Sozialpädagogen sind wegen des derzeitigen Fachkräftemangels von enormer Bedeutung für unsere Gesellschaft. In ihrem Berufsalltag sind sie hohen Belastungen ausgesetzt, die die Gesundheit dieser Berufsgruppe negativ beeinflussen. Ein betriebliches Gesundheitsmanagement kann diesem Zustand entgegenwirken.
Was sind die größten Belastungsfaktoren für Sozialpädagogen? Welche präventiven Maßnahmen können Einrichtungen ergreifen? Und wie kann ein betriebliches Gesundheitsmanagement die Gesundheit von pädagogischen Fachkräften nachhaltig fördern?
Die Autorin Daniela Götz wirft einen Blick auf die Stressoren in Kindertagesstätten. Anhand der derzeitigen Situation von älteren pädagogischen Fachkräften erklärt sie, wie ein betriebliches Gesundheitsmanagement deren Gesundheit nachhaltig fördert. Dabei geht Götz sowohl auf die Chancen als auch Risiken von betrieblicher Gesundheitsförderung ein.
Aus dem Inhalt:
- Stressoren;
- Interventionsebene;
- Prävention;
- Resilienz;
- Salutogenese
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Zusammenfassung
Schlüsselwörter
Abstract
Keywords
Vorwort
1 Einleitung
2 Gesundheit
2.1 Begriffsbestimmung Gesundheit
2.2 Gesundheitliche Aspekte von Frauen im mittleren Lebensalter
3 Das Modell der Salutogenese nach Aaron Antonovsky
4 Betriebliches Gesundheitsmanagement in Kindertagesstätten
4.1 Gesetzliche Grundlagen
4.2 Ziele und Inhalte des betrieblichen Gesundheitsmanagement
4.3 Betriebliche Gesundheitsförderung als Handlungsfeld von BGM in Kitas
4.4 Betriebliches Eingliederungsmanagement als Handlungsfeld des betrieblichen Gesundheitsmanagement in Kindertagesstätten
5 Führen und Gesundheit
5.1 Interventionsebene Träger
5.2 Interventionsebene Leitung
6 Die Situation der älteren pädagogischen Fachkräfte in Kindertagesstätten
6.1 Persönliche Ressourcen der älteren pädagogischen Fachkräfte in Kindertagesstätten
6.2 Persönliche Belastungsfaktoren der älteren pädagogischen Fachkräfte in Kindertagesstätten
6.3 Institutionelle Belastungsfaktoren der älteren pädagogischen Fachkräfte in Kindertagesstätten
7 Möglichkeiten, Ansatzpunkte und Problemfelder im Kontext des betrieblichen Gesundheitsmanagement in Kindertagesstätten
8 Fazit
Nachwort
Gesamtliteraturverzeichnis
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Abkürzungsverzeichnis
AF Arbeitsfähigkeit
AG Arbeitgeber
AN Arbeitnehmer
BEM Betriebliches Eingliederungsmanagement
BGF Betriebliche Gesundheitsförderung
BGM Betriebliches Gesundheitsmanagement
Kita Kindertagesstätte
Ltg. Leitung einer Kindertagesstätte
MA Mitarbeitende
päd. FK (40+) pädagogische Fachkräfte im mittleren Lebensalter ab 40 Jahren
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Gesundheit als gelungene Bewältigung von inneren und äußeren Anforderungen
Abbildung 2: Das Modell der Salutogenese nach Antonovsky
Abbildung 3: Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM)
Abbildung 4: Spezielle Maßnahmen betrieblicher Gesundheitsförderung und Prävention in Einrichtungen
Abbildung 5: Vier-Ebenen-Modell gesundheitsförderlicher Führung
Abbildung 6: Belastungs-Beanspruchungs-Ressourcen-Modell
Abbildung 7: Ansatzpunkte für betriebliches Gesundheitsmanagement in Kindertageseinrichtungen
Abbildung 8: Das Haus der Arbeitsfähigkeit nach Tempel/ Ilmarinen
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Wirkungsebenen und Nutzenpotenziale des BGM
Tabelle 2: Positive altersbedingte Veränderungen
Tabelle 3: IKK Südwest (2019): Gesundheitsbericht 2018. Wirtschaftsabteilung Erziehung und Unterricht. Saarbrücken
Zusammenfassung
Ältere pädagogische Fachkräfte in Kindertagesstätten sind in ihrem Berufsalltag hohen Belastungen ausgesetzt. Fachkräftemangel und demographischer Wandel, lassen die Gesundheit dieser Mitarbeitenden aus institutioneller Sicht zunehmend an Bedeutung gewinnen. Aus persönlicher Betrachtung der pädagogischen Fachkräfte im mittleren Lebensalter (40+), wird der Gesundheit ebenfalls eine hohe Bedeutung zugemessen. Gesundheit und Wohlbefinden kann als Basis für die Arbeitsfähigkeit angesehen werden.
Die Relevanz besteht darin, die Notwendigkeit einer betrieblichen Gesundheitsförderung der älteren pädagogischen Fachkräfte im Setting einer Kindertagesstätte herauszuarbeiten. Es wird der Frage nachgegangen, wie die Gesundheit dieser Zielgruppe gefördert und erhalten werden kann und welche persönlichen sowie institutionellen Faktoren unterstützend wirken. Ziel ist es, deren Situation auf Basis einer Literaturarbeit, evidenzbasiert bezüglich ihrer Ressourcen und persönlichen sowie institutionellen Belastungsfaktoren darzustellen. Ergänzend werden Möglichkeiten, Ansatzpunkte und Problemfelder im Kontext eines betrieblichen Gesundheitsmanagement aufgezeigt.
Betriebliches Gesundheitsmanagement ist eine moderne Unternehmensstrategie und ein zukunftsfähiges Instrument, um die älteren pädagogischen Fachkräfte unterstützend gesund und arbeitsfähig zu erhalten und die Kindertagesstätte zu einer gesunden Organisation zu entwickeln. Mittels einer salutogenetisch orientierten betrieblichen Gesundheitsförderung, kann die Gesundheit dieser Mitarbeitenden ganzheitlich und ressourcenorientiert gefördert und erhalten bleiben. Dies wirkt sich positiv auf deren Arbeitsfähigkeit aus, sodass die pädagogischen Fachkräfte, der Träger als Arbeitgeber, die Familien mit ihren Kindern und auch die Sozialversicherungssysteme davon profitieren. So kann auch zukünftig eine qualitativ gute Bildung, Betreuung und Erziehung in Kindertagesstätten gewährleistet und der Betreuungsbedarf gedeckt werden!
