Mit seiner Begeisterung für den traditionellen Stierkampf und seine bildhafte Dokumentation war Goya nicht allein in der bildenden Kunst - Picasso sollte später sogar ganze Serien nach Goyas Vorbild malen, um nur den bekanntesten der ebenfalls mit Stiermotiven arbeitenden Künstler zu nennen.
Die vorliegende Arbeit, welche als Referat mit anschließender Hausarbeit im Grundstudium Kunstgeschichte gehalten wurde, geht den verschiedenen Werken Goyas mit Stierkampfthemen aus allen Schaffensperioden, Techniken und Stilphasen nach und unternimmt den Versuch, eine Entwicklungslinie innerhalb dieses Themenbereichs darzustellen.
Gliederung:
1. Einleitung
2. Bemerkungen zum Forschungsstand
3. Goyas Stierkampf - Bilder
3. 1. Die Stierkampfbilder (corride) von ca. 1792/93
3.1.1. Toros en la dehasa (Auswahl der Stiere)
3. 1. 2. Tod eines Picadors
3. 2. Die "Tauromaquia"
3. 2. 1. Die "Tauromaquia" und Pepe Illo (1754 - 1801)
3. 2. 2. "Los moros hacen otro capeo en plaza con su albornoz" (Die Mauren reizen den Stier in der Arena mit ihrem Burnus)
3. 2. 3. "Pepe Illo haciendo el recorte al toro" (Pepe Illo macht vor dem Stier eine "Recorte")
3. 2. 4. "La desgraciada muerte de Pepe Illo en la plaza de Madrid" (Der tragische Tod des Pepe Illo in der Arena von Madrid)
3. 2. 5. Überlegungen zur Deutung der "Tauromaquia" - Exkurs zum Forschungsstand
3. 3. Die Stierkampfbilder von 1824/25
3. 3. 1. Corrida suerte de vara (Der Stierkampf)
3. 3. 2. Der Tod des Picador
4. Zusammenfassung und Schluss: Versuch der Darstellung einer Entwicklungslinie in Goyas Stierkampfbildern
4. 1. Die unkommentierte Darstellung des Stierkampfes
4. 2. Die Darstellung des Stierkampfes aus der Sicht des Aficionado
4. 3. Die moralische Wertung des Stierkampfes
Literaturverzeichnis:
1. Einleitung
Wenn ein spanischer Künstler wie Francesco Goya sich mit der in Spanien geradezu als Politikum behandelten Thematik des Stierkampfes beschäftigt, ist das - obwohl es keinerlei Vorbilder für solche Darstellungen gibt - nicht weiter verwunderlich. Goya malte auch andere spanische Topoi wie Majas und Majos, Volksbräuche (z. Bsp. "Das Begräbnis der Sardine") und politische Bilder (z. Bsp. "Der 2. Mai 1808 in Madrid"). Warum sollte er, der Schilderer des Spaniens seiner Zeit, also ausgerechnet den Volkssport seiner Zeit nicht auf die Leinwand bannen?
Vorbilder in der Art der Darstellung lassen sich in den Jagdbildern sehen, welche schon seit frühen Felsbildern im ostspanischen Kulturkreis in beinahe jedem Jahrhundert nachweisbar sind. Man denke nur an die Jagddarstellungen Rubens[1], wo die Darstellung von Mensch und Tier im Kampf vor allem auf Goyas späte Stierkampfbilder vorauszuweisen scheint. Goya fand also die Thematik bereits vor, schuf aber mit der Darstellung des Kampfes zwischen Stier und Mensch ein eigenständiges Genre. Gerade diese Bilder aber wurden zur Anregung für spätere Künstler: Manet und Degas studierten die Form der Darstellung und die Raumaufteilung und Picasso arbeitete sogar ganze Serien nach Goyas Vorbild[2]. Doch all diese Nachfolgewerke müssen in vorliegender Arbeit ausgespart werden. Hier soll der Versuch gemacht werden, die wichtigsten Stierkampfbilder Goyas in chronologischer Reihenfolge zu betrachten und den sich wandelnden Umgang des Künstlers mit der Thematik zu verfolgen. Da die Menge des zur Verfügung stehenden Materials[3] den Rahmen der Arbeit sprengen würde, muss hier eine Beschränkung auf wenige exemplarische Werke erfolgen.
