserfolg verknüpft, die sämtliche Unternehmensaktivitäten auf strategischer, taktischer und operationeller Ebene betreffen (vgl. Redman 1998). Eine umfassende Übersicht der negativen ökonomischen Konsequenzen liefern Loshin (2012, S. 4), Zechmann (2018, S. 70) sowie Eppler & Helfert (2004, S. 316).
Im Rahmen des Datenhandels stellt ein zugesichertes, einheitliches Qualitätslevel der zugänglichen Daten die Voraussetzung für einen fairen und diskriminierungsfreien Wettbewerb dar (vgl. Benders et al. 2018, S. 41). Zusätzlich liefert die Beurteilung der Qualität eine wichtige Eigenschaft zur Preisbestimmung auf Marktplätzen, welche u. a. auch zur preislichen Differenzierung von Daten eines Anbieters genutzt werden kann (ebd.). Die Etablierung einer Data-Governance-Struktur trägt ebenso zur Sicherung der Datenqualität bei, indem unternehmensübergreifende Rechte, Verantwortlichkeiten und Richtlinien für die auf den Marktplätzen befindlichen Daten und datennahen Dienstleistungen bereitgestellt werden. Zusammenfassend erweist sich die Berücksichtigung der Datenqualität daher als wichtige Komponente bei der Konzipierung eines Referenzmodells für Datenmarktplätze.
2.1.2.4 Datenlebenszyklus
In Anlehnung an physische Produkte ist die Verarbeitung von Daten zur Informationsgewinnung durch einen Lebenszyklus charakterisiert (vgl. Goodhue et al. 1988; King & Nehyba 1982; Levitin & Redman 1998; Wang 1998). Folglich müssen Daten im Hinblick auf ein effektives Datenmanagement über den gesamten Lebenszyklus hinweg verstanden und geplant werden (vgl. DAMA 2017, S. 28).
Nach Otto (2015, S. 238) beginnt der 4-phasige Lebenszyklus 12 mit der Beschaffungsphase. Vergleichbar mit physischen Waren können Daten sowohl intern (z. B. durch Eingabe von Kundendaten durch einen Call-Center-Agenten) als auch extern (z. B. durch den Datenzukauf von einem Marktplatz) beschafft werden. In der zweiten Phase (Verdichtungsphase) werden die intern erhobenen oder extern akquirierten Daten zunächst in einem zentralen Datenbanksystem gespeichert und anschließend so verarbeitet, dass sie zur Nutzung geeignet sind. Dies schließt u. a. Aktivitäten der Datentransformation wie Datenfilterung, -aggregation und -anreicherung mit ein. Daraufhin werden die Daten in der Nutzungsphase analysiert und in einer nutzenstiftenden Form für das Unternehmen verwertet. Die abschließende vierte Phase umfasst die Datendeaktivierung, in der die Archivierung und Löschung der Daten erfolgt. (vgl. Otto 2015, S. 238)
Das Konzept des Datenlebenszyklus ist eng mit dem Umgang von Daten in Bezug auf Datenqualität und Datenwert verbunden (vgl. Otto 2015, S. 237f.). So müssen die Ansätze zur Messung und Bewertung der Datenqualität in Abhängigkeit der vorliegenden Lebenszyklusphase variiert und angepasst werden. Während in der Beschaffungsphase die Daten bspw. nur zum Zeitpunkt der Erstellung bewertet werden, so muss in der Verdichtungsphase eine regelmäßige Prüfung (z. B. auf Wochen- oder Monatsbasis) der im Datenbanksystem gehaltenen Daten erfolgen (ebd.). In Bezug auf die Interdependenzen zwischen Lebenszyklus und Datenwert ist festzuhalten, dass der Wert in den Phasen von der Beschaffung bis zur Nutzung am höchsten ist, da dort aktiv mit den Daten (z. B. im Rahmen einer stetigen Datenabfrage und -auswertung) gearbeitet wird (vgl. Redman 2012; Zechmann 2018, S. 71f.).
Ein weiterer Begriff, der häufig in Zusammenhang mit dem Lebenszyklus genannt wird, ist die Datenherkunft (engl.: Data Provenance oder Data Lineage), welche den Weg der Daten von ihrem Ursprungsort zu ihrem Verwendungsort bezeichnet. Um die Datenherkunft nachzuvollziehen, ist es erforderlich, die Herkunft von Datensätzen sowie deren Bewegung und Transformation durch Systeme, auf die entweder zugegriffen wird oder die verwendet werden, zu dokumentieren. (vgl. DAMA 2017, S. 28)
Das Verständnis des Konzepts von Datenlebenszyklus und -herkunft wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit notwendig, da es die Grundlage für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Datenwertschöpfungsnetzwerken bildet, die eine Kerneigenschaft von Datenökosystemen in der Datenökonomie darstellen.
2.1.3 Ökonomische Betrachtung von Daten
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Daten aus ökonomischer Perspektive ist nicht neu, sondern fand bereits in den 1980er Jahren ihren Ursprung, als erstmalig Ansätze zur Beschreibung und Steuerung von materiellen Vermögenswerten auf immaterielle Werte, wie Humankapital, Wissen und Information, übertragen wurden (vgl. Zechmann 2018, S. 72). Die Betrachtung von Daten ist dabei durch folgende Analogien geprägt:
- Daten als Ressource,
- Daten als Produkt, und
- Daten als Vermögenswert.
Der Untersuchungsschwerpunkt Daten als Ressource basiert auf der Betrachtungsweise der Ressourcentheorie (engl.: Resource-based view of the firm), wonach eine Unternehmung als Bündel von Ressourcen verstanden wird, deren Erfolg davon abhängt, wie effizient die Organisation diese Ressourcen nutzt, um damit Wettbewerbsvorteile zu erzielen (vgl. Barney 1991, S. 107; Wernerfelt 1984). Nach dieser Sichtweise wird die Ressource Daten primär als Rohstoff für Wertschöpfungsprozesse gedeutet, die eben nur dann einen Wert erzeugt, wenn sie dazu verwendet wird, um Informationen zu „produzieren“ (vgl. Otto 2015, S. 235f.). Die Betrachtung von Daten als Produkt ist eng mit dem Ressourcenansatz verbunden. Hierbei werden die Konzepte zur Produktion physischer Güter auf den Umgang mit Informationen und Daten übertragen (vgl. Wang 1998; Wang et al. 1998). Demnach bestehen die Hauptaufgaben des Datenmanagements darin, auf die Bedürfnisse der Datennutzer einzugehen, den Datenproduktionsprozess und Datenlebenszyklus zu überwachen, zu steuern sowie Verantwortlichkeiten in Bezug auf das Datenmanagement zu definieren (ebd.).
Aufbauend auf diesen Konzepten schlugen zahlreiche Autoren in den 1990er Jahren vor, Daten als immaterielle Vermögenswerte zu betrachten, was vornehmlich der gestiegenen Bedeutung von Informationen als Unternehmensressource geschuldet war (vgl. z. B. Horne 1995; Glazer 1993; Moody & Walsh 1999). Ein Vermögenswert zeichnet sich im Kern dadurch aus, dass sie dem Eigentümer durch Nutzung oder Veräußerung einen zukünftigen (monetären) Nutzen generiert.13 Im Kontext der Datenökonomie, in der Daten als unabhängiges Produkt zwischen Unternehmen gehandelt werden sowie als Grundlage zur Erzeugung digitaler Produkte und Dienstleistungen dienen, erweist sich die Betrachtung von Daten als Vermögenswert daher am geeignetsten für den Forschungsschwerpunkt dieser Arbeit. Aus diesem Grund werden Daten im Kontext der Datenökonomie nachfolgend als „ Datengüter “ bezeichnet, was der Analogie an den Begriff des „Wirtschaftsgutes“14 zugrunde liegt. Datengüter stellen demnach einen nutzenstiftenden Vermögenswert von Unternehmen dar, der analog zu anderen materiellen und immateriellen Vermögenswerten gesteuert und bewirtschaftet werden muss.
Trotz der großen Ähnlichkeit zu anderen Wirtschaftsgütern verfügen Daten jedoch über spezifische Eigenschaften, welche die direkte Übertragung von etablierten Methoden auf den Kontext der Daten verhindern (vgl. Spiekermann et al. 2018b, S. 316). So sind Daten bspw. keiner Abnutzung unterworfen, sind unendlich teilbar und der Wert steigt mit der Nutzung und Datenqualität an (vgl. Moody & Walsh 1999; Oppenheim 2001; Stenson 2006). In Bezug auf den Datenhandel ist außerdem eine geringere Nachfrage und Zahlungsbereitschaft für Datengüter zu beobachten, die u. a. durch die geringe Erfahrung der Marktakteure sowie den Mangel an Vertrauen und Sicherheit zur Offenlegung von betriebsinternen Daten zu begründen ist (vgl. Stahl et al. 2015b, S. 21f.; Miller 2012).
