Laut dem Staatssekretariat für Wirtschaft – SECO – gehören rund 99 Prozent aller Schweizer Firmen zur Unternehmens-Kategorie der Familienunternehmen. Das bedeutet, dass es in der Schweiz 375'000 Familienbetriebe gibt, die 1,6 Millionen Mitarbeitende beschäftigen. Damit arbeiten 41 Prozent aller Erwerbstätigen in der Schweiz für einen solchen familiengeführten
Betrieb (Andric et al., 2016). Im Durchschnitt überdauert nur ein Drittel aller Familienunternehmen eine Nachfolgeplanung unbeschadet. Dies bedeutet, dass von 100 Familienunternehmen, es nur ein Unternehmen bis zur vierten Generation schafft (Binz Astrachan & Scherrer, 2017; Ward, 1987).
Diese Masterarbeit behandelt das Thema der Nachfolgeplanung von Familienunternehmen in der Schweiz. Dabei soll vor allem der mögliche Einfluss von zugezogenen Unternehmensberatern bei Nachfolgeplanungen betreffend der Konfliktbewältigung und der Kanalisierung von Emotionen und psychologischen Aspekten in diesem Prozess beleuchtet werden. Die Forschungsfrage zu dieser Master Thesis lautet:
„Wie kann ein Unternehmensberater relevante psychologische oder emotionale Problemstellungen im Prozess der Nachfolgeplanung eines Familienunternehmens erkennen und wie sollte er darauf reagieren?“
Ein intensives Theorie-Studium der für die Beantwortung der Forschungsfrage relevanten, deutschsprachigen Literatur bildete die Grundlage für den Forschungsprozess. Der oben genannte Forschungsgegenstand wurde dann anhand von qualitativer Feldforschung, in Form von leitfadengestützten Experteninterviews, untersucht. Um ein genaueres Bild zu erhalten,
wurden zwei Expertengruppen gebildet. Die der Unternehmensberatenden (UB) und die der Senior-Familienunternehmenden (SFU). Ein systematisches Vorgehen hat dabei sichergestellt, dass der Forschungsprozess und die beiden Interview-Leitfäden anhand der verifizierten Theorie hergeleitet wurden. Damit konnte die Grundlage für eine erfolgreiche Operationalisierung gelegt werden.
Für den empirischen Teil wurden somit je drei Interviews pro Expertengruppe durchgeführt. Vorgängig erfolgte jeweils ein Pretest-Interview, um die Leitfäden auf Funktion zu prüfen. Um eine grössere Datendichte zu erreichen, wurden die Pretest-Interviews ebenfalls in die Auswertung aufgenommen. Die Auswertung dieser Interviews erfolgte dann anhand der qualitativen Inhaltsanalyse nach (Mayring, 2016).
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort
Glossar
1 Einleitung
1.1 Ausgangslage
1.2 Forschungsproblem und -frage
1.3 Zielsetzungen, inhaltliche Abgrenzung
1.3.1 Zielsetzung
1.3.2 Abgrenzung
1.4 Aufbau der Arbeit
1.4.1 Kapitel 1: Einleitender Teil
1.4.2 Kapitel 2: Theoretischer Teil
1.4.3 Kapitel 3: Methodischer Teil
1.4.4 Kapitel 4: Empirisch konstruktiver Teil
1.4.5 Kapitel 5: Schlussfolgerung und Handlungsempfehlungen
2 Theoretischer Teil
2.1 Definition Familienunternehmen
2.1.1 Wirtschaftliche Bedeutung
2.1.2 Mittelstand
2.1.3 Kleinere und mittlere Unternehmen (KMU)
2.1.4 Das Familienunternehmen
2.2 Die Unternehmensfamilie
2.2.1 Die Familie als Konstrukt
2.2.2 Zusammenarbeit der Generationen
2.2.3 Werte und Einstellungen
2.2.4 Führung und Kommunikation in Familienunternehmen
2.3 Die Nachfolgeplanung in Familienunternehmen
2.3.1 Varianten der Nachfolgeplanung
2.3.2 Zeitpunkt und Dauer der Nachfolgeplanung
2.3.3 Motive
2.3.4 Übergebender Teil
2.3.5 Übernehmender Teil
2.3.6 Alternativen in der Nachfolgelösung
2.4 Psychologische Aspekte einer Unternehmensnachfolge (Systeme und Modelle)
2.4.1 Das Dreikreismodell nach Simon
2.4.2 Rollenepisode
2.4.3 Prinzipal-Agenten-Theorie
2.5 Konfliktpotenzial
2.5.1 Ambivalenz
2.5.2 Emotionalität
2.5.3 Spannungsfeld zwischen Unternehmer und Familie
2.5.4 Verhältnis zwischen Vorgänger und Nachfolger
2.5.5 Verhältnis zu den Mitarbeitenden
2.6 Unternehmensberatungen im Nachfolgeprozess
2.6.1 Notwendigkeit externer Unternehmensberater
2.6.2 Qualitative Aspekte
2.6.3 Der Beratungsprozess in der Nachfolgeplanung
2.6.4 Kommunikation und Informationen im Beratungsprozess
3 Methodische Vorgehensweise
3.1 Forschungsfrage
3.2 Forschungsprozess
3.3 Forschungsmethode
3.4 Begründung für das methodische Vorgehen
3.5 Fallauswahl
3.5.1 Unternehmende nach der Nachfolgeregelung
3.5.2 Unternehmensberater mit Erfahrung in der Nachfolgeregelung von Familienunternehmen
3.5.3 Konstruktion der beiden Interviewleitfäden
3.6 Datenerhebung
3.6.1 Fragebogendesign
3.6.2 Gütekriterien
3.6.3 Experteninterviews
3.6.4 Pretest
3.6.5 Datenauswertung Pretest
3.7 Datenauswertung
3.7.1 Methode der Analyse
3.7.2 Analyse der Interviews
3.7.3 Vergleich der Aussagen
3.7.4 Ergebnisse
3.7.5 Grenzen der Untersuchung
4 Praktischer empirischer konstruktiver Teil
4.1 Gegenüberstellung von der Theorie und der gesammelten Praxis der Experten
4.2 Themenblock I: Nachfolgeprozess
4.2.1 Theoretische Grundlagen
4.2.2 Praktische Erfahrung der Experten
4.2.3 Abgleich zwischen Theorie und Praxis
4.3 Themenblock II: Die Unternehmerfamilie
4.3.1 Theoretische Grundlagen
4.3.2 Praktische Erfahrung der Experten
4.3.3 Abgleich zwischen Theorie und Praxis
4.4 Themenblock III: Konfliktpotenzial
4.4.1 Theoretische Grundlagen
4.4.2 Praktische Erfahrung der Experten
4.4.3 Abgleich zwischen Theorie und Praxis
4.5 Themenblock IV: Rolle Unternehmensberater
4.5.1 Theoretische Grundlagen
4.5.2 Praktische Erfahrung der Experten
4.5.3 Abgleich zwischen Theorie und Praxis
4.6 Themenblock V: Psychologische und emotionale Aspekte
4.6.1 Theoretische Grundlagen
4.6.2 Praktische Erfahrung der Experten
4.6.3 Abgleich zwischen Theorie und Praxis
4.7 Vergleich der gemachten Aussagen der Expertengruppen
4.7.1 Synergismus
4.7.2 Abweichungen
4.7.3 Sonstiges
5 Schlussfolgerungen, Empfehlungen
5.1 Zusammenfassung
5.2 Abschliessende Beantwortung der Forschungsfrage und Subfragen
5.2.1 Forschungsfrage
5.2.2 Subfragen
5.3 Handlungsempfehlungen
5.3.1 Allgemeine Empfehlungen
5.3.2 Empfehlungen für Unternehmensberater
5.3.3 Empfehlungen für Familienunternehmer
5.4 Kritische Reflexion
5.5 Ausblick
5.5.1 Unternehmensberatung von Familienunternehmen in der Nachfolgeplanung
5.5.2 Weiterführende Fragestellungen
6 Anhang
6.1 Quellenverzeichnis
6.2 Abkürzungsverzeichnis
6.3 Tabellenverzeichnis
6.4 Abbildungsverzeichnis
6.5 Anhang 1: Forschungsprozess
6.6 Anhang 2: Musteranschreiben der Experten per E-Mail
6.7 Anhang 3: Information für Interviewpartner und -partnerinnen
6.8 Anhang 4: Interviewleitfaden Senior-Familienunternehmer und -unternehmerinnen (SFU)
6.9 Anhang 5: Interviewleitfaden Unternehmensberater und Unternehmensberaterin (UB)
6.10 Anhang 6: Formular Interview-Reflexion
6.11 Anhang 7: Datenschutzbestimmungen für Interviews
6.12 Anhang 8: Charakteristika der Experten / Expertinnen
6.13 Anhang 9: Inserat Wochenzeitung
6.14 Anhang 10: Induktiv angelegte Unterkategorien
6.15 Anhang 11: Kodierleitfaden
6.16 Anhang 12: Transkribierte Interviews Senior-Familienunternehmer und -unternehmerinnen (SFU)
6.17 Anhang 13: Transkribierte Interviews Unternehmensberater und -beraterinnen (UB)
VORWORT
"Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!"
Michael Gorbatschow, (1989) zugeschrieben
„Eigentlich müsste man die Nachfolgeplanung in der Unternehmensstrategie festlegen! Aber das habe ich bei meiner eigenen Firma selber nicht geschafft!“ Diese Aussage eines interviewten Unternehmensberaters zeigt, welche strategische Relevanz eine Nachfolgeplanung in einem Familienunternehmen eigentlich haben müsste aber eben auch, wie nachlässig damit in der Realität umgegangen wird. Diese emotionale Einstellung zu diesem Thema und die grosse wirtschaftliche Bedeutung hat mich dazu bewogen, mehr über dieses spannende Thema zu erfahren. Was sind die Gründe dafür, dass so viele Familienunternehmen nach zwei oder drei Generation an der eigenen Nachfolgeplanung scheitern? Welche Konstellationen fördern eine gelungene Nachfolge? Gibt es einen bestimmten Weg, den man als Familienunternehmer oder -unternehmerin gehen kann, das eigene Unternehmen erfolgreich(er) an die nächste Generation übergeben zu können? Gibt es für die Unternehmensberater und -beraterinnen im Beratungsprozess die Möglichkeit, psychologische und emotionale Faktoren rechtzeitig zu erkennen und auch entsprechend einzugreifen?
