C. Julius Caesar schreibt als sein eigener Historiker, als ein Mann, der über den Gegenstand gut informierter ist und diesen Gegenstand aus kühler Distanz heraus darstellt.
Dafür verwendet er in den Commentarii überwiegend die dritte Person Singularis, wenn er von sich spricht - selbst Cicero sprach in einem bruchstückhaft erhaltenen Commentarius von sich in der dritten Person. Dies soll im folgenden Text untersucht werden.
J. E. Reijgwart argumentiert, dass es wirkt, als ob nicht Caesar persönlich spricht und schreibt, sondern vielmehr, als ob ein "Unbekannter" zwischen dem Autor und der historischen Figur Caesar eingeschoben wird, der die Rolle des Erzählers übernimmt. Die Erzählperspektive im Bellum Gallicum erscheint ambivalent, da sowohl heterodiegetische als auch homodiegetische Elemente des Erzählens vorhanden sind. Dies bedeutet, dass der Erzähler zuweilen mit der Handlungsperson Caesar identisch ist, sich dann aber wieder von ihr unterscheidet.
Obwohl Caesar seine subjektiven Gefühle und Werturteile zurückhält, um einen objektiven Erzählton beizubehalten, schreibt er dennoch als Miterlebender, der aktiv am Geschehen teilnimmt. Caesar verwandelt den Leser in mehr als nur einen passiven Beobachter der Ereignisse, sondern in einen aktiven Teilnehmer, indem er die Geschehnisse sowohl aus der Perspektive eines Miterlebenden als auch in historischer Genauigkeit darstellt.
Die erste Person Singularis in den Commentarii Belli Gallici
C. Julius Caesar schreibt als sein eigener Historiker, als ein Mann, der über den Gegenstand gut informierter ist und diesen Gegenstand aus kühler Distanz heraus darstellt. Dafür verwendet er in den Commentarii überwiegend die dritte Person Singularis, wenn er von sich spricht - selbst Cicero sprach in einem bruchstückhaft erhaltenen Commentarius von sich in der dritten Person.1 Nur in wenigen Fällen macht er von der ersten Person Plural Gebrauch. So schreibt er in 2,1,1, in dem er auf das Prooem Bezug nimmt ,,[...] Belgas, quam tertiam esse Gallilae partem dixeramus''2, oder in 7,76,1 ,,Huius opera Commii, ut antea demonstravimus’’. Laut der Autorin J. E. Reijgwart wirke es so, als ob nicht Caesar sprechen und schreiben würde, sondern ,,als ob zwischen dem Autor und der Handlungsperson Caesar ein ‘Unbekannter’ eingeschoben würde, der die Funktion des Erzählens auf sich nimmt''.3
Zudem schreibt sie, dass der Status des Erzählens im Bellum Gallicum ambivalent sei, da es sowohl heterodiegetische als auch homodiegetische Elemente des Erzählens vorhanden seien. Das bedeutet, dass der Erzähler mal mit der Handlungsperson identisch ist und sich dann aber wieder von ihr unterscheidet. Obwohl Caesars sein subjektives Gefühl und Urteil zurückdrängt, um einen objektiven Erzählton beizubehalten, schreibt er dennoch als Miterlebender, der an den Dingen beteiligt ist. Seine Gefühle äußert er z.B. in 1,53,6, wo er über die Befreiung des Procillus lebhafte Siegesfreude und Glück ausspricht ,,quae quidem res Caesari non minorem quam ipsa victoria voluptatem attulit [...]''.
Was außerdem auffällt ist, dass Caesar seinen einfachen und schlichten Erzählton mit lebendigen Schilderungen kombiniert, etwa von Schlachten und Räumen. So lässt er den Leser in 2,18,1 mit den Augen Caesars vom Kamm des Hügels hinab zum Fluss blicken ,,Loci natura erat haec […] collis ab summo aeqaliter declivis ad flumen Sabinem, qod spra nominavimus, vergebat''.
So macht Caesar den Leser nicht nur zum Zuschauer der Ergebnisse, sondern zum Teilnehmer daran, indem er die Dinge sowohl explizit aus der Sichtweise des Miterlebenden als auch historisch getreu schildert.
Für die Autorin ergibt sich aus dem Gebrauch von nos und noster, dass der Erzähler als Römer spricht4. Dabei spricht er sowohl als Vertreter der Römer allgemein wie auch als Vertreter der römischen Seite im gallischen Krieg. Dennoch würde für Reijgwart die Gestalt des Erzählers ,,schattenhaft bleib[en]''5.
Ihrer Untersuchung zufolge glaubt sie für das Auftreten der grammatischen 3. Person eine Erklärung gefunden zu haben. Das gilt jedoch nur für die schattenschaften Umrisse des unbekannten Erzählers. Es bleibt die Frage wie Frage, was Caesar durch die Fiktion dieses Erzählers beabsichtigen wollte, oder doch die Frage, welche Wirkung die Fiktion auf den Leser hat.
Reijgwart ist der Meinung, dass sich Caesar bei der Wahl der Darstellungsform an das Beispiel des Thukydides6 und des Xenophon7 orientiert hat. Denn Thukydides verwendete in seinen historiographischen Texten die dritte Person Singularis. Die Autorin schildert, dass Thukydides sich in mehreren Abschnitten zunächst einmal als Verfasser präsentiert und daraufhin sich als Handlungsperson darstellt. Der Historiker sprich demnach in der dritten Person Singularis von sich, betont jedoch gleichzeitig, dass er der Verfasser sei - selbst wenn er eine Handlungsperson sein kann. Laut Reijgwart sei seine Rolle als Handlungsperson besonders stark beschränkt.
