Im ersten Teil der Arbeit wird zunächst auf das Krankheitsfeld der Schizophrenie (Schizophrenie, schizotype- und wahnhafte Störung) und auf die berufliche Rehabilitation schizophrener Patienten eingegangen. Im zweiten Teil werden wichtige kognitive Emotionstheorien vorgestellt, um anschließend das transaktionale Stressmodell von Lazarus näher zu behandeln. Im letzten Teil geht es schließlich um die Emotionale Intelligenz (EI). Dies umfasst eine Auseinandersetzung mit der Rolle emotionaler Kompetenzen im Team, sowie eine abschließende kritische Diskussion des Konstrukts EI.
Das Krankheitsfeld "Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen" (F2) beschreibt nach der ICD-10 eine Gruppe verschiedener Störungsbilder. Als wichtigstes Krankheitsbild dieser Kategorie wird die Schizophrenie (F20) betrachtet. Außerdem lassen sich die schizotype Störung (F21), die anhaltenden wahnhaften Störungen und eine größere Gruppe akuter vorübergehender psychotischer Störungen in dieses Krankheitsfeld einordnen.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Anlagenverzeichnis
1. Das Krankheitsfeld der Schizophrenie, schizotypen und wahnhaften Störungen
1.1 Schizophrenie
1.2 Schizotype Störung
1.3 Wahnhafte Störung
1.4 Berufliche Rehabilitation schizophrener Patienten
2. Bewertung bei der Entstehung von Emotionen
2.1 Kognitive Emotionstheorien
2.2 Transaktionales Stressmodell von Lazarus
2.2.1 Rolle von Bewertungen
2.2.2 Ansatzpunkte zur Bewältigung von Stress
2.2.3 Wirksamkeit verschiedener „Coping“-Formen
3. Emotionale Intelligenz (EI)
3.1 Das Konzept der emotionalen Intelligenz
3.2 Emotionale Kompetenzen im Team
3.3 Kritische Auseinandersetzung mit dem Konstrukt der EI
Anlagen
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
EI Emotionale Intelligenz
WfbM Werkstatt für behinderte Menschen
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Auswahl an Subtypen schizophrener Störungen
Anlagenverzeichnis
Anlage 1: Subtypen der Schizophrenie
Anlage 2: Verlaufsbilder der schizophrenen Störung
Anlage 3: Vereinfachte Darstellung der primären und sekundären Einschätzung im Emotionsentstehungsprozess
Anlage 4: Emotionale Intelligenz nach Salovey und Mayer (1990)
1. Das Krankheitsfeld der Schizophrenie, schizotypen und wahnhaften Störungen
Das Krankheitsfeld „Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen“ (F2) beschreibt nach der ICD-10 eine Gruppe verschiedener Störungsbilder. Als wichtigstes Krankheitsbild dieser Kategorie wird die Schizophrenie (F20) betrachtet. Außerdem lassen sich die schizotype Störung (F21), die anhaltenden wahnhaften Störungen und eine größere Gruppe akuter vorübergehender psychotischer Störungen in dieses Krankheitsfeld einordnen.1
Im Folgenden soll genauer auf das Krankheitsbild der Schizophrenie (F20), der schizotypen (F21) und wahnhaften Störung (F22.0) eingegangen werden und Merkmale für das Krankheitsfeld, unter Hinzuziehung der ICD-10, dargestellt werden.