Mit dieser Themenwahl der vorliegenden Master Thesis habe ich mir eine sehr komplexe Herausforderung gestellt. Aber ich habe noch nie zuvor eine solche spannende Arbeit geschrieben. Dabei habe ich es richtig genossen, immer umfassender in diese tiefschichtige Materie einzutauchen und die Zusammenhänge zu ergründen. Somit hoffe ich, mit dieser Master Thesis den Betroffenen auch einige Ratschläge für die zukünftigen Nachfolgeplanungen respektive Beratungsmandate zurückgeben zu können.
An dieser Stelle möchte ich mich bei meiner Dozentin, Frau Dr. Bettina Hoffmann, bedanken, die mich während der gesamten Erarbeitung begleitet hat. Sie hat mich zudem mit wichtigen Hinweisen, Kontakten und Dokumenten versorgt. Herzlichen Dank für die Unterstützung!
Ein besonderer Dank gilt auch meinem lieben Vater, der sich der Herausforderung gestellt hat, meine niedergeschriebenen Gedanken zu ordnen und die Arbeit zu korrigieren und den gesamten Stoff auch noch inhaltlich zu prüfen.
Die Qualitätssicherung dieser Master Thesis habe ich Claudia Fluor zu verdanken. Ihr äusserst professionelles und effizientes Lektorat war sehr hilfreich.
Für das Verständnis und die Unterstützung während der gesamten Ausbildung bin ich meiner Frau Melanie unglaublich dankbar.
Der grösste Dank gilt aber an dieser Stelle meinen Interviewpartnern und -partnerinnen. Ihre Praxiserfahrung mit mir zu teilen und damit auch die Zeit für die Interviews aufzuwenden, waren für die Umsetzung der Arbeit unerlässlich und alles andere als selbstverständlich. Sie haben damit einen ganz wesentlichen Beitrag zur Erstellung dieser Master Thesis beigetragen. Ich hoffe, dass ich dies, in Form der vorliegenden Arbeit, wieder zurückgeben kann.
Auf Grund der geltenden Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau wurden, wenn immer möglich, beide Geschlechtsformen im Text berücksichtigt.
GLOSSAR
Tabelle 1: Glossar
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quellen: Wo nicht anders vermerkt, wurde der Online-Duden für deutsche Sprache verwendet (Duden Institute, 2019).
1 EINLEITUNG
1.1 AUSGANGSLAGE
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bilden das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft.
Laut dem Staatssekretariat für Wirtschaft - SECO - gehören rund 99 Prozent aller Schweizer Firmen zu dieser Unternehmens-Kategorie.
Davon geben drei Viertel an, dass sie Familienunternehmen sind, also vollständig im Besitz der Gründerfamilie stehen. Hochgerechnet entspricht das 375'000 Familienbetrieben in der Schweiz, die 1,6 Millionen Mitarbeitende beschäftigen. Damit arbeiten 41 Prozent aller Erwerbstätigen in der Schweiz für einen solchen familiengeführten Betrieb (Andric et al., 2016, S. 14). Auch im mitteleuropäischen Ausland macht die Unternehmensform des Familienunternehmens rund 70 Prozent aller Firmen aus und stellt 75 Prozent aller Arbeitsplätze (LeMar, 2014, S.14).
Gemäss einer Grundlagenstudie der KMU-HSG aus dem Jahr 2004 standen bereits damals rund 28.5 Prozent aller Familienunternehmen in der Schweiz unmittelbar vor einer Nachfolgeregelung (Fueglistaller & Halter, 2005). Laut einer neuen Studie von PricewaterhouseCoopers AG (PWC) verfügen dabei gerade einmal 13 Prozent aller befragten Familienunternehmer und -unternehmerinnen in der Schweiz über eine dokumentierte und kommunizierte Nachfolgeregelung. Fast die Hälfte der befragten Familienunternehmer und -unternehmerinnen, nämlich 47 Prozent, haben gar keine Nachfolge geplant. Gleichwohl räumen 59 Prozent der befragten Familienunternehmer und -unternehmerinnen in dieser Studie ein, die Inhaberschaft oder die operative Leitung in den kommenden Jahren an die nächste Generation zu übergeben. Davon wiederum halten 31 Prozent dieser Unternehmer und Unternehmerinnen aber auch fest, dass sie die nächste Generation nicht in diesen Prozess mit eingebunden haben (Kühnis & Leimer, 2019, S. 8).
Wenn die Nachfolgeregelung misslingt, dann droht häufig die Liquidation der Unternehmung, was zwangsläufig zu Steuerausfällen, Arbeitslosigkeit und somit zu Kapitalvernichtung führen kann.
Die Ursachen für ein Scheitern der Nachfolgeplanung in einem Familienunternehmen sind sehr vielfältig. Es werden oft endogene und exogene destruktive Wirkungen auf die Organisation für ein Misslingen der Nachfolgeplanung verantwortlich gemacht. Eine andere These macht wiederum spezifische Intragruppenkonflikte für das Scheitern verantwortlich.
Sicher ist aber auch, dass in Familienunternehmen andere Mechanismen und Prozesse vorherrschen, als dies bei Publikumsgesellschaften der Fall ist. Auch dieser Grund wird oft für ein Scheitern angeführt.
1.2 FORSCHUNGSPROBLEM UND -FRAGE
Für einen Unternehmer eines Familienunternehmens ist der Prozess der Nachfolgeplanung ein einmaliger Vorgang. Dabei kann er nur selten auf Erfahrungswerte und somit auf geeignete Muster (Attribution) zurückgreifen.
Gleichzeitig muss sich der Unternehmer dabei mit verschiedenen Systemen (Familie, Vermögen, Unternehmen) auseinandersetzen. In diesem Kontext ist er aber auch mit seiner eigenen Vergangenheit (seinem Lebenswerk) und seiner persönlichen Veränderung (seiner zukünftigen Rolle) beschäftigt. Dabei entsteht bei den beteiligten Parteien oft emotionales und zwischenmenschliches Konfliktpotenzial.
Kluth beschreibt dieses Phänomen wie folgt: "[...] die Vernachlässigung der zwischenmenschlichen und psychologischen Aspekte bei einer Unternehmensnachfolge [kann] diese konkret erschweren und den Erfolg in Frage stellen" (Kluth, 2011, S. 74). Emotionale Hürden sind neben fehlender Zeit und geeigneten Prozessen der häufigste Grund, warum Nachfolgelösungen gemäss der Raiffeisenbank Schweiz (Raiffeisen Schweiz, 2019) nicht erfolgreich umgesetzt werden können. Auch andere Banken, Treuhänder oder Unternehmensberater weisen immer wieder auf die Wichtigkeit von psychologischen und emotionalen Aspekten in der Nachfolgeplanung, besonders in Bezug auf Familienunternehmen, hin.
Zuweilen werden Nachfolgeplanungen von Familienunternehmen mehrheitlich über Banken, Rechtsanwälte, Treuhänder oder Unternehmensberater mit einem klaren finanziellen (Projekt-) Fokus abgewickelt.
In der deutschsprachigen wissenschaftlichen Literatur findet man zum Thema Nachfolgeplanung auf arbeitspsychologischer Ebene nur wenige Studien oder Modelle, welche aus Sicht der Unternehmensberatung für die Nachfolgeplanung von Familienunternehmen hilfreich einsetzbar wären.
Diese Masterarbeit behandelt das Thema der Nachfolgeplanung für Familienunternehmen in der Schweiz. Dabei soll vor allem der mögliche Einfluss von zugezogenen Unternehmensberatern bei Nachfolgeplanungen, betreffend der Konfliktbewältigung und der Kanalisierung von Emotionen in diesem Prozess, beleuchtet werden.
Die Forschungsfrage zu dieser Master Thesis lautet:
Wie kann ein Unternehmensberater relevante psychologische oder emotionale Problemstellungen im Prozess der Nachfolgeplanung eines Familienunternehmens erkennen und wie sollte er darauf reagieren?
Dazu werden die folgenden Subfragen gestellt:
- Welche Aspekte bereiten dem Unternehmer die grössten Schwierigkeiten in der Nachfolgeplanung?
- Welche Faktoren beeinflussen die Nachfolgeplanung aus Sicht der Experten am stärksten?
- Lassen mögliche Gründe für ein Scheitern im Nachfolgeprozess einen Rückschluss auf alternative Strategien (Umkehrschluss) zu?
1.3 ZIELSETZUNGEN, INHALTLICHE ABGRENZUNG
1.3.1 Zielsetzung
Ziel dieser Master Thesis ist es, wichtige psychologische und emotionale Faktoren in der Nachfolgeplanung innerhalb von Familienunternehmen aus der Deutschschweiz zu eruieren und das Aufkommen dieser Faktoren in der Praxis auf Relevanz und Häufigkeit zu untersuchen. Anhand der ermittelten Forschungsergebnisse werden den interessierten Anspruchsgruppen entsprechende Empfehlungen zur konfliktminimierten Nachfolgeplanung abgegeben.
1.3.2 Abgrenzung
Auf Grund der Komplexität von Nachfolgeplanungen in Familienunternehmen kann diese Master Thesis nicht alle relevanten Themen in diesem Fachbereich abhandeln. In der vorgelegten Arbeit werden ausschliesslich Primär- und Sekundärquellen verwendet.
Folgende Aspekte werden in dieser Arbeit nicht thematisiert oder beurteilt:
- Auch wenn in dieser Arbeit Studien und Statistiken aus dem deutschsprachigen Ausland mitverwendet werden, so bezieht sich die Feldstudie ausschliesslich auf die Deutschschweiz.
- Die finanzielle und steuerrelevante Thematik bei Nachfolgeplanungen von Familienunternehmen werden nicht in diese Untersuchung miteinbezogen.
- Rechtliche Gegebenheiten und verkaufstechnische Aspekte bei Nachfolgeplanungen von Familienunternehmen werden nicht berücksichtigt.
