In der folgenden Arbeit wird das Konzept des Wirtschaftstils und seine Bedeutung für die heutige ökonomische Forschung dargestellt. Diese fast vergessene Forschung stellt die Verbindung zwischen den kulturellen und den ökonomischen Faktoren einer Volkswirtschaft her.
Bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion, und dadurch letztendlich des gesamten sozialistischen Systems, standen sich primär die beiden Wirtschaftssysteme „Marktwirtschaft“ und „Planwirtschaft“ gegenüber und waren somit auch Mittelpunkt von ökonomischen Analysen. Die Historie hat gezeigt, dass der Kapitalismus - und somit das Prinzip der Marktwirtschaft - sich weltweit durchgesetzt hat.1Nun stehen sich bis auf einige Ausnahmen nur noch marktwirtschaftliche bzw. zumindest marktwirtschaft-ähnliche Systeme gegenüber.2Dennoch entwickeln sich Länder mit ähnlichen oder gleichen Wirtschaftssystemen unterschiedlich. Den Grund hierfür kann die neoklassische Theorie mit ihren Gleichgewichtsmodellen nicht ohne weiteres liefern.
Mögliche Gründe für die Divergenzen zwischen den Ländern könnten sich aus ihren unterschiedlichen Kulturen ergeben. Kultur meint in diesem Zusammenhang die Religion, den allgemeinen Lebensstil, die Normen und Werte einer Gesellschaft etc. Wenn Kultur also eine entscheidende Determinante des ökonomischen Erfolges ist, dann muss sie für zukünftige Analysen stärker berücksichtigt werden als das bisher der Fall ist.
Im folgenden werden die Probleme der Neoklassik und deren mögliche Lösungen kurz dargestellt, um dann eine spezielle Art, das Konzept der Wirtschaftsstile, her-vorzuheben. Die historische Entwicklung und die gegenwärtige Anwendung der Wirtschaftsstilforschung folgen anschließend. Zum Schluss wird das heutige Konzept kritisch gewürdigt und ein Ausblick in die Zukunft gegeben.
INHALTSVERZEICHNIS
GLIEDERUNG
1. Einleitung
2. Die Bedeutung der Kultur in der ökonomischen Analyse
2.1. Die Probleme der klassischen Theorie
2.2. Die Erweiterung der Analysen durch kulturelle Faktoren
3. Das Konzept der Wirtschaftsstile und seine Anwendung in der modernen kulturellen Ökonomik
3.1. Die historische Entwicklung der Wirtschaftsstilforschung
3.1.1. Entwicklung bis Mitte des 20. Jahrhunderts
3.1.2. Heutiger Stand der Wirtschaftsstilforschung
3.2. Anwendungsmöglichkeiten des Wirtschaftsstilkonzepts
3.2.1. Wirtschaftsstile in der europäischen Union
3.2.2. Die Probleme der Globalisierung und der
3.2.3. Transformation
4. Fazit und Ausblick
LITERATURVERZEICHNISSeite
1. Einleitung
In der folgenden Arbeit wird das Konzept des Wirtschaftstils und seine Bedeutung für die heutige ökonomische Forschung dargestellt. Diese fast vergessene Forschung stellt die Verbindung zwischen den kulturellen und den ökonomischen Faktoren einer Volkswirtschaft her.
Bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion, und dadurch letztendlich des gesamten sozialistischen Systems, standen sich primär die beiden Wirtschaftssysteme „Marktwirtschaft“ und „Planwirtschaft“ gegenüber und waren somit auch Mittelpunkt von ökonomischen Analysen. Die Historie hat gezeigt, dass der Kapitalismus - und somit das Prinzip der Marktwirtschaft - sich weltweit durchgesetzt hat.[1]
Nun stehen sich bis auf einige Ausnahmen nur noch marktwirtschaftliche bzw. zumindest marktwirtschaft-ähnliche Systeme gegenüber.[2] Dennoch entwickeln sich Länder mit ähnlichen oder gleichen Wirtschaftssystemen unterschiedlich. Den Grund hierfür kann die neoklassische Theorie mit ihren Gleichgewichtsmodellen nicht ohne weiteres liefern.
Mögliche Gründe für die Divergenzen zwischen den Ländern könnten sich aus ihren unterschiedlichen Kulturen ergeben. Kultur meint in diesem Zusammenhang die Religion, den allgemeinen Lebensstil, die Normen und Werte einer Gesellschaft etc.