Schlüsselwörter
Kindertagesstätten, Pädagogische Fachkräfte (40+), Salutogenese, Betriebliches Gesundheitsmanagement, Betriebliche Gesundheitsförderung, Fachkräftemangel, Demographischer Wandel
Abstract
Pedagogical specialists in the area of day-care centres represent an above-average occupational group with a high level of stress. In times of a shortage of skilled workers and demographic change, the health of these employees is becoming increasingly important from an institutional point of view. From the personal viewpoint of older middle-aged pedagogical specialists (40+), health is given high priority. Health and well-being can be seen as the basis for the ability to work.
The relevance of this treatise is to work out the necessity of workplace health promotion for older pedagogical specialists in the setting of a children's day-care centre. The question will be examined how the health of this target group can be promoted, which personal and institutional factors support them in this.
The aim is to use a literature search to present the situation of older pedagogical specialists on the basis of evidence regarding their resources as well as their personal and institutional stress factors. In addition, approach points and problem areas in the context of workplace health promotion for this target group are pointed out.
Workplace health management is a modern corporate strategy and a sustainable instrument for keeping older pedagogical specialists healthy and fit for work and for developing the day care centre into a healthy organisation. By means of a salutogenetically oriented company health promotion, the health of these employees can be promoted and maintained holistically and resource-oriented. This has a positive effect on their ability to work, so that the older pedagogical specialists themselves, the employer and also the families with their children benefit from it.
This is the only way to ensure high-quality education, care and upbringing in day-care centres in the future and to meet the need for childcare!
Keywords
Day-care centres for children, educational specialists (40+), salutogenesis, occupational health management, occupational health promotion, shortage of specialists, demographic change
Vorwort
In aktuellen öffentlichen, gesellschaftspolitischen und auch privaten Diskursen nimmt die Bedeutung einer qualitativ guten Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern in Kindertagesstätten vielmals einen sehr hohen Stellenwert ein. Das dies zu Recht bedeutsam und sehr wichtig ist, bedarf keines Kommentares.
Ein Thema, dass in der persönlichen Wahrnehmung der Autorin dieser Arbeit im Verlauf des Studiums immer stärker in den Mittelpunkt des eigenen Forschungsinteresses rückte, ist das betriebliche Gesundheitsmanagement. Das Interesse entwickelte sich unter anderem aufgrund der eigenen langjährigen Berufserfahrung im Elementarbereich, in der mit zunehmendem Alter, im Alltag häufiger die individuellen und institutionellen Belastungen spürbar sind. Das eigene Berufsfeld in einer Kindertagesstätte, mit derzeit 13 pädagogischen Fachkräften und einem durchschnittlichen Lebensalter der Mitarbeitenden von rd. 43 Jahren begründet ebenso die Motivation, den in der Einleitung konkretisierten Fragestellungen nachzugehen. Es ist das Interesse der Autorin, im Rahmen dieser Arbeit neben den grundsätzlichen Erkenntnissen, ebenso bedeutsame Möglichkeiten und Ansätze für das eigene Berufsfeld in der Kindertagesstätte zu erforschen, Handlungsbedarfe auf Managementebene zu ergründen und Handlungsoptionen aufzuzeigen.
1 Einleitung
Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts.
(Arthur Schopenhauer, deutscher Philosoph 1788-1860)
Das einleitende Zitat unterstreicht die Annahme, dass die Gesundheit eines Menschen eine wesentliche Grundlage für das persönliche Wohlbefinden, die eigene Lebensqualität und Leistungsfähigkeit ist. In Bezug auf die Arbeitswelt, die im Allgemeinen und ebenso in Bezug auf die Arbeit von pädagogischen Fachkräften in Kindertagesstätten1, einem stetigen Wandel unterliegt und mit einem steigenden Maß an beruflichen Herausforderungen einhergeht, rückt die Gesundheit der Mitarbeitenden in Zeiten des Fachkräftemangels und demographischen Wandels in den Fokus des öffentlichen Interesses. (vgl. Esslinger 2019, S. 9)
Die pädagogischen Fachkräfte werden allgemein vielmals sowohl mit steigenden qualitativen, als auch quantitativen Anforderungen konfrontiert (vgl. Hauke/ Neitzner 2019, S. 2-9), sodass deren Gesundheit eine zunehmende Relevanz zukommt. „Nur gesunde und leistungsfähige pädagogische Fachkräfte können eine sichere und qualitativ hochwertige Betreuungs-, Bildungs- und Erziehungsarbeit leisten“. (Viernickel et al. 2014, S. 77)
Im aktuellen Branchenbild der DGUV (2019) werden im Kontext von Kindertagesstätten, unter anderem folgende Entwicklungen, die die Arbeitswelt von pädagogischen Fachkräften in Bezug auf deren Gesundheit zukünftig beeinflussen werden, konkretisiert: Der Fachkräftemangel, die Arbeitsverdichtung, eine Verantwortungsausweitung, die Lärmbelastung im pädagogischen Alltag, eine stärkere Beanspruchung des Muskel- Skelett- Systems, höhere emotionale Anforderungen, der demographische Wandel sowie eine unausgewogene Altersstruktur, (vgl. Hauke/ Neitzner 2019, S. 1f.) machen dies deutlich.
Diese Ausführungen lassen erkennen, dass pädagogische Fachkräfte in ihrem täglichen Berufsalltag in einer Kindertagesstätte, altersunabhängig bereits einer überdurchschnittlich hohen Grundbelastung (Nürnberg 2018; Institut DGB - Index Gute Arbeit 2015) ausgesetzt sind und zukünftig verbesserte Arbeitsbedingungen notwendig sein werden. (vgl. Bertelsmann Stiftung 2019) Nur rund 33% der Mitarbeitenden sind der Meinung, dass sie ihre derzeitige Berufstätigkeit aufgrund der aktuellen Anforderungen und Arbeitsbedingungen, ohne Einschränkungen bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter von derzeit 67 Jahren, ausüben können. (vgl. Institut DGB - Index Gute Arbeit 2015, S. 1-4)
Hinsichtlich des Fachkräftemangels (vgl. Wolters Kluwer Deutschland GmbH, Haderlein 2019, S. 36-38) kann prognostiziert werden, dass im Bereich der frühkindlichen Bildung „[..] die Anzahl des zur Verfügung stehenden Fachpersonals vermutlich nicht ausreichen (wird), um den zukünftigen Bedarf zu decken“. (Hauke/ Neitzner 2019, S. 4f.) Dies bestätigt der nationale Bildungsbericht (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018), der bis zum Jahr 2025, mehr als 300.000 fehlende Fachkräfte im frühkindlichen Bereich vorausprognostiziert. Sollten die politisch bundesweit diskutierten Qualitätsverbesserungen im Bereich von Kindertagesstätten in den kommenden Jahren umgesetzt werden, kann sogar von einem noch höheren Bedarf an qualifizierten Fachkräften ausgegangen werden.