1.4 AUFBAU DER ARBEIT
1.4.1 Kapitel 1: Einleitender Teil
In diesem Kapitel wird die wissenschaftliche Thematik beschrieben, sowie die Forschungsfrage und die damit verbundenen Zielsetzungen dieser Master Thesis erläutert. Da die Komplexität der gewählten Themenstellung als sehr hoch erachtet wird, sind auch entsprechende inhaltliche Abgrenzungen definiert worden. Vorgängig wird im Vorwort die Würdigung aller Beteiligten und der zu behandelnden Thematik vorgenommen und im Management Summary eine Zusammenfassung dieser Arbeit zur Verfügung gestellt. Zum Kapitelende wird kurz das gewählte Vorgehen im Forschungsprozess erläutert.
1.4.2 Kapitel 2: Theoretischer Teil
Auf Grund der durchgeführten Literaturrecherche für diese Arbeit sind durch den Verfasser relevante Aspekte in Bezug auf das gewählte Thema isoliert und thematisch ausgearbeitet worden. Dabei wird im Kapitel 2 zuerst beschrieben, wie ein Familienunternehmen zu definieren ist und welche wirtschaftliche Bedeutung dieser Unternehmensform zukommt. Danach wird auf die Unternehmerfamilien mit den damit verbundenen Wertvorstellungen eingegangen und das entsprechende Führungsverständnis thematisiert. Nachfolgend werden die Möglichkeiten in der eigentlichen Nachfolgeplanung, mit dem damit verbundenen zeitlichen Aufwand und mit den Anspruchshaltungen und Erwartungen beider Seiten aufgezeigt.
Aufbauend auf diesen Grundlagen werden dann die wichtigsten psychologischen Aspekte in einer Nachfolgeplanung erklärt. Das dabei mögliche Konfliktpotenzial wird im Anschluss dargestellt. Zum Abschluss wird in diesem Kapitel noch auf die Unternehmensberater und -beraterinnen eingegangen und die Signifikanz dieser Drittpartei erläutert.
1.4.3 Kapitel 3: Methodischer Teil
Im 3. Kapitel wird auf das methodische Vorgehen dieser empirischen, wissenschaftlichen Studie eingegangen. Aufgrund der vorliegenden Forschungsfrage wurde durch den Verfasser die qualitative Forschungsmethode gewählt. Damit soll auch ein klarer Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung aufgezeigt werden können.
Aus den bisherigen Erkenntnissen aus dem Grobkonzept und dem Theorieteil dieser Master Thesis wurden durch weitere Literaturrecherchen als erster Schritt die beiden Leitfäden für die zwei unterschiedlichen Interviewgruppen erstellt.
So wurden mit Hilfe von leitfadengestützten Experten-Interviews qualitative Daten erhoben. Die Datenerfassung und die methodische Auswertung dieser Daten erfolgte anhand der qualitativen Inhaltsanalyse (Mayring, 2016). Vorgehend werden die gewählten Techniken und Verfahren erläutert.
Damit die qualitative Untersuchung dieser Arbeit auch relevante Aussagen zum Thema machen kann, sind einerseits Unternehmensberater mit Erfahrung in der Nachfolgeplanung von Familienunternehmen (Gruppe UB) und andererseits Familienunternehmer, welche die Nachfolgeplanung bereits abgeschlossen haben (Gruppe SFU), befragt worden. Pro Gruppe wurden mindestens drei Interviewpartner befragt. Um eine hohe Qualität bei den durchzuführenden Interviews gewährleisten zu können, wurde pro Gruppe jeweils vorgängig ein Pretest durchgeführt.
Die Fragestellungen für die Interviews wurden dabei auf Grund der Forschungsfrage anhand dem heutigen wissenschaftlichen Wissenstand entwickelt und sollen so die Verbindung zwischen dem wissenschaftlichen Arbeiten und der Empirie herstellen. Abschliessend wird in diesem Kapitel dann auf die Auswertung der erhobenen Daten eingetreten. Hier sind zudem die Grenzen der erfolgten Untersuchung zu erörtern.
1.4.4 Kapitel 4: Empirisch konstruktiver Teil
Die gewonnenen Erkenntnisse aus den Experteninterviews werden auf Grund der Signifikanz anschliessend den fünf definierten Themenblöcken zugeordnet und mit der Theorie verglichen. Die gemachten Aussagen der beiden Gruppen UB + SFU werden zudem miteinander verglichen und auf allfällige Gemeinsamkeiten überprüft. Dabei wird auch der Bezug zum Kapitel 2 (Theorie) bei den einzelnen Themenblöcken hergestellt. Am Ende dieses Kapitels wurde noch mittels der beschriebenen Ergebnisse auf die allgemeinen Synergien und Abweichungen der beiden Expertengruppen hingewiesen.
1.4.5 Kapitel 5: Schlussfolgerung und Handlungsempfehlungen
Im Kapitel 5 werden zuerst die gewonnenen wissenschaftlichen Ergebnisse zusammengefasst und mit der Forschungsfrage und den vordefinierten Subfragen abgeglichen. Dadurch werden dann die Fragestellungen beantwortet. Dank der gewonnenen Erkenntnisse wurden allgemeine wie auch expertengruppenspezifische Handlungsempfehlungen verfasst und die festgestellten Resultate kritisch gewürdigt. Zum Schluss wird in diesem Kapitel noch auf weiterführende mögliche Fragestellungen bezüglich dieses Forschungsthemas eingegangen.
Abbildung 1: Forschungsprozess dieser Master Thesis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung
2 THEORETISCHER TEIL
2.1 DEFINITION FAMILIENUNTERNEHMEN
2.1.1 Wirtschaftliche Bedeutung
Familienunternehmen sind weltweit gesehen eine wesentliche Treibkraft für die globale Marktwirtschaft. Die Formen reichen dabei von Einmann- oder Einfraubetrieben über Kleinst- und Kleinunternehmungen bis hin zum weltweit tätigen Konzern. Dabei gehören viele dieser Firmen in ihren Bereichen zu den Weltmarktführern. Wie wichtig diese Unternehmensform für fast jedes westliche Land ist, kann man anhand der nachfolgenden Statistik für Deutschland (nach der Stiftung Familienunternehmen) gut nachvollziehen.
Abbildung 2: Volkswirtschaftliche Bedeutung der Familienunternehmen in Deutschland
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anteil an allen aktiven Unternehmen Anteil an der Gesamtbeschäftigung Anteil am Gesamtumsatz
Quelle: Stiftung Familienunternehmen, Deutschland (2019).
Diese Angaben mögen von Land zu Land etwas unterschiedlich ausfallen: So sind es in England geschätzte 80 Prozent, dagegen befinden sich in den USA rund 70 Prozent aller Unternehmen in Familienbesitz (Binz Astrachan & Scherrer, 2017, S. 13). Jedenfalls zeigen diese Zahlen eine eindrückliche Signifikanz für die volkswirtschaftliche Bedeutung auf.
2.1.2 Mittelstand
In der Schweiz gehören rund 88 Prozent der Unternehmen zum sogenannten «Mittelstand» - die Herkunft dieser Bezeichnung bezieht sich zwar mehr auf die Grösse, die sogenannte Unternehmensgrössenstruktur, als auf die Struktur einer Unternehmung als solches. Alltagssprachlich aber wird diese Begrifflichkeit meist als Synonym für «Familienunternehmen» verwendet (Binz Astrachan & Rüsen, 2014, S. 64). Das Gabler Wirtschaftslexikon definiert die Begrifflichkeit gewerblicher Mittelstand als ein mittelständisches Unternehmen kleiner oder mittlerer Grösse. Der Mittelstand grenzt sich gegenüber grossen Unternehmen durch die folgenden wesentlichen Merkmale ab (Klodt, 2019):
- durch die Höhe des erwirtschafteten Jahresumsatzes;
- die Anzahl der Beschäftigten der Unternehmung;
- oder auch in Bezug zur Bilanzsumme gesehen.
2.1.3 Kleinere und mittlere Unternehmen (KMU)
Sogenannte kleine und mittlere Unternehmen, im Volksmund auch als KMU bezeichnet, können quantitativ oder aber auch qualitativ unterschieden werden. Die Charakteristik der qualitativen Kriterien von KMU sind laut der KMU-HSG (Schweizerisches Institut für Klein- und Mittelunternehmen an der Universität St. Gallen, 2003, S. 4) die folgende:
- Prägung des Betriebes durch die Persönlichkeit des Familienunternehmenden und seiner Familie (Kultur);
- Unternehmer und / oder Unternehmerin ist zugleich Eigenkapitalgeber und oberste Führungskraft aber auch der grösste Risikoträger;
- Persönliche Kontakte des Unternehmers zu den Mitarbeitenden;
- Fähigkeit zur Erstellung von Produkten und Dienstleistungen nach Leistungen und Mass;
- Strategische Erfolgsfaktoren in der gelebten Dienstleistungskompetenz aller Angestellten;
- Familie des Unternehmers ist in der Unternehmung aktiv tätig;
- Wenige Hierarchiestufen;
- Kein hoher Formalisierungsgrad.
Dabei kritisiert Graf (Graf, 2004, S. 12) bei den oben genannten qualitativen Kriterien, dass die Schwierigkeit durch die geringe Greifbarkeit der vorhandenen Indikatoren besteht. Die quantitativen Kriterien, die unter anderem durch die EU Empfehlung 2003/361 definiert wurden und auch auf der Internetplattform des IfM-Bonn (Welter & Kay, 2019) verfügbar sind, werden auf dieser Homepage wie folgt benannt:
Tabelle 2: KMU-Schwellenwerte der EU seit 01.01.2005
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Welter & Kay (2019).
Für statistische oder empirische Analysen werden KMU in der Regel nach der Zahl der Beschäftigten beziehungsweise der Umsatzgrösse, also nach klar quantitativen Gesichtspunkten, beurteilt. Laut Kluth (Kluth, 2011, S. 6) liegt dies in einem einfacheren Verständnis für klare Zahlen und Werte, anstelle von qualitativen Eigenschaften und Verhaltensweisen der Unternehmenden. Doch gerade bei den qualitativen Eigenschaften ergeben sich wichtige Merkmale, die es erlauben, Verständnis für die typische Denk- und Handlungsweise eines KMU zu erlangen. Somit kann man festhalten, dass es keine klare Definition über die Einordnung der einzelnen Betriebe gibt. Daher erscheint es wichtig, immer darauf zu verweisen, auf welcher Basis eine wissenschaftliche Erhebung erfolgt ist.
