Die heutige moderne Welt besteht vorwiegend aus Republiken, die dadurch gekennzeichnet sind, dass in regelmäßigen Abständen Wahlen stattfinden. Laut einer Studie des Freedom House aus dem Jahr 2011 wurden von 195 anerkannten Staaten 117 als demokratisch eingestuft, was einem prozentualen Anteil von 60 entspricht (Freedom House 2011).
Nicht alle Staaten, die als Demokratie eingestuft wurden, sind perfekte „Vorzeigedemokratien“. Diese Demokratien sind in manchen demokratischen Bereichen gehemmt oder eingeschränkt und die Aufgaben einer Demokratie können nicht angemessen ausgeführt werden (Pickel/Pickel 2006: 235). Um diese Grauzone zwischen liberaler Demokratie und Autokratie zu definieren und typologisieren wurde das Konzept der „defekten Demokratie“ von einer Gruppe Politikwissenschaftler, unter anderem Wolfgang Merkel, entwickelt (Croissant 2010: 93). Das Konzept der defekten Demokratie wurde vor allem entworfen, um moderne Staaten bzw. Demokratien zu benennen und einzuordnen.
Es existierten allerdings schon in früheren Zeiten Demokratien, wie zum Beispiel die Weimarer Republik (1919 – 1933), die erste Demokratie in Deutschland. Somit stellt sich also die Frage, ob das Konzept der defekten Demokratie, welches eigentlich entwickelt wurde, um moderne Demokratien auf mögliche Defekte zu untersuchen, auch auf eine vergangene Demokratie, die offensichtlich gescheitert ist, angewandt werden kann und diese gescheiterte Demokratie anhand dieses Konzepts eingeordnet werden kann.
In der folgenden Arbeit soll im ersten Teil zunächst das Konzept der defekten Demokratie vorgestellt werden und anschließend im zweiten Abschnitt auf die Weimarer Republik im zeitlich begrenzten Zeitraum von 1919 bis 1929 angewandt werden. Abschließend wird die Analyse in einer Ergebnisdarstellung zusammengefasst.
1) Einleitung
Die heutige moderne Welt besteht vorwiegend aus Republiken, die dadurch gekennzeichnet sind, dass in regelmäßigen Abständen Wahlen stattfinden. Laut einer Studie des Freedom House aus dem Jahr 2011 wurden von 195 anerkannten Staaten 117 als demokratisch eingestuft, was einem prozentualen Anteil von 60 entspricht (Freedom House 2011).
Nicht alle Staaten, die als Demokratie eingestuft wurden, sind perfekte „Vorzeigedemokratien“. Diese Demokratien sind in manchen demokratischen Bereichen gehemmt oder eingeschränkt und die Aufgaben einer Demokratie können nicht angemessen ausgeführt werden (Pickel/Pickel 2006: 235). Um diese Grauzone zwischen liberaler Demokratie und Autokratie zu definieren und typologisieren wurde das Konzept der „defekten Demokratie“ von einer Gruppe Politikwissenschaftler, unter anderem Wolfgang Merkel, entwickelt (Croissant 2010: 93). Das Konzept der defekten Demokratie wurde vor allem entworfen, um moderne Staaten bzw. Demokratien zu benennen und einzuordnen.
Es existierten allerdings schon in früheren Zeiten Demokratien, wie zum Beispiel die Weimarer Republik (1919 — 1933), die erste Demokratie in Deutschland. Somit stellt sich also die Frage, ob das Konzept der defekten Demokratie, welches eigentlich entwickelt wurde, um moderne Demokratien auf mögliche Defekte zu untersuchen, auch auf eine vergangene Demokratie, die offensichtlich gescheitert ist, angewandt werden kann und diese gescheiterte Demokratie anhand dieses Konzepts eingeordnet werden kann.
In der folgenden Arbeit soll im ersten Teil zunächst das Konzept der defekten Demokratie vorgestellt werden und anschließend im zweiten Abschnitt auf die Weimarer Republik im zeitlich begrenzten Zeitraum von 1919 bis 1929 angewandt werden. Abschließend wird die Analyse in einer Ergebnisdarstellung zusammengefasst.
2) Das Konzept der defekten Demokratie
2.1) Allgemein
Das Modell der embedded democracy dient als Basismodell für das Konzept der defekten Demokratie. Es wird davon ausgegangen, dass liberale Demokratien aus mehreren Teilregimen bestehen, die sich wechselseitig beeinflussen und für das Funktionieren der Demokratie verantwortlich sind, soweit die jeweiligen Aufgaben und Regeln eingehalten werden (Krennerich 2002: 119). Hierbei wird zwischen fünf Teilregimen unterschieden, auf die im Laufe der Arbeit noch näher eingegangen wird.