1.1 Schizophrenie
Unter der Kategorie Schizophrenie (F20) werden die häufigen Schizophrenieformen, einige seltenere Varianten der Schizophrenie und eng verwandte Störungen beschrieben.2 Allgemein äußert sich Schizophrenie in tief greifenden Veränderungen im Erleben und Verhalten der Betroffenen und geht mit einer Vielzahl unterschiedlicher möglicher Symptome einher. Dabei ist zu beachten, dass keines der Symptome bei jedem Betroffenen auftritt, sodass sehr heterogene klinische Erscheinungsbilder als Schizophrenie diagnostiziert werden können. Des Weiteren unterteilt man die charakteristischen Symptome der Schizophrenie in positive Symptome, z. B. Wahn und Halluzinationen und negative Symptome, z. B. Affektstörungen und desorganisiertes Denken.3
Nach der ICD-10 wird die Störung Schizophrenie (F20) in insgesamt neun verschiedene Subtypen untergliedert4 und lässt sich darüber hinaus nach verschiedenen Verlaufsbildern differenzieren.5
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Auswahl an Subtypen schizophrener Störungen
(Quelle: eigene Darstellung, in Anlehnung an Gerrig (2018), S. 586)
Obige Tabelle zeigt beispielhaft eine Auswahl einiger Subtypen der Schizophrenie mit den wichtigsten Symptomen. Allerdings soll zur Vereinfachung und Übersichtlichkeit an dieser Stelle insbesondere auf Symptome eingegangen werden, welche allgemein auf das gesamte Krankheitsfeld der Schizophrenie, mit Ausnahme der Schizophrenia simplex F20.6, zutreffen. Die schizophrenen Störungen gehen allgemein mit grundlegenden Störungen des Denkens und der Wahrnehmung einher. Charakteristisch sind auch Affektstörungen, während Bewusstseinsklarheit und intellektuelle Fähigkeiten für gewöhnlich nicht beeinträchtigt sind. Zu den wichtigsten psychopathologischen Symptomen zählen Gedankenlautwerden, Gedankeneingebung oder Gedankenentzug, Gedankenausbreitung, Wahnwahrnehmung, Kontrollwahn, Beeinflussungswahn oder das Gefühl des Gemachten. Auch Stimmen, die in der dritten Person den Betroffenen kommentieren bzw. über ihn sprechen oder Denkstörungen sind mögliche Symptome.6
Bezüglich des Verlaufs kann unterschieden werden zwischen einem kontinuierlichen und einem episodischen Verlauf mit zunehmenden oder stabilen Defiziten. Es können ebenso eine oder mehrere Episoden mit vollständiger oder unvollständiger Remission auftreten.7
1.2 Schizotype Störung
Nach der ICD-10 ist die schizotype Störung (F21) eine Störung, welche durch exzentrisches Verhalten und Anomalien des Denkens und der Stimmung geprägt ist und kann dadurch schizophren wirken. Allerdings ist die schizotype Störung dadurch gekennzeichnet, dass keine eindeutigen charakteristischen schizophrenen Symptome auftreten und nie aufgetreten sind.8 Die Störung äußert sich in kaltem oder unangemessenem Affekt, Anhedonie und in eigentümlichem, exzentrischem Verhalten. Außerdem neigen Betroffene zu einer Tendenz zu sozialem Rückzug und zu paranoischen oder bizarren Ideen, welche allerdings nicht bis zu eigentlichen Wahnvorstellungen ausgeprägt sind. Des Weiteren treten zwanghaftes Grübeln, Denk- und Wahrnehmungsstörungen, sowie quasipsychotische Episoden mit intensiven Illusionen, akustischen oder anderen Halluzinationen und wahnähnlichen Ideen auf, meist ohne äußere Veranlassung. Für gewöhnlich entspricht die Entwicklung und der Verlauf einer Persönlichkeitsstörung.9
1.3 Wahnhafte Störung
Die „wahnhafte Störung“ (F22.0) zählt, genauso wie die „sonstigen anhaltenden wahnhaften Störungen“ (F22.8) und die „anhaltende wahnhafte Störung, nicht näher bezeichnet“ (F22.9) zu dem übergeordneten Krankheitsfeld der „anhaltenden wahnhaften Störungen“ (F22). Die wahnhafte Störung betrifft die Entwicklung eines einzelnen Wahns oder mehrerer aufeinander bezogener Wahninhalte, welche allgemein lange, in manchen Fällen lebenslang, andauern. Inhalte des Wahns oder eines Wahnsystems können sehr unterschiedlich sein. Wichtig ist, dass eindeutige Halluzinationen akustischer Art, weitere schizophrene Symptome, wie z. B. Kontrollwahn oder Affektverflachung, sowie eindeutige Gehirnerkrankungen eine Diagnose in den meisten Fällen ausschließen. Eine Ausnahme sind vorübergehende akustische Halluzinationen bei älteren Patienten. Solange diese Symptome nicht typisch schizophren wirken und in Relation zum klinischen Gesamtbild einen kleinen Teil ausmachen, muss die Diagnose nicht zwingend ausgeschlossen werden. Es ist möglich folgende spezifische Subtypen zu differenzieren: Verfolgungswahn, Querulantenwahn (Prozesssucht), Beziehungswahn, Größenwahn, hypochondrischer Wahn, Eifersuchtswahn, Liebeswahn.10
1.4 Berufliche Rehabilitation schizophrener Patienten
Um schizophrenen Patienten die Wiedereingliederung in ihre natürliche Umwelt zu ermöglichen, ist für gewöhnlich eine Rehabilitation nötig. Ein äußert wichtiger Aspekt der Rehabilitation ist vor allem die berufliche Rehabilitation. Sie bietet schizophrenen Patienten die Chance zur Ausübung einer geeigneten Beschäftigung.11 Im Folgenden sollen Voraussetzungen erarbeitet werden, um schizophrenen Patienten eine Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Anschließend werden Vor- und Nachteile einer Beschäftigung in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) diskutiert, um die Eignung als Rehabilitationsmaßnahme für schizophrene Patienten zu untersuchen.