2.1.4 Das Familienunternehmen
In ihrer Ausprägung sind Familienunternehmen sehr unterschiedlich. Die Begrifflichkeit ist so auch nicht an eine bestimmte Rechtsform oder Unternehmensgrösse gebunden. Aber auch die Gestaltung und Einflussnahme der Familie auf das Unternehmen selber kann sehr unterschiedlich ausfallen (Frey, Halter & Zellweger, 2004; Nötzli Breinlinger, 2006, S. 17). Es ergeben sich so auch verschiedene Möglichkeiten zur Definition einer Familienunternehmung. Auch Hausch (2004) beschreibt eine Vielfalt von unterschiedlichen Definitionen zum Begriff, welche in der Literatur verfügbar sind (Hausch, 2004, S. 25).
Laut Frey, Halter & Zellweger (2004) gibt es zwei unterschiedliche Ansätze, um dieses Definitionsdilemma zu lösen. Einerseits kann man sich auf eindeutig unterscheidbare Verhaltensmuster von Familienunternehmen fokussieren, andererseits kann man sich auf den potenziellen Einfluss der Familie auf das Unternehmen ausrichten. Eine klare Definition der Begrifflichkeit für das, was der Forschende als Familienunternehmung im Studienfall ansieht, hilft, die Vergleichbarkeit von empirischen Studien sicherzustellen. Gerade in einem solchen Kontext ist es besonders wichtig, den Untersuchungsgegenstand klar einzugrenzen, um so zu möglichst genauen Forschungsergebnissen zu gelangen (Frey, Halter & Zellweger, 2004, S. 2).
Für diese Master Thesis gilt daher die nachfolgende Definition gemäss Chrisman, Chua & Steiner (2005) in Anlehnung an Binz Astrachan & Scherrer (2017): „Familienunternehmen sind Unternehmen, welche zu einem grossen Teil von einer Familie oder einem Eigentümerkreis, auf verwandtschaftlicher Basis, beeinflusst werden. Dabei kann es sich um Unternehmen handeln, welche vollständig, grösstenteils oder auch nur zu einem geringen, jedoch strategischen Anteil in Familienbesitz, befindlich sind.“ (Binz Astrachan & Scherrer, 2017, S. 12; Chrisman, Chua & Steier, 2005).
Somit gelten in dieser Arbeit Unternehmen als Familienunternehmen, sobald die Firma von Mitglieder einer Familie, beziehungsweise angeheiratete oder verwandte Familienstämme den Hauptanteil am Unternehmen halten, und wo eine solche Familie direkten Einfluss auf die strategische Ausrichtung einer Unternehmung mittels Eigentum, Steuerung (Governance), Führung und Vision bewirken kann oder konnte.
2.2 DIE UNTERNEHMENSFAMILIE
2.2.1 Die Familie als Konstrukt
Grundsätzlich handelt es sich bei dem Begriff Familie um eine Lebensform zwischen Frau und Mann, welche gemeinsam ein Kind oder mehrere Kinder erziehen und normalerweise auch zusammen leben. Dabei spricht man von der sogenannten Kernfamilie.
Familie lässt sich aber nicht nur als private Institution erklären. Die Familie hat auch eine soziale und kulturelle Aufgabe zu verrichten und als solche bedarf sie der gesellschaftlichen Bestätigung und Unterstützung (Eidgenössischen Kommission für Familienfragen EKFF, 2019).
Die Familie eines Familienunternehmens hat gegenüber einer Kernfamilie im herkömmlichen Sinn, in der Erziehung des eigenen Kindes oder der eigenen Kinder, noch zusätzliche Aufgaben. Die Erziehungsberechtigten solcher Unternehmensfamilien sollen ihrer nächsten Generation nicht nur die entsprechenden Werte- und Zielvorstellungen vermitteln, sondern sollten der kommenden Generation auch ein Konzept für das Zusammenleben als Unternehmerfamilie aufzeigen, den Stellenwert von Kindern als Nachkommen für das Unternehmen nahelegen, sowie die positiven Werte einer unternehmerischen Tätigkeit vermitteln. Ebenso wichtig ist dabei, dass die Kinder bewusst in offener Kommunikation und in einem positiven Konfliktverhalten geschult werden (Förster, 2002, S. 10).
2.2.2 Zusammenarbeit der Generationen
Eine persönliche und starke Beziehung zwischen dem Übergeber und dem Nachfolger im Hinblick auf eine hohe Qualität des Unternehmens ist ein kritischer Erfolgsfaktor für die erfolgreiche familieninterne Unternehmensübergabe (Burböck & Krenn, 2017, S. 4). Dies ist sicher auch eine ideale Voraussetzung für die betriebliche Zusammenarbeit der verschiedenen Generationen im Unternehmen.
2.2.3 Werte und Einstellungen
Das Familienunternehmen stellt in einer Unternehmensfamilie aus vielerlei Hinsicht den wichtigsten Bezugspunkt dar. Durch die Übernahme des Nachfolgers in einem Familienunternehmen übernimmt dieser oftmals auch eine zentrale Rolle in der Familienhierarchie. Daher ist die Familienharmonie ein wichtiger Faktor für die Funktion des Familienunternehmens und auch für die Nachfolgeplanung (Churchill & Hatten, 1987, S. 61; Friedman, 1991, S. 11; Goldberg & Wooldridge, 1993, S. 68; Lansberg & Astrachan, 1994, S. 41 in Burböck & Krenn, 2017, S. 4).
In einer Unternehmerfamilie kommt dem Begriff Vertrauen dabei ein besonderer Stellenwert zu. Es geht nicht nur um das gegenseitige Vertrauen in der Familie. Vertrauen heisst eben auch, sich selber zu trauen, und dies bedeutet, etwas zu wagen. Somit muss man auch das Altbewährte loslassen können. Wenn ein Senior-Unternehmer sein Lebenswerk nicht übergeben oder eben nicht loslassen kann, so zeigt er damit auch, dass er kein wesentliches Vertrauen in die Nachfolge hat. Wer nicht vertrauen kann, befürchtet nicht zuletzt einen Kontrollverlust und damit auch das in Kauf nehmen von Nachteilen. Natürlich sind solche Gefühle in dieser Situation nachvollziehbar. Denn der Übergebende hat ja sein ganzes Herzblut über Jahrzehnte in sein Unternehmen investiert und damit auch seine Identität mit dem Familienunternehmen stark verknüpft. Damit ist auch klar, dass es nicht leicht fallen kann, so etwas einfach loszulassen und in andere Hände zu übergeben (Graf, 2004, S. 34; Habig & Berninghaus, 2004).
Das Vertrauen in den Nachfolger und in die damit verbundenen Fähigkeiten und Absichten ist ein wegweisender Parameter im Nachfolgeprozess. Durch gegenseitiges Vertrauen kann die Nachfolgeplanung positiv beeinflusst werden. Dadurch wird die Aussicht auf Erfolg der Nachfolgeplanung und die gefühlte Zufriedenheit mit dem Nachfolgeprozess auf beiden Seiten gesteigert (Venter, Boshoff & Maas, 2006, S. 36).
2.2.4 Führung und Kommunikation in Familienunternehmen
Führung und Kommunikation sind zwei Bereiche in der Betriebswirtschaftslehre, welche unabhängig von Betriebsgrösse oder Art der Unternehmung über die erfolgreiche Zukunft mitbestimmen können (Mohe & Karczmarzyk, 2006, S. 7). Deshalb sollen diese Bereiche in Bezug auf die Familienunternehmen und auf die Nachfolgeplanung nachfolgend kurz erläutert werden.
Gerade in der Unternehmensführung eines Familienunternehmens ist es wichtig, gewissen Strukturen und Instrumenten eine hohe Aufmerksamkeit zu schenken. Durch die Festlegung einer klaren Unternehmenspolitik und ihrer Manifestierung in einem Unternehmensleitbild werden unter anderem die unternehmenspolitischen Vorgaben zur Gestaltung und Lenkung der Unternehmensnachfolge mitunter ausdrücklich definiert (Becker & Stephan, 2001, S. 30). Mit einer Corporate Governance beziehungsweise einer Familienverfassung kann die grundsätzliche Beziehung zwischen den Eigentümern und der operativen Leitung eines Familienunternehmens klar definiert werden. Dabei wird festgelegt, mit welchen Mitteln (Compliance- und Risikomanagement, interne Revision) und Strukturen (Verwaltungsrat, Geschäftsleitung, Familienrat, Mitarbeitervertretung usw.) die oberste Führung des Familienunternehmens geführt beziehungsweise kontrolliert wird (Abbildung 3).
Abbildung 3: Familienstrukturen und Unternehmensstrukturen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Koeberle-Schmid (2013, S. 21).
Mit diesen Strukturen wird sichergestellt, dass einerseits die Familie und ihre Mitglieder definiert wurden, ihr Verhältnis und Wirken untereinander geklärt sind und andererseits auch der Zugang zum Unternehmen festgelegt wurde. Im Unternehmen selber sind durch die Strukturen und die vorliegende Familienverfassung (Abbildung 3) klare Werte und Vorgaben vereinbart, wie und durch welches Gremium die Unternehmung zu leiten ist.
Die Grundlage einer funktionierenden Governance für ein Familienunternehmen bilden dabei die beiden Grundsätze „Faire Prozesse“ und die „Professionelle Inhaberschaft“.
Abbildung 4: Grundlage für Governance in Familienunternehmen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Koeberle-Schmid (2013, S. 22).