Zum Vergleich erwähnt sie Xenophon, der in seinem ersten und zweiten Buch der Anabasis von sich in der ersten Person Singularis. Bei diesem erscheine der Name Xenophon ab dem drittem Buch. Von da an verwendet der Schriftsteller den Namen durchgehend in der dritten Person Singularis und dies als Handlungsperson. Dabei er ,,eine Person der Erzählung, Gegenstand der Erzählung ist.''8 Außerdem ist er der Sprecher von mehreren Reden, wodurch ihm eine aktive Rolle zugeteilt wurde und dies bevor er zum Führer eines Zuges genannt wurde. Bei den Reden handelt es sich um direkte Reden. Das ἐγώ vom Redner Xenophon mehrmals auftaucht.
Vergleicht Caesars Darstellungsform mit denen von Thukydides und von Xenophon so fällt auf, dass Caesar bis auf wenige Ausnahmen durchgehend die dritte Person Singularis verwendet und sich nie als Autor des Bellum Gallicum bezeichnet. Diese Unterscheidung liegt nicht nur im Hinblick auf Thukydides und Xenophon vor, sie findet sich auch, wenn man sich seine Vorgänger M. Aemilius Scaurus und P.Rutilius Rufus anschaut, die in ihren commentarii de vita sua die erste Person Singularis verwendet haben.9
Reijgwart fasst in ihrer Untersuchung zusammen, dass im Gegensatz zu Caesar ,,Thukydides sich, wenn auch in der 3. Person, ausdrücklich als Autor'' bezeichnet Xenophon tute es zwar weniger asdrücklich, dennoch verwende er eindeutig die erste Person Singularis.10
Bei Caesar bleibt der Erzähler ein Schatten, ein Schema, unbekannt und unbenannt, auch wenn man philologisch erschließen kann, dass es Caesar sein muss, da kein anderer in dem gleichen Maße wie er über das Wissen verfügen kann, mit dem der Erzähler ausgestattet ist. Aber für diese Identität gibt es keine positiven Anhaltspunkte. Selbst Berichte über die Erkenntnisse und Entschlüsse von Caesar, an denen niemand anderes beteiligt ist, wo also am ehesten an Caesar als Autor zu denken ist, kann man sich immerhin vorstellen, dass er den Erzähler nachträglich unterrichtet hat, dieser aber seine Informationsquelle nicht angibt. Dies findet man z.B. in 1,10,2 ,,intellegebat'' und in 1,11,6 ,,[…] Caesar non expectandum sibi statuit'' vor. Zwar kann man nicht beweisen, dass es nicht wahr wäre, dass man den Erzähler mit Caesar identifizieren kann, jedoch kann man umgekehrt betrachtet auch nicht beweisen, dass er mit dem Erzähler identisch ist. Beim Erzähler handelt es sich lediglich um eine philologische Konstruktion. Die Identität der Hauptperson und des Verfassers wird mit absichtlich in Vergessenheit gebracht. Der Leser hat so den Eindruck, dass es diesen besonderen Erzähler gar nicht gibt - die Existenz von Caesar selbst oder von dem ‘unbekannten Autor’ stechen dem Leser nicht ins Auge.
[...]
1 Caesar, C. Iulius: Der Gallische Krieg – De Bello Gallico, Elemente des Commentarius im Bellum Gallicum, hrsg. Otto Schöneberger, Düsseldorf. Artemis & Winkler, 1990, S. 671
2 Caesar, C. Iulius: Der Gallische Krieg – De Bello Gallico (Tusculum Studienausgabe), hrsg. Otto Schöneberger, Düsseldorf. Artemis & Winkler, 2004, S. 76
3 Reijgwart, J. E.: Zur Erzählung in Caesars Commentarii. Der ‘unbekannte' Erzähler des Bellum Gallicum. Philologus 137, 1993,S. 18-37
4 Reijwart, J. E.: Zur Erzählung in Caesars Commentarii. Der ‘unbekannte' Erzähler des Bellum Gallicum. Philologus 137, 1993, art. cit. 35
5 Reijwart, J. E.: Zur Erzählung in Caesars Commentarii. Der ‘unbekannte' Erzähler des Bellum Gallicum. Philologus 137, 1993, art. cit. 28
6 Thukydides: *454 v. Chr., + zw. 399 v. Chr. u. 396 v. Chr., antiker Historiker aus Athen (Vretska, Helmuth.Thukydides: Der Peloponnesische Krieg –Reclam, Rinner, Werner. S. 865)
7 Xenophon: * 426 v. Chr., + 355 v. Chr., Feldherr, Schriftsteller und Politiker aus Athen.
8 Liebeck, Gudo: Caesars Politik in Gallien, Dr. N. Brockmeyer, Bochum 1998, S. 31
9 Liebeck, Gudo: Caesars Politik in Gallien, Dr. N. Brockmeyer, Bochum 1998, S. 32
10 Reijwart, J. E.: Zur Erzählung in Caesars Commentarii. Der ‘unbekannte' Erzähler des Bellum Gallicum. Philologus 137, 1993, art. cit. 37
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- Anonym,, 2012, Commentarii Belli Gallici. Die erste Person Singularis, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/538767
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