Wenn Kultur also eine entscheidende Determinante des ökonomischen Erfolges ist, dann muss sie für zukünftige Analysen stärker berücksichtigt werden als das bisher der Fall ist.
Im folgenden werden die Probleme der Neoklassik und deren mögliche Lösungen kurz dargestellt, um dann eine spezielle Art, das Konzept der Wirtschaftsstile, hervorzuheben. Die historische Entwicklung und die gegenwärtige Anwendung der Wirtschaftsstilforschung folgen anschließend. Zum Schluss wird das heutige Konzept kritisch gewürdigt und ein Ausblick in die Zukunft gegeben.
2. Die Bedeutung der Kultur in der ökonomischen Analyse
2.1. Die Probleme der klassischen Theorie
Die klassische Ökonomie nach Adam Smith, Ricardo oder anderen anerkannten Ökonomen der Klassik sah den Markt bzw. den freien Außenhandel als optimales System an, um zu Wohlfahrtssteigerungen zu gelangen.[3] Dabei verstand man den Menschen als einen seinen Nutzen ständig optimierenden „homo oeconomicus“. Neoklassische Optimierungsmodelle, allen voran die Gleichgewichtsmodelle, gingen dabei stets von festen Präferenzordnungen der Akteure aus, die dann in den ökonometrischen Modellen verwendet wurden. Mittlerweile ist den Ökonomen aber klar geworden, dass sich Motivationen und Präferenzstrukturen der Akteure über die Zeit wandeln bzw. weit weniger stabil sind als es bei den Modellen vorausgesetzt worden ist. Rationales Handeln muss in der Realität nicht gleichbedeutend mit dem Maximieren des Nutzen sein, es kann genauso gut das Erreichen eines bestimmten Nutzenniveaus bedeuten.[4]
Auch die neoklassisch-modifizierten Modelle, die nicht mehr zwanghaft von einer vollkommenen Konkurrenz ausgehen und somit Preise bzw. Löhne auch von exogenen Größen abhängen lassen, können den Einfluss dieser Größen nicht hinreichend beschreiben. Die modernen Modellierungen mit „Macht“ und „rationalem Verhalten“ spiegeln nur eine Verlegenheit der formalen Modelle wider. Da diese Variablen nicht (zeit-)konstant und vor allem von Kultur zu Kultur anders ausgeprägt sind, erfordert es eine Beschäftigung mit der Sozialwissenschaft und somit der Verbindung zwischen ökonomischen und kulturellen Faktoren.[5]
Beispielhaft für die Probleme der klassischen Theorie sind die zum Teil enttäuschenden Ergebnisse der Entwicklungspolitik oder auch der Transformationsprozesse in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Während man den Thesen der Theorie (unter Annahme vollkommener Konkurrenz) folgend in den 60er und 70er Jahren vornehmlich die schlechte „Anfangs- oder Grundausstattung“ in Form von Infrastruktur und Humankapital für den bescheidenen Wohlstand und das geringe wirtschaftliche Niveau verantwortlich machte - und dies zu ändern versuchte - geriet nach den geringen Erfolgen dieser Maßnahmen in den 80ern und 90ern die Bedeutung formaler Institutionen in den Vordergrund. Bei gleichgearteten Wirtschaftssystemen, in diesem Fall marktwirtschaftlichen Systemen, hätte der Theorie nach bei gleicher Faktorausstattung und identischer Technologie eine deutliche Verbesserung der ökonomischen Aktivität erfolgen müssen (analog zu der Entwicklung der westlichen Industrienationen). Doch nach dem Installieren dieser Einrichtungen bzw. der Modernisierung der alten Institutionen waren die Ergebnisse ernüchternd. Entgegen den formalen Annahmen der Theorie, dass eine Übertragung der funktionierenden Systeme westlicher Industrienationen auch in anderen Kulturkreisen zu den entsprechenden Ergebnissen führen müsste, versagten die Institutionen bzw. waren ineffektiv. Die Effektivität und der Erfolg von Maßnahmen und Institutionen ist nicht durch ihren Erfolg in westlichen Wirtschaftssystemen determiniert, sondern durch die Kulturen – und damit durch die Menschen – bestimmt, in denen sie angewandt werden. Dadurch ergibt sich eine völlig neue Sicht in Hinblick auf die Übertragbarkeit von erfolgreichen Modellen der westlichen Industrienationen. Daher müssen in Zukunft auch in der ökonomischen Theorie und in ihren Modellen die kulturellen Elemente stärker berücksichtig werden.[6]