Mit dem Bekennen zu einer solchen Führungsverpflichtung (Abbildung 4) kann die Unternehmerfamilie durch faire Prozesse klare Spielregeln für ihr eigenes Unternehmen definieren und damit auch bei den internen und externen Anspruchsgruppen die nötige Transparenz schaffen, was sich wiederum in der Unternehmenskultur widerspiegelt. Durch eine professionelle Inhaberschaft und durch die Verpflichtung, das Unternehmen wie ein verantwortungsvoller Dritter zu leiten, stellt die Unternehmerfamilie sicher, dass die Grundlage für einen langfristigen Erfolg und einen langen Fortbestand der Unternehmung gesichert ist (Koeberle-Schmid, 2013, S. 21). In einem solchen Fall kann man auch von einem transformationellen Führungsstil sprechen, der sich durch die genannten Attribute auszeichnet. Nachfolgend wird dieser Führungsprozess mit den damit verbundenen Wechselwirkungen in der Systematik einer Familienunternehmung aufgezeigt (Abbildung 5).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Laut Frey benötigt es drei substanzielle Faktoren, die zu einem Gelingen der Nachfolgeplanung beitragen können. Diese Faktoren beinhalten drei Komponenten, nämlich die strategische, die normative und die operative Ebene. Mit der strategischen Ausrichtung (Eigner-Strategie) muss sichergestellt sein, dass dem Unternehmen eine klare Stossrichtung über die eigentliche Übergabe hinaus gegeben wird. So kann die Erwartungssicherheit aller Anspruchsgruppen jederzeit gewährleistet werden. Auf der normativen Ebene muss sichergestellt sein, dass die gemeinsamen Werte und Wertvorstellungen von Übergeber und Nachfolger möglichst deckungsgleich sind. Somit kann garantiert werden, dass eine gemeinsame Vertrauensbasis für den Prozess geschaffen werden kann. Auf der operativen Ebene geht es dann um die eigentliche Umsetzung der Übergabe. Dies bedingt aber eine konsequente Kommunikation mit allen Beteiligten (Frey, 2007, S. 9-10).
2.3 DIE NACHFOLGEPLANUNG IN FAMILIENUNTERNEHMEN
2.3.1 Varianten der Nachfolgeplanung
In der unten aufgeführten Grafik sind die wohl wichtigsten Nachfolgemöglichkeiten nach Menke (1998) aufgeführt. Die Kenntnis über die verschiedenen Nachfolgeoptionen ist für das Verständnis dieser Master Thesis zwar wichtig, dennoch wird hier nur der Teil der familieninternen Nachfolge behandelt.
Abbildung 6: Nachfolgealternativen für Familienunternehmen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Menke (1998, S. 44).
In Familienunternehmen geht es grundsätzlich zuerst um den Entscheid, ob ein Nachfolger innerhalb der Familie gefunden werden kann, der auch die Fähigkeiten besitzt, das Unternehmen in die Zukunft zu führen. Ist dies nicht der Fall, so muss ein Nachfolger ausserhalb der Familie gesucht und verpflichtet werden. Dabei spielt es keine Rolle, welche der beiden grundlegenden Optionen gewählt wird. Auch die genauen, vielfältigen Faktoren dafür fallen nicht besonders ins Gewicht. Kluth (2011) fasst diese Faktoren in die drei entscheidenden Kräfte zusammen, welche die Entscheidung für eine interne oder externe Nachfolge unmittelbar beeinflussen:
- Wille des Senior-Familienunternehmers und / oder der Senior-Familienunternehmerin
- Wille des Unternehmens
- Wille der Unternehmerfamilie
Zuletzt entscheidet natürlich die abtretende Generation über die Art und Weise der Firmenübergabe (Kluth, 2011, S. 11). Während einer solchen Phase ergeben sich bei den Anspruchsgruppen natürlich auch entsprechende Erwartungshaltungen, Ansprüche aber auch Ängste.
2.3.2 Zeitpunkt und Dauer der Nachfolgeplanung
Um rechtzeitig eine für alle Stakeholder geeignete Nachfolgelösung zu eruieren, ist es für die abtretende Generation absolut ratsam, sich frühzeitig durch einen externen Experten beraten zu lassen. Durch die externe Sicht können neue Perspektiven in den Prozess miteinfliessen, welche vorher gar nicht beachtet worden sind. Mit dieser strukturierten Art der Planung kann eine nachhaltigere Nachfolgelösung erzielt werden (Wimmer, Groth & Simon, 2004, S. 67).
Abbildung 7: Nachfolgeprozess
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Mertens (2009, S. 94).
Welche Fragen in einem solchen Prozess beantwortet und welche Entscheide gefällt werden müssen, zeigt die obige Grafik Nachfolgeprozess (Abbildung 7) gut auf. So sind auf der Zeitachse von der Planung bis zur Umsetzung mit durchschnittlich fünf bis sieben Jahren zu rechnen. Aber auch nur dann, wenn der Abtretende zur „Stabsübergabe“ bereit ist, der Nachfolger bereits bekannt ist sowie im besten Fall bereits seit seiner Kindheit auf diese Aufgabe vorbereitet wurde und dies sich auch so gewünscht hat. Diese Voraussetzungen sind der Idealfall in einer Nachfolgelösung. Sind diese Voraussetzungen aber nicht gegeben, dann kann sich eine Nachfolge auch über zehn Jahre hinziehen.
Laut Graf kann ein zeitnaher Rückzug des Senior-Unternehmers von der Unternehmerrolle, und damit aus der operativen Leitung, für einen erfolgreichen Generationenwechsel sehr hilfreich sein (Graf, 2004, S. 120). Dieser Punkt sollte bereits bei der Planung des Prozesses aktiv besprochen und geplant werden.
2.3.3 Motive
Das wichtigste Motiv einer Nachfolgeregelung muss hauptsächlich darin bestehen, die Existenz des Unternehmens längerfristig zu gewährleisten. Dies ist als Voraussetzung für die Erreichung der individuellen Ziele aller Beteiligten unabdingbar (Becker & Stephan, 2001, S. 8). Die monetäre Zielsetzung aus Sicht des Unternehmers oder der Unternehmerin besteht darin, einen möglichst hohen Verkaufserlös zu erzielen (Wächtler, 2016, S. 179). Dies spielt vor allem eine Rolle, wenn das Familienunternehmen an Dritte (MBI) oder an die eigenen Mitarbeitenden (MBO) verkauft werden soll. Meistens ergeben sich durch emotionale Aspekte und durch das damit verbundene Miterwerben von Unternehmer-Know-how (siehe auch 2.4.3 Die Prinzipal-Agenten-Theorie) divergente Preisvorstellungen zwischen Verkäufer und Käufer. Der Käufer will natürlich so wenig wie möglich für das Unternehmen zahlen, da er davon ausgehen muss, dass er nach dem Kauf auch noch Geld ins Unternehmen zu investieren hat, also benötigt er noch entsprechendes Kapital. Dies führt nicht selten zu einem Abbruch der Verhandlungen. Wird das Unternehmen in der Familie behalten, sind es meist die Faktoren von Steueroptimierungen und der finanziellen Absicherung der abtretenden Generation, die zwischen Käufer und Verkäufer verschieden beurteilt werden.
Empirische Studien weisen aber klar nach, dass auch nicht-monetäre Motive für SeniorFamilienunternehmer und -unternehmerinnen von einer hohen Relevanz in der Nachfolgeplanung sind (Ebner, 2011, S. 114).
Dabei ist es für die Übergeber bei der Entscheidung für einen Nachfolger besonders wichtig:
- dass der Fortbestand des Unternehmens gesichert ist;
- dass der Erhalt des guten Rufs sowohl des Unternehmens als auch des Übergebers bestehen bleibt;
- dass die Wahrung der bisherigen Unternehmenskultur erhalten wird.
So sind gemäss Ebner (2011) in der Hälfte der untersuchten Fälle nicht die höchstbietenden Finanzinvestoren zum Zuge gekommen, sondern der potenzielle Nachfolger, der mit einem klaren Konzept zur Zukunftssicherung überzeugt hat.
Hier kann die emotionale Bindung des Senior-Familienunternehmers oder der -unternehmerin an das Unternehmen der monetären Verwertung sogar im Weg stehen.
Mögliche weitere Ausprägungen von nicht-monetären Zielen sind die folgenden (Wächtler, 2016, S. 179 ff.):
- Die Sicherung der geschaffenen Arbeitsplätze.
- Die Sicherung und Förderung des eigenen sozialen Anschlusses.
- Der Erhalt des eigenen (Familien-) Firmennamens.
- Der langfristige Erhalt eines eigenständigen Unternehmens.
- Streben nach Wachstum und laufender Innovation.
- Zielsetzung des Übergebers kann auch sein, weiterhin massgeblichen Einfluss auf das Unternehmen behalten zu können (selbst nach einer Übergabe, zum Beispiel als „Graue Eminenz“).
- Streben nach Aufrechterhaltung von Abhängigkeitsverhältnissen, zum Beispiel gegenüber Mitarbeitern, der Familie, ja sogar dem Nachfolger.
2.3.4 Übergebender Teil
Laut der neusten Studie von PriceWaterhouseCoopers (PWC) fordern SeniorFamilienunternehmer und -unternehmerinnen von den potenziellen Nachfolgern unter den Familienmitgliedern drei wichtige Qualifikationen (Kühnis, N.; & Leimer, 2019, S. 26):
- 82 Prozent erwarten, dass die Nachfolger ausserhalb des eigenen Unternehmens Berufserfahrung gesammelt haben.
- 78 Prozent erwarten, dass die potenziellen Nachfolger auch im eigenen Unternehmen mitgearbeitet haben.
- 73 Prozent der befragten Unternehmer und Unternehmerinnen verlangen, dass die nachfolgende Generation der offiziellen Stellenspezifikation entspricht. Die nachfolgenden Familienmitglieder müssen somit eine mindestens gleiche Eignung aufweisen, wie dies bei einem Nichtfamilienmitglied der Fall wäre.
Die Sicherung der Nachfolge eines Unternehmens und damit auch der Unternehmung selber ist für einen Familienunternehmer oder eine Familienunternehmerin das höchste Ziel, stellt aber mitunter eine der grössten unternehmerischen Leistungen überhaupt dar. Dieser Einschnitt oder Umbruch bezeichnet eine der umfassendsten Managementaufgaben, die über ähnlich langfristige Konsequenzen verfügt, wie dies bei einer Unternehmensgründung der Fall ist (Felden & Klaus, 2007 in Moog et al., 2009, S. 2).
