Eine "fama perennis", dauernden Ruhm, hat Ovid in der Tat gewonnen, besonders durch seine unsterblichen Geschichten, die seine Metamorphosen zum Schatzhaus für die abendländliche Kunst, Musik und Dichtung werden ließen. Dadurch bietet sich ein Rückblick an auf einige der bekanntesten Stücke, die bis in unsere Zeit nachgewirkt haben.
In diesem Text wurde sich speziell mit der Geschichte von Phaëthon (I 750 - II 400) auseinandergesetzt. Ovid beginnt seine mythologische Reise mit Erzählungen von göttlichen Liebschaften, wie der von Apollo und Daphne. Danach folgt das Schicksal von Io, die die Geliebte von Jupiter ist. Aufgrund von Jupiters Wunsch, sie vor dem Zorn der eifersüchtigen Juno zu schützen, wird Io von Jupiter in eine Kuh verwandelt. Juno treibt die unglückliche Io über die Erde, bis Jupiter sie schließlich in Ägypten zurückverwandelt. Dort genießt sie mit ihrem Sohn Epaphus göttliche Ehren, da Io mit Hathor-Isis gleichgesetzt wird, der Göttin mit dem Kuhgehörn, und Epaphos mit dem Apisstier. Diese Erzählung ist ein Beispiel für Ovids meisterhafte Fähigkeit, antike Mythen in zeitlose und symbolträchtige Geschichten zu verwandeln.
Ovids Metamorphosen
Eine fama perennis, dauernden Ruhm, hat Ovid in der Tat gewonnen, besonders durch seine unsterblichen Geschichten, die seine Metamorphosen zum Schatzhaus für die abendländliche Kunst, Musik und Dichtung werden ließen. Dadurch bietet sich ein Rückblick an auf einige der bekanntesten Stücke, die bis in unsere Zeit nachgewirkt haben. Es gilt für diese:
„Wenn die Antike lebt… dann am stärksten wohl dort, wo die Motive des antiken Mythos zur Symbolen verdichtet haben, wo diese zu Chiffren werden, die etwas zum Menschen seit jeher Gehörendes andeuten.“ (Friedrich Maier). Im folgenden Text habe ich mich mit der Geschichte von Phaëthon (I 750- II 400)1 befasst.
Ovid beginnt seine mythische Zeit mit Geschichten, in denen sich die Götter verlieben. Nach Apollo und Daphne wird das Geschick der Io geschildert, die die Geliebte des Jupiters ist. Diese wurde von Jupiter in eine Kuh verwandelt, weil er sie vor dem Zorn der eifersüchtigen Juno schützen wollte. Juno aber treibt die unglückliche Io über die Erde, bis Jupiter sie schließlich in Ägypten zurückverwandelt. Am Nil genießt sie dann gemeinsam mit ihrem Sohn Epaphus göttliche Ehren. Denn Io wurde mit Hathor-Isis gleichgesetzt, der Göttin mit dem Kuhgehörn, und Epaphos mit dem Apisstier.
Ihm gleich an Wesen und Alter war Phaëthon, der Sohn des Sol, der sich einmal rühmte im Stolz auf seinen Vater Phoebus und dem Ephahpus nicht nachstehen wollte. Der war nicht gewillt, dies hinzunehmen: „Du glaubst deiner Mutter töricht alles und spielst dich auf mit einem erlogenem Vater!“ (imagine genitoris falsi, I 753f) Phaëthon2, der vor Scham und Wut errötet, stürmt zu seiner Mutter Clymene und verlangt von ihr einen Beweis über seine Herkunft (meque adsere caelo- erhalte mir meinen Anspruch auf den Himmel, I 761). Daraufhin schwört die Mutter, dass sein Vater der Sonnengott sei und dass er bei Sonnenaufgang zu ihm hinaufsteigen kann und ihn selbst fragen könne. Für den Übergang von der Io- zur Phaëthon- Geschichte, der als recht äußerliche Verknüpfung getadelt wurde, gilt Ovids Wort: Ars adeo latet arte sua – Das es Kunst war, verdeckte die Kunst (X 252, von der lebensechten Statue des Künstlers Pygmalion gesagt). Nach der Geschichte über die Götterliebe zwischen Jupiter und Io wird die nächste Liebesgeschichte, Apollo (Sol) und Clymene lediglich in der Rückblende innerhalb der Geschichte des Sohns erwähnt. Im Handlungsverlauf wird deutlich, dass es bei dem neuen Thema, um das Problem der Identität3 geht. Es wird aber bereits eingeleitet bei Io, die vom Wahn der Verzweiflung über ihre verlorene menschliche Gestalt umhergetrieben wird. Lediglich zögernd und vorsichtig tastet sie sich bei ihrer Rückverwandlung in ihre neue- alte Gestalt, in ihre Identität zurück. Bei Phaëthon steht das Problem seiner Identität mit dem Bild (imago) des Vaters in Verbindung. Phaëthon steigt hinauf zur Sonnenburg (Regia Solis), die Ovid in ihrer Pracht kunstvoll beschreit. Dort trifft er seinen Vater, den Sonnengott, der ihn als seinen Sohn begrüßt. Er bestätigt, dass er sein Vater sei, und gewährt dem Sohn zur Besiegelung seiner Worte einen Wunsch. Phaëthon möchte für einen Tag den Sonnenwagen des Vaters mit den feurigen Rossen über den Himmel lenken. Daraufhin bereut der Vater sein Versprechen, denn er hält den Wunsch für unbesonnen und töricht.
