Richard Wagners Antisemitismus ist ein vielbesprochenes Thema – sowohl im Hinblick auf die politische Realität des Hauses Wahnfried im Dritten Reich nach dem Tod des Komponisten wie im Kontext seiner Schriften und seines Opernschaffens.
Das vorliegende Referat geht auf Spurensuche in Libretto, Musik und Werkkontext von Wagners komischem Opernwerk „Die Meistersinger von Nürnberg“, in dessen Rezeptionsgeschichte die Person des Stadtschreibers Beckmessers wiederholt als Judenkarikatur aufgefasst wurde.
Weiter wirft das Referat einen schlaglichtartigen Blick auf Wagners persönliches Verhältnis zu Juden und die Wirkungsgeschichte seiner „Meistersinger“ im „Dritten Reich“.
GLIEDERUNG
1. Wagners Verhältnis zu Juden
2. Die „Meistersinger von Nürnberg“ - ein antisemitisches Stück?
2.1. Sachs als Rassentheoretiker ?
2.2. Beckmesser als verfolgter Jude ?
2.3. Sicht des Judentums in den Meistersingern
3. Die Wirkungsgeschichte der Meistersinger im „Dritten Reich“
Schluss
AUSFÜHRUNG
1. Wagners Verhältnis zu Juden
Richard Wagners Verhältnis zum Judentum zeigt sich zunächst in seinem Privatleben und in seinem Bekanntenkreis als sehr offen und durchaus positiv: Vom jüdischen Musiker Meyerbeer erfuhr er während seiner Pariser Zeit (1839 - 1842) erhebliche Unterstützung, der jüdische Philologe Samuel Lehrs war ein enger Freund der Pariser Zeit, der Pianist und Komponist Karl Tausig, der Musikschriftsteller Heinrich Porges, der Pianist Josef Rubinstein, Hermann Levi, der Dirigent des ersten Parsivals und Angelo Neumann, der Mann der das „Ring“- Tourneetheater durchführte, waren eng mit Wagner befreundet - und Juden. Gegen dieses Bild vom Judenfreund sprechen natürlich Wagners antisemitische Äußerungen. Einige Antisemitismen wurden von Cosima überliefert:
So nahm Wagner zum Beispiel beim Brand des Wiener Ringtheaters (mit vielen jüdischen Opfern) Hitlers Gedanken der „Endlösung der Judenfrage“ vorweg, wenn er anregt, alle Juden in einer Vorstellung von Lessings „Nathan“ zu verbrennen.[1]
Doch schlimmer als dieser „Privatantisemitismus“, der bis zur Veröffentlichung der Tagebücher Cosimas ziemlich unbekannt und somit kaum prägend gewesen sein dürfte, ist das Pamphlet, das Wagner mit „Das Judentum in der Musik“ (1850 unter dem Pseudonym K. Freigedank) veröffentlichte.
Dort stellt er verschiedene antisemitische Thesen auf:
Es bestünde eine unbewusste Empfindung im Volke, die sich als Abneigung gegen das jüdische Volk äußere. Seine Vorwürfe gegen das Judentum kritisieren deren finanzielle Vormacht, ihre angebliche Uneignung zur Kunst, (auch als künstlerisch Abgebildeter!), ihre – so Wagner - abstoßende Sprache:
„In dieser Sprache, dieser Kunst kann der Jude nur nachsprechen, nachkünsteln, - nicht wirklich redend dichten oder Kunstwerke schaffen.“[2]
Weiter schreibt Wagner: „Steigert der Jude seine Sprechweise [...] gar zum Gesang, so wird er uns damit geradewegs unausstehlich.“[3]
Als Beispiele führt Wagner Mendelsohn, Meyerbeer (Ungenannt) und Heine an. Die Lösung, die Wagner allen Juden empfiehlt ist „aufhören, Jude zu sein“[4] Seiner Meinung nach kann dieses Ziel in einem harten Kampf erreicht werden. Daher sein Appell:
„Nehmt rückhaltlos an diesem selbstvernichtenden, blutigen Kampfe teil, so sind wir einig und untrennbar! Aber bedenkt, dass nur Eines Eure Erlösung von dem auf Euch lastenden Fluche sein kann, die Erlösung Ahasvers:
Der Untergang!“[5]
Diese geballte Ansammlung von Vorurteilen, die Wagner mit der scheinbaren Kompetenz des Kunstschaffenden gibt, offenbart natürlich eine starke antisemitische Tendenz.
Allerdings befindet er sich seinerzeit damit in „bester“ Gesellschaft: Auch Luther, die Grimms, Goethe, Maria Theresia, Voltaire[6] und andere Geistesgrößen waren sich nicht zu schade für antisemitische Hetze.
Doch entschuldigen lässt sich Wagners Antisemitismus natürlich auch damit nicht. Der einzige Unterschied zum Antisemitismus des dritten Reiches ist, dass Wagner den Juden die Assimilation empfiehlt, um sich so aus der rassenbedingten Determinierung zu lösen. Bei den Rassentheoretikern des dritten Reiches ist das nicht möglich: da blieb nur die „Endlösung“ als Ausweg.