Auch dies zeigt wiederum, wie wichtig das Vertrauen in die Fähigkeiten und Intentionen des Nachfolgers durch den Übergebenden sein müssen. Daher kann Vertrauen als eine sehr wichtige Einflussgrösse im Nachfolgeprozess ausgemacht werden, da die Bereitschaft des Übergebers, das Familienunternehmen zu übergeben, durch Vertrauen sicher positiv beeinflusst wird. Durch das entgegengebrachte Vertrauen wird aber auch die Bereitschaft des Nachfolgers, das Familienunternehmen zu übernehmen, positiv geprägt. Entgegengebrachtes Vertrauen erhöht somit die erfolgreiche Umsetzung im Nachfolgeprozess und wirkt sich nachweislich ebenfalls auf die Zufriedenheit mit dem umgesetzten Nachfolgeprozess aus (Venter, Boshoff & Maas, 2005, S. 289).
Ganz entscheidend für die abgebende Generation ist weiter die Tatsache, dass sie sich frühzeitig mit der emotionalen Loslösung vom eigenen Unternehmen zwingend beschäftigen muss. Auch nach der Ablösung durch die nachfolgende Generation benötigt der Unternehmer beziehungsweise die Unternehmerin eine sinnstiftende Tätigkeit. Sei dies im Verwaltungsrat eines anderen Unternehmens oder aber als Mentor für den eigenen Nachfolger, sofern die beiderseitigen Rollen geklärt und akzeptiert sind (Wimmer et al., 2004, S. 67).
Werden für solche Situationen keine klaren Regeln definiert, so kann dies im Nachhinein zu hohen Spannungen im Unternehmen oder aber gar zu einer Spaltung der Familie führen.
2.3.5 Übernehmender Teil
Die Bereitschaft zur Übernahme muss nicht nur beim übergebenden Teil vorhanden sein, sondern vielmehr auch der übernehmende Teil hat gleichermassen den Wunsch und das Interesse an der Betriebsübernahme aktiv zu äussern (Sharma, 2004, S. 13 in Burböck & Krenn, 2017, S. 5). Denn der eigene Wille, das Familienunternehmen zu übernehmen, ist zuallererst auch eine Entscheidung gegen alle anderen Optionen eines selbstbestimmten Lebensweges des Nachfolgers (Schlippe & Rüsen, 2009, S. 59).
Unternehmereltern können sich meistens nicht vorstellen, dass das Unternehmen auch anders geleitet werden kann, als sie dies immer gemacht haben. Aber Unternehmerkinder fühlen sich auf Grund des heutigen Zeitgeistes nicht mehr so existenziell vom eigenen Unternehmen abhängig, sie sehen daher auch keinen Grund, das Unternehmen mit dem gleich hohen Aufwand und derselben Selbstaufgabe zu führen, wie das die Eltern oder Grosseltern gemacht haben (Schlippe & Rüsen, 2009, S. 59). Diese Einschätzungen und Zielsetzungen sollten aber durch die nachfolgende Generation in der Familie unbedingt thematisiert werden. Der Nachfolger muss auch dafür Sorge tragen, dass er sich im Unternehmen seine eigene Position und das damit verbundene Ansehen verschafft. Dabei hilft sicher auch die gewonnene Berufs- und Führungserfahrung ausserhalb des Familienbetriebes (Schlippe & Rüsen, 2009).
Auch Venter, Boshoff & Mass (2005) kommen bei ihrem Modell (Abbildung 8) auf die gleichen Punkte zu sprechen, die es in diesem Prozess der beiden Hauptakteure für eine erfolgreiche Übernahme benötigt:
Abbildung 8: Theoretisches Modell der Nachfolgefaktoren, die eine erfolgreiche Nachfolge beeinflussen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Dies fördert mit Sicherheit die persönliche Weiterentwicklung der nachfolgenden Generation. Es kann aber auch zur persönlichen Kränkung des durch den Nachfolgeprozess bereits belasteten Senior-Unternehmers oder der -Unternehmerin führen. Somit gilt es für den Junior, in solchen Punkten feinfühlig vorzugehen. Gleichzeitig muss er aber auch seine Meinung und Wünsche klar vertreten.
2.3.6 Alternativen in der Nachfolgelösung
Natürlich gibt es immer eine Alternative zu der bestehenden oder geplanten familieninternen Nachfolge. Aber es gibt immer nur eine optimale Lösung. Jedoch ist es manchmal nötig, zum Beispiel aus zeitlicher Sicht oder aus Gründen von fehlenden Nachkommen, eine alternative Nachfolgeregelung für das eigene Unternehmen zu finden. Die folgenden Alternativen werden nachfolgend kurz erläutert (Halter & Kammerlander, 2014):
- Interimslösung beziehungsweise die vorgezogene Regelung der Führungsnachfolge (z.B. ein Interims-Management oder ein angestellter Geschäftsführer) während das gesamte Eigentum nach wie vor innerhalb der Familie einbehalten wird.
- Management-Buy-Out (MBO), also die Übernahme der Firma durch einen Mitarbeiter oder durch mehrere Mitarbeitende (bietet viele Vorteile für die Unternehmerfamilie und für Mitarbeitende). Diese Form der Übernahme ist für eine alternative Nachfolgeplanung sehr empfehlenswert.
- Management-Buy-In (MBI) oder der Verkauf der Unternehmung an Dritte. Dies ist dabei die einfachste Variante der Nachfolgelösung, vorausgesetzt, die beiden Parteien werden sich über den Verkaufspreis einig.
2.4 PSYCHOLOGISCHE ASPEKTE EINER UNTERNEHMENSNACHFOLGE (SYSTEME UND MODELLE)
2.4.1 Das Dreikreismodell nach Simon
Ursprünglich stammt das Dreikreismodell von Tagiuri und Davis (Tagiuri & Davis, 1996) und wurde auf Grund des neuen theoretischen Ansatzes und der einfachen Verständlichkeit schnell verbreitet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die drei überschneidenden Kreise sollen gemäss Simon (2011, S. 10) die Besonderheiten von Familienunternehmen aufzeigen (Abbildung 9). Die drei Kreise widerspiegeln dabei die unterschiedlichen Systeme der Familie, des Familienunternehmens und die des Eigentums der Familie. Dabei ist jeder Kreis auch ein soziales System für sich. Je nach Rolle müssen die einzelnen Individuen in allen Systemen (teilweise auch gleichzeitig) agieren und auch Entscheidungen treffen. Es gibt aber keine Akteure, die eine Doppelrolle in dieser Systematik haben. Zusätzlich sind die einzelnen Systeme in einem ständigen Austausch. Doch die drei unterschiedlichen Systeme weisen auch abweichende Handlungslogiken auf.
So sind einerseits in der Familie erlebbare Beziehungen und die Emotionen der Mitglieder massgebend. Das eigene Familienunternehmen unterliegt jedoch ganz anderen formalen Regeln und ist gewinnorientiert und generationsübergreifend ausgerichtet. Das Eigentum wiederum unterliegt zum Beispiel steuerrechtlichen Vorgaben, vertraglichen Abmachungen und den zu tätigenden Investitionen.
Diese drei Systeme können sich somit unterschiedlich stark überschneiden oder gar überdecken. So lässt sich feststellen, dass die Familien- und Unternehmensdynamik, egal ob positiv oder negativ bewertet, immer aus dem Spannungsverhältnis dieser drei Systeme heraus erfolgt (Simon, 2011, S. 10). Durch die Koppelung dieser unterschiedlichen Systeme lassen sich viele Konflikte gerade in der Nachfolgeplanung erklären oder sogar sichtbar machen oder erklären.
2.4.2 Rollenepisode
Jeder Mensch hat gewisse Rollen in den unterschiedlichsten Organisationen, die er wahrzunehmen hat. Die Merkmale dieser Organisationen beeinflussen dabei ihre Mitglieder sowohl im psychischen und emotionalen Wohlbefinden als auch im Verhalten. Dabei wird in diesem Modell der Rollenepisode zwischen der objektiven, also realen Welt (zum Beispiel ein Ereignis), und der psychologischen Umgebung (das bewusste und unbewusste Auftreten einer Person) unterschieden.
Objektive Organisationen sind dabei gemäss (Kahn et al., 1965) offene, dynamische und soziale Systeme, die über einen andauernden Prozess von Input, Transformation und Output funktionieren (Kahn et al., 1965). Als Input können Menschen, Material oder Energie dienen. Unter Output werden oft Produkte oder Dienstleistungen verstanden. Die Struktur dieser sozialen Systematik besteht aus regelmässigen Aktivitäten von den Personen, die sich in der Organisation befinden. Diese Aktivitäten werden auch als sogenanntes Rollenverhalten bezeichnet. Damit meint man das wiederholende Verhalten einer Person, welches im Verhältnis zu anderen Personen gesehen wird. Beachtet man jetzt die wichtigsten Merkmale dieser Verhaltensweisen, die ein Rollenverhalten bestimmen, dann spricht man von Rollen. Eine Rolle hat zum Beispiel ein Unternehmer in seiner Firma inne.
So kann mit diesem Modell die Wechselwirkung zwischen dem Rollenempfänger (er handelt gemäss seiner Rolle) und dem Rollensender (der bestimmte Erwartungen an den Empfänger äussert) dargestellt werden.
Zusätzlich werden in diesem Layout noch organisationale Einflüsse, soziale Beziehungen (zwischen den Rollenpartnern) sowie die Persönlichkeitsmerkmale des Rollenempfängers mit einbezogen.
Wenn verschiedene Mitglieder einer Organisation unterschiedliche Rollenerwartungen an eine bestimmte Person herantragen und diese Person zu gegensätzlichem Verhalten drängen, dann entsteht zwangsweise Stress. Die so entstehenden und nicht zu vereinbarenden Anforderungen schlagen sich beim Rollenempfänger als Rollenkonflikt nieder. Rollenkonflikte entstehen also dadurch, dass die Erfüllung der einen Rollenerwartung die andere negativ beeinflusst (Kloibhofer, 2005, S. 3-4).
Im nachfolgenden Modell (Abbildung 10) lässt sich der ständige Ablauf dieser Wechselwirkungen zwischen Personen innerhalb einer Organisation gut erkennen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Kahn et al. (1965, S. 30).