Nach Informationen des statistischen Bundesamtes (2018) wurden im vergangenen Jahr bundesweit 3,6 Millionen Kinder in rund 56.000 Kindertagesstätten betreut. In Bezug auf das Themenfeld dieser Arbeit, welche das betriebliche Gesundheitsmanagement in Kindertagesstätten hinsichtlich der Möglichkeiten der Gesundheitsförderung der älteren pädagogischen Fachkräfte (40+) untersucht, ist es bedeutsam, sich der Datenlage der pädagogisch tätigen Personen in Kindertageseinrichtungen zuzuwenden. Im Jahr 2018 waren dort 621.000 pädagogisch tätige Personen bundesweit beschäftigt. (vgl. ebd. 2018) Nach wie vor ist das Arbeitsfeld der Kindertagesbetreuung mit 95 %, eine vorwiegend von Frauen ausgeübte Berufs-tätigkeit. Bezogen auf das Alter pädagogischer Fachkräfte kann festgehalten werden, dass mit 317.196 pädagogischen Fachkräften, rund 51% im mittleren Lebensalter (40+)2 in Kindertagesstätten tätig sind. (Bertelsmann Stiftung 2019a) Aufgrund der Datenlage hinsichtlich der Altersstruktur in der deutschen Bevölkerung, (vgl. Bundes-institut für Bevölkerungsforschung 2019a) kann durch den demographischen Wandel und einer rückläufigen Erwerbsbevölkerung (vgl. Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung 2019b) im Kontext von Kindertagesstätten, von immer älter werdenden Mitarbeitenden ausgegangen werden. Daraus resultiert eine große Zielgruppe der älteren pädagogischen Fachkräfte (40+) und ebenso zukünftig auch Herausforderungen im frühpädagogischen Bereich, da der Personalmangel, neben den Auswirkungen auf die Qualität der pädagogischen Arbeit, im Besondern auch die pädagogischen Fachkräfte belastet. (vgl. Bertelsmann Stiftung 2019b)
Ältere pädagogische Fachkräfte (40+), sind im Team einer Kindertagesstätte vielmals leistungsfähig und leistungsbereit und tragen zum Erfolg einer Einrichtung bei, sodass es zukünftig das Ziel sein sollte, „[…] die Arbeitskraft der älter werdenden Mitarbeitenden möglichst lange (zu) erhalten […], was nur dann gelingt, wenn sie gesund sind“. (Esslinger 2019, S. 3)
Dies bestätigen auch die Befunde der STEGE- Studie (2014) und postulieren, dass die Träger den Fokus ihrer Interventionen zukünftig verstärkt auf signifikante Zielgruppen, z. B. ältere pädagogische Fachkräfte legen sollten, da mit fortschreitendem Alter deren Arbeitsfähigkeit sinkt. (vgl. Viernickel/ Voss 2013, S. 182f.) Ebenso ist anhand der Ergebnisse erkennbar, dass betriebliches Gesundheitsmanagement in Kindertagesstätten, bisher nur im Einzelnen und ohne einen systematischen Zusammenhang in Bezug auf die gesamte Organisation stattfindet. (vgl. Viernickel et al. 2017, S. 192)
Die Träger als Arbeitgeber3 müssen demzufolge zukünftig neue Wege finden, um die älteren pädagogischen Fachkräfte (40+) gesund zu erhalten, damit ihre Arbeitsfähigkeit möglichst bis zum Rentenalter erhalten bleibt und sie ihre altersspezifischen Potenziale in die tägliche Arbeit einbringen können.
Ein Ansatz, der in diesem Kontext, „[…] sowohl der Organisation als auch dem Mitarbeiter umfassenden Nutzen bringt“, (vgl. Kiesche 2013, S. 30) ist das Betriebliche Gesundheitsmanagement. Als ganzheitliche Strategie umfasst es alle Maßnahmen eines Unternehmens, mit dem Ziel die individuelle Gesundheit der Mitarbeitenden zu fördern und zur Entwicklung einer „gesunden Organisation“ beizutragen und diese im Rahmen des Arbeitsschutzes und der betrieblichen Gesundheitsförderung auszuführen. (vgl. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2019)
Durch „[...]Investitionen in die Verbesserung der strukturellen Rahmenbedingungen […] und durch die Unterstützung (eines) betrieblichen Gesundheitsmanagements […] (ist) eine bessere Gesundheit und Arbeitsfähigkeit des pädagogischen Personals […] eine Verringerung von Frühberentungen, langen Krankheitszeiten und akuten wie chronischen Krankheiten erreichbar“. (Viernickel/Voss 2013, S. 212) Dies hat positive volkswirtschaftliche Effekte und entlastet das Gesundheitssystem.
Diese Determinanten, lassen neben dem demographischen Wandel, den statistisch nachzuweisenden, steigenden Fehlzeiten der pädagogischen Fachkräfte (40+) und insbesondere auch der zunehmenden Herausforderung, adäquates Fachpersonal zu finden, die wissenschaftliche Relevanz erkennen, die Möglichkeiten der betrieblichen Gesundheitsförderung dieser Zielgruppe, im Rahmen dieser Arbeit zu untersuchen.
Dies geschieht mit dem Ziel, auf der Basis eines umfassenden systematischen Literatur- Review, evidenzbasiert den derzeitigen Forschungsstand, in Bezug auf das betriebliche Gesundheitsmanagement in Kindertagesstätten darzustellen, die individuellen und institutionellen Möglichkeiten und Maßnahmen einer betrieblichen Gesundheitsförderung der pädagogischen Fachkräfte (40+) herauszuarbeiten und Ansatzpunkte und Problemfelder aufzuweisen.