Unterschieden wird grundsätzlich zwischen einer Beschäftigung auf dem ersten und dem zweiten Arbeitsmarkt. Der erste Arbeitsmarkt wird als der reguläre Arbeitsmarkt verstanden, welcher durch Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse ohne Zuschüsse geprägt ist, die ohne andere Förderungsmaßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik zustande kommen. Die Arbeitnehmer und Arbeitgeber beziehen keine staatlichen Leistungen, wie es bei dem zweiten Arbeitsmarkt der Fall ist. Dieser ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass er von der Arbeitsmarktpolitik mit Zuschüssen und anderen Maßnahmen gefördert wird. Menschen, die Schwierigkeiten haben, über den ersten Arbeitsmarkt eine Beschäftigung zu finden, wird mit diesen Maßnahmen geholfen, wieder in den ersten Arbeitsmarkt einzusteigen.12
Für Patienten mit Schizophrenie ist eine geregelte Beschäftigung von unschätzbarem Wert, da sie für gewöhnlich mit Selbstbewusstsein, Würde und sozialer Integrität einhergeht und darüber hinaus mit Wiedergesundung in Zusammenhang gebracht wird. Das übergeordnete Ziel der Rehabilitation ist meist die Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt. Allerdings ist die Wiedereingliederung in den offenen Arbeitsmarkt eine große Herausforderung, welche etliche Hürden mit sich bringt. Daher bleibt die tatsächliche Umsetzung dieses Ziels eher eine Ausnahme.13
Damit ein Patient mit diagnostischer Schizophrenie einer geregelten Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt nachgehen kann, müssen zunächst einige Voraussetzungen geschaffen werden. Ein Aspekt, welcher häufig die Chance auf eine geregelte Beschäftigung erheblich verringert, ist die Tatsache, dass Arbeitgeber Mitarbeiter mit entsprechenden Qualifikationen und einwandfreiem Lebenslauf suchen. Gleichzeitig können schizophrene Patienten diese Voraussetzungen v. a. dann nicht erfüllen, wenn die Störung ihren Anfang in der Teenagerzeit hat. Somit wird häufig der Bildungs- bzw. Karriereweg unterbrochen und der Einstieg in die Arbeitswelt erschwert. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit schizophrene Patienten im Rahmen verschiedener Bildungs- und Förderungsmöglichkeiten auf eine geregelte Beschäftigung vorzubereiten. Neben der Berufsvorbereitung spielt ebenso die Beschäftigungsförderung eine wichtige Rolle. Patienten benötigen nicht nur eine Förderung zur Wiedereingliederung in die Berufswelt, sondern zusätzlich weiterführende Unterstützung, im Optimalfall, solange der Patient der Beschäftigung nachgeht. 14 Eine dritte Voraussetzung ist mehr Toleranz gegenüber der Krankheit Schizophrenie. Die Einstellung der Mitmenschen zu der Störung und eine allgemein negative Sichtweise in den Medien und der Gesellschaft spiegelt sich folglich auch bei Arbeitgebern und Kollegen wider. Falsche Vorstellungen und Erwartungen bzw. fehlendes Verständnis, z. B. in Bezug auf die Fähigkeiten einer schizophrenen Person, können ein Arbeitsverhältnis stark einschränken.15