Das Verständnis über die zentralen Eigenschaften von Datengütern ist erforderlich, um geeignete Konzepte, Modelle und Methoden für den Datenhandel und die Datenmonetarisierung (z. B. Metriken zur Preisfindung) bereitzustellen. Im Rahmen der digitalen Transformation beschäftigt sich die wissenschaftliche Gemeinschaft wieder verstärkt mit der ökonomischen Betrachtung von Datengütern, weil sie kritisch für die Geschäftsaktivitäten sind (vgl. Evans & Price 2012, S. 178; Spiekermann et al. 2018a, S. 327). Der Datenhandel kann dabei als ein unabhängiges Geschäftsmodell aufgefasst werden (vgl. Muschalle et al. 2012, 2f.).
2.1.4 Bewertung von Datengütern
Für den unternehmensübergreifenden Datenaustausch ist es notwendig, den Datenproduzenten Anreize zu schaffen, ihre Datengüter betriebsfremden Datennutzern zugänglich zu machen (vgl. Benders et al. 2018, S. 20). Derzeit sind solche Anreize vorranging in der Optimierung von Lieferketten sowie in einer verbesserten Interaktion mit dem Kunden festzumachen (vgl. Fedkenhauer et al. 2017, S. 18f.). Im Hinblick auf die Betrachtung von Daten als Vermögenswert gewinnt als weiterer extrinsischer Faktor die Monetarisierung von Daten eine hohe Relevanz, wozu jedoch ein einheitliches Verständnis des Datenwertes erforderlich ist (vgl. Benders et al. 2018, S. 20).
Nicht zuletzt aufgrund der o. a. Entwicklungen stellt die Konzipierung von Verfahren zur (monetären) Datenwertbestimmung einen zentralen Forschungsgegenstand sowohl im Rahmen des Datenqualitätscontrollings als auch im Themenkomplex der Datenmarktplätze dar (vgl. Lange et al. 2017, S. 1f.; Zechmann 2018, S. 25). Die Bewertung von Datengütern erweist sich jedoch als äußerst komplex, da die exakte Bestimmung des Datenwertes von vielen unterschiedlichen Aspekten abhängt, von denen ein hoher Anteil grundsätzlich subjektiv ist (z. B. Nutzen und Qualität) (vgl. Eaton & Bawden 1991, S. 156; Korte et al. 2019; S. 30).
Die bestehenden Ansätze zur Bewertung von Datengütern orientieren sich an den verschiedenen Bewertungsmethoden von immateriellen Vermögenswerten (vgl. Zechmann 2016, S. 13f.). Dabei wird eine Unterscheidung zwischen finanziellen und nicht-finanziellen Ansätzen vollzogen. Während erstere die Benennung eines monetären Wertes (z. B. Kosten) anstreben, besteht die grundsätzliche Idee der nicht-finanziellen Ansätze darin, den Wert der Daten durch ein qualitatives Bewertungsmaß (z. B. Key-Performance-Indicator) auszudrücken (vgl. Poore 2006; M'Pherson 1994; Sajko et al. 2006). Zur weiteren Strukturierung können die finanziellen Ansätze in kosten-, marktpreis- und nutzenbasierte Verfahren unterteilt werden (ebd.). Die kostenorientierten Datenbewertungsansätze drücken den Wert durch die Kosten aus, die über den gesamten Datenlebenszyklus entfallen, wobei die Kosten für das Datenqualitätsmanagement und die Wartung mitberücksichtigt werden (vgl. Spiekermann et al. 2018b, S. 317; Zechmann 2018, S. 76). Im marktpreisorientierten Ansatz wird der Wert der Daten anhand ihres Verkaufspreises bestimmt, der auf aktiven wettbewerbsorientierten Märkten zu beobachten ist. Der Datenwert hängt damit unmittelbar von der Marktsituation und dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage ab (vgl. Lange et al. 2017, S. 11; Otto et al. 2016, S. 10f.). Zuletzt geht der nutzenorientierte Ansatz davon aus, dass der Wert von Daten anhand des finanziellen Wertbeitrags bestimmt werden kann, der durch die Datennutzung zukünftig über den gesamten Datenlebenszyklus hinweg entsteht (vgl. CDQ 2019; Zechmann 2018, S. 80). Tabelle 2-2 fasst die Vor- und Nachteile der finanziellen Datenbewertungsansätze überblicksartig zusammen.
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Tabelle 2-2: Finanzielle Datenbewertungsverfahren im Vergleich (eigene Darstellung i. A. an CDQ 2019; Korte et al. 2019, S. 35; Zechmann 2016; Zechmann 2018)
In der betrieblichen Praxis kommen aktuell häufig nicht-finanzielle Bewertungsverfahren zum Einsatz, welche das Ziel verfolgen, sowohl ein Qualitätscontrolling der unternehmensinternen Daten sicherzustellen als auch verstärkte Aufmerksamkeit auf die Ressource Daten zu lenken (vgl. Otto 2015, S. 243f.). Monetäre Datenbewertungsansätze finden hingegen nur selten Anwendung. Gründe dafür sind einerseits, dass flächendeckende, praxiserprobte Verfahren zur Umsetzung fehlen, und andererseits, dass Unternehmen sich aufgrund der Komplexität und Intransparenz vieler datenbezogener Prozesse nicht in der Lage sehen, das Thema Datenbewertung zielführend umzusetzen (vgl. Korte et al. 2019, S. 30).
Im Rahmen der Gestaltung von Datenmarktplätzen stellt die Preisbestimmung für Datengüter eine große Problemstellung dar. Die o. a. finanziellen Bewertungsansätze werden im Konzeptteil dieser Arbeit daher nochmals aufgegriffen und bezüglich der Eignung für Datenmarkplätze evaluiert (siehe Abschnitt 3.2.2.6).
Der Abschnitt 2.1 umfasste das Themenfeld der ökonomischen Betrachtung von Daten. Hierbei wurde die Rolle von Daten hinsichtlich der Digitalisierung und der damit einhergehenden Entwicklung zu einer datengetriebenen Wirtschaft, der „Data Economy“, dargestellt. Daten sind demnach nicht mehr als „Hygienefaktor“ zu betrachten, sondern stellen, als zentrales Element der betrieblichen Wertschöpfung, einen wichtigen Treiber für Innovationen und neue Geschäftsmodelle dar. Durch die Beleuchtung der zentralen Begrifflichkeiten wurde zudem die Grundlage für die weitere Diskussion geschaffen. Abschließend erfolgte die Aufarbeitung der Merkmale von Datengütern sowie der existierenden Ansätze zur Datenwerbestimmung. Demzufolge bildet die Betrachtung von Daten als Vermögenswert den Ausgangspunkt für die Entstehung neuer Handelsplattformen und Datenökosysteme. Um die Anforderungen an Datenmarktplätze im Kontext der Datenökonomie ermitteln zu können, wird im nachfolgenden Abschnitt der Fokus auf die Darstellung der Charakteristika der Datenökonomie und dabei insbesondere der Entstehung von Datenökosystemen gelegt (vgl. FF2).
2.2 Datenökonomie und Datenökosysteme
Im Rahmen der theoretischen Grundlagen erfolgt in diesem Abschnitt eine Darstellung des aktuellen Stands der Literatur im Themenbereich der Datenökonomie und Datenökosysteme. Zunächst wird dazu die Bedeutung der Datenökonomie im Zeitalter der Digitalisierung aufgezeigt und eine Begriffsdefinition für diese Arbeit erstellt (Abschnitt 2.2.1). Daraus abgeleitet werden im Anschluss die zentralen Charakteristika der Datenökonomie untersucht, wobei sich der Betrachtungsschwerpunkt auf die Analyse von Datenökosystemen richtet. Der Abschnitt 2.2.2 widmet sich daher der fundamentalen Auseinandersetzung mit dem Ökosystembegriff. Zuletzt befasst sich der Abschnitt 2.2.3 mit der Vernetzung von Datenökosystemen im Kontext der Datenwirtschaft. Es werden die Kernkomponenten und Eigenschaften ermittelt sowie Kriterien vorgestellt, die als Voraussetzung für die Etablierung nachhaltig erfolgreicher Datenökosysteme dienen.
2.2.1 Datenökonomie als Innovations- und Wachstumstreiber
Die digitale Transformation ist ein Megatrend, der alle Akteure in Wirtschaft und Gesellschaft betrifft (vgl. z. B. Otto & Österle 2016, S. 1; Pentek et al. 2017, S. 73). Im Rahmen dieses Veränderungs- und Erneuerungsprozesses werden Unternehmen aller Branchen dazu aufgefordert, ihr Geschäftsmodell an die neuen digitalen Möglichkeiten anzupassen, um sich im rasant verändernden Wettbewerb gegen etablierte und neue Marktteilnehmer behaupten zu können (vgl. Spiekermann et al. 2018b, S. 314). Durch den technologischen Fortschritt wird die Grundlage geschaffen, um große Datenmengen („Big Data“) zu sammeln, auszuwerten und in datengetriebenen Geschäftsaktivitäten gewinnbringend zu nutzen (vgl. Schüritz et al. 2018; S. 2348). Infolgedessen werden zunehmend alte „asset-orientierte“ Geschäftsmodelle von neuen datengetriebenen und auf Vernetzung ausgerichteten Konzepten abgelöst (vgl. Lichtblau et al. 2018, S. 5f.).