Um die durch wissenschaftliche Studien gewonnenen Erkenntnisse stetig in die vorliegende Arbeit einfließen zu lassen und die Relevanz einer betrieblichen Gesundheitsförderung der älteren pädagogischen Fachkräfte (40+) nachhaltig zu begründen, wird ein kontinuierlicher Bezug zu der Studie „Strukturqualität und ErzieherInnengesundheit in Kindertageseinrichtungen (STEGE)” (Viernickel et al. 2014) sowie zu anderen Studien vorgenommen. (u.a. Rudow 2004/ BeWAK 2015/ Nürnberg 2018/ DKLK 2019)
Folgender These wird nachgegangen:
Betriebliches Gesundheitsmanagement ist ein unverzichtbares zukunftsfähiges Instrument, um die älteren pädagogischen Fachkräfte (40+) in Kindertagesstätten im Rahmen einer betrieblichen Gesundheitsförderung unterstützend gesund und arbeitsfähig zu erhalten.
Forschungsleitende Fragen sind hierbei:
- Wie kann die Gesundheit der älteren pädagogischen Fachkräfte (40+) im früh-pädagogischen Bereich gefördert werden, um deren Arbeitsfähigkeit auch zukünftig zu erhalten?
- Welche persönlichen und institutionellen Faktoren sind diesbezüglich ausschlaggebend, um die Gesundheit der älteren pädagogischen Fachkräfte (40+) zu fördern, und die Arbeitsfähigkeit dieser Mitarbeitenden aufrecht zu erhalten?
- Welche Möglichkeiten bestehen im Rahmen eines betrieblichen Gesundheitsmanagements, um die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der älteren pädagogischen Fachkräfte (40+) zu fördern, um dem Fachkräftemangel und dem demographischen Wandel entgegen zu wirken und den Betreuungsbedarf decken zu können?
Im weiteren Verlauf führt das nun folgende Kapitel 2 in das Thema dieser Arbeit ein und stellt die definitorische Grundlage von Gesundheit allgemein, sowie der Gesundheit von Frauen im mittleren Lebensalter (40+) dar. Ein Modell, das die Entstehung und Erhaltung von Gesundheit veranschaulicht, ist das Salutogenese- Modell von Aaron Antonovsky, welches in Kapitel 3 dargestellt wird.
Daran anknüpfend konkretisiert das Kapitel 4 umfassend das betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) und stellt im Verlauf der vier Unterkapitel die gesetzlichen Grundlagen, die Ziele und Inhalte des BGM sowie die Handlungsfelder der betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) und des Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) dar. In nachfolgendem Kapitel 5 werden die Interventionsebenen des Trägers und der Leitung (Ltg.) in den Blick genommen und im Rahmen einer gesundheitsförderlichen Führung untersucht. Das Kapitel 6 diskutiert die Situation der älteren pädagogischen Fachkräfte (päd. FK 40+) in Bezug auf deren persönliche Ressourcen und Belastungen sowie deren institutionellen Belastungsfaktoren in einer Kinder-tagesstätte (Kita). Möglichkeiten und Ansatzpunkte, sowie denkbare Problemfelder hinsichtlich einer BGF der päd. FK (40+) in Kitas, stellt das Kapitel 7 dar. Das Fazit bezieht sich auf die Forschungsfragen, fasst generalisierend alle Erkenntnisse der vorangegangenen Kapitel zusammen und beantwortet die aufgestellte These. Im Rahmen eines Desiderates wird eine Ausschau auf mögliche Entwicklungen hinsichtlich der BGF der päd. FK (40+) vorgenommen.
2 Gesundheit
Wer nicht jeden Tag etwas für seine Gesundheit aufbringt, muss eines Tages sehr viel Zeit für die Krankheit opfern (Sebastian Kneipp)
Badura et al. (2010) stellen die These auf, dass Gesundheit, Qualifikation und Bildung, bedeutsame Grundlagen für die Leistungsfähigkeit und auch die Leistungsbereitschaft eines Menschen sind.
Um ein allgemeines Verständnis von Gesundheit zu konkretisieren, scheint es unerlässlich, sich zunächst den Definitionen des Gesundheitsbegriffs zuzuwenden. Das anschließende Unterkapitel 2.2 stellt einen Bezug zum Altersbegriff her und erläutert im Weiteren, allgemeine gesundheitliche Aspekte von Frauen im mittleren Lebensalter.
2.1 Begriffsbestimmung Gesundheit
Die folgenden Definitionen von Gesundheit belegen, wie vielfältig die wissenschaftlichen Bemühungen sind, die Gesundheit eines Menschen zu beschreiben. Da jeder Mensch eine ganz subjektive Wahrnehmung der eigenen Gesundheit hat, ist eine allgemeingültige Definition für den Begriff der Gesundheit nicht möglich und in der einschlägigen Fachliteratur demnach nicht zu finden. Ungeachtet dessen existieren Definitionsansätze, die auf verschiedenen wissenschaftlichen Theorien und Konzepten von Gesundheit beruhen.
Der Begriff „Gesundheit“ kommt vom lateinischen Wort „sanitas“ und steht für einen Zustand oder ein bestimmtes Maß an einem körperlichen, geistigen oder psychischen Wohlbefinden. (vgl. Bibliographisches Institut GmbH 27.04.2018)
Bereits im Jahr 1946 hat die World Health Organisation (WHO) Gesundheit als den „ […] Zustand des völligen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen […] “ (WHO 1946) dargestellt. Diese Definition beinhaltet einen vermeintlich hohen Anspruch an die Gesundheit und fokussiert das subjektive Erleben eines Individuums. Ferner benennt sie die physischen, sozialen und psychischen Dimensionen der Gesundheit. Die Tatsache, dass die individuellen Ressourcen des Menschen im Rahmen dieser Definition nicht berücksichtig wurden und ferner daraus abgeleitet werden kann, dass beispielsweise Menschen mit einer körperlichen oder psychischen Beeinträchtigung Gesundheit gar nicht erst erwerben können, machte eine Überarbeitung notwendig. So wurde der Gesundheitsbegriff 1986 in der „Ottawa-Charta“ um den Begriff der Gesundheitsförderung erweitert und Gesundheit als Mittel zur Bewältigung des täglichen Lebens und nicht als Ziel des Lebens angesehen. (vgl. Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung, 1986)
Gesundheit kann nach Meinung von Antonovsky als eine „[…] dynamische Interaktion zwischen zahlreichen belastenden und entlastenden, schützenden und unterstützenden Faktoren (und als) Resultat der jeweils aktuellen Balance zwischen Risiko- und Schutzfaktoren innerhalb wie außerhalb der Person […]“ (Hurrelmann 2000, S. 55) definiert werden.