2. Bemerkungen zum Forschungsstand
Die Beschäftigung mit diesem Thema erfordert eine aufwendige Suche nach Fachliteratur. Da ein großes, zusammenhängendes Werk über Goyas Stierkampfbilder bisher noch aussteht, ist schon die Suche nach den Bildern allein ein Abenteuer für sich. Zudem ergibt sich das Problem, dass die Kunstgeschichte die Stierkampfwekre normalerweise von Goya ausgehend interpretiert. Gerade diese Werkgruppe aber verlangt eine Interpretation, die vom Stierkampf ausgeht. In den meisten Fällen bietet die Literatur aber ohnehin nur kommentierte Abbildungen und keine weitergehende Forschung. Die meisten Abbildungen und kurze Kommentare dazu bietet noch der von Pierre Gassier herausgegebene Katalog zu der Ausstellung "Goya. toros y toreros", die 1990 in Arles stattfand. Besser bearbeitet ist der Teilbereich der "Tauromaquia", wobei mir die Arbeiten von Joseph Gantner, Nigel Glendinning, Selma Reuben Holo und Margret Stuffmann Hilfe waren. Völlig vernachlässigt werden in der Forschung bisher leider die frühen Stierkampfbilder (obwohl gerade sie eine wichtige Vorstufe für die "Tauromaquia" bilden) und die späten Ölbilder.
3. Goyas Stierkampf - Bilder
Goya und der Stierkampf - das ist eine Verbindung, die Stoff für zahlreiche Legenden bot: Der Maler soll mit Stierkämpfern befreundet gewesen, sich in ihrer Tracht gekleidet, sogar in seiner Jugend als Stierkämpfer in der Arena gestanden und Briefe mit den Worten "Francisco, el de los Toros" unterschrieben haben. Leider kann man diese Gerüchte heute nicht mehr beweisen oder widerlegen. Fest steht wohl nur, dass Goya ein leidenschaftlicher "Aficionado", d. h. Stierkampfanhänger war. Seltsamerweise sind uns aber aus seinen jungen Jahren, als er noch ein häufiger Gast in den Arenen war, nur drei Werke überliefert, die überhaupt irgendetwas mit Stierkämpfen zu tun haben. Es handelt sich dabei um eine Darstellung von Kindern, die mit einer Atrappe "Torero" spielen[4], die "Novillada"[5], welche ein Selbstporträt von ihm in Tracht eines Toreros enthält, und das heute verschollene Bild "Apartado de toros". Nur die Novillada ist dabei überhaupt Darstellung eines kampfähnlichen Geschehens zwischen Tier und Mensch, allerdings in einer spielerisch-ungefährlichen Darstellung. Es handelt sich um ein Zusammensein von Jungstieren und jungen Männern, wobei die Kampfhandlung nur scherzhaft angedeutet wird. Dabei wird aber nicht einmal die brutalere spanische sondern vielmehr die unblutige französische Version des Stierkampfes (Prix de la cocarde) zitiert.
Alle drei Werke waren auch Auftragswerke und entstanden somit nicht oder nur begrenzt nach der thematischen Präferenz Goyas - wenn auch gerade bei der "Novillada" eine persönliche Beziehung zum Werk nicht zu übersehen ist[6]. Erst die Stierkampfbilder aus dem Jahre 1793 waren selbstgewählte Themen, die wohl der Akademie beweisen sollten, dass Goya während seiner schweren Erkrankung seine künstlerischen Fähigkeiten nicht verloren hatte.
3. 1. Die Stierkampfbilder (corride) von ca. 1792/93
Dreizehn Kabinettstücke schuf Goya in der Rekonvaleszenzzeit nach seiner erstmaligen Erkrankung 1793. Ob, wie Gassier annimmt[7], seine Erkrankung und die erlebte Todesnähe ihn dazu anregten, diese Serie zu schaffen, will ich dahingestellt lassen. Vielleicht ergriff er auch nur die Gelegenheit, sich während seiner Genesung bei Werken zu entspannen, die nicht im Auftrag anderer sondern aus eigenem Antrieb entstanden. Neben den Themen "Feuer bei Nacht", "Angriff der Räuber", "Schiffbruch", "Inneres eines Gefängnisses" und dem allegorischen Bild " Allegoria Menandrea" entstanden in jener Zeit acht Stierkampfbilder. Schon die Zusammenstellung dieser Serie ist überraschend, stehen doch die volkstümlichen Stierkampfbilder jener Phase im scharfen Kontrast zu den gruselig - dunklen Darstellungen leidender Menschen. Die fröhliche Darstellung der Wanderschauspieler der "Allegoria" passt sich in ein gemeinsames Konzept noch weniger ein. Zudem bestehen in der Literatur verschiedene Zuordnungen zu der Serie. Während der Katalog der Ausstellung in Arles 1990 schon alleine acht Stierkampfbilder vorweist, beruft sich der Prado - Katalog von 1994 auf ein Dokument, in welchem Goya eine Serie von elf Kabinettsstücken ankündigt[8]. Gegen diese Anzahl spricht aber die erhaltene Zeitungsanzeige eines Madrider Kunsthändlers von 1805, der ebenfalls eine Serie von vierzehn Werken anbietet. Hier soll auf die ungelösten Fragen der Bedeutung sowie der zugehörigen Werke dieser Gesamtserie nicht eingegangen werden, zumal ja nur die Gruppe der Stierkampfbilder Thema der Arbeit ist. Dennoch sollte man den Kontext dieser Bilder im Hinterkopf behalten, sie führten offensichtlich eine friedliche Coexistenz mit Katastrophenschilderungen und einer Allegorie der Sorte: "Die Welt - eine Bühne".