Dabei steht die Digitalisierung der Wirtschaft erst am Anfang. So entfallen derzeit erst etwa 15 Prozent der Wertschöpfung auf digitale Produkte oder entsprechende digitale Komponenten (vgl. Lichtblau et al. 2018, S. 47). Insbesondere in der Europäischen Union nutzen wenige Unternehmen die Chancen der Digitalisierung. So zeigte im Jahr 2015 nur jedes fünfte europäische Unternehmen eine hohe oder sehr hohe digitale Reife, während lediglich 6 % der IKT-Unternehmen und digitalen Dienstleister strategisch und in großem Stil Daten nutzen (vgl. Europäische Kommission 2016, S. 27f.). Der Strukturwandel schreitet jedoch in rasantem Tempo voran (vgl. Lichtblau et al. 2018, S. 12). Die digitale Transformation von Unternehmen wird dabei durch unterschiedliche multidimensionale Faktoren aus den Bereichen der Gesellschaft, Wirtschaft und Technologie vorangetrieben und beeinflusst15 (vgl. Abbildung 2-5). In Abschnitt 2.3.1 werden digitale Plattformen als wichtiger Treiber der Datenökonomie im Themenkomplex der Datenmarktplätze ausführlich beleuchtet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2-5: Einflussfaktoren der Datenökonomie (eigene Darstellung, Einflussfaktoren i. A. an Bärenfänger et al. 2015, S. 8)
Im Zuge der Digitalisierung sind Daten zu einer essentiellen Ressource für Wirtschaftswachstum, Schaffung von Arbeitsplätzen und sozialen Fortschritt geworden, auf deren Basis eine neue datengetriebene Innovationskultur entsteht (vgl. Europäische Kommission 2017b, S. 2f.). Dieser globale Trend birgt ein enormes Potenzial in verschiedenen Lebens- und Geschäftsbereichen.16 Unternehmen, die es verstehen die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung auszuschöpfen, nutzen Daten zur Schaffung einzigartiger Kundenangebote und gehören zu den erfolgreichsten Unternehmen weltweit (vgl. Korte et al. 2019, S. 8). Dies spiegelt sich auf der Liste der wertvollsten Unternehmen der Welt wider, die von Technologiekonzernen wie Alphabet (Google), Amazon und Microsoft angeführt wird (vgl. Sommer 2018). Zudem belegen aktuelle Studien, dass Unternehmen durch datengetriebene Geschäftsaktivitäten eine höhere Wertschöpfung erzielen und profitabler wirtschaften (vgl. Brynjolfsson et al. 2011, S. 1; Europäische Kommission 2017b, S. 3)
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen ist der Wert der sog. Datenökonomie im Verlauf der letzten Jahre rapide gewachsen (vgl. IDC 2015). Der Wert entspricht dabei den Gesamtauswirkungen des Datenmarktes 17 auf die Gesamtwirtschaft. Hierbei zeigten Schätzungen der Europäischen Kommission, dass die Datenökonomie innerhalb der EU bis 2020 auf einen Wert i. H. v. 739 Milliarden Euro ansteigt, gegenüber 285 Milliarden Euro im Jahr 2015 (vgl. Hawksworth et al. 2017; Europäische Kommission 2017a, S. 2). Es ist folglich anzunehmen, dass der Bedeutungsanstieg der Datenökonomie auch in den kommenden Jahren anhalten, und sogar verstärken wird (vgl. Europäische Kommission 2017b, S. 3f.). Damit es Unternehmen jedoch gelingen kann, ihre Geschäftsstrategie an den Erfordernissen der datengetriebenen Wirtschaft auszurichten, ist zunächst eine Klärung der wesentlichen Charakteristika der Datenökonomie erforderlich.
Obwohl das Thema „Datenökonomie“ in Praxis und Literatur zunehmend an Bedeutung gewinnt, gibt es bisher keine eindeutige Auffassung darüber, was eine Datenökonomie definiert und durch welche Merkmale sie charakterisiert ist.18 Mit dem Ziel die zentralen Aspekte der Datenökonomie herzuleiten und damit ein einheitliches Begriffsverständnis aufzubauen, gibt die Tabelle 2-3 eine Übersicht ausgewählter Definitionen wieder.
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Tabelle 2-3: Übersicht ausgewählter Datenökonomie-Definitionen
Im Rahmen dieser Arbeit wird für den Datenökonomie-Begriff eine Kombination der o.a. Definitionen herangezogen, welche die Kernaspekte der Datenökonomie, nämlich die datengetriebene Wertschöpfung und Monetarisierung von Datengütern als eigenständiges Geschäftsmodell, mitberücksichtigt:
Die Datenökonomie verfolgt den Grundsatz, Daten als Vermögenswerte zu betrachten, die innerhalb eigenständiger Geschäftsmodelle monetarisiert werden. Dabei umfasst die Datenökonomie alle Stufen der datengetriebenen Wertschöpfung innerhalb eines Datenökosystems, durch die sich einerseits die Ertragsmechanik im Sinne der Geschäftsprozessoptimierung verbessert und andererseits das Wertangebot von Unternehmen durch das Angebot datengetriebener Produkte und Dienstleistungen erweitert werden.
Abgeleitet aus dieser Begriffsdefinition können die wesentlichen Charakteristika der Datenökonomie herausgestellt werden, die den Kern der datengetriebenen Geschäftsaktivitäten bilden und aus diesen sich Implikationen für die Handlungsfelder von Unternehmen im digitalen Zeitalter ergeben. Demzufolge bildet die Entstehung von datengetriebenen Geschäftsmodellen ein Kernelement der Datenökonomie. Dies bezieht alle Aktivitäten der betrieblichen Wertschöpfung mit ein, durch die Daten im Sinne der Wissensgewinnung oder Monetarisierung einen Nutzen stiften. Im Rahmen dieser Arbeit wird vor allem der zweite Aspekt, also die Monetarisierung von Daten in das Zentrum der Untersuchung gerückt. Das Ziel von Unternehmen sollte daher sein, Daten als Produkt mittels Datenaustausch und -handel zwischen Akteuren eines unternehmensübergreifenden Datenökosystems am Markt zu monetarisieren, um somit das Wertangebot von Unternehmen zu erweitern.
Die nachstehen Unterkapitel widmen sich einer näheren Auseinandersetzung mit der datengetriebenen Wertschöpfung, dem unternehmensübergreifenden Datenaustausch und -handel als eigenständiges Geschäftsmodell sowie Datenökosystemen. Hierbei werden insbesondere die Merkmale und Herausforderungen im jeweiligen Themengebiet aufgezeigt, da diese bei der Ableitung von Anforderungen an das Datenmarktplatz-Referenzmodell im Rahmen der Konzeptentwicklung zu berücksichtigen sind.19
2.2.1.1 Datengetriebene Wertschöpfung
Wie aus der obigen Begriffsdefinition hervorgeht, bildet der Wandlungsprozess von Daten zu Informationen einen elementaren Bestandteil der Datenökonomie ab (vgl. BDVW 2018, S. 6). Bevor jedoch der Fokus explizit auf die datengetriebene Wertschöpfung gelegt wird, muss zunächst die Frage beantwortet werden, was eine „klassische“ Wertschöpfungskette ist und wie sie sich vom Geschäftsmodell eines Unternehmens unterscheidet, da die Organisation der Wertschöpfung eng mit dem Geschäftsmodell eines Unternehmens verknüpft ist. Im Folgenden wird daher zunächst der Zusammenhang zwischen Geschäftsmodell und Wertschöpfungskette erläutert.