Einen anderen Ansatz wählt Parsons (1967), für ihn gilt: „Gesundheit ist der Zustand optimaler Leistungsfähigkeit, um diejenigen Aufgaben und Rollen zu erfüllen, für die ein Individuum sozialisiert worden ist“. (ebd. 1967, S. 71)
Kiesche (2013) definiert Gesundheit als „Fähigkeit zur Problemlösung und Gefühlsregulierung, durch die ein positives seelisches und körperliches Befinden […] ein positives Selbstwertgefühl – und ein unterstützendes Netzwerk sozialer Beziehungen erhalten oder wiederhergestellt wird“. (ebd. 2013, S. 175)
Nach der Meinung des Mediziners von Weizäcker (2005), ist Gesundheit „[…] nicht ein Kapitel, das man aufzehren kann, sondern sie ist nur dort vorhanden, wo sie in jedem Augenblick erzeugt wird“. (v. Weizsäcker 2005, S. 129).
Hurrelmann (2000) bezeichnet Gesundheit als „ […] den Zustand des objektiven und subjektiven Befindens einer Person, der gegeben ist, wenn diese Person sich in den physischen, psychischen und sozialen Bereichen ihrer Entwicklung in Einklang mit den Möglichkeiten und Zielvorstellungen und den jeweils gegebenen äußeren Lebensbedingungen befindet“. (ebd. 2000, S. 8)
Im Rahmen dieser Arbeit wird für die Darstellung der Gesundheit der päd. FK (40+) die folgende Definition zugrunde gelegt, da diese ein mehrdimensionales Verständnis von Gesundheit integriert und aus verschiedenen Perspektiven charakterisiert.
Gesundheit ist ein „[…] Stadium des Gleichgewichts von Risikofaktoren und Schutzfaktoren, das eintritt, wenn einem Menschen eine Bewältigung sowohl der inneren (körperlichen und psychischen) als auch der äußeren (sozialen und materiellen) Anforderungen gelingt. Gesundheit ist ein Stadium, das einem Menschen Wohlbefinden und Lebensfreude vermittelt“. (Hurrelmann/ Richter 2013, S. 147) Diese Art der Betrachtung von Gesundheit „[…] gehört zu den ältesten und dauerhaftesten Sichtweisen […]“. (Franke 2017, S. 45)
Ferner orientiert sich diese Definition an dem Modell der Salutogenese von Aaron Antonovsky, welches im folgenden Kapitel 3 erläutert wird und Teil der theoretischen Überlegungen und der empirischen Vorgehensweise im Rahmen der STEGE- Studie (2014) ist. (vgl. Viernickel et al. 2014, S. 9)
Die folgende Abbildung zeigt dies in einer anschaulichen Grafik:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Gesundheit als gelungene Bewältigung von inneren und äußeren Anforderungen (Hurrelmann 2000, S. 88)
Die Grafik verdeutlicht, dass die Bedingungen am Arbeitsplatz, neben diversen Anderen, eine Determinante der äußeren und inneren Anforderungen darstellt, die Einfluss auf die Gesundheit eines Menschen nehmen kann. Gesundheit kann demzufolge als eine gelungene Bewältigung innerer und äußerer Anforderungen beschrieben werden und stellt nach diesem Verständnis eine Art Gleichgewicht dar, welches es in jeder Lebensphase immer wieder herzustellen gilt. Vielfach beinhalten Gesundheitsdefinitionen auch eine Abgrenzung zur Krankheit als Gegenpol. Diese kann als „[…] Stadium des Ungleichgewichtes von Risiko- und Schutzfaktoren, das eintritt, wenn einem Menschen eine Bewältigung von inneren […] und äußeren […] Anforderungen nicht gelingt […]“, definiert werden. (Hurrelmann/ Richter 2013, S. 147)
Als bedeutsame Bedingungen im Kontext von Gesundheit und Krankheit können die Verhältnisfaktoren, die Verhaltensfaktoren und die personalen Faktoren angesehen werden, die im Verlauf der Arbeit an verschiedenen Stellen näher konkretisiert werden. Sie prägen die Gesundheitschancen eines Menschen und wirken wechselseitig aufeinander ein.
2.2 Gesundheitliche Aspekte von Frauen im mittleren Lebensalter
Wie in der Einleitung bereits dargestellt wurde, sind 95% des betrachteten Personen-kreises in Kitas Frauen, von denen sich ein Großteil im mittleren Lebensalter befinden. Darin liegt begründet, dass sich das folgende Kapitel ausschließlich auf die gesundheitsbezogenen Aspekte von Frauen in dieser Lebensphase bezieht. Die vorliegende Arbeit untersucht die persönliche und berufliche Situation der päd. FK (40+), die sich in der zweiten Hälfte der Berufstätigkeit befinden.
Doch wie stellt sich die Gesundheit von Frauen in diesem Lebensabschnitt allgemein dar? Auf diese Frage versucht das folgende Unterkapitel Antworten zu finden, um allgemeine gesundheitliche Aspekte einer päd. FK (40+) in diesem Lebensalter, zu konkretisieren.
Zunächst ein kurzer Exkurs in die wissenschaftliche Eingruppierung des Altersbegriffs.
Um das Alter eines Menschen zu kategorisieren, bedient sich die Wissenschaft nach Pott (2016) vielfältiger Theorien, sodass Definitionen hinsichtlich des kalendarischen Alters, des biologischen Alters und des psychologischen - intellektuellen Alters zu finden sind. Diese Tatsache verdeutlicht, dass Altern ein Phänomen ist, welches sich auf die psychische, körperliche und soziale Ebene vollzieht.
Das mittlere Lebensalter, auf die sich die vorliegende Arbeit im Kontext der BGF der päd. FK (40+) bezieht, ist von hoher persönlicher Bedeutung und kann als eine erfolgskritische Phase der Gesundheit im Alter angesehen werden. (vgl. Faltermaier 2005, S. 273) In Bezug auf die Berufstätigkeit wird im mittleren Lebensalter häufig das Gefühl wahrgenommen, sich im Berufsleben etabliert zu haben. (vgl. Lademann/ Kolip 2005, S. 11f.) Vor allem für Frauen kann diese Lebensphase mit gesundheitlichen Veränderungen einhergehen und lässt sich von dem frühen und späten Erwachsenenalter durch medizinisch- biologische, gesellschaftliche und psycho-soziale Zusammenhänge charakterisieren und abgrenzen. Die Lebenserwartung einer heute 40-jährigen Frau kann auf Basis der derzeitigen Sterblichkeitsstatistik (Statista 2019) auf 83,92 Jahre prognostiziert werden; sie kann demnach also auf 43,92 weitere Lebensjahre hoffen.