Sors tua mortalis, non est mortale, quod optas - Sterblich zu sein, ist dein Los. Unsterblich ziemt, was du wünschst! (II 56)
Der Sonnengott versucht in einer langen Rede, seinen Sohn den unsinnigen Wunsch auszureden mit der Begründung, dass es nicht einmal den anderen Göttern, Jupiter eingeschlossen, erlaubt ist den Sonnenwagen zu lenken. Diese seien trotz ihrer Stärke nicht in der Lage, die ungebärdigen, geflügelten Feuerrosse auf ihrer Bahn zu halten. Als der Sohn uneinsichtig schwieg, führt Sol immer mehr Argumente auf, um ihn zu überzeugen. Du willst ein sicheres Pfand meiner Vaterschaft? Du hast es in meiner Angst um dich. Sieh mir ins Gesicht! Ach, könntest du mir nur ins Herz blicken und meine Vatersorge erkennen! Lass ab von deinem Wunsch! Ich gebe dir alles, was es Schönes auf der Welt gibt- fordere doch keine Strafe!4 Trotz des menschlich so rührenden Appells, beharrt Phaëthon darauf, dass sein Wunsch erfüllt wird. Alles, was Sol an Gefahren aufgezählt hat, bestärkt ihm in seinem Vorhaben, denn genau das ist es, was er sich wünscht – keinen menschlichen Vater. Denn er ist der Meinung, dass er, wenn er tatsächlich der Sohn des Sonnengottes ist und seinen Namen Phaëthon zu Recht trägt, in der Lage ist – als Probe auf seine Identität – den Sonnenwagen lenken zu können.
… er widersetzt sich den Worten, Klammert sich fest an den Vorsatz und brennt vor Begier nach dem Wagen. …flagrat cupidine currus. (II 104)
Die << brennende Begierde >> wird ihn verbrennen.5 Letztendlich überlässt Sol seinem Sohn den Sonnenwagen und rät ihm: medio tutissimus ibis- in der Mitte wirst du am sichersten gehen (II 137). Zudem soll er weder zu hoch in den Äther noch zu nah an die Erde herankommen. Voller Freude nimmt Phaëthon die Zügel in die Hand und beginnt zu fahren. Doch dann gerät er in Angst, weil er die scheuenden Rosse nicht auf den richtigen Weg lenken kann. Diese rasen durch den Himmel und erhitzen dabei die Sternenbilder des Nordhimmels und als er hinunter zur Erde blickt wird ihm schwindelig und er gerät zunehmend in Panik.
Ut vero summo despexit ab aethere terras, Infelix Phaëthon penitus penitusque patentes, Palluit… Wie aber Phaëthon gar, der unselige hoch von dem Himmel Unten die Länder erblickte, die tiefer und tiefer sicht dehnten, Wurde er bleich … (II 178ff)6
Nun beginnt er seinen Wunsch zu bereuen und die Bestätigung seiner göttlichen Abstammung wird für ihn bedeutungslos. Genau so wie er sich zuvor den Sonnenwagen gewünscht hatte, wünscht er sich nun, der Sohn seines sterblichen Stiefvaters zu sein. Die Fahrt mit dem rasenden Sonnenwagen und dem hilflosen Lenker verursacht einen Weltenbrand. Der Himmel beginnt zu dampfen und die Welt zu brennen. Das Feuer breitet sich aus und Wälder werden dabei vernichtet, Flüsse und Seen trocknen aus, Städte werden zerstört und ganze Landstriche werden zu Wüsten. Erst durch die Bitte der leidenden Erdenmutter Tellus bändigt Jupiter das Feuer mit Feuer, was ihm durch das Schleudern seiner Blitze gelingt. Der Fluss Eridanus7 wäscht ihm das Gesicht und sie Flussnymphen begraben ihn. Außerdem setzten sie ihm einen Grabstein mit der Inschrift:
Phaëthon ruht allhier, der den Wagen des Vaters regierte. Meistern konnte er ihn nicht und stürzte. Doch groß war sein Wagnis. (II 327f)
Die Heliaden (Sonnentöchter), Phaëthons Schwestern, kommen daraufhin und klagen um ihrer Bruder, bis sie zu Pappeln verwandelt werden, so wie sie bis heute die Ufer des Pos säumen, und ihre Tränen, das Baumharz, werden von der Sonne zu Bernstein gehärtet. Sein Freund Cycnus, der am Eridanus trauerte wird in einen Schwan verwandelt.
