Wie werden Emotionen und Bedeutungsinhalte durch die Stimme transportiert?
Stimmen können auf die Phantasie der Menschen wirken. Durch feine Nuancen in der Stimme werden unterschiedliche Atmosphären erzeugt. Ebenfalls können Stimmen auf den Zuhörer sowohl anziehend als auch ablehnend wirken. Woher resultiert diese Ausdruckskraft der Stimme?
Dieses Buch beschäftigt sich daher mit der Stimme als Transportmittel von Emotionen und Inhalten innerhalb des Sprechtheaters. Basierend auf den zentralen Vorgängen des Sprechens, wie Atmung und Phonation, als auch durch grundlegende Aspekte der Sprecherziehung des Schauspielers wird sich diesem Thema genähert und ein Bezug zu bereits bestehenden Forschungsergebnissen hergestellt.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Die zentralen Vorgänge des Sprechens
1.1. Die Atmung
1.2. Die Phonation
2. Grundlegende Aspekte der Sprecherziehung des Schauspielers
3. Die Stimme als Ausdrucksmittel
3.1. Die Stimmausdruckstheorie nach Felix Trojan
Resümee
Abbildungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Einleitung
Seit der Antike beschäftigt die Menschen schon der Zusammenhang zwischen Stimme und seelischer Verfassung. Nach Aristoteles ist das in der Stimme Verlautende, ein Zeichen für die in der Seele hervorgerufenen Zustände. Ebenfalls verfasste der Gelehrte Scotus am Hofe des Stauferkaisers
Friedrichs II. eine Typologie, in der eine bestimmte Stimme einem bestimmten Charakter zugewiesen wird (Gundermann 1994, S.43).
Es gibt klare, reine, warme, erotische, anziehende, raue, verhauchte oder gebrochene Stimmen.
Mir stellt sich nun die Frage, wie diese unterschiedlichen Stimmarten zustande kommen? Wie drücken sich Emotionen in der Stimme aus? Wie werden Bedeutungsinhalte durch die Stimme transportiert?
Ich versuche diese Fragen im Bezug auf Theater und Bühne zu beleuchten. Der Begriff Theater ist in diesem Fall sehr weitläufig zu sehen. Mit Theater meine ich in diesem Zusammenhang sowohl das professionelle Sprechtheater, wie auch Laienspielgruppen, Schultheater, aber auch Gruppen, die sich nur ansatzweise mit Theater und Schauspiel beschäftigen.
Ich habe selbst in dem Seminar „Theaterspielen als Erfahrung – Theatralisierung von Lehr-Lern-Prozessen“ meine ersten Erfahrungen mit dem Theater gemacht. Da ich Gesang studiere, hat mich natürlich das Thema Stimme in diesem Zusammenhang besonders interessiert. Ich finde es faszinierend, welche Ausdruckskraft die Stimme hat. Man kann mit der Stimme Bilder und Situationen erschaffen, die man nicht sieht, betrachtet man z.B. das Hörspiel. Speziell auch im Theater werden anhand der Stimme fremde Charaktere erschaffen, die in vielen Fällen nicht mehr mit dem eigenen Ich in Verbindung stehen.
Durch welche Faktoren wirkt die Stimme manchmal so fesselnd auf den Menschen?
Ich habe versucht, mich in dieser Arbeit näher mit diesem Thema zu
beschäftigen. Es gibt jedoch meines Wissens, keine aktuellen Forschungsergebnisse zu diesem Thema.
1. Die zentralen Vorgänge des Sprechens
Eine Stimme wird immer durch die Kultur, Gesellschaft und Historie geprägt (Kolesch 2001, S.271). Sie ist immer an eine spezifische Person gebunden. Jede Stimme ist individuell.
Das Sprechen selbst beruht auf dem Zusammenwirken vieler Körperteile: dem Gehirn, der Lunge, dem Zwerchfell, dem Kehlkopf, dem Mund, der Zunge, den Lippen, den Zähnen, wie schon gesagt, den Ohren und der gesamten Körperhaltung. Durch den Erwerb der Sprache scheint der Mensch eine fast perfekte Kontrolle über seine Stimme erlangt zu haben. (Stock 1991, S.65).Die menschliche Stimme wird also durch ein hochentwickeltes System der Lauterzeugung hervorgebracht. Die Lunge, der Kehlkopf und der Vokaltrakt bilden hierbei die grundlegenden Bestandteile. Entwicklungsgeschichtlich ähnelt der Stimmapparat eher den Stimmorganen von Fröschen und Krokodilen. Daher scheint die hochentwickelte menschliche Stimme auf Veränderungen im Gehirn zu beruhen (Fitch 2004, S.85).
Es folgt nun eine grobe Zusammenfassung zum Entstehen des eigentlichen Sprechvorgangs (Linklater 2001, S.21ff):
Den Beginn des Sprechens bildet ein Impuls im motorischen Zentrum des Kortex. Dieser Impuls stimuliert den Atemapparat, sodass die Atmung ausgelöst wird. Während der Atmung berührt der Luftstrom die Stimmlippen und versetzt sie in Schwingungen. Die Schwingungen wiederum führen zu Vibrationen im Luftstrom, die dann durch Resonatoren verstärkt werden. Zum Schluss wird der entstehende Ton durch die Lippen und die Zunge artikuliert und zu Worten geformt.