Der oft geäußerte Vorwurf, dass dies überhaupt nicht möglich sei, da die ökonomische Theorie „ahistorisch und damit auch kulturindifferent“[7] sei, ist angesichts neuester Entwicklungen verfehlt. Dabei ist es nicht Ziel, ein Gegenmodell zur traditionellen Wirtschaftstheorie mit ihrer Prämisse der individuellen Nutzenmaximierung zu generieren. Es gibt durchaus Möglichkeiten, kulturelle Faktoren und die sich daraus ergebenden „individuell-rationalen“ Handlungen in die bestehende Theorie zu integrieren.[8]
2.2. Die Erweiterung der Analysen durch kulturelle Faktoren
Durch die Einbeziehung der Kultur als endogene Variable in die bestehenden Modelle wird das bisherige „Selbst- und Weltverständnis der Volkswirtschaftslehre [...] auf den Kopf gestellt“[9]. Die Kultur war bis dato nur eine gering-gewichtige, exogen gegebene Bedingung, die rationales ökonomisches Handeln fördert oder behindert. Das aber „rationales“ Handeln nicht nur in seiner Ausprägung (im Sinne von „sehr rational“ und „weniger rational“ etc.) keine kulturunabhängige Größe ist, sondern die Bedeutung von „rationalem Handeln“ selbst in seiner gesamten Komplexität von kulturellen Faktoren abhängig ist, lässt sich an der Kritik des „homo oeconomicus“ zeigen. Der homo oeconomicus beurteilt alle Handlungsalternativen nach ihrem Nutzenwert und ihren Konsequenzen. Die Konsequenzen hängen jedoch von den Normen und Werten einer Gesellschaft ab. Ein Ökonom und ein homo oeconomicus werden übereinstimmen, dass es langfristig besser ist, ehrlich und fair zu handeln. In der Realität orientiert sich der Mensch aber nicht an diesen Ideal-Normen, sondern an den in seiner Kultur herrschenden. Daher ist der realistischere Ansatz für die Beurteilung der Handlungen von Menschen der „homo sociologicus“. Dieser Mensch beurteilt seine Handlungsalternativen nach seinem individuellen, ideellen Wert und entscheidet sich im Hinblick auf die von ihm gelebten Normen für eine Alternative. Durch diese Erweiterung kann man unterschiedliches „rationales“ Handeln erklären.[10]
Ein praktischer Ansatz zur Modifizierung der Theorie beinhaltet nur die Übernahme der Annahme des Wettbewerbs aufgrund knapper Güter und der mikroökonomischen Analyse-Modelle. Verändert wird die Annahme bzgl. des rationalen Verhaltens und hinzu kommt die Komponente der zeitlichen Veränderung. Über die Zeit hinweg lernen und verändern sich Menschen, was sich in ihren Institutionen niederschlägt. Dabei gehen die Erfahrungen von Generation zu Generation über, manifestieren sich in den Institutionen und spiegeln so die Kultur einer Gesellschaft generationenübergreifend wider. Das Handeln wird dadurch entscheidend beeinflusst. Es mag nach einer system-externen Sicht „irrational“ erscheinen, dennoch kann es durch Erfahrungen einer Kultur system-intern „rational“ im Sinne von „vernünftig“ sein.[11]
Ein anderer Ansatz ist die „neue Institutionenökonomik“. Hierbei kommt oft Peter L. Bergers „Economic culture“ - Ansatz zur Geltung. Bei diesem wird das Verhältnis zwischen den ökonomischen Institutionen und anderen Komponenten der Gesellschaft untersucht. Ökonomische Institutionen stehen im Zusammenhang mit sozialen und politischen Strukturen, kulturellen Verhaltensweisen und den Normen und Werten der Gesellschaft. „An economic culture [] contains a number of elements linked together in an empirical totality. The question concerns the manner of linkage.”.[12] Institutionen können die Handlungsspielräume der Menschen beschränken oder erweitern, indem sie ihnen Regeln vorgeben. Diese Regeln entstehen über die Zeit und maximieren den Nutzen der Akteure unter Berücksichtigung ihrer kultur-spezifischen Transaktionskosten, welche die neo-klassische Theorie nicht erfassen kann. Allerdings kann auch die Institutionenökonomie mit ihrer Analyse der Institutionen fehlerhaft sein, da die Beobachter die Normen und Regeln aus ihrer eigenen kulturellen Sicht interpretieren. Zusätzlich sind viele Regeln impliziter Natur und können somit weder von den Akteuren selbst noch von den Beobachtern wahrgenommen werden.[13]