Und trotz dieser zugefügten Verwandlungen ergibt sich die Frage: Aus welchem Grund bei dieser längsten aller Geschichten Ovids keine Metamorphose im Mittelpunkt steht?
Der junge Phaëthon muss den inneren Kampf zwischen Vernunft und Begierde ausfechten. Sein Vater übernimmt den Part der ratio und er den der cupido.8 Nicht umsonst trägt er den Beinamen, der auch der Namen des Sonnengottes ist. Er streitet daher mit seinem alter ego und müsste diesen Streit im Sinne seiner Identitätsfindung so beende, dass beide Namen übereinstimmend zu ihrer Einheit zusammentreten. Phaëthon erhält seine Identität also nicht durch das Lenken des Wagens, wie er annimmt, denn er bleibt auch als Sohn des Sol ein Sterblicher (sors tua mortalis II 56). Nach der Identifizierung hätte er sich etwas Besonneneres wünschen sollen und ein von Vater bestätigtes Geschenk annehmen müssen. Dadurch wäre seine Verwandlung in einen Erwachsenen geglückt. Ist die Geschichte von Phaëthon also eine missglückte Verwandlung, die von dem Leser weiter- und zuende gedacht werden muss? Es wird deutlich, dass die Verwandlungs-geschichten von Ovid nicht denen seiner hellenistischen Vorgänger ähneln. Er reiht seine Geschichten nicht aneinander, sondern stellt die hinter den Geschichten verborgenen, psychologischen Phänomene in den Vordergrund. Schon in früheren Zeiten galt der Mythos von und dem Weltenbrand als Aitiologie für eine irdische Katastrophe9. In << Timaios >> spricht Platon von Phaëthon, als er vom Untergang von Atlantis berichtet. Heute wird vermutet, dass der Mythos die Ereignisse um den Vulkanausbruch von Santorin (Thera) widerspiegelt. Lukrez erwähnt den Mythos, als er von der Möglichkeit spricht, dass der Weltuntergang durch ein Feuer entstehen kann. Magnanimus, den gütigen und mutigen jungen Mann benennt er daher Phaëthon.10 Bei Seneca ist Phaëthon eine Art Vorbild – er strebt den steilen Weg zur Tugend an und verweigert es, den mittleren und sicheren Weg zu nehmen. Selbst Nero hatte in seinem goldenen Haus ein Deckengemälde, das Helios-Sol und den vor ihm bittenden Phaëthon darstellt. Die Deckengemälde dienen als Mahnung der Herrscher an sich selbst, nicht der Hybris zu verfallen. Der Mythos hat eine bestürzende und neue Aktualität erhalten. Jeder, der sich an dem Himmelsfeuer bedient, ist in der Lage, wenn er den sicheren Weg verlässt, einen Weltenbrand zu entfachen, wodurch alles zerstört wird, nachdem die Klagen der Mutter Erde ignoriert werden.
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1 Vgl. Rösch, Erich: Ovid Metamorphosen, 1997, S.54ff
2 << Der Strahlende >> bei Homer Beiname des Sonnengottes Helios, lat. Sol, auch gleichgesetzt mit Phoebus Apollo
3 Vgl. Fränkel, M.: Das Metamorphosen- Thema gewährte,1975, S. 50f
4 Vgl. Schmitzer, Ulrich: Ovid – Studienbücher Antike Band 7, 2001, S. 91f
5 Tragische Ironie, vgl. M. von Albrecht, Interpretationen, Düsseldorf; Zürich: Artemis & Winkler, 2000, S. 29
6 Vlg. Harzer, Friedmann: Ovid, Stuttgart: Metzler, 2002, S. 80ff
7 wurde schon zur griechischer Zeit als der Fluss Po identifiziert, vgl. Giebel, Marion: Ovid, hrgs. Wolfgang Müller, Hamburg, 1991, S. 73
8 Vgl. Holzberg, Niklas: Ovids Metamorphosen, München, 2007, S. 29ff
9 Vgl. Giebel, Marion: Ovid, hrgs. Wolfgang Müller, Hamburg, 1991, S. 75
10 Vgl. Janka, Markus: Ovid, hrgs. Helmut Seng, Darmstadt, 2007, S. 239ff
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- Anónimo,, 2013, Ovids Metamorphosen. Ein Überblick über die bekanntesten Stücke, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/538768