Schnell wird deshalb auf alternative Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem zweiten Arbeitsmarkt zurückgegriffen, auch wenn diese für gewöhnlich keine optimale Option für schizophrene Patienten darstellt. Die häufigste Alternative zu einer Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt ist eine Beschäftigung in Behindertenwerkstätten. Im Folgenden soll nun die Eignung der Behindertenwerkstätten als Rehabilitationsmaßnahme für Schizophrene Patienten diskutiert werden. Die Unterbringung von geistig, seelisch und körperlich Behinderten in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) dient grundlegend der Eingliederung in das Arbeitsleben. Das Ziel ist vor allem die Entwicklung, Erhöhung oder Wiedergewinnung der Leistungsfähigkeit und ein der Leistung angemessenes Arbeitsentgelt. In der Praxis bringt jedoch schon die Aufnahme schizophrener Patienten in Behindertenwerkstätten Schwierigkeiten mit sich. Nach dem Schwerbehindertengesetz (§52, Abs. 3) werden nämlich ausschließlich Bewerber angenommen, welche ein „Mindestmaß an wirtschaftlich vertretbarer Arbeitsleistung“ erbringen können. Diese Forderungen erfüllt leider nur ein Teil der schizophrenen Patienten.16
Betrachtet man nun das Verhältnis von Ziel und Ergebnis einer Werkstattbeschäftigung ergeben sich einige problematische Aspekte. Teilhabe und Anerkennung werden in der Gesellschaft meist als Voraussetzung für ein zufriedenstellendes Leben betrachtet. Um diese Ziele zu erreichen ist ein Zugang zur Erwerbstätigkeit von zentraler Bedeutung. Neben Anerkennung, Kompetenzerlebnissen und Co. soll die Beschäftigung in einer Behindertenwerkstatt außerdem eine Tagestrukturierung ermöglichen und den Beschäftigten einen geschützten Rahmen bieten. Das Problem von WfbM sind also nicht die Intentionen, sondern vielmehr die Umsetzung und die Wirksamkeit.17
Die Funktionen einer Erbstätigkeit lassen sich nämlich im Rahmen einer Werkstattbeschäftigung nur teilweise kompensieren. Das Schlüsselproblem hierbei ist der enorme Kontrast zu Arbeits- und Lebensverhältnissen außerhalb von Eingliederungshilfeleistungen. Daraus ergibt sich eine Distanz, die sich meist nichtmehr überwinden lässt. Die Ursache hierfür ist, dass WfbM Sondereinrichtungen, mit besonderen Arbeitsbedingungen und -orten, darstellen, die exklusiv behinderten Menschen mit voller Erwerbsminderung vorbehalten sind. Dieser Bruch fördert wiederum das Kategoriendenken, sodass Werksattbeschäftigte mit Isolation und Ausgrenzung zu kämpfen haben.18 Darüber hinaus ermöglicht die Beschäftigung in einer Behindertenwerksatt nur den Erwerb eines sehr geringen Leistungsentgelts, sodass der oben genannte Effekt noch zusätzlich verstärkt wird.19
Nimmt man die Tatsache an, dass Behindertenwerkstätten überwiegend ihre Absichten verfehlen, stellt sich die Frage, ob WfbM insgesamt betrachtet als Rehabilitationsmaßnahmen angesehen werden können. Denn das vorrangige Ziel, die Wiedereingliederung in den offenen Arbeitsmarkt zu ermöglichen, wird in nur sehr wenigen Fällen erreicht. Laut Bundesregierung beträgt die Erfolgsquote nur 0,2 Prozent.20 Trotz dieser negativen Aspekte hat sich die Beschäftigung in einer Behindertenwerkstatt als Standardoption für schizophrene Patienten etabliert. Schließlich werden WfbM durchgehend finanziert und haben sich zu einer Art Auffangbecken entwickelt.21
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Beschäftigung in Behindertenwerkstätten, v. a. in Anbetracht fehlender Wirksamkeit und weiterer Defizite, keine ideale Lösung zur Arbeitsrehabilitation für schizophrene Patienten darstellt, doch leider meist die einzige Chance auf eine Teilnahme am Arbeitsleben sind. WfbM sind damit oft nur eine Ausweichmöglichkeit, wenn keine anderen Angebote zur Verfügung stehen.