Hinsichtlich der biologischen und körperlichen Entwicklungen einer Frau kann nach Informationen der Deutschen Angestellten Krankenkasse (vgl. DAK 2018) erwartet werden, dass mit zunehmendem Alter gesundheitliche Beeinträchtigungen wie z.B. Erkrankungen des Skelettes-, der Muskel- und des Bindegewebes, Herzkreislauferkrankungen, Übergewicht, psychische Krankheiten, zunehmen und vermehrt chronische Krankheiten wie beispielsweise Bluthochdruck und Diabetes, entstehen können. Ebenso kann auch die Phase der Wechseljahre, diese Lebensphase beeinträchtigen „Biologische, psychologische und soziale Faktoren nehmen hier gleichermaßen Einfluss und sind eng miteinander verwoben, da die gesundheitliche Situation mit dem Geschlecht, dem Alter, dem Erwerbsstatus, der Familiensituation und vielen weiteren Faktoren variiert“. (Lademann/ Kolip 2005, S. 12)
So können in dieser Lebensphase erstmals arbeitsbedingte Belastungen und möglicherweise auch die Mehrfachbelastung hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder zupflegende Angehörige, Einfluss auf das Wohlbefinden haben und sich auf die Gesundheit auswirken. An dieser Stelle scheint es bedeutsam, auf ein weibliches Rollenstereotyp hinzuweisen. Nur Krankheit ist ein Grund, sich aus der Überlastung durch den Beruf und die Familie zurückzuziehen, ansonsten muss „Frau“ durchhalten, eigene Befindlichkeitsprobleme zurückstellen und für andere da sein! (vgl. Habermann- Horstmeier 2017, S. 63) Diese, vielmals unbewusst ausgeübte Verhaltensweise, kann zu physischen und psychischen gesundheitlichen Belastungen führen. Interessanterweise schätzen rund 77% der 40-49jährigen Frauen, ihre subjektive Gesundheit als gut bis sehr gut, ca. 30% als mittelmäßig und ein kleiner Prozentsatz als schlecht bis sehr schlecht ein. (vgl. Robert Koch- Institut 2015, S. 32)
Im weiteren Altersverlauf verschlechtert sich die Selbsteinschätzung der Frauen hinsichtlich ihrer subjektiven Gesundheit verhältnismäßig gering, wobei Alleinlebende und auch alleinerziehende Frauen vielmals über eine geringere allgemeine Gesundheit berichten. Diese biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren, welche möglicherweise deren Lebensqualität und Gesundheit beeinträchtigen können, werden von jeder Frau subjektiv wahrgenommen und bewältigt. Es ist davon auszugehen, dass sich „[…] im Gesundheitsverhalten […] die biographischen und lebensweltlichen Bedingungen des täglichen Lebens widerspiegeln“. (Hurrelmann/ Richter 2013, S. 61)
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Frauen im mittleren Lebensalter aufgrund der dargestellten wissenschaftlichen Erkenntnisse, mit vielfältigen individuellen Ereignissen und Erfahrungen im Hinblick auf Gesundheit, Beruf und Familie herausgefordert werden. Diese mitunter zahlreichen Entwicklungsaufgaben, fordern die Frauen in dieser Lebensphase heraus, entsprechende persönliche Bewältigungsstrategien zu entwickeln und die Widerstandsfähigkeit zu stärken.
3 Das Modell der Salutogenese nach Aaron Antonovsky
Das Modell der Salutogenese, welches im Folgenden Kapitel 3 dargestellt wird, kann als das Grundmodell im BGM bezeichnet werden und ist aus Sicht der Public Health, gegenwärtig eines der bedeutendsten Konzepte im Blick auf Gesundheit und Krankheit. (vgl. Habermann- Horstmeier 2017, S. 20)
Es wurde in den 1970er Jahren von dem israelisch- amerikanischen Medizinsoziologen Aaron Antonovsky (1923-1994) entwickelt. Der von Antonovsky (1997) geprägte Begriff der Salutogenese, setzt sich aus dem lateinischen Wort „salus“ (gesund) und dem griechischen Wort „genese“ (Entstehung) zusammen und wird analog zu dem griechischen Begriff der Pathogenese (páthos = Leid, Schmerz) verwendet, welcher die Entstehung von Krankheit benennt.
Dieses Modell kann gegenwärtig „[…] als ein neuer Ansatz in den gesundheitsorientierten Wissenschaften betrachtet werden: Die Gesundheit und ihre Entstehung, wird in das Zentrum des Interesses interdisziplinärer Wissenschaften gestellt“. (Krause/ Mayer 2012, S. 19) Antonovsky war der Auffassung, dass „[…] Gesundheit und Krankheit nicht als zwei voneinander abgrenzbare Zustände zu betrachten (sind), sondern als zwei Pole eines Kontinuums, innerhalb einer dynamischen Wechselbeziehung […]“. (Köppel 2010, S. 17)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Das Modell der Salutogenese nach Antonovsky (ANTONOVSKY 1997, S. 113)
Aus salutogenetischem Blickwinkel schließen sich Gesundheit und Krankheit nicht grundsätzlich gegenseitig aus, sie stellen die Endpunkte oder Extrempole auf einem Kontinuum (= Linie) dar. Abgeleitet von den beiden Endpolen „Health-Ease“ „und Dis-Ease“, bezeichnet Antonovsky diese Linie auch als „HEDE- Kontinuum“, die ermöglicht, den gesundheitlichen Status eines Menschen auf den für ihn relevanten Dimensionen zu bestimmen. Eine Ungleichheit zwischen diesen beiden Endpolen, die Heterostase, ist unauffällig, da Gesundheit ein dynamischer Prozess ist, der Gesundheitszustand eines Menschen sich im Lebensverlauf immer wieder verändert und sich aus einer dynamischen Wechselwirkung von entlastenden, belastenden oder auch schützenden Determinanten im Lebensumfeld eines Menschen ergibt.