Nach Gassmann et al. (2013, S. 6) ist die betriebliche Wertschöpfungskette neben Wertangebot (bzw. Nutzenversprechen) und Ertragsmechanik als charakterisierendes Element eines Geschäftsmodells zu verstehen (vgl. Abbildung 2-6).20 Während das Wertangebot angibt, welche Leistungen des Unternehmens (Produkte und Dienstleistungen) den Kunden angeboten werden, beschreibt die Wertschöpfungskette, welche verschiedenen Aktivitäten zusammen mit den dafür aufgewendeten Ressourcen und Fähigkeiten durchgeführt werden müssen, um dieses Wertangebot zu erzielen. Als drittes Element beschreibt die Ertragsmechanik, wie mit diesem Geschäft ein Umsatz generiert wird. Dies beinhaltet Aspekte wie Kostenstruktur und Umsatzmechanismen. (vgl. Gassmann et al. 2013, S. 6)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2-6: Komponenten eines Geschäftsmodells (vgl. Gassmann et al. 2013, S. 6)
Die Organisation der Wertschöpfungskette ist folglich ausschlaggebend, um das Wertangebot zu realisieren und das Geschäftsmodell wirtschaftlich profitabel zu gestalten. Die Datenökonomie umfasst dabei den Teil der betrieblichen Wertschöpfung durch die Daten entlang ihres Lebenszyklus (s. Abschnitt 2.1.2.4) verarbeitet werden und dadurch eine höhere Nutzenstiftung, sowohl im Sinne eines verbesserten Ertragsmechanismus als auch eines erweiterten Wertangebots, für das Unternehmen erlangen (vgl. Korte et al. 2019, S. 11). Dieser Prozess schließt die Stufen von der Datengenerierung und erfassung, über die anschließende Vorverarbeitung und Kuration der Daten und Datenanalyse, bis hin zur Nutzung der gebündelten Daten zur Wissensgewinnung mit ein (vgl. BDVW 2018, S. 11f.; Europäische Kommission 2017b, S. 6; Korte et al. 2019, S. 11).
Im Rahmen der datengetriebenen Wertschöpfung ist weiterhin zu unterscheiden, inwiefern sich hierdurch das Wertangebot des Unternehmens verändert, bzw. ob Erlöse intern oder extern erwirtschaftet werden. Durch die Ausführung von Datenanalysen können bspw. neue Erkenntnisse gewonnen werden, welche die Geschäftsprozesse verbessern. Dies verändert zwar die Kostenstruktur, das Wertangebot bleibt jedoch konstant. Die gewonnen Daten erzielen dadurch interne Erlöse, indem sie einen strategischen oder taktischen Informationsvorteil gegenüber den Wettbewerbern bieten (Optimierung des Ertragsmechanismus). Demgegenüber stellt die Erweiterung des Wertangebots, bspw. durch das Angebot neuer Datenprodukte und Dienste, ein externes Erlösmodell dar, durch welches die Daten entweder gegen eine Gebühr veräußert oder auf Basis eines Dienstes kostenpflichtig bereitgestellt werden können (Datenmonetarisierung). (vgl. BDVW 2018, S. 5; Korte et al. 2019, S. 11)
Mit der veränderten Bedeutung von Daten im Zuge der Digitalisierung haben sich auch die Anforderungen an die datengetriebene Wertschöpfung gewandelt (vgl. Schüritz et al. 2017, S. 5348). In der Vergangenheit wurden Daten üblicherweise nach ihrer Beschaffung erfasst, aufbereitet und anschließend, z. B. in einem Data-Warehouse, strukturiert gespeichert (ebd.). Doch dieser Verlauf gestaltet sich speziell durch das Paradigma der Big Data als problematisch, da die Komplexität und Zeitintensität der Datenbeschaffung und -analyse aufgrund des gestiegenen Datenvolumens, der Datenvielfalt sowie einer erhöhten Datenverarbeitungsgeschwindigkeit enorm gestiegen sind. Aus diesem Grund werden Daten heutzutage häufig mithilfe moderner Big-Data-Technologien, z. B. Data Lakes, unverarbeitet abgespeichert, um diese erst in einem konkreten Bedarfsfall aufzubereiten (vgl. Korte et al. 2019, S. 11).
Die datengetriebene Wertschöpfung wird durch die Entstehung von neuen Datenökosystemen und Datenmarktplätzen maßgeblich verändert. Insbesondere die Stufen der Datenbeschaffung, Datenaufbereitung und -analyse werden stark beeinflusst, da aus dem bislang eher „linearen“ Wertschöpfungsprozess ein unternehmensübergreifendes Wertschöpfungsnetzwerk entsteht, in dem durch Datenaustausch und -handel die Aktivitäten der datengetriebenen Wertschöpfung auf unterschiedliche Akteure verteilt werden (vgl. Attard et al. 2016, S. 453). Der Wandlungsprozess von Wertschöpfungsketten zu -netzwerken wird in Abschnitt 2.2.3.2 bei der Beschreibung von Datenökosystemen detaillierter betrachtet. Zuvor werden im folgenden Abschnitt die Bedeutung und Herausforderungen des Datenaustausches und -handels in der Datenökonomie aufgezeigt (vgl. FF3).
2.2.1.2 Datenaustauch und Datenhandel in der Datenökonomie
Für die Umsetzung von datengetriebenen Geschäftsmodellen stellt der Zugang zu Daten als Ressource für neue Produkte und Dienstleistungen eine elementare Voraussetzung dar (vgl. Richter & Slowinski 2019, S. 5). Dieser Zugang wird über einen Datenaustausch realisiert, welcher sämtliche Datenströme umfasst, die sowohl innerhalb eines Unternehmens, zwischen Unternehmen und Kunden (B2C) als auch zwischen verschiedenen Unternehmen (B2B) ablaufen (ebd., S. 8f.). Dabei wird das Thema Datenaustausch nicht erst seit dem Trend der Digitalisierung diskutiert, sondern ist bereits seit den Anfängen der elektronischen Datenverarbeitung in den 1980er Jahren ein fester Bestandteil der betrieblichen Praxis (vgl. Fedkenhauer et al. 2017, S. 17).
Laut einer Studie des Beratungshauses PWC wird Datenaustausch von dreiviertel aller deutschen Unternehmen regelmäßig praktiziert, wobei aktuell besonders effizienzsteigernde Maßnahmen sowie die bessere Erfüllung von Kundenanforderungen im Vordergrund stehen (ebd., S. 21). Während sich der Datenaustausch gegenwärtig hauptsächlich innerhalb des Unternehmens oder entlang der Lieferantenkette abspielt, zeigen die an der Datenwirtschaft beteiligten Unternehmen ein zunehmendes Interesse daran, auf Daten anderer Marktteilnehmer zuzugreifen, um den Wert ihrer Daten durch die erhöhte verfügbare Datenmenge und -qualität zu steigern (vgl. Richter & Slowinski 2019, S. 5). Die Form des Datenaustausches, welche den Transfer von Datenbeständen mit einem unbekannten Teilnehmerkreis anstrebt und damit völlig neuartige Geschäftsmodelle ermöglicht (d. h. weniger als nur die Optimierung von Geschäftsprozessen entlang einer Lieferkette zum Ziel hat), wird im Folgenden als „ Datenhandel “ (engl.: data sharing) bezeichnet. Die rasante Entwicklung des Datenhandels wird durch Zahlen des Welthandels unterlegt, die besagen, dass sich Datenflüsse als potenzieller Ersatz für den Handel mit physischen Gütern entwickeln (vgl. Mandel 2013). Demnach stieg zwischen 2008 und 2012 der weltweite grenzüberschreitende Datenhandel um 49 %, während der Handel mit Waren und Dienstleistungen nur um 2,4 % zunahm (ebd.).
Nichtsdestotrotz scheinen Unternehmen immer noch zögerlich zu sein, ihre internen Daten weiterzugeben (vgl. Richter & Slowinski 2019, S. 5). Daraus ergibt sich die Schlüsselfrage, wie Datenaustausch und -handel im Kontext der Datenökonomie gefördert und die Qualität der Daten verbessert werden kann. Zur Beantwortung dieser Frage werden nachstehend die Herausforderungen des Datenhandels herausgestellt, die als Ansatz dienen, um Anforderungen an Datenhandelsplattformen abzuleiten, welche in der Rolle des Vermittlers die Bereitschaft zum Datenaustausch und -handel erhöhen.
Für den Datenhandel spielen technologische, gesetzliche und normative Einflussfaktoren eine bedeutende Rolle als potentielle Treiber oder Hemmnisse (vgl. Benders et al. 2018, S. 10). Ein zentrales Hindernis stellt der Mangel an Vertrauen und Sicherheit in den Datenhandel dar, infolgedessen Dateneigentümer den Verlust über die Kontrolle ihrer Daten befürchten, wenn diese von Dritten weiterverwendet werden (vgl. Fedkenhauer et al. 2017, S. 23; Miller 2012). Darüber hinaus ist es den Unternehmen häufig nicht bekannt, dass ihre Daten für andere Akteure von Nutzen sein könnten, ohne ihre eigenen Geschäftsinteressen zu beeinträchtigen. Daher besteht die Herausforderung darin, Plattformen zu implementieren, die den Zugang zu Daten erleichtern, die normalerweise nicht zur Verfügung gestellt werden (vgl. Richter & Slowinski 2019, S. 7).
Des Weiteren ist auf aktiven Märkten derzeit eine geringere Zahlungsbereitschaft für Datengüter zu beobachten. So erkennen Datenkäufer häufig nicht den potenziellen Nutzen eines Datengutes, da dieser vor dem Kauf nicht vollständig offengelegt werden kann (vgl. Arrow 1962; Stahl et al. 2015b, S. 24). Daneben fehlt oft ein Verständnis dafür, dass mit der Erzeugung, Verarbeitung, Sicherung und Verteilung von qualitativ hochwertigen Daten ein großer Kostenfaktor für den Datenanbieter entsteht (vgl. Miller 2012).