Die Stierkampfbilder schildern - und weisen damit auf die "Tauromaquia" voraus - in den ersten Szenen den volkstümlichen Aspekt des Stierkampfes außerhalb der Arena.
Diese drei Bilder stellen demnach folgende Abläufe dar:
- Die Auswahl der Kampfstiere auf der Weide
- Die Überführung eines der Tiere durch die Stadt zur Arena
- Das Setzen der Banderillas[9]
Diese Szenen sind beherrscht von einer gelösten, volkstümlichen und harmlosen Stimmung. Der Stierkampf wird hier vorbereitet wie jedes andere volkstümliche Spiel.
Die verbleibenden fünf Szenen schildern Vorgänge in der Arena, wobei jeweils die Architektur des Amphitheaters breiten Platz des Bildes einnimmt. Dargestellt werden:
- Die Vertreibung des Volkes aus der Arena
- Eine Passe mit der Capa
- Der Tod des Picadors
- Suerte de matar (Der Todesstoß)
- Maultiere schleppen den toten Stier weg
Geschildert wird in diesem zweiten Abschnitt also der in den Stierkampfregeln festgelegte Ablauf eines beliebigen Kampfes - natürlich mit Ausnahme der Darstellung des sterbenden Picadors. Somit weisen diese Szenen zumindest inhaltlich enge Verwandtschaft zu den im Spanien jener Zeit oft zu findenden Stierkampfszenen auf[10]. Diese wurden meist als gedruckte Bilderbogen für das Volk verbreitet und dienten vor allem der Illustration der verschiedenen Etappen des Kampfes[11]. Sie boten Anleitungen für die verschiedenen Posen des Stierkämpfers und des Stieres, waren aber über diese Anatomiestudien hinaus nur von geringem künstlerischem Wert. In der Form der Darstellung unterscheidet sich Goyas Werk also ganz offensichtlich von diesen Bilderbogen; schließlich verfolgt er künstlerische, nicht dokumentarische Zwecke. Hier sollen zwei Bilder (eines pro Themengruppe) näher betrachtet werden.
3.1.1. Toros en la dehasa (Auswahl der Stiere)
Es handelt sich hierbei um ein von der Forschung auf 1793 datiertes Bild von einer Größe von 42,5 x 31,5 cm. Es wurde mit Ölfarben auf Weißblech gemalt und befindet sich heute in einer Privatsammlung.[12]
Die Bildaufteilung weist eine Trennung durch eine horizontale Linie auf, der untere Teil stellt ein grasbewachsenes Tal dar, in welchem sich eine Gruppe Stiere befindet, der obere bildet einen blassblauen Himmel. Während einer der Stiere völlig unbeteiligt im Gras kauert[13], blicken drei anscheinend aufmerksam oder aufgeschreckt den Betrachter an, die meisten anderen wenden sich von ihm ab. Sie blicken zu den Menschen auf, die im Mittel- und Hintergrund am Hügelkamm postieren, so dass die Masse der Menschen ebenfalls eine horizontale Linie bildet. Man kann eine abfallende Linie der Landschaft erkennen, die den Menschen auf der rechten Bildseite (die sich näher am Geschehen befinden als die der linken) vom Hügel herunter auf die Ebene der Tiere zu steigen ermöglicht. Eine schwarzgekleidete Figur befindet sich auch schon auf halber Höhe, ihr gilt das Hauptinteresse der sich umwendenden Stiere. Die Menschen auf der Hügelkette sind nahezu unerkennbar klein, nur wenige Figuren treten aus der Masse hervor. Sie haben Wagen dabei, die Ansammlung erinnert an ein großes Volksfest. Besonders auffallend sind neben den bereits erwähnten (an exponierter Stelle postierten) Mann drei kostümierte oder uniformierte Reiter. Zwei von ihnen halten gut sichtbar Waffen in der Hand, einen Degen und einen Speer. Beide Waffen werden im Stierkampf eingesetzt und heißen dann Estoque und Pica. Sie sind der Verweis auf das Geschehen, das der Auswahl der Stiere[14] folgen wird und finden ihr Pendant in den gefährlich spitzen, auffallend in Kontrastfarben gemalten Stierhörnern. Doch dargestellt wird noch eine friedliche Vorphase des Stierkampfes, eine Art silbernes Zeitalter des Zusammenlebens zwischen Mensch und Tier. Stiere und Menschen sind getrennt, aggressives Verhalten ist noch nicht nötig, wenn sich auch schon erste Spannungen andeuten. Auch die fallende Linie der Landschaft signalisiert, dass diese Harmonie kurz vor ihrem Zusammenbruch steht. Zudem erzeugt die räumlich getrennte Konfrontation der Tiere und Menschen eine starke innere Spannung. Die Assoziation mit einer Schlachtordnung vor Beginn des Kampfes liegt vielleicht nicht allzu fern.