Auf diesen Ablauf gehe ich in den folgenden Abschnitten nun noch etwas detaillierter ein.
1.1 Die Atmung
„Die Atmung ist der Träger der Stimme! Wenn sich Ihre Atmung verändert, wird sich dies auf Ihre Stimme auswirken.“ (Kutscher 2002, S.19)
Die Atmungsorgane werden in den äußeren Atemapparat (Rippen, Wirbelsäule, Atemmuskulatur) und den inneren Atemapparat (obere und untere Luftwege, Lungen) unterteilt. Die Kombination von Brust- und Schulteratmung wird als Hochatmung bezeichnet und die Kombination von Brust- und Bauch-/ Flankenatmung als Tiefatmung (Seidner/Wendler 1997, S.38ff).
Die Tiefatmung ist im Bereich des künstlerischen Sprechens von entscheidender Bedeutung. Es gilt auch, dass es nicht entscheidend ist, wie viel Atemluft zur Verfügung steht, sondern wie man die Atemluft optimal nutzt. Man bezeichnet diesen Vorgang als Stützvorgang.
Für den Sprechvorgang ist die Atemmittellage von großer Bedeutung. Sie beschreibt das Gleichgewicht zwischen den automatisierten Ein- und Ausatmungskräften. Ebenfalls ist sie an die Körperhaltung, wie auch an die psychische Verfassung des Menschen gebunden und verschiebt sich dementsprechend. Die Atemmittellage wird auch durch gesteigerte Aufmerksamkeit erhöht, was bedeutet, dass der Schauspieler beim Einnehmen einer bestimmten Haltung, wie auch bei der Einstellung auf einen Partner, seine Atemmittellage automatische erhöht und somit spontan die ideale Luftmenge einströmt (Coblenzer/Muhar 1986, S.16f).
1.2 Die Phonation
Der Kehlkopf ist das grundlegende Organ für die Stimmerzeugung. Er entwickelte sich aus den Kiemen der Fische und besteht aus Knorpeln, Bändern , Bindegewebe, Muskeln und Schleimhaut
Der Kehlkopf arbeitet nach dem Prinzip der Orgelpfeife (Amon 2003, S.55ff).
Die Stimmbänder, d.h. die elastischen Ränder der Stimmritze werden, durch
den Luftstrom aus den Lungen, in Schwingungen versetzt. Sie werden durch die Muskeln des Kehlkopfes kontrolliert. Das vibrierende Gewebe wird Schallquelle genannt. Durch die Geschwindigkeit der Vibration wird die Grundfrequenz bestimmt, die wiederum für die Tonhöhe einer Stimme verantwortlich ist (Fitch 2004, S.85ff). Nun steigt die vibrierende Luft durch die Ansatzräume (den Vokaltrakt), die oberhalb der Stimmlippenebene liegen, auf und durch Zunge, Zähne und Lippen wird der Klang geformt (Abb.8, 9a und b).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.8
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.9
2. Grundlegende Aspekte der Sprecherziehung des Schauspielers
„Die Essenz des Theaters ist der Schauspieler, seine Handlungen und was er erreichen kann.“ (Grotowski 1994, S.189)
Diese, im Zitat Grotowskis, erwähnten Handlungen und Fähigkeiten gilt es u.a. in der Sprecherziehung zu erwerben und auszubilden.
Von einem Schauspieler erwartet jeder, dass seine Stimme perfekt sitzt. Sie muss, in den meisten Fällen, für eine stundenlange Belastung ausgelegt sein.
Schon der antike Schauspieler war zunächst die Verkörperung einer Stimme. Auf die Schulung seiner Stimme musste schon damals sehr großen Wert gelegt werden, wenn man bedenkt, dass er mit ihr eine bis zu 17 000 Personen
fassenden Theaterraum unter freiem Himmel zu füllen hatte (Kolesch 2004b, S.52).
Ich möchte die Grundlagen der Sprecherziehung hier nicht anhand konkreter Übungen erörtern, sondern eher auf grundlegende inhaltliche Aspekte eingehen.
Bei der Sprecherziehung handelt es sich um eine sinnvolle Aktivierung der entsprechenden Muskulatur. Ein angehender Schauspieler muss zwei grundlegende Dinge beherrschen: einen physiologische Stimmgebrauch, damit die Stimme, wie schon erwähnt, den hohen Belastungen Stand hält und den Einsatz stimmlicher Mittel, um bestimmte Wirkungen zu erzielen.
Bei der Sprecherziehung geht es nun um die Bildung und Ausformung der Stimme wie auch um eine Optimierung des Klanges. Nach Aderhold (1998, S.227ff) soll der Schauspieler anhand bewusster Übungen sein Körpergefühl, die entsprechende Muskulatur, sein Raumgefühl und sein funktionelles Hören aktivieren und üben. Er unterteilt hierbei in sinnleere und sinnbezogene Übungen. Die sinnleeren Übungen beziehen sich mehr auf die stimmliche Ausbildung und die sinnbezogenen auf die Artikulation. Zum physiologischen Stimmgebrauch gehört z.B. die Orientierung auf die Indifferenzlage, das
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- Simone Wehmeyer (Author), 2005, Die Stimme als Medium im Theater, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/53827
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