Als weitere Einschränkung für den Datenhandel ist das Fehlen von gesetzlichen Rahmenbedingungen festzumachen, welche die Marktakteure in Bezug auf den Umgang mit Datengütern beachten müssen. So sind Daten nach heutigem Stand nicht durch Rechte des geistigen Eigentums geschützt (vgl. Richter & Slowinski 2019, S. 6). Zudem fehlen klare Haftungsregeln, die bei Verstößen der Nutzungsbedingungen geltend gemacht werden könnten. Um dieses Problem wirksam zu lösen, sind aus rechtlicher Sicht bis zum Jahr 2025 Veränderungen des geltenden Rechts zu erwarten, um sowohl den Begriff des Dateneigentums als auch Verwertungsansprüche genauer zu spezifizieren (vgl. Benders et al. 2018, S. 10).
Für die technische Realisierung der Datenübertragung sind bereits eine Vielzahl von etablierten Lösungen vorhanden, die oft standardisiert aber auch in Kombination mit proprietären Ansätzen zum Einsatz kommen. Während proprietäre Ansätze oft eine hohe Agilität und Dynamik ermöglichen, aber diskriminierend bezüglich des Datenzugangs wirken, ermöglicht besonders die Standardisierung im Sinne der Vereinheitlichung der Datenaustauschmechanismen eine übergreifende Zugänglichkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Die Sicherung der Interoperabilität ist daher als zentrale technische Voraussetzung für Datenhandel und die Realisierung von Datenaustauschplattformen zu betrachten. Zusammenfassend können die Steigerung der Interoperabilität einzelner Akteure, die Definition von Zugangsmöglichkeiten sowie die Durchgängigkeit heterogener Datenketten als wesentliche technologische Herausforderungen des Datenhandels identifiziert werden. (vgl. Benders et al. 2018, S. 24f.)
Die aktuellen Marktentwicklungen zeigen, dass Datenaustausch und -handel in der Datenökonomie an Bedeutung gewinnt. Die beschriebenen Herausforderungen werden durch die Etablierung von Datenaustauschplattformen adressiert, die als Intermediäre zwischen den Marktteilnehmern vermitteln. Solche Plattformen rücken in das Zentrum der Datenökonomie vor, indem sie eine neutrale, skalierbare und systematische Struktur für den Handel von Datengütern unterschiedlicher Art bilden. Dabei werden die Aktivitäten der datengetriebenen Wertschöpfung und der Datenaustausch zwischen einer Vielzahl von Akteuren innerhalb eines Datenökosystems durchgeführt. Zur ganzheitlichen Ableitung von Anforderungen an Datenaustauschplattformen werden daher nun Datenökosysteme als weiterer Bestandteil der Datenökonomie betrachtet. Dazu vermittelt das folgende Kapitel zunächst einen Überblick über die allgemeine Bedeutung des Ökosystembegriffs, wobei dessen Eigenschaften und die Rolle des Keystone Akteurs in den Vordergrund rücken.
2.2.2 Bedeutung des Ökosystembegriffs
Zur Heranführung an das Forschungsgebiet des Datenökosystems wird in diesem Abschnitt der Ökosystembegriff als theoretischer Bezugsrahmen vorgestellt. Hierzu erfolgt im ersten Unterkapitel eine Darstellung der Begriffsherkunft sowie eine Abgrenzung zu verwandten Terminologien. Daran anschließend werden die Eigenschaften von Ökosystemen dargestellt. Zum Abschluss findet die Erläuterung des Konzepts des Keystone Akteurs eines Ökosystems statt, das in der weiteren Betrachtung als Analogie zur Rolle von Datenmarktplätzen im Kontext des Datenökosystems verstanden wird.
2.2.2.1 Begriffsabgrenzung
Der Forschungsbereich der Datenökosysteme findet seinen Ursprung im Konzept des biologischen Ökosystems, das im Kern die Wechselwirkungen zwischen Organismen unterschiedlicher Arten und ihrer Umwelt als integriertes System umfasst (vgl. Chapin et al. 2011, S. 3). Ein biologisches Ökosystem besteht somit aus einer Lebensgemeinschaft von Organismen (Biozönose) und ihrem unbelebten Lebensraum (Biotop) (ebd.). Unter dem Begriff des Ökosystems sind in den vergangenen Jahren neue Forschungsbereiche entstanden, in denen die spezifischen Eigenschaften eines biologischen Ökosystems auf den jeweiligen Betrachtungskontext übertragen wurden. So basiert die Idee des Datenökosystems neben den biologischen Ökosystemen auf drei weiteren Arten von Ökosystemen: dem Geschäfts-, Software- sowie dem digitalen Ökosystem (vgl. Oliviera & Loscio 2018, S. 2).
Ein Geschäftsökosystem wird von Moore (1993) als eine „von Organisationen und Einzelpersonen gestiftete Wirtschaftsgemeinschaft“ definiert, die „Kunden, Produzenten, Wettbewerber und andere Interessensgruppen“ umfasst. Nach Iansiti & Levien (2004, S. 5) ist ein Geschäftsökosystem durch mehrere miteinander vernetzte Teilnehmer gekennzeichnet, die in gegenseitiger Abhängigkeit stehen, um ihr eigenes Überleben sowie ihre Leistungsfähigkeit zu sichern. Als natürliche Weiterentwicklung dieses Konzepts wird in aktuellen wissenschaftlichen Abhandlungen das digitale Ökosystem betrachtet, welches seinen Fokus auf die technologische Perspektive der Geschäftskooperation richtet (vgl. Nachira et al. 2007). Ein verwandtes Forschungsfeld untersucht die Eigenschaften von Software-Ökosystemen, welche eine vernetzte Gemeinschaft von Akteuren darstellen, die ihre Beziehungen zueinander auf ein gemeinsames Interesse an der Entwicklung und Nutzung einer zentralen Softwaretechnologie stützen (vgl. Jansen et al. 2013, S. 8). Somit sind Software-Ökosysteme letztendlich eine abgewandelte Form der Geschäftsökosysteme, mit dem Unterschied, dass hier eine softwarezentrierte Perspektive eingenommen wird (vgl. Jansen 2011, S. 2).
Zusammenfassend wird die Analogie des Ökosystembegriffs dazu verwendet, um unterschiedliche und vielfältige Wechselbeziehungen zwischen mehreren Akteuren zu beschreiben, die durch gemeinsame Aktivitäten zum Aufbau oder Manipulation einer Ressource (z. B. Geschäftsobjekt, Dienstleistung oder Software) beitragen (vgl. Oliviera & Loscio 2018, S. 2). Vor diesem Hintergrund kann ein Datenökosystem als ein Netzwerk von miteinander interagierenden Akteuren definiert werden, in dem Aktivitäten zur Entstehung und Manipulation der Ressource Daten durchgeführt werden, um einen Mehrwert für jeden Beteiligten zu generieren.
2.2.2.2 Eigenschaften von Ökosystemen
Der Ökosystembegriff wird durch verschiedene Eigenschaften gekennzeichnet, die auf dem Ansatz der Systemtheorie beruhen. Danach werden Ökosysteme als offene, dynamische und komplexe Systeme klassifiziert. Die Offenheit gibt zum Ausdruck, dass zur Erhaltung des Systemzustands ein Energiefluss sowohl zwischen dem System und seiner Umwelt als auch innerhalb des Systems benötigt wird. Dabei verharren Ökosysteme nicht in einem festen Zustand, sondern weisen verschiedene zeitliche und räumliche Skalen dynamischer Entwicklungen auf. Die hohe Komplexität ergibt sich durch die Vielzahl an Wechselwirkungen zwischen den Akteuren innerhalb des Ökosystems. (vgl. Currie 2010)
Unter Berücksichtigung dieses systemtheoretischen Ansatzes können einem Ökosystem drei wesentliche Eigenschaften zugewiesen werden: Netzwerkcharakter, Plattformen und Co-Evolution (vgl. Jansen et al. 2013). Das erste Merkmal besagt, dass ein Ökosystem ein lose gekoppeltes Netzwerk von Akteuren ist, in dem alle Teilnehmer bestrebt sind, einen Wertbeitrag für das gesamte System zu leisten (ebd.). Die Aktivitäten zwischen den Akteuren sind dabei durch die komplexen und dynamischen Wechselwirkungen geprägt, die über die traditionelle lineare Wertschöpfungskette hinausgehen (vgl. Oliviera & Loscio 2018, S. 2). Das zweite Merkmal umfasst „Plattformen“ (z. B. Dienste, Tools oder Technologien), welche die Akteure des Ökosystems nutzen können, um zur Wertschöpfung im Ökosystem beizutragen (vgl. Jansen et al. 2013). Als bekannte Beispiele für solche Plattformen in einem digitalen Ökosystem sind die mobilen Betriebssysteme iOS und Android zu nennen (vgl. Jansen 2011, S. 2). Schließlich ermöglicht das Ökosystem die „Entwicklung“ der Akteure, indem durch die Zusammenarbeit und Verbindung zwischen Akteuren aus verschiedenen Fach- und Wissensbereichen eine Bündelung von Fähigkeiten und Ressourcen entsteht (ebd.).