Daher sollte man bei der Kommunikation zwingend zwischen qualitativen und quantitativen Sachverhalten unterscheiden. Wie Kommunikation in einer Rollenkonstellation definiert ist, und wie häufig diese stattfindet, kann unter anderem auch über die Art und Weise der Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Rollenspielern klare Aussagen zulassen. Dabei sind aber hohe Kontakt- und Kommunikationsfrequenzen nicht unbedingt ein Indiz dafür, dass auch zwingend Rückschlüsse über die Intensität der sozialen Beziehungen gemacht werden können. So kann man also eine verwandtschaftliche Kommunikationshäufigkeit nicht grundsätzlich als Indiz einer besonders positiv empfundenen Beziehung werten. Bei der qualitativen Betrachtung von Kommunikation erhält die Konstellation der einzelnen Rollen eine besondere Bedeutung. Für ein Familienunternehmen ist es typisch, dass die familiäre Art und Weise der Kommunikation auch die unternehmerischen Entscheidungsprozesse prägt. Die Art und Weise wie (qualitativ) und wie oft (quantitativ) man sich in der Unternehmerfamilie über die wichtigen Themen verständigt und wie auf Grund der vorangegangenen Kommunikation dann etwas umgesetzt wird, lässt auf die Kultur einer Unternehmerfamilie schliessen.
Werden solche Diskussionen in der Konstellation der Familie nicht oder nicht ausreichend geführt, dann kann man davon ausgehen, dass sich diese Art und Weise der Kommunikation auch im Familienunternehmen wiederfindet. Dabei geht es teilweise nicht um eigentliche Kommunikation, sondern vielmehr um die Erwartungshaltung des Senders an den empfangenden Rollenträger beziehungsweise die Rollenträgerin. Dies kann so weit gehen, dass auch die Mitarbeitenden diese Art und Weise der Kommunikation aufnehmen, da sie sich häufig in solchen Bereichen an der Unternehmensleitung orientieren (Bronner, Appel & Wiemann, 2014, S. 154).
2.4.3 Prinzipal-Agenten-Theorie
Die Prinzipal-Agenten-Theorie setzt sich mit den Fragen asymmetrischer Informationsverteilung auseinander (Jensen & Meckling, 1976).
Es geht dabei grundsätzlich um einen Informationsvorsprung zwischen zwei Parteien. Dabei handelt es sich bei diesem Modell einerseits um den Prinzipal (den Auftraggeber), der über die zusätzlichen Informationen verfügt, und anderseits um den Agenten (den Dienstleister / Ausführer). Die Theorie geht davon aus, dass der Prinzipal bezüglich seines Wohlergehens vom Agenten abhängig ist. Ebenso wird angenommen, dass beide Parteien den Eigennutzen maximieren möchten. Sie handeln also beide opportunistisch und nehmen damit die Schädigung des Vertragspartners vor, während oder nach dem Vertragsabschluss gegebenenfalls wohlwissentlich in Kauf.
Es gilt daher vorrangig, die Interessen des Prinzipals und des Agenten in Einklang zu bringen beziehungsweise Informationsasymmetrien möglichst gering zu halten oder sie im Beratungsprozess zu verringern (Moog et al., 2009, S. 4).
Gelingt dies nicht, können je nach dem Stand der Vertragsverhandlungen die folgenden Problematiken entstehen:
Adverse Selection
Häufig fehlen dem Prinzipal die nötigen Informationen über die genauen Eigenschaften des Agenten, über die er aus seiner Sicht verfügen müsste. Somit kann der Prinzipal auch kein vollkommenes Vertrauen in den Agenten haben. Daher kann es dazu kommen, dass sich der Prinzipal aus Unsicherheit über die vorhandenen Fähigkeiten oder über den unbekannten Leistungswillen des Agenten gegen einen Vertragsabschluss entscheidet und somit einen anderen Agenten bevorzugt.
Hold Up
Der Begriff stammt aus dem englischen Sprachgebrauch und wird mit „Überfall“ übersetzt. Dies beinhaltet das Risiko für den Prinzipal, dass er das opportunistische Verhalten des Agenten zwar beobachten, jedoch nicht verhindern kann. Dabei empfindet der Prinzipal das Verhalten des Agenten als verwerflich, kann dies aber gegenüber Dritten nicht geltend machen.
Moral Hazard
In der Versicherungsbranche bedeutet dieser Ausdruck, dass die Kunden nach Vertragsabschluss sich nicht mehr mit derselben Sorgfaltspflicht um die versicherte Ware bemühen, wie dies noch vor dem Vertragsabschluss der Fall war. In diesem Kontext verfügen somit beide Seiten vor Vertragsbeginn über dieselben Informationen. Die Informationssymmetrie entsteht erst im Verlauf der Vertragsbeziehung. Denn durch einen bindenden Vertrag wird der Agent vom Prinzipal dazu verpflichtet, bestimmte Aufgaben zu übernehmen. Sobald der Vertrag jedoch unterschrieben ist, kann der Agent aber frei entscheiden, auf welche Art und Weise er den Auftrag erfüllen will. Dadurch beeinflussen seine Handlungen hier nicht nur seinen eigenen Nutzen, sondern auch den des Prinzipals.
2.5 KONFLIKTPOTENZIAL
2.5.1 Ambivalenz
Wenn man bei einer Nachfolgeplanung mit einer durchschnittlichen Planungs- und Umsetzungszeit von rund fünf bis sieben Jahren rechnet, dann bedeutet dies für den Unternehmer, dass er sich zwischen 50 und 55 Jahren mit der Thematik der Nachfolgeplanung aktiv befassen muss. Dies stellt für einen erfolgreichen Unternehmer oder eine erfolgreiche Unternehmerin eine sehr ambivalente Lebenssituation dar. Wenn er oder sie über Jahrzehnte die Geschicke von Familie und Unternehmen geleitet hat und plötzlich vor der Übergabe steht, dann braucht er oder sie sicher vertrauensvolle Gesprächspartner oder aber auch eine externe Beratung. Denn laut LeMar (2001) und Graf (2004) kann es vorkommen, dass ein Senior-Unternehmer oder eine -Unternehmerin durch die bevorstehende Nachfolgeplanung das Gefühl erhält, bei der Übergabe einen Identitätsverlust zu erleiden. Wenn er so stark an seinem Unternehmen und an der damit verbundenen Rolle hängt, kann dies die Übergabe an die nächste Generation erschweren oder gar vereiteln (LeMar, 2001, S. 94 in Graf, 2004, S. 38).
2.5.2 Emotionalität
Familiäre Handlungen werden grundsätzlich durch Emotionen beeinflusst. Wenn eine Unternehmerfamilie auf Grund von fehlender Kommunikation das System bereits dysfunktional belastet hat, da es bereits durch ungelöste Konflikte geprägt ist, führt eine Krise im Unternehmen voraussichtlich auch zu einer Verschlimmerung der Probleme innerhalb der Familie (Binz Astrachan & Scherrer, 2017, S. 18). Es ist deshalb davon auszugehen, dass solche „vorbelasteten“ Unternehmerfamilien durch eine Nachfolgeplanung zusätzlich stark belastet werden.
Aber auch eine gut funktionierende Unternehmerfamilie wird durch den Prozess der Nachfolgeplanung auf die Probe gestellt. Denn als Senior-Unternehmer oder -Unternehmerin loslassen zu können, ist wohl eine der schwierigsten Disziplinen in der Unternehmenstätigkeit und kann mitentscheidend sein, ob die Nachfolge gelingt oder nicht. Dabei kann der Rückzug selber in Etappen erfolgen. Aber die Erkenntnis und das damit einhergehende Akzeptieren dieser Notwendigkeit, frei nach dem Motto; „Erkannte Gefahr, gleich halbe Gefahr”, ist der erste essenzielle Schritt in diesem Prozess, der sicherlich emotional sehr anstrengend ist (Müller-Ganz et al., 2000, S. 27).
2.5.3 Spannungsfeld zwischen Unternehmer und Familie
Wie bereits erwähnt, bewegen sich Familienunternehmer und -unternehmerinnen gleichzeitig in den unterschiedlichen Systemen, nämlich im System der Familie und in dem des eigenen Unternehmens. Mit der dadurch entstehenden Kopplung der beiden Systeme mit der damit verbundenen Koexistenz ist meist ein klarer Effekt für die Familiendynamik zu erwarten. So entstehen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit bestimmte Konstellationen, welche in der Familie oder in der Beziehung der einzelnen Familienmitglieder eine gewisse Bewegung auslösen. Diese Dynamik ist bei einzelnen Familienmitgliedern mit spezifisch psychischen und sozialen Anforderungen verbunden (Simon, 2011, S. 36). So vermischen sich Verhaltensweisen, insbesondere die Rollen mit den Erwartungen der beiden Systeme der Familie und des Unternehmens (siehe auch 2.4.1 Das Dreikreismodell nach Simon). Dabei werden die Fehleinschätzungen der Eignung und der Individualität und / oder der persönlichen Einstellungen eines Nachfolgers als häufigste Ursache für missglückte Nachfolgen angesehen (Nuber, 2002).
2.5.4 Verhältnis zwischen Vorgänger und Nachfolger
Ein Sprichwort besagt, dass Streit in den besten Familien vorkommt. Dies ist auch in jeder Beziehung ein ganz gewöhnlicher Vorgang. Die Frage stellt sich nur, wie die beiden Parteien damit umgehen. Konflikte eskalieren vielfach aus Gründen von Machtkämpfen. Diese können dann wiederum nur beendet werden, wenn die beiden Streitparteien den eigenen Anteil an der Auseinandersetzung erkennen können und für ihr gewähltes Handeln bereit sind, die Eigenverantwortung zu übernehmen. Gemäss dem Modell der Eskalationsstufen kann ein Konflikt in einer frühen Phase durchaus noch durch die zwei Parteien selber geschlichtet werden, und wieder auf eine konstruktive Art der Kommunikation zurückgefunden werden. Dabei hilft es sicher, wenn man schwierige Themen sofort anspricht, und aktiv nach einer Klärung für das Problem sucht.
Im Fall von einem Senior-Familienunternehmer oder einer -unternehmerin und dem Nachfolger oder der Nachfolgerin bedeutet dies (LeMar, 2014, S. 218):
- Gemeinsam bewusst machen, wie wichtig das System Familie für das Unternehmen und den Zusammenhalt ist und dies auch eine hohe Aufmerksamkeit von allen Parteien erfordert.