Defekte Demokratien gelten als Subtypen von Demokratien (Merkel/Puhle/Croissant 2003: 65). Um eine defekte Demokratie handelt es sich, wenn ein oder mehrere Teilregime eingeschränkt sind oder komplett fehlen und in Folge dessen mehrere Kriterien verletzt werden, die für Demokratien charakteristisch sind (Merkel/Croissant 2000: 8). Bei einem Defekt handelt es sich jedoch nicht sofort um eine Autokratie. Vielmehr geht es darum, Kriterien zu bestimmen, wonach entschieden werden kann, ab wann es sich bei einem oder mehreren Defekten um ein autokratisches System handelt oder noch um eine defekte Demokratie (Merkel/Puhle/Croissant 2003: 65). Der hauptsächliche Unterschied von defekten Demokratien zu Autokratien ist dieser, dass zwar Defekte vorhanden sind, aber die demokratischen Regeln trotzdem weiterhin Bestand haben und bestimmend sind (Thiery 2002: 71). Freiheit, Gleichheit und Kontrolle für die politische Selbstbestimmung der Bürger muss gegeben sein, sowie Volkssouveränität gewährleistet sein muss. Wenn all dies nicht gegeben ist, ist die Einbettung (embedded democracy) der Teilregime und die Rechtsstaatlichkeit nicht mehr gewährleistet. Folglich spricht man von einer defekten Demokratie (Merkel/Puhle/Croissant 2003: 65).
Defekte Demokratien sind trotz ihrer Defekte nicht automatisch instabil. Die Stabilität einer defekten Demokratie hängt von sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Einbettung ab. Die Defekte können auch in bereits konsolidierten Demokratien entstehen und sich im Laufe der Zeit verändern (Merkel/Puhle/Croissant 2003: 68).
Da es unterschiedliche Defekte in defekten Demokratien gibt, werden diese unterschiedlichen Typen anhand von vier Subtypen (exklusiv, illiberal, delegativ, enklave) eingeordnet. Selten liegt ein Defekt nur in einem Teilregime vor, so dass eine klare Typologisierung durchgeführt werden kann. In der Realität liegt meistens eine Mischform von unterschiedlichen Defekten vor. In diesen Fällen wird die typologische Einordnung anhand des am stärksten wiegenden Defekts vorgenommen (Merkel/Puhle/Croissant 2003: 69).
2.2) Wahlregime
Das Wahlregime ist das zentrale Regime in einer Demokratie. Durch dieses Regime werden die zu besetzenden Machtpositionen im Staat durch Wahlen bestimmt (Croissant 2010: 95). Vor allem ist es von großer Bedeutung, dass regelmäßige, freie, allgemeine und faire Wahlen durchgeführt werden (Merkel/Puhle/Croissant 2003: 77). Eine Wahl muss so gestaltet sein, dass es wirkliche Alternativen gibt, zwischen denen die Wähler entscheiden können (kompetitive Wahlen). Alle Teilnehmer müssen die gleichen Chancen haben die Wahl für sich zu entscheiden (Merkel/Puhle/Croissant 2003: 78).
Ein Defekt im Wahlregime liegt vor, wenn das universelle Wahlrecht durch Ausschluss einer Gruppe von Wahlberechtigten oder ganzer Bevölkerungsteile aufgrund von Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht u. a. verletzt wird. (Merkel/Croissant 2000: 9). Weiterhin liegt ein Defekt vor, wenn Teilen der Bevölkerung das Wahlrecht aufgrund von sozialen Bedingungen entzogen wird. In diesen beiden genannten Fällen spricht man von einer exklusiven Demokratie (Merkel/Croissant 2000: 9). Das gleiche gilt, wenn die Offenheit der Wahlen verletzt wird. Dies kann geschehen, indem Parteien zum Zweck des Machterhalts der Machthaber in ihrer Tätigkeit eingeschränkt oder ganz verboten werden. Auch die ungleiche Verteilung von öffentlichen Mitteln oder der erschwerte Zugang zu den Medien für bestimmte Parteien wird als Verletzung der Offenheit der Wahlen angesehen (Merkel/Puhle/Croissant 2003: 78). Desweiteren ist es möglich, dass die Offenheit von Wahlen durch Manipulation beeinträchtigt ist. In diesem Fall ist ein Defekt allerdings nur sehr schwer feststellbar, da Manipulationen nur sehr schwer messbar sind. Hier gilt es jeweils zu untersuchen, inwieweit Wahlen durch diese Einflüsse verzerrt sind und ein manipuliertes Ergebnis zustande kommt (Merkel/Puhle/Croissant 2003: 79).