Die unterschiedlichen Beziehungen der Akteure zur Ressource, welche im Mittelpunkt des Ökosystems steht, sind laut Hanssen & Dyba (2012) der Grund für die Herausbildung von Rollen in Ökosystemen. Eine Rolle ist eine Funktion, die von einem Akteur im Rahmen des Ökosystems ausgeübt wird (vgl. Oliviera & Loscio 2018, S. 5). In der Ökologie werden bspw. Produzenten, Konsumenten und Destruenten als Rollen im Stoffkreislauf identifiziert. Eine besondere Eigenschaft von Ökosystemen ist dabei das Vorhandensein einer zentralen Rolle, die für das Überleben und den Erfolg des Systems maßgeblich verantwortlich ist (vgl. Hanssen & Dyba 2012, S. 11). Diese Schlüsselrolle wird im Rahmen dieser Arbeit als „ Keystone Akteur “21 bezeichnet und im folgenden Kapitel tiefergehend erläutert.
2.2.2.3 Rolle des Keystone Akteurs im Ökosystem
Moderne Geschäftsnetzwerke und biologische Ökosysteme zeichnen sich u. a. durch das Vorhandensein wichtiger Knotenpunkte aus, welche die Schlüsselfunktion zur Regulierung der Gesundheit von Ökosystemen übernehmen (vgl. Iansiti & Levien 2004, S. 5). So wird in der Ökologie diejenige Art als „Schlüsselart“ (engl.: Keystone Species) bezeichnet, die in Relation zu ihrer geringen Häufigkeit einen unverhältnismäßig hohen Einfluss auf die Biodiversität einer Lebensgemeinschaft ausübt (vgl. Paine 1995, S. 1f.). Ein Beispiel hierfür ist der Seeotter, der dazu beiträgt, das Küstenökosystem des Nordpazifik zu regulieren, indem er eine große Anzahl von Seeigeln verspeist (vgl. Iansiti & Levien 2004, S. 5). Fällt diese Schlüsselart aus, führt dies zu einem drastischen Absinken von einer Vielzahl an Küstenfischen und anderen Organismen, da in der Folge die Seeigel ungehindert den Seetang überweiden würden, welcher wiederum die grundlegende Komponente im Nahrungsnetz des Ökosystems darstellt (ebd.). Obwohl Seeotter nur einen kleinen Anteil der Biozönose ausmachen, ist der Einfluss auf die Gesundheit des gesamten Ökosystems enorm.
Das Konzept des Keystone Akteurs lässt sich auf andere Arten von Ökosystemen übertragen (vgl. Iansiti & Levien 2004; Jansen 2011; Jansen et al. 2013). In Geschäftsökosystem spielen sie eine entscheidende Rolle, um den allgemeinen Zustand aller Marktakteure zu verbessern, indem sie einen stabilen und kalkulierbaren Bestand von gemeinsamen Vermögenswerten bereitstellen (vgl. Iansiti & Levien 2004, S. 6). Als prominente Beispiele sind das Handels- und Logistiknetzwerk von Amazon oder Microsofts Windows-Betriebssystem zu nennen, welche andere Unternehmen verwenden, um ihr eigenes Geschäftsmodell aufzubauen und zu betreiben (ebd.). Analog stellt im Softwareökosystem die Open Source Entwicklungsumgebung Eclipse mit dem Eclipse- Marketplace eine solche Keystone Funktion zur Verfügung (vgl. Jansen 2011, S. 2).
Laut Iansiti & Levien (2004, S. 7) ist die effektive Geschäftsstrategie eines Keystone Akteurs zweigeteilt. Ziel ist es einerseits, selbständig einen Mehrwert innerhalb des Ökosystems zu generieren, um eine kritische Maße von Mitgliedern an das Netzwerk zu binden. Dieser Mehrwert kann von Keystone Akteuren verschiedenartig erzeugt werden, wobei häufig die Erschaffung von Plattformen, wie Diensten, Werkzeugen oder Technologien, im Vordergrund steht, die essentielle Lösungen für die anderen Teilnehmer des Ökosystems bereitstellen (vgl. Iansiti & Levien 2004, S. 7). Auf diese Weise sind Keystone Akteure in der Lage die Produktivität von Ökosystemen zu steigern, da sie die komplexe Aufgabe der Vernetzung zwischen Akteuren vereinfachen oder die Entwicklung neuer Produkte durch Dritte effizienter gestalten (ebd.). Die Hauptaufgabe des Keystone Akteurs ist es demnach Rahmenbedingungen bzw. Infrastrukturen zu schaffen, auf denen sie Regeln und Richtlinien festlegen können, um die Beziehungen zwischen den Akteuren zu steuern (vgl. Oliviera & Loscio 2018, S. 6). Dies unterstützt die Mitglieder des Ökosystems dabei, ihr Geschäftsmodell aufbauen und ihren Wertbeitrag zum Ökosystem leisten können.
Der zweite Teil einer erfolgreichen Keystone-Strategie umfasst die kontinuierliche Verteilung des generierten Mehrwerts zwischen den Mitgliedern. Ziel ist es, ein finanzielles Gleichgewicht herzustellen, bei dem alle Akteure nachhaltig und in ausreichendem Maße vom Ökosystem profitieren. Die Keystone Akteure sollten dabei sicherstellen, dass das Verhältnis zwischen dem Wert ihrer Plattformen und deren Kosten für Erstellung, Pflege und gemeinsame Nutzung mit der Anzahl der Mitglieder des Ökosystems überproportional steigt, um den Wertüberschuss auf alle Mitglieder zu verteilen. Die Strategie der Wertverteilung zielt damit primär auf den langfristigen Erfolg ab, da sie die Voraussetzung für die Entwicklung des Ökosystems schafft. So weisen Keystone Akteure, die das Ökosystem durch hohe Wertschöpfung übermäßig dominieren, zwar kurzfristig hohe Gewinne auf, können sich durch den Mangel an Innovation und Flexibilität ihrer „unterdrückten“ Mitglieder nur unzureichend gegen neue Wettbewerber behaupten. Ein Negativbespiel ist der Konzern IBM, welcher trotz einer jahrelangen Dominanz in der Computer-Branche scheiterte, als neue Konkurrenten wie Microsoft und Apple in den Markt eintraten. (vgl. Iansiti & Levien 2004, S. 7f.)
Im Rahmen dieser Arbeit wird das Konzept des Keystone Akteurs auf die Entstehung neuer Datenökosysteme im Kontext der Datenökonomie untersucht. Hierbei rücken Datenmarktplatzbetreiber, respektive Datenmarktplätze, aufgrund ihres großen Einflusses auf die datengetriebene Wertschöpfung in den Fokus der Betrachtung. Die Berücksichtigung von Datenmarktplätzen in der Rolle des Keystone Akteurs im Datenökosystem findet daher im Konzeptteil dieser Arbeit Anwendung.
Nachdem nun der Ökosystembegriff als theoretischer Bezugsrahmen ausführlich dargestellt wurde, wendet sich das folgende Kapitel der expliziten Betrachtung von Datenökosystemen zu. Im Rahmen der theoretischen Grundlagen werden die Eigenschaften und Komponenten eines Datenökosystems vorgestellt sowie ein Kriterien- Rahmenwerk präsentiert, das als Vorlage für die Etablierung eines nachhaltig erfolgreichen Datenökosystems dient.
2.2.3 Vernetzung von Datenökosystemen in der Datenökonomie
Mit dem kontinuierlichen Anstieg von Sensoren, IT-Applikationen und Anwendungen in der Digitalisierung steigt die Menge der produzierten Daten sowie der Anteil der datengetriebenen Wertschöpfung in Organisationen exponentiell an (vgl. Fricker & Maksimov 2017, S. 1). In der Folge entstehen neue Geschäftsnetzwerke, die durch die Betrachtung von Daten als Vermögenswert sowie die Vielfalt an Wechselbeziehungen zwischen den Netzwerkakteuren geprägt sind (vgl. Oliviera & Loscio 2018, S. 2). Durch das Verständnis über die Eigenheiten dieser Netzwerke erlangen Organisationen die Fähigkeit, die Vorteile der Datenökonomie effektiver zu nutzen, da sie Datengüter besser verwalten und ihre Geschäftsmodelle dementsprechend anpassen können (ebd.).