Die Sympathie des Betrachters gilt den Stieren, die im Vordergrund stehen und ihm somit näher als die durch die Entfernung verkleinerten Menschen sind. Dass Goya die Schilderung der Schönheit und der stolzen Körperhaltung der Tiere wichtig ist, wird noch öfters zu beobachten sein.
Das zweite Bild aus dieser Gruppe, welches hier behandelt werden soll, kann als krasser Kontrast zu diesem ersten, noch friedlichem, gesehen werden.
3. 1. 2. Tod eines Picadors
Wie das erste Bild ist auch dieses mit Ölfarbe auf Weißblech gearbeitet und hat in etwa die gleiche Größe (43 x 31,9 cm). Heute befindet es sich in London, in der British Rail Pension Trustee Co.[15]
Wie zuvor durch Himmel und Erde ist hier eine Zweiteilung des Bildraumes durch Arena und Amphitheater zu bemerken. Ansonsten steht es aber der Aussage des vorherigen Bildes diametral entgegen: Aus Landschaft wird Architektur, aus Ruhe Aktion, aus Friede Kampf.
[...]
[1] Vgl. Abb. 19
[2] Vgl. Abb. 17 und 18
[3] Goya schuf über 100 Werke zur Stierkampfthematik, dazu kommen noch Skizzen und Vorzeichnungen
[4] 1778 - 1785, 30,5 x 43,5 cm, Madrid, Fondation Santa Marca
[5] 1779 - 1780, 257 x 136 cm, Madrid, Prado
[6] Vielleicht ist ja gerade diese Darstellung Keimzelle für die hartnäckige Legende vom Stierkämpfer Goya.
[7] in "Toros y toreros" S. 23
[8] Vgl. S. 190
[9] Obwohl dieses Bild in der Chronologie des Stierkampfes seinen Platz in unmittelbarer Nähe des Bildes Nr. 6 (Der Tod des Picadors) finden müsste, soll es hier schon früher genannt werden, da es durch die Darstellung außerhalb des Arenenrundes besser in die erste Gruppe der Bilder passt.
[10] Vgl. dazu Abb. 1
[11] Dieser war zu Lebzeiten Goyas durch Pepe Hillo gerade in seine bis heute gültige Reihenfolge gebracht worden.
[12] Abb. 2
[13] Diese Haltung, bei der der Kopf zwischen den abgewinkelten Vorderbeinen liegt, gilt als Zeichen einer Überanstrengung, als Übermüdungserscheinung.
[14] Mittels des Auswahlverfahrens soll ein stierkampftauglicher Stier aus der Masse der Herde herausgefiltert werden. Dazu wird ein Jungstier an seinem gewohnten Weideplatz (man will vermeiden, dass der Stier später die Arena wiedererkennen kann) gereizt. Vom Grad seiner Aggressivität und seiner Vitalität, aber natürlich auch von Aussehen und Ausdauer hängt es ab, ob er im Schlachthaus oder in der Stierkampfarena landet.
[15] Abb. 3
- Citar trabajo
- Dr. Sabine Busch-Frank (Autor), 1995, Die Stierkampfbilder (corride) von 1792/93, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/53905
-
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X.