2. Bewertung bei der Entstehung von Emotionen
2.1 Kognitive Emotionstheorien
Den kognitiven Emotionstheorien ist gemein, dass Emotionen als das Ergebnis von Bewertungsprozessen gesehen werden. Wichtige Vertreter der kognitiven Bewertungstheorien sind beispielsweise Magda Arnold (1960; 1984), Richard Lazarus (1966; 1991; 1999) oder Klaus Scherer (1984; 1997). Die Zwei-Faktoren-Theorie von Schachter wird dabei als Bindeglied zwischen psychophysiologischen und kognitiven Bewertungstheorien betrachtet.22
Nach der Zwei-Faktoren-Theorie von Schachter und Singer (z.B. 1962) ist die Entstehung einer Emotion von dem Zusammenwirken sowohl der physiologischen Erregung als auch der kognitiven Bewertung abhängig. Dabei wird die Erregung meist der Bewertung direkt zugeschrieben. Es findet also eine Attribution der Erregung auf die Bewertung statt.23 Vereinfacht ausgedrückt ist jegliche Erregung der erste Schritt in einer Emotionskette. Die körperliche Erregung wird interpretiert und eingeschätzt, um schließlich auf die Bedeutung der Reaktion und eine geeignete emotionale Bezeichnung zu schließen.24 Eine identische physiologische Erregung kann in unterschiedlichen Situationen verschieden interpretiert werden, je nachdem welche Kognitionen zur Verfügung stehen.25 Allerdings kann es bei diesem Prozess ebenso zu Fehlattributionen von Emotionen kommen. So ist es z. B. möglich die Ursache eines physiologischen Erregungszustandes einer falschen Quelle zuzuschreiben.26
Die kognitiven Bewertungstheorie lassen sich darin unterscheiden, auf welchen Aspekt sich die Bewertung bezieht. Eine Gruppe von Bewertungstheorien, zu welcher u. a. die Zwei-Faktoren-Theorie von Schachter zählt, geht davon aus, dass die Bewertung der erlebten inneren physiologischen Erregung zur Entstehung einer Emotion führt. Daneben geht eine weitere Gruppe von Bewertungstheorien von einer Bewertung der äußeren Situation aus. Erst diese Bewertung führt anschließend zum subjektiven Erleben einer Emotion und der damit verbundenen Erregung.27
Ein wichtiger Vertreter dieser zweiten Gruppe ist Richard Lazarus (1966, 1991, 1999). Er vertritt die Annahme, dass emotionales Erleben insbesondere aus der fortwährenden Auseinandersetzung mit der Umwelt entspringt.28 Im Folgenden soll das Transaktionale Stressmodell von Lazarus hervorgehoben werden und insbesondere auf die Rolle von Bewertungen eingegangen werden. Darauf aufbauend werden Ansatzpunkte zur Bewältigung von Stress und die Wirksamkeit verschiedener „Coping“-Formen thematisiert.
2.2 Transaktionales Stressmodell von Lazarus
2.2.1 Rolle von Bewertungen
Richard Lazarus entwickelte das sogenannte transaktionale Stressmodell, welches das Entstehen von Stress und Emotionen, Einschätzung und Bewältigung verbindet. In seinen Arbeiten zu Emotionen und Stress (z.B. 1966, 1984, 1999) wird erläutert, wie Bewertungen den Entstehungsprozess von Stress und Emotionen beeinflussen.
Stress und auch Emotionen sind laut Lazarus das Ergebnis eines zweistufigen Einschätzungsprozesses. Zunächst wird eine Situation bzw. ein Ereignis im Rahmen der primären Einschätzung (primary appraisal) bewertet. Diese Einschätzung bezieht sich darauf, ob eine Situation eine negative oder positive Auswirkung auf unser Wohlergehen hat. Die Fragestellung im Rahmen der primären Einschätzung könnte lauten: „Stehen meine Ziele auf dem Spiel oder sind meine Grundwerte bedroht? Und wenn ja, welche Folgen hat das?“29 Lazarus (1984) differenziert hierbei, ob ein Ereignis als irrelevant, harmlos-positiv oder stressig eingeschätzt wird. Stress kann wiederum in drei Formen wahrgenommen werden: Verlust/Schaden, Bedrohung oder Herausforderung. Die sekundäre Einschätzung (secondary appraisal) betrifft die Möglichkeiten zur Bewältigung der Anforderungen eines Ereignisses. Es wird demnach beurteilt, ob verfügbare Bewältigungsoptionen den beabsichtigten Effekt haben und welche Konsequenzen der Einsatz bestimmter Strategien hat.30 Entscheidend für das Ausbleiben von negativen Emotionen und Stress ist die Verfügbarkeit von adäquaten Bewältigungsmöglichkeiten. Die Entwicklung von Emotionen ist jedoch dynamisch, da neue Informationen über ein Ereignis gesammelt werden und sich so die Bedürfnislage verändern kann. In Folge dessen kommt es immer wieder zu Neubewertungen der Situation (reappraisal), welche auch mit einer veränderten emotionalen Reaktion einhergehen können. Neubewertungen unterscheiden sich von Bewertungen lediglich darin, dass Neubewertungen stets auf eine frühere Bewertung folgen.31
Die Appraisal-Theorie beinhaltet außerdem die Vorstellung von spezifischen Bewertungsthemen (core relational themes). Lazarus (1991) geht davon aus, dass eine kleine Anzahl relevanter Bewertungsthemen (z. B. Hoffnung, Erfolg, Bedrohung, Verlust) die Person-Umwelt-Beziehung beschreibt und somit das Ergebnis des Bewertungsprozesses in einen größeren Person-Umwelt-Zusammenhang stellt. Jedes Bewertungsthema wird mit bestimmten Emotionen assoziiert und jede Emotion bzw. Emotionsgruppe über das Bewertungsthema definiert. Das Bewertungsthema Bedrohung geht z. B. mit Angst einher und das Bewertungsthema Verlust mit Traurigkeit.32
2.2.2 Ansatzpunkte zur Bewältigung von Stress
Lazarus (1984) schlägt alternativ zu traditionellen Modellen vor, Coping als Prozess und weniger als Konzept zu betrachten.