Dass Wagner nach seinen überlieferten Schriftdokumenten Antisemit war, wird niemand leugnen. Doch floss diese Haltung auch in seine Werke ein?
Am Beispiel der „Meistersinger“ soll das überprüft werden.
2. Die „Meistersinger von Nürnberg“ - ein antisemitisches Stück?
Dass die „Meistersinger“ durchaus als antisemitisches Werk gewertet werden können, bestätigen zwei Kritiken, die überschrieben sind mit „Bösartige Judenkarikatur“ und „Deutschtümelei, nicht zu retten“. Dort heißt es:
„Wer sich heutzutage an dieses durch Deutschlands jüngste Geschichte stark belastete Stück wagt, muss in seiner Inszenierung nachweisen, warum ausgerechnet er dieses Stück hier und heute inszeniert. (…) ... ein Stück zur Unzeit, nicht zu retten aufgrund der ideologischen Lasten des Textbuches, das auf der herrlichen Musik liegt wie Bleigewicht“[7]
Auf der Suche nach dramaturgischen oder textlichen Elementen der „Meistersinger“, die als Antisemitismus gewertet werden können, kristallisieren sich in der Literatur bald Einschränkungen heraus - schließlich fällt in der ganzen Oper nicht einmal das Wort „Jude“. Also muss der Antisemitismus, der nachgewiesen werden soll, immanent im Werk zu finden sein.
2.1. Sachs als Rassentheoretiker ?
Ein Argument, mit dem Vertreter der Theorie des Antisemitismus ihre Ansicht begründen, ist die Schlussansprache Hans Sachs im 3. Akt.
Im Gegensatz zur Urfassung von 1862[8], wo noch die Meistersinger als versöhnendes Element zwischen den streitenden Zünften geschildert wurden, warnt Sachs in der endgültigen Fassung schließlich vor „welschen Dunst“ und „welschem Tand“[9] und schlägt somit sehr patriotische Töne an, wenn er „die heil'ge deutsche Kunst“ als höchsten und beständigsten aller Werte rühmt. Für heutige Zuhörer weckt dies natürlich den unangenehmen Beigeschmack vom Patriotismus des Nationalsozialismus und dem nahezu krankhaften Abgrenzungszwang der damaligen Deutschen gegen andere „Rassen“ - ein Faktor, der letztendlich Vertreibung und Konzentrationslager nach sich zog. Doch für Wagner stand nicht die Schöpfung einer Nationaloper im Vordergrund, vielmehr ging er vom Projekt der komischen Oper aus.
Die politische Komponente, die im Schlussteil zum Tragen kommt, kann sich natürlich nicht auf den Nationalsozialismus beziehen sondern schlicht auf die politische Situation zur Entstehungszeit der Meistersinger. Aufschluss bietet dabei ein Brief Richard Wagners an seinen Gönner König Ludwig II von Bayern:
„...wer ein Herz hat, begreift heute, was es mit diesen „Meistersingern von Nürnberg“ für ein Bewenden hatte, die ihr Schöpfer in schlimmster Zeit deutschen Verrates entwarf, und mit denen er nun den einzigen deutschen Fürsten begrüsst, der ihn und in ihm den deutschen Geist begreift. Glauben Sie, das wird ein harter Tag für Graf Bismarck und den norddeutschen Bund, aber ein hoher, schöner für Ludwig den Deutschen und seinen Richard werden! Ich weiss es, ich sehe es! Drum Geduld: „Getrost in Tat und
Werk! - Hier meine Hand: Wir siegen!“[10]
Ludwig II und Richard Wagner hatten sich eine eigene Deutung der Meistersinger zurechtgelegt, in der Ludwig sich mit Walther von Stolzing und Wagner mit dem weisen Hans Sachs identifizierte.
[...]
[1] Katz J. „Richard Wagner. Vorbote des Antisemitismus“ Königstein/Ts, 1985, S. 148
[2] Wagner, R „Die Kunst und die Revolution. Das Judentum in der Musik. Was ist deutsch?“, (Hrsg. Tibor Kneif), München 1975, S. 58.
[3] S.o. S. 60
[4] S.o. S. 70
[5] S.o. S. 77
[6] Prawy M. „<<Nun sei bedankt...>>. Mein Richard-Wagner-Buch“ München 1982, S. 43
[7] Zeitschrift „Musik & Theater“(7/8 1993)
[8] Vgl hierzu Bott G. „Die Meistersinger von Nürnberg. Die Rezeptionsgeschichte einer Oper von 1868 bis heute“, S. 68
[9] Csampari A. und Holland D. (Hrsg) „Richard Wagner. Die Meistersinger von Nürnberg. Texte, Materialien, Kommentare“ Hamburg 1987, S. 138
[10] Bott G. „Die Meistersinger von Nürnberg. Die Rezeptionsgeschichte einer Oper von 1868 bis heute“, S.65
- Arbeit zitieren
- Dr. Sabine Busch-Frank (Autor:in), 1998, Der Antisemitismus in den 'Meistersingern' von Richard Wagner, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/53917
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