Vor diesem Hintergrund haben Wissenschaftler die Perspektive des Ökosystemkonzepts auf den Kontext der Datenökonomie übertragen (vgl. Heimstädt et al. 2014). Durch diese Sichtweise wird ein besseres Gesamtbild über die vielfältigen Wechselwirkungen eines datengetriebenen Geschäftsnetzwerks ermöglicht und eine Komplexitätsreduktion erzielt (ebd.). In diesem Sinne kann der Ökosystemansatz nach Harrison et al. (2012, S. 905) verwendet werden, um einen bestehenden Zustand zu skizzieren und daraus einen gewünschten Zustand zu entwickeln. Außerdem lassen sich Datenökosysteme „als Mittel zur Entscheidungsfindung und Planung (Zuiderwijk et al. 2014, S. 18)“, zur Lokalisierung der „relativen Positionen der Akteure im Ökosystem (Van Schalkwyk et al. 2016, S. 72)“ sowie zur „Erleichterung des Zugangs zum Teilen und Verwenden von Daten (Donker & van Loenen 2017, S. 286)“ nutzen.
In der wissenschaftlichen Literatur gibt es bisher keine allgemein akzeptierte Definition für Datenökosysteme, was ein Problem für die Herausarbeitung der elementaren Charakteristika darstellt (vgl. Oliviera & Loscio 2018, S. 2).22 Im Rahmen dieser Arbeit wird die Begriffsdefinition der Autoren Oliviera & Loscio (2018, S. 4) herangezogen, welche die Kernaussagen zu Datenökosystemen aus unterschiedlichen Studien zusammenführt. Die Definition stimmt mit dem Begriffsverständnis aus Abschnitt 2.2.2.1 überein und berücksichtigt zusätzlich die Komponenten (s. Abschnitt 2.2.3.1) und Eigenschaften (s. Abschnitt 2.2.2.2) eines Datenökosystems:
Ein Datenökosystem beschreibt ein Netzwerk, das aus autonom agierenden Akteuren besteht, welche direkt oder indirekt Daten und andere damit zusammenhängende Ressourcen (z. B. Software, Dienste und Infrastruktur) verbrauchen, produzieren oder bereitstellen. Jeder Akteur erfüllt eine oder mehrere Rollen und ist durch Beziehungen mit anderen Akteuren verbunden, sodass die Zusammenarbeit und der Wettbewerb der Akteure die Selbstregulierung des Datenökosystems fördern. (vgl. Oliviera & Loscio 2018, S. 4)
Gemäß der o. a. Definition besteht ein Datenökosystem aus einem Netzwerk von Organisationen, Unternehmen und Individuen, die Daten als eigenständiges Produkt handeln. Daraus ergeben sich neue Geschäftsmodelle und zukunftsweisende Möglichkeiten der Zusammenarbeit und Datennutzung mit dem Ziel, die Wertschöpfung von Datengütern zu maximieren (vgl. Korte et al. 2019, S. 12). Ein Datenökosystem wird durch vier Kernkomponenten: Akteure, Rollen, deren Beziehungen sowie verwendete Ressourcen charakterisiert (vgl. Oliviera & Loscio 2018, S. 4). In Abbildung 2-7 werden diese Komponenten in einem Metamodell dargestellt und in Beziehung zueinander gesetzt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2-7: Datenökosystem – Kernkomponenten (vgl. Oliviera & Loscio 2018, S. 5)
Im folgenden Unterkapitel findet eine ausführliche Beschreibung der dargestellten Kernkomponenten statt. Daran anschließend werden die spezifischen Eigenschaften von Datenökosystemen vorgestellt.
2.2.3.1 Komponenten von Datenökosystemen
Die Kernkomponenten eines Datenökosystems lassen sich in die vier Entitäten Ressourcen, Akteure, Beziehungen und Rollen unterteilen. Bei einer Ressource handelt es sich um ein Produkt, Eigentum oder Fähigkeit, die von den Akteuren produziert, bereitgestellt, gepflegt oder konsumiert wird. In Datenökosystemen entsprechen Ressourcen Datensätzen, datenbasierter Software oder Infrastrukturen. Zu datengestützter Software gehören insbesondere wiederverwendbare Vermögenswerte (Komponenten und Dienstleistungen) oder Softwarebestände (Anwendungen), die zum Konsumieren, Produzieren oder Bereitstellen von Daten dienen. Der Austausch von Ressourcen findet einzeln oder in Kombination über die Beziehungen zwischen den Akteuren statt. Darüber hinaus unterliegen Ressourcen in der Regel festgelegten Standards oder sind durch Lizenzen eingeschränkt. Schließlich können alle Ressourcen hinsichtlich verschiedener Qualitätskennzahlen bewertet werden. (vgl. Oliviera & Loscio 2018, S. 4f.)
Ein Akteur ist eine autonom agierende Einheit wie ein Unternehmen, eine Institution oder eine Person, die eine oder mehrere spezifische Rollen in einem Datenökosystem einnimmt. Die an eine Rolle gebundenen Akteure müssen in der Lage sein, die Verpflichtungen, die ihnen durch die Rolle auferlegt werden, zu erfüllen. Jeder Akteur verfügt dabei über individuelle Erwartungshaltungen und wird dementsprechend durch unterschiedliche Interessen geleitet. Wenn sich ein Akteur an einem Ökosystem beteiligt, dann grundsätzlich nur, wenn ihm dieses einen Anreiz zur Aktivität im Ökosystem bietet. (vgl. Oliviera & Loscio 2018, S. 5f.)
Beziehungen stellen die Interaktionen zwischen den Akteuren des Datenökosystems dar. Sie basieren oft auf einem gemeinsamen Interesse oder hängen mit der Rolle zusammen, die jeder Akteur im Ökosystem spielt. Außerdem können sie je nach wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und technologischen Gegebenheiten variieren. Akteure tauschen Daten oder andere Arten von Ressourcen über Transaktionen aus. Letztlich können die Beziehungen auch nach den jeweiligen Geschäftsmodellen ausgerichtet sein. (vgl. Oliviera & Loscio 2018, S. 6)
Eine Rolle ist eine Funktion, die ein Akteur in einem Datenökosystem ausführt (ebd.). Funktionen sind mit einer Reihe von Aufgaben und Aktivitäten verbunden. Grundlegend sind hierbei folgende Rollen zu unterscheiden (vgl. DMA 2019; Europäische Kommission 2017b, S. 7; Korte et al. 2019, S. 10):
- Der Datenproduzent (bzw. Datengeber) verfügt über Ressourcen, wie Datengüter oder Infrastruktur, und macht diese für andere Akteure (monetär) nutzbar, indem er sie entweder durch bilaterale Abkommen mit Geschäftspartnern oder über Datenhandelsplattformen anbietet. Hierbei legt er die Preisgestaltung und Nutzungsbedingungen bzw. Dienstgütevereinbarungen fest.
- Der Datenkonsument (bzw. Datennutzer) bezieht seine Ressourcen von Datengebern und nutzt diese im Sinne seines Geschäftsmodells (z. B. für Produkt- und App-Entwicklung oder Beratung). Verändert der Datenkonsument die Ressourcen, können diese wiederum als neue Datenprodukte bzw. Dienstleistungen angeboten werden, wodurch der Datenkonsument gleichzeitig die Rolle des Datenproduzenten einnimmt.
- Um den Mehrwert eines Datenökosystems effektiv erweitern zu können, stellen Dienstleistungsanbieter Lösungen zur Veredelung, Analyse, Visualisierung und Zusammenführung von Datengütern bereit. Datendienste können dabei über einen Marktplatz oder über externe Plattformen angeboten werden.
- Der Data Broker vermittelt zwischen Angebot und Nachfrage von Ressourcen über Unternehmens- und Branchengrenzen hinweg, um die Vernetzung von Anbietern und Nutzern sicherzustellen.
- Der Endkunde profitiert schließlich vom Datenaustausch und -handel sowie dem Einsatz datengetriebener Analyseverfahren und Entscheidungsmodelle u. a. durch mögliche Preisreduktionen sowie neuartige, qualitativ verbesserte und individualisierte Produkte und Dienstleistungen auf dem Markt (z. B. verbesserte Wetter- oder Verkehrsinformationen).
Durch die Kooperation zwischen den Akteuren entwickeln sich netzwerkartige Beziehungen innerhalb eines Datenökosystems. Jedes Datengut durchläuft dabei einen iterativen Zyklus mit Feedbackschleifen und Datenrücktransfers (vgl. Pollock 2011). Die spezifischen Merkmale von Datengütern gegenüber anderen materiellen und immateriellen Gütern haben einen unmittelbaren Einfluss auf die Eigenschaften eines Datenökosystems. Diese werden im folgenden Abschnitt genauer betrachtet.
2.2.3.2 Eigenschaften von Datenökosystemen
Neben den in Abschnitt 2.2.2.2 beschriebenen generellen Merkmalen eines Ökosystems zeichnet sich ein Datenökosystem insbesondere durch zwei zentrale Eigenschaften aus: „ Netzwerkcharakter “ und „ Selbstorganisation “ (vgl. Oliviera & Loscio 2018, S. 6).