Ein weiterer, berühmter Ansatz ist Huntingtons „clash of civilizations“, in dem er für die Zukunft einen Wettbewerb bzw. Kampf der Kulturen (z.B. des westlichen Kulturkreises gegen den islamischen Kulturkreis) vorhersagt.[14] Der hier genutzte Begriff von „Kultur“ ist sehr abstrakt und definiert sich primär über die Religion. Allerdings war Huntingtons Intention nicht die Erklärung der wirtschaftlichen Entwicklung durch das unterschiedliche Zusammenspiel kultureller und ökonomischer Faktoren, sondern die geopolitische Neuordnung der Welt nach dem Ende des Ost-West-Konflikts vorherzusagen. Obwohl sich daher einige Forscher auf Huntingtons Thesen berufen, sind diese für den Schwerpunkt dieser Arbeit zu vernachlässigen.[15]
Die Wirtschaftsstilforschung, die speziell den Zusammenhang zwischen Geschichte, Kultur und Wirtschaft zu erklären versucht, betrachtet Kultur weder als abstrakt noch als zeitlos. Vielmehr versucht sie Verhaltensweisen von Kulturen abzugrenzen, die (kultur-)geographisch und über eine Epoche stabil gewesen sind, sich aber deutlich zu Verhaltensweisen im gleichen Raum in anderen Epochen oder zur gleichen Zeit im selben Raum unterscheiden lassen.[16]
Man muss der klassischen Theorie zu Gute halten, dass sie sich vor allem in den Nachkriegszeiten als sehr wertvoll erwiesen hat. Die großen wirtschaftlichen Probleme in den 50ern konnte eine qualitative Ökonomik, die Kultur, Geschichte und Wirtschaft vereinen wollte, nicht adäquat lösen. In dieser Zeit standen vor allem Effizienzsteigerungen und Systemrestrukturierungen im Mittelpunkt der Analyse. Dafür waren die ökonometrischen Erklärungs-Modelle mit ihren quantifizierbaren Variablen besser geeignet. Die vorherige Wirtschaftsstilforschung der deutschen Nationalökonomie, die Vorreiter in der Ökonomie in Verbindung mit Geschichte und Kultur war („historische Schule“), ging in die Soziologie über und blieb lange Zeit unbeachtet.[17]
Heutzutage ist das Konzept der Wirtschaftsstile wieder aktuell und wird in verschiedenen Kontexten angewandt. Dabei muss man zwischen den historisch unterschiedlichen Definitionen des Begriffes und dem gegenwärtigen unterscheiden.
[...]
[1] Vgl. P.L. Berger (1987), S. 21
[2] Vgl. R. Klump (1996), S. 9
[3] Vgl. R. Klump (2004), S. 208-209; Eine Kernaussage der ökonomischen Theorie ist, dass jedes Wettbewerbsgleichgewicht ein Pareto-Optimum darstellt. Durch das System der Marktwirtschaft wird ein solches Gleichgewicht erreicht und maximiert so den Nutzen der Akteure. Die Außenhandelstheorien weisen diesen Effekt nur analog für sich öffnende Volkswirtschaften aus, indem die Effizienz der Ressourcennutzung und des internationalen Austausches durch Freihandel optimiert wird.
[4] Vgl. H.N. Nau (2004), S. 252-253; übereinstimmend K. Dopfer (2004), S. 89
[5] Vgl. B. Schefold (1994), S. 19-20
[6] Vgl. V. Nienhaus (1999), S. 89-93; übereinstimmend D.C. North (1994), S. 366
[7] R. Klump (1996), S. 15
[8] Vgl. R. Klump (1996), S. 15
[9] N. Rudner (1996), S. 21
[10] Vgl. B. Schefold (2000), S. 176-177; übereinstimmend B. Schefold (1995), S. 221
[11] Vgl. D.C. North (1994), S. 359-364
[12] Vgl. P.L. Berger (1987), S. 24; übereinstimmend K. Dorner und R. Klump (1996), S. 46-47
[13] Vgl. H. Hegmann (2004), S. 11-15
[14] Vgl. S.T. Huntington (1996), S. 43
[15] Vgl. H. Leipold (1999), S. 117
[16] Vgl. V. Nienhaus (1999), S. 90-91
[17] Vgl. B. Schefold (1994), S. 73-74
- Citation du texte
- Philipp Schmidt (Auteur), 2004, Das Konzept der Wirtschaftsstile und seine Bedeutung für eine moderne kulturelle Ökonomik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/53870
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