„We defined coping as constantly changing cognitive and behavioral efforts to manage specific external and/or internal demands that are appraised as taxing or exceeding the resources of the person.”33
Unter Coping versteht er also vereinfacht ausgedrückt alle Bemühungen, um psychologischen Stress zu bewältigen. Die sich stetig verändernden Bemühungen werden ungeachtet des Ausgangs oder der Folgen als Coping angesehen. Die Theorie differenziert dabei zwischen bewussten Coping-Bemühungen und unbewusstem, adaptivem Verhalten.34
[...]
1 Vgl. Dilling/Freyberger (2019), S. 91
2 Vgl. Dilling/Mombour/Schmidt/Schulte-Markwort (2016), S. 97
3 Vgl. Casper/Pjanic/Westermann (2018), S. 83
4 Siehe Anlage 1: Subtypen der Schizophrenie
5 Siehe Anlage 2: Verlaufsbilder schizophrener Störungen
6 Vgl. Dilling/Freyberger (2019), S. 93
7 Vgl. Dilling/Freyberger (2019), S. 93
8 Vgl. Dilling/Mombour/Schmidt (2015), S. 139
9 Vgl. Dilling/Freyberger (2019), S. 103
10 Vgl. Dilling/Freyberger (2019), S. 105
11 Vgl. Wittchen/Hoyer (2011), S. 848
12 Vgl. Lexikon zur beruflichen Teilhabe: Allgemeiner Arbeitsmarkt (2018)
13 Vgl. Staedman (2015), S. 5-9
14 Vgl. Staedman (2015), S. 6-8
15 Vgl. Staedman (2015), S. 6
16 Vgl. Wittchen/Hoyer (2011), S. 849
17 Vgl. Schreiner (2017), S. 161
18 Vgl. Schreiner (2017), S. 161
19 Vgl. Staedman (2015), S. 9
20 Vgl. Staedman (2015), S. 9
21 Vgl. Staedman (2015), S. 9
22 Vgl. Brandstätter/Schüler/Puca/Lozo (2018), S. 214
23 Vgl. Becker-Carus/Wendt (2017), S. 547-548; Vgl. Schachter/Singer (1962), S.398
24 Vgl. Gerrig (2018), S. 444; Vgl. Schachter/Singer (1962), S. 398
25 Vgl. Bak (2019), S. 170
26 Vgl. Becker-Carus/Wendt (2017), S. 547-548
27 Vgl. Becker-Carus/Wendt (2017), S. 549
28 Vgl. Gerrig (2018), S. 444
29 Vgl. Lazarus (1999), S. 76
30 Vgl. Lazarus/Folkman (1984), S. 53
31 Vgl. Brandstätter et al. (2018), S. 212;
32 Vgl. Bak (2019), S. 171; Vgl. Lazarus (1991), S. 121
33 Lazarus/Folkman (1984), S. 178
34 Vgl. Lazarus/Folkman (1984), S. 178; Vgl. Lazarus (1999), S. 110-111
- Quote paper
- Daline Ostermaier (Author), 2020, Krankheitsfeld der Schizophrenie. Bewertung bei der Entstehung von Emotionen und Emotionale Intelligenz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/540191
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