Die erste Eigenschaft besagt, dass in einem Datenökosystem die Wertschöpfung nicht in einem linearen Prozess, sondern vielmehr in einem losen gekoppelten Netzwerk von Akteuren geschaffen wird (vgl. Immonen et al. 2014). Vor diesem Hintergrund haben Attard et al. (2017, S. 454) das Konzept der klassischen Wertschöpfungskette nach Porter (1985) auf die spezifischen Charakteristika der datengetriebenen Wertschöpfung übertragen. Das dadurch entstandene „Wertschöpfungsnetzwerk“ wird synonym zum Datenökosystem verstanden und ist definiert als „eine Reihe von unabhängigen Aktivitäten mit dem Ziel, Werte aus Daten zu schaffen, um sie als Produkt nutzen zu können (Attard et al. 2017, S. 454).“ Eine Aktivität (z. B. Datenentdeckung oder Datenpflege) kann dabei von mehreren Akteuren durchgeführt werden und ist in weitere Aktionen (z. B. Analyse oder Visualisierung) unterteilt (ebd.). Jede Aktion kann wiederum Teil einer oder mehrerer Wertschöpfungsketten sein, da sie möglicherweise eine Reihe von Prozessaktivitäten benötigt, um ausgeführt zu werden (ebd.). Abbildung 2-8 zeigt ein Datenwertschöpfungsnetzwerk, bei dem alle dargestellten Aktivitäten zu einer datenzentrierten Domäne gehören. Dabei steht das Datenprodukt im Mittelpunkt des Datenwertschöpfungsnetzwerks, da Daten, unabhängig von ihrem Zustand, als Produkt betrachtet und konsumiert werden (ebd.).
[...]
1 Der Begriff Referenzmodell wird in dieser Arbeit als Oberbegriff verwendet, welcher die drei Verfeinerungsmodelle auf strategischer, prozessualer und funktionaler Ebene umfasst.
2 Industrie 4.0 beschreibt „die Entwicklung, in der die physische mit der virtuellen Welt verschmilzt („Cyber-physische Systeme“). Maschinen und Produkte werden internetfähig („Internet der Dinge“) und damit die Daten, die bislang nur in der Fabrik verfügbar waren, dem gesamten Unternehmen und seinen Geschäftspartnern zugänglich (Otto & Österle 2016, S. 198).“
3 Die Begriffe „Data Economy“, „Datenökonomie“ und „Datenwirtschaft“ werden im weiteren Verlauf dieser Arbeit synonym verwendet.
4 Der Datennutzungskontext bezieht sich auf „die datenverarbeitende Aktivität im Rahmen eines betrachteten Geschäftsprozesses, wie bspw. das Erheben, die Speicherung, die Veränderung, das Abfragen und die Verwendung der Daten in diesem Prozess (Zechmann 2018, S. 299).“ Die Strukturierung von Daten anhand des Nutzungskontexts wird in dieser Arbeit nicht näher behandelt.
5 Auf die weitere Unterteilung von Inhaltsdaten, wie Stammdaten, Transaktionsdaten und Bestandsdaten (vgl. Otto & Österle 2016, S. 28), wird im Rahmen dieser Arbeit verzichtet, da die Bedeutung dieser Begrifflichkeiten im Konzeptteil dieser Arbeit nicht näher aufgegriffen wird.
6 Metadaten können in Anlehnung an das Begriffsmodell (s. Abschnitt 2.1.2.1) als gesonderte Datenart aufgefasst werden, da sie durch die Kontextualisierung und Verknüpfung von Informationen ein explizites Wissen schaffen, das ein gemeinsames Verständnis über die Daten ermöglicht (vgl. DAMA 2017, S. 417).
7 In der Literatur hat sich eine universale und allgemein akzeptierte Definition von Datenqualität nicht durgesetzt (vgl. Klein & Rossin 1999, S. 570). Häufig werden dabei die Begriffe „Datenqualität“ und „Informationsqualität“ im gleichen Kontext verwendet.
8 Datennutzer (engl.: Data Consumer) sind interne oder externe Kunden der Daten, welche üblicherweise die Anforderungen an die Datenqualität definieren (vgl. Weber 2009, S. 35).
9 Ein umfassender Überblick zu den verschiedenen Ansätzen bezüglich Datenqualitätsdimensionen wird in DAMA (2017, S. 454-460) gegeben.
10 Das „Datenqualitätsmanagement“ verfolgt das Ziel, zu einer Verbesserung und dauerhaften Sicherung der Datenqualität im Unternehmen beizutragen (Otto & Österle 2016, S. 32). Hierbei stellt DQM eine Teilfunktion des Datenmanagements dar, welche sämtliche Aktivitäten, Verfahren und Systeme umfasst, die unter Nutzung von Methoden des Qualitätsmanagements die Eignung der Daten zur Nutzung messen, verbessern und sichern, um die von der Geschäftsstrategie geforderte Datenqualität zu erreichen (vgl. DAMA 2017).
11 Die „Data Governance“ beschreibt „ein unternehmensweites Rahmenwerk, das festlegt, welche Entscheidungen im Umgang mit Daten zu treffen sind und wer sie trifft. Darunter fällt die Definition von Rollen, Verantwortlichkeiten/ Pflichten und Rechten im Umgang mit der Ressource Daten im Unternehmen (vgl. Otto & Österle 2016, S. 195).“
12 In der Literatur definieren Autoren unterschiedliche Ansätze zur Strukturierung und Abgrenzung der Lebenszyklusphasen. So stellen die Autoren Khatri & Brown (2010, S. 149) die Definition von Daten als vorgelagerte Phase zur Datenbeschaffung im Lebenszyklus dar. Analog setzt bei Dama (2017, S. 28) der Datenlebenszyklus bereits bei der Planung und dem Entwurf von Datenobjekten an.
13 Weitere zentrale Merkmale von materiellen und immateriellen Vermögenswerten werden in Levitin & Redman (1998, S. 99) übersichtlich aufgelistet. Darauf aufbauend fasst Zechmann (2018, S. 73) die ökonomischen Eigenschaften von Daten zusammen. Dabei stellte er fest, dass Daten in vielen zentralen Merkmalen mit anderen „klassischen“ Vermögenswerten vergleichbar sind.
14 Die Begriffe „Vermögenswert“ und „Wirtschaftsgut“ werden in der Literatur synonym verwendet.
15 Im Rahmen dieser Arbeit werden die einzelnen Einflussfaktoren nicht näher beleuchtet. An dieser Stelle sei auf die Quellen von Otto & Österle (2016, S. 3-11) sowie Bärenfänger (2015, S. 8-14) verwiesen, die eine umfangreiche Beschreibung der unterschiedlichen Einflussfaktoren liefern.
16 Neueste Studien auf EU-Ebene gehen davon aus, dass bis 2020 ca. 100.000 neue datenbezogene Arbeitsplätze in Europa geschaffen werden, während die Einführung großer Datenmengen allein bei den 100 führenden EU-Herstellern zu Einsparungen im Wert von 425 Milliarden Euro führen könnte, was einem BIP-Wachstum von 206 Milliarden Euro oder 1,9 % im gleichen Zeitraum entspricht. (vgl. Europäische Kommission 2014; Europäische Kommission 2017b, S. 3)
17 Der Datenmarkt ist in diesem Zusammenhang die Summe der Markplätze, an denen digitale Daten als „Produkte“ oder „Dienstleistungen“ infolge der Verarbeitung von Rohdaten ausgetauscht werden (vgl. European Data Market SMART 2013/0063 2017, S. 25).
18 In der Literatur ist das Themenfeld „Digitalisierung bzw. Digitale Ökonomie“ umfangreich erforscht (vgl. z. B. Otto & Österle 2016). Eine Abgrenzung zum Begriff „Datenökonomie“ hat zum gegenwärtigen Stand der Forschung hingegen nicht stattgefunden.
19 Die im Fließtext kursiv hervorgehobenen Wörter stellen relevante, wiederkehrende Begriffe im Kontext der Beschreibung einer Datenökonomie dar.
20 In der Originalquelle werden insgesamt vier Dimensionen eines Geschäftsmodells beschrieben. Die vierte Dimension „Kunde“ beantwortet die Frage nach der Zielkundschaft des Unternehmens (Gassmann et al. 2013, S. 7). Da die Beantwortung dieser Frage für den Kontext dieser Arbeit jedoch irrelevant ist, wird diese Dimension vernachlässigt.
21 In der englischsprachigen Literatur wird der Begriff „Keystone“ verwendet (vgl. Iansiti & Levien 2004).
22 Eine umfangreiche Übersicht über die verschiedenen Definitionen von Datenökosystemen wird in der Arbeit von Oliviera & Loscio (2018, S. 4) illustriert.
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