Antonovsky stellte der bis dahin vorherrschende Meinung der Pathogenese, eine neue Sichtweise entgegen. Bezeichnet die Pathogenese allgemein dargestellt, die Entstehung und Entwicklung von Krankheit (vgl. Habermann- Horstmeier 2017, S. 136), geht es bei der salutogenetischen Perspektive im Kontext der Berufstätigkeit weniger um „[…] krankmachende Faktoren, sondern vielmehr um gesundheits-förderliche Faktoren oder Ressourcen in der Arbeit“. (Rudow 2011, S. 17)
Antonovskys Bemühungen waren von der Leitfrage geprägt „[…] weshalb der Mensch unter dem Einfluss widriger Lebensumstände gesund bleibt oder nach einer Erkrankung wieder gesund wird bzw. welche Kräfte ihn dazu bringen, gesund zu bleiben und gesund zu werden“ (Lorenz 2005, S. 24) Er formulierte dies in folgender Metapher. „[…] meine fundamentale philosophische Annahme ist, dass der Fluss der Strom des Lebens ist. Niemand geht sicher am Ufer entlang. […] Es gibt Gabelungen im Fluss, die zu leichten Strömungen oder in gefährliche Stromschnellen und Strudel führen.[…] Wie wird man, wo immer man sich in dem Fluss befindet, dessen Natur von historischen, soziokulturellen und physikalischen Umweltbedingungen geprägt wird, ein guter Schwimmer“? (Antonovsky 1997, S. 92)
Interessant ist daher, die in der Einleitung formulierten Forschungsfragen im Rahmen dieser Arbeit zu untersuchen, die Möglichkeiten einer BGF der päd. FK (40+) zu konkretisieren (vgl. Kapitel 4.3), deren Situation in Kitas zu beleuchten (vgl. Kapitel 6) und Möglichkeiten und Ansatzpunkte (vgl. Kapitel 7), mit denen die Gesundheit dieser Zielgruppe gefördert und erhalten werden kann, aufzuweisen.
Der salutogene Ansatz verfolgt das Ziel, den Menschen „schwimmen zu lehren“, um ihn zu stärken und zu befähigen, sich kontinuierlich selbst helfen zu können. Als zentrale Determinante von Gesundheit beschreibt Antonovsky den „sense of coherence“ (= SOC), was mit dem Begriff Kohärenzgefühl übersetzt und wie folgt definiert werden kann: „Das SOC (Kohärenzgefühl) ist eine globale Orientierung, die ausdrückt, in welchem Ausmaß man ein durchdringendes, andauerndes und dennoch dynamisches Gefühl des Vertrauens hat […]”. (Antonovsky 1997, S. 36) Es kann als ein Faktor für die Gesunderhaltung und Gesundheitsförderung von Menschen dargestellt werden und ebenfalls eine mögliche Grundhaltung und Lebensorientierung eines Menschen dem Leben gegenüber sein, die ihn befähigt, den Herausforderungen des Lebens positiv entgegen zu wirken. Das Kohärenzgefühl unterstützt, die Zusammenhänge im eigenen Leben und in der Welt zu verstehen (Verstehbarkeit), davon überzeugt zu sein, die Herausforderungen im Leben bewältigen zu können (Handhabbarkeit) und sie ferner als wertvoll und wichtig wahrzunehmen und ihnen einen Sinn in der Lebensbiographie zuzusprechen (Sinnhaftigkeit). (vgl. Lorenz 2005, S. 37f.) Wie stark das Kohärenzgefühl eines Menschen ausgebildet ist, ist mitentscheidend für eine erfolgreiche Bewältigung interner und externer Stressoren und dem häufig daraus resultierenden notwendigen Umgang mit Stress. Menschen mit einem ausgeprägten Kohärenzgefühl entwickeln vermutlich eine höhere Tendenz zur eigenen Gesundheit und sind interessiert daran, gesund zu bleiben und sich wohl zu fühlen Ferner sind „[…] als zentrale Ursache von Gesundheit Widerstandsressourcen in der Erscheinungsform des Kohärenzgefühls […]“ (Müller- Christ 2014, S. 344) zu nennen. Antonovsky definierte diese als generalisierte Widerstandsressource, als ein Wirksamwerden spezifischer Ressourcen eines Menschen in allen Lebenslagen, mit deren Hilfe die Widerstandsfähigkeit des Menschen in Form von einer Spannungsbewältigung auf beispielsweise der physischen, materiellen, kognitiven, emotionalen oder sozialen Ebene verbessert werden kann. Sie wirken auf die Lebenserfahrungen des Menschen ein und sind ein entscheidender Faktor dafür, ob sich eine Belastung in Gesundheitsstörungen entwickelt oder beispielsweise das Wohlgefühl eines Menschen einschränkt. Bedeutsam sind ebenso die Coping- Strategien (Bewältigungsstrategien), mit deren Unterstützung ein Mensch Lebensereignisse, die von ihm subjektiv als herausfordernd wahrgenommen werden, bewältigen kann. (vgl. Habermann-Horstmeier 2017, S. 128)
Diese Betrachtungen sind ein interessanter Ansatz für die BGF der päd. FK (40+). Bezugnehmend auf die angeführte Metapher von Antonovsky, scheint es im Kontext des BGM auf der Basis einer salutogenetischen Betrachtungsweise wichtig zu thematisieren, wie die päd. FK (40+) in der zweiten Hälfte ihres Berufslebens unterstützt werden können, die vielfältigen Anforderungen im Berufsalltag zu bewältigen, wie der Flusslauf gestaltet werden kann, damit diese darin „schwimmen können” und auch welche persönlichen Kompetenzen entwickelt und gefördert werden müssen, um im „Strom des Lebens” nicht unterzugehen. (vgl. Krause/ Mayer 2012, S. 20)
Eine salutogenetisch orientierte BGF der päd. FK (40+), „[…] ermöglicht die Strukturen und Prozesse der Organisation so zu steuern und zu entwickeln, dass die Arbeit und ihre Bewältigung ressourcenerhaltend, partizipativ und gesundheitsförderlich gestaltet werden können“. (Voss 2018, S. 14)
4 Betriebliches Gesundheitsmanagement in Kindertagesstätten
Ein Konzept, um die Gesundheit, beispielsweise der päd. FK (40+) zu fördern und zu erhalten ist das BGM, welches als Managementansatz angesehen werden kann. „Vor dem Hintergrund der alternden Belegschaften (und) des Fachkräftemangels […] durchdringt BGM alle Bereiche der Personalpolitik“. (Esslinger 2019, S. 9)
Thinschmidt et al. (2008) konstatierten bereits vor mehr als 10 Jahren, dass es allgemein bedauerlicherweise immer noch an BGM- Konzepten für päd. FK mangelt, die sich ganzheitlich auf deren Arbeitssituation in einer Kita beziehen.