- Dass man gegenseitige Offenheit für die Meinung des anderen zeigt.
- Gegenseitig auf vergangene Erfolge hinwiesen und gemeinsam Schwachstellen beheben.
Zudem wirkt sich ein unbeschwertes Verhältnis zwischen Vorgänger und Nachfolger positiv auf das Familienunternehmen aus und wird so auch zu einer Konfliktvermeidung oder aber zu einer Konfliktabschwächung im Nachfolgeprozess führen. Der Prozess wird durch das gegenseitige Vertrauen und durch die Akzeptanz der beiden Rollen getragen, obwohl die Anforderungen und Anspannungen in diesem Prozess für beide Seiten erheblich sind (Diez, Weber, John & Rechenauer, 1990, S. 29).
2.5.5 Verhältnis zu den Mitarbeitenden
Die Mitarbeitenden haben hinsichtlich der Qualifikation eines Nachfolgers ganz klare Vorstellungen. Durch die Fach- und Führungskompetenz kann der Nachfolger das Vertrauen zu den Mitarbeitenden positiv beeinflussen. Dies ist eine erste wichtige Voraussetzung für ein fruchtbares Klima während und nach der Übernahme durch den Nachfolger oder der Nachfolgerin. Die Mitarbeitenden erwarten vom Nachfolgenden aber auch ein selbstständiges Denken und einen innovativen Charakter. Dies führt neben der gründlichen Fachausbildung und einer guten Allgemeinbildung des Nachfolgenden zu einer breiten Akzeptanz des Nachfolgers bei den Mitarbeitenden (Wimmer, Domayer, Oswald & Vater, 2018, S. 63). Mit dem Ausscheiden des Abtretenden und dem damit entstandenen Vakuum der abgeflossenen Kompetenz und Erfahrung bilden sich bei den Mitarbeitenden unter anderem gewisse Zukunftsängste. Diese Ängste können durch den Nachfolger oder die Nachfolgerin nur durch eine fundierte Qualifikation und durch vorhandene Führungskompetenz des Nachfolgers oder der Nachfolgerin aufgefangen werden. Kann der Nachfolgende eine dieser beiden Kriterien nicht erfüllen, dann wird er die eigenen Mitarbeitenden nur schwer von der Wichtigkeit seiner neuen Ideen und Vorgehensweisen überzeugen können (Bronner et al., 2014, S. 48).
2.6 UNTERNEHMENSBERATUNGEN IM NACHFOLGEPROZESS
2.6.1 Notwendigkeit externer Unternehmensberater
Gemäss Aussagen der Europäischen Kommission werden in den nächsten zehn Jahren rund 1,5 Millionen Unternehmen an der Nachfolge scheitern und wegen eines nicht näher spezifizierten Nachfolgeproblems schliessen, damit einhergehend steht dabei ein Verlust von rund sechs Millionen Arbeitsplätzen auf dem Spiel. Eine im Jahr 2011veröffentlichte Studie der Kommission zur Unternehmensdynamik hält zudem fest, dass allein auf Grund von ineffektiven Nachfolgeplanungen jährlich rund 150'000 Betriebe mit ungefähr 600'000 Arbeitsplätzen in der Europäischen Union (EU) verloren gehen (Europäische Union, 2013, S. 14).
Genau daher könnte man auch auf die Vermutung kommen, dass Familienunternehmen im Vergleich zu nicht familiengeführten Unternehmen über eine “natürliche” Beratungsresistenz verfügen. Dem widerspricht jedoch die Wissenschaft. So nehmen laut einer empirischen Untersuchung aus dem Jahr 2010 durch das IfM Bonn in Deutschland sogar mehr Familienunternehmen die Dienste von Unternehmensberaterinnen und -beratern in Anspruch, als dies bei nicht familiengeführten Unternehmen vorkommt (Brink, 2010, S. 8).
Abbildung 11: Inanspruchnahme von Unternehmensberatungsleistungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Brink (2010, S. 8).
Die Gründe für die Inanspruchnahme sind dabei auch in Familienunternehmen (Abbildung 11) dieselben, wie dies bei nicht familiengeführten Unternehmen (mit leichten prozentualen Unterschieden!) der Fall ist. Auch hier bestätigt sich, dass die Problematik der Nachfolgeplanung respektive der Veräusserung eines Familienunternehmens bei dieser Untersuchung mit zirka 33 Prozent einen wichtigen Stellenwert einnimmt.
Die befragten Unternehmen geben dabei an, die Zusammenarbeit mit Unternehmensberatungen und ihren erforderlichen Beratungsleistungen hätten zur Zielsetzung (Abbildung 12), die Bereiche der Organisations- und Prozessentwicklung im Unternehmen weiter zu fördern.
Abbildung 12: Ziele der Inanspruchnahme von Unternehmensberatungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Brink (2010, S. 10).
2.6.2 Qualitative Aspekte
Der Ruf nach verbesserten Dienstleistungen und damit nach einer qualitativen Steigerung in der Beratung von Nachfolgeplanungen für Familienunternehmen ist auch der Europäischen Union (EU) ein wichtiges Anliegen.
Aus diesem Grund wurde das Projekt „SUCCESS.ion“, welches vom Erasmus+ Programm der Europäischen Kommission mitbegründet wurde, entwickelt und zwischen 2015 bis 2017 umgesetzt. Ziel dieses Projektes war es, dabei die Unternehmer und Unternehmerinnen und deren Familien aber auch die involvierten Beratungsunternehmen von kleinen und mittelständischen Familienunternehmen zu unterstützen, damit die Unternehmensnachfolge erfolgreich(er) umzusetzen sei. Dazu wurden unter anderem umfangreiches Übungs- und Unterstützungsmaterial in Form einer Schritt für Schritt Anleitung zur Verfügung gestellt. Dabei wird auch darauf hingewiesen, dass es in der professionellen Beratung nicht mehr ausreicht, nur auf die speziellen Gegebenheiten hinzuweisen. Vielmehr wird vom Unternehmensberater und der Unternehmensberaterin erwartet, dass sie die Unternehmer, deren Familien wie auch die Nachfolger aktiv durch den Prozess der Nachfolgeplanung begleiten (Osuna et al., 2015, S. 4-5).
2.6.3 Der Beratungsprozess in der Nachfolgeplanung
Eine wichtige Erkenntnis ist es zudem, dass es sich bei einer Nachfolgeplanung nicht um ein Ereignis in der Unternehmensgeschichte handelt, sondern vielmehr um einen komplexen Prozess, der über Jahre hinweg andauert.
Durch die Mandatsübernahme ist der Unternehmensberater oder die Unternehmensberaterin für den Prozess der Nachfolgeplanung verantwortlich. Dadurch werden die einzelnen Beteiligten von einer vermittelnden Rolle wenigstens ein Stück weit entbunden und können sich so ganz auf den eigentlichen Prozess konzentrieren. Nur dadurch ist es ihnen möglich, sich nun den eigenen Interessen zu widmen und diese auch entsprechend im Prozess zu vertreten (Wolf, 2004, S. 43 in Wächtler, 2016, S. 177).
2.6.4 Kommunikation und Informationen im Beratungsprozess
Der Berater oder die Beraterin ist meistens gleichzeitig die Ansprechperson für den Senior Familienunternehmer wie auch für den Nachfolger beziehungsweise für die Nachfolgerin. Dabei soll die Beratung grundsätzlich einen Interessensausgleich zwischen diesen beiden Polen herstellen. Eine Nachfolgeplanung ist zwar ein betriebswirtschaftlicher Vorgang im betrieblichen Rahmen. Es handelt sich jedoch um einen Prozess, in dem Psychologie, Werte- und Ethikdiskussionen von überragender Bedeutung sind. Die Berater nehmen dabei verschiedene Funktionen und Rollen wahr (Abbildung 13). Sie sind beispielsweise Kommunikationspartner, Mediatoren und Verhandlungspartner für alle Beteiligten (Schröer & Kayser, 2006, S. 18).
Abbildung 13: Bedeutung personenbezogener Aufgaben der Unternehmensberater (Mehrfachnennungen)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Schröer & Kayser (2006, S. 18).
Methodische Vorgehensweise
3 METHODISCHE VORGEHENSWEISE
3.1 FORSCHUNGSFRAGE
Vor dem Hintergrund der eingehend erwähnten Ausgangslage und dem ebenfalls beschriebenen relevanten Forschungsproblems befasst sich diese Master Thesis mit der folgenden Fragestellung:
Wie kann ein Unternehmensberater oder eine Unternehmensberaterin relevante psychologische oder emotionale Problemstellungen im Prozess der Nachfolgeplanung eines Familienunternehmens erkennen und wie sollte er darauf reagieren?
Dazu werden die folgenden Subfragen gestellt:
- Welche Aspekte bereiten dem Unternehmer die grössten Schwierigkeiten in der Nachfolgeplanung?
- Welche Faktoren beeinflussen die Nachfolgeplanung aus Sicht der Experten am stärksten?
- Lassen mögliche Gründe für ein Scheitern im Nachfolgeprozess einen Rückschluss auf alternative Strategien (Umkehrschluss) zu?
3.2 FORSCHUNGSPROZESS
In der Entwicklung des Forschungsprozesses wurde durch den Verfasser dieser Arbeit ein fundiertes Literaturstudium zu den verschiedenen Forschungsansätzen betrieben. Darauf wurde dann die Methodik festgelegt und dann die einzelnen nötigen Schritte im Verfahren definiert. Basis dafür war die Erarbeitung eines eigens zu diesem Zweck angelegten Forschungsprozesses (Anhang 1). So wurden auf Grund des formulierten Forschungsgegenstandes (siehe auch 3.1 Forschungsfrage) Daten erhoben. Diese wurden anschliessend gesammelt, geordnet, überprüft und interpretiert (Voss, 2014). Dies geschieht mit dem Ziel, dass die zu beantwortende Forschungsfrage am Schluss beantwortet werden kann.
[...]
- Arbeit zitieren
- Dominic Brunner (Autor:in), 2020, Nachfolgeplanung in Familienunternehmen. Psychologische und emotionale Aspekte bei der Beratung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/540150
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