Die BeWAK- Studie (2015), lieferte die Erkenntnis, dass sich mehr als die Hälfte der befragten FK „[…] den Belastungen des Arbeitsalltags oft nicht gewachsen […] fühlen“. (vgl. Wolters Kluwer GmbH Deutschland, Haderlein 2015, S. 11) Ebenso thematisierte diese Studie den zukünftigen demographischen Wandel, die veränderte Altersstruktur der päd. FK (40+) sowie die Belastungssituation. „Die Mehrzahl der pädagogischen Fach- und Leitungskräfte ist über 50 Jahre alt. Die Belastungen und die unzureichende Fachkraft-Kind-Relation werden sich folglich in den nächsten Jahren nicht verbessern, sondern vielmehr verschärfen“. (ebd. 2015, S. 31)
Die Ergebnisse der STEGE- Studie (2014) weisen auf, dass BGM in Kitas bisher nur im Einzelnen und ohne einen systematischen Zusammenhang in Bezug auf die gesamte Organisation stattfindet. (Viernickel et al. 2017, S. 192) Demzufolge kann festgestellt werden, dass die Maßnahmen der BGF nicht der sich wandelnden Gesundheitssituation der Mitarbeitenden (MA) in Kitas entsprechen. (vgl. Wichtl 2015, S. 345) Dies lässt schlussfolgern, dass BGF in Kitas, im Rahmen eines BGM trotz langjähriger Diskussion in Fachkreisen und eindeutigen Ergebnissen diverser Studien, hinsichtlich der Belastung der päd. FK (Rudow 2004/ Viernickel et al. 2014/ Nürnberg 2018), noch nicht der gebührende Stellenwert auf den unterschiedlichen Interventionsebenen (der politischen, der gesellschaftlichen und auch auf der Trägerebene) zuzukommen scheint. Es liegt nahe, dass „[…] gerade im Bereich der menschennahen Dienstleistungen eine Lücke auf dem Weg zur gesundheitsförderlichen Arbeit […]“ (Hollmann 2018, S. 4) besteht. Diese gilt es zu schließen, um z.B. die Gesundheit der päd. FK (40+) zu fördern und zu erhalten.
Doch warum ist das so? Worin liegt es begründet, dass dieses Handlungsfeld im Bereich von Kitas noch nicht ausreichend thematisiert ist?
Postulierte Rudow (2004) aufgrund der Ergebnisse der GEW- Studie (2004) doch bereits vor 15 Jahren: „Arbeits- und Gesundheitsschutz bei Erzieherinnen ist notwendig. (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft 2004, S. 2)
Durch ein gezieltes BGM könnten die päd. FK (40+) ihre individuellen gesundheitlichen Ressourcen stärken, was sich ferner auch positiv auf die Erhaltung ihrer Arbeitsfähigkeit (AF) auswirken kann. Bedeutsam ist ebenso der Zusammenhang zur Qualitätsdebatte im Kontext von Kitas, da eine BGF ALLER päd. FK, auch zu einer verbesserten pädagogischen Qualität der Kita beiträgt. (vgl. Viernickel et al. 2017, S. 194)
Zur Konkretisierung des Begriffes BGM ergibt es Sinn, sich einer Definition anzunehmen. So kann BGM als „[…] die Entwicklung integrierter betrieblicher Strukturen und Prozesse, die die gesundheitsförderliche Gestaltung von Arbeit, Organisation und dem Verhalten am Arbeitsplatz zum Ziel haben und den Beschäftigten wie dem Unternehmen gleichermaßen zugute kommen“ (Badura et al. 1999, S. 17) definiert werden.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird BGM als „[…] die Entwicklung betrieblicher Strukturen und Prozesse, die die gesundheitsförderliche Gestaltung von Arbeit und Organisation und die Befähigung zum gesundheitsfördernden Verhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Ziel haben“ (Badura et al. 2010, S. 33), definiert.
Durch die Implementierung eines BGM, beispielsweise in Kitas, wird das Sozial- und Humankapital gestärkt, was sich im Weiteren positiv auf die Gesundheit, das Wohlbefinden und die Qualität auswirkt. (vgl. ebd. 2010, S. 149) Maßnahmen im Rahmen eines BGM „[…] sind auf allen Systemebenen und für alle Akteure gewinnbringend. Aus dieser Perspektive sollten sie nicht als zusätzlicher Kostenfaktor, sondern als sinnvolle und unverzichtbare Investition verstanden und ihre Umsetzung mit hoher Priorität vorangebracht werden“. (Viernickel et al. 2017, S. 193)
In Bezug auf die Finanzierung von BGM, welche dem Unternehmer (z.B. Träger) obliegt, konnte recherchiert werden, dass ggfs. gemäß §20a - §20d SGB V, eine Beteiligung durch die Sozialversicherungsträger möglich sind. Weiterhin ist die Gesetzgebung bemüht, einen finanziellen Anreiz für Betriebe zu schaffen, damit diese, gesundheitsförderliche Leistungen anbieten. Seit 2009 können die Unternehmen ausgewählte Maßnahmen, die sich gesundheitsförderlich auswirken, steuerlich absetzen. (vgl. Eichhorn 2018, S. 3)
Die folgende Abbildung verdeutlicht und veranschaulicht die verschiedenen Nutzenpotenziale und Wirkungsebenen hinsichtlich des BGM, die auch im Kontext von Kitas bedeutsam sind.
[...]
1 Mit dem Begriff pädagogische Fachkräfte, werden in der vorliegenden Arbeit alle pädagogischen Mitarbeitenden (z.B. Kita- Leitungen, Erzieher*innen) bezeichnet, die im Bereich von Kindertagesstätten arbeiten. Da 95 % der pädagogischen Fachkräfte weiblich ist, wird in dieser Arbeit ausschließlich die Weibliche Form, verwendet. Es können dabei sowohl weibliche, männliche, als auch Personen des dritten Geschlechts gemeint sein. Die Bezeichnung Kindertagesstätte kann synonym zu allen Kindertageseinrichtungen im frühkindlichen Bereich angesehen werden.
2 Das mittlere Lebensalter bezeichnet nach Lindenberger/ Schaefer (2008) in etwa die Altersbereiche von 35 bis 65 Jahren und bezieht sich im Rahmen dieser Arbeit auf das Alter (40+).
3 Die im Rahmen dieser Arbeit verwendete Formulierung des Trägers einer Kindertagesstätte, integriert alle Formen der bundesweiten Trägerlandschaft.
- Arbeit zitieren
- Daniela Götz (Autor:in), 2020, Betriebliches Gesundheitsmanagement für pädagogische Fachkräfte. Möglichkeiten der Gesundheitsförderung in Kindertagesstätten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/538870
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