Ebenfalls liegt ein Defekt im Wahlregime vor, wenn die Volkssouveränität eingeschränkt ist. Dies geschieht, wenn eine große Anzahl von Mandatsträgern nicht gewählt, sondern ernannt ist. Durch eine nicht demokratisch legitimierte Regierung folgt das Risiko, dass die Exekutive die Judikative und Legislative umgehen kann. Die Höhe des Risikos hängt davon ab, wie viele nicht legitimierte Mandatsträger ernannt und nicht gewählt sind (Merkel/Puhle/Croissant 2003: 79).
Da das Wahlregime den Kern einer Demokratie darstellt, muss dieses funktionieren. Laut dem Konzept der defekten Demokratie darf das Wahlregime trotzdem „fehlerhaft“ sein, so lange die zu vergebende Machtposition frei ist und durch Wahlen bestimmt wird. Des Weiteren müssen die Regime trotzdem in ihrer Gesamtheit weiterhin funktionieren (Thiery 2002: 80).
2.3) Politische Teilhaberechte
Die politischen Teilhaberechte, wie Assoziations,- Meinungs,- Presse,- und Informationsfreiheit bilden die Grundlage dafür, dass um Machtpositionen im Staat konkurriert werden kann. Besonders zu beachten sind hierbei die Rechte auf politische Kommunikation und Bildung von politischen Organisationen wie Parteien und Gewerkschaften (Croissant 2010: 95).
Ein Defekt in der Assoziationsfreiheit liegt vor, wenn die politische Partizipation eingeschränkt ist, der Staat Parteien und Gewerkschaften kontrolliert und politische Pluralität nicht mehr gewährleistet ist (Merkel/Puhle/Croissant 2003: 82). Diese Einschränkungen können unter anderem durch Parteiverbote und Beschränkungen erreicht werden. Allerdings ist diese Einschränkung nicht als Defekt anzusehen, wenn es sich um eine verfassungswidrige Partei handelt, die verboten wird (Merkel/Puhle/Croissant 2003: 83).
Ein Defekt der politischen Teilhaberechte ist, sobald die Meinungs, - Presse, - und Informationsfreiheit eingeschränkt ist. Dieser Defekt kann infolge von Monopolisierung von Medien durch Staat und Regierung vorliegen. Durch einen solchen Defekt ist es von staatlicher Seite relativ einfach, politische Informationen zugunsten der Machthaber zu manipulieren und die Partizipationsrechte der Bürger einzuschränken (Merkel/Puhle/Croissant 2003: 83). Man spricht von einem Defekt, wenn die politischen Teilhaberechte durch die genannten Eingriffe „nur“ beschränkt werden und nicht vollkommen zugunsten der Machthaber verändert werden (Autokratie) (Merkel/Puhle/Croissant 2003: 84).
2.4) Bürgerliche Freiheitsrechte
Die bürgerlichen Freiheiten sind der Ausgangspunkt für die Rechtsstaatlichkeit. Sie sind vor allem vorhanden, um Bürger vor willkürlichen Eingriffen des Staates zu schützen (Croissant 2010: 95).
Diese Freiheitsrechte beinhalten in einer Demokratie die Schutzrechte auf Leben, Freiheit und Eigentum (Merkel/Puhle/Croissant 2003: 85). Wichtig zu erwähnen ist, dass dadurch die kollektive Gleichheit vor dem Gesetz gesichert sein muss, keine Minderheiten dürfen durch oder vor dem Gesetz diskriminiert werden. Daraus folgt, dass Gerichte unabhängig und funktionsfähig sein müssen (Merkel/Puhle/Croissant 2003: 85). Ein Defekt der bürgerlichen Freiheitsrechte ist vorhanden, wenn eben diese Schutzrechte vor staatlichen und privaten Eingriffen nicht gewährleistet sind, Gerichte nicht unabhängig sind und für den Einzelnen die Gleichheit vor dem Gesetz nicht gegeben ist (Merkel/Puhle/Croissant 2003: 86). Im Fall, dass ein solcher Defekt vorliegt, spricht man von einer illiberalen Demokratie (Thiery 2002: 85).
2.5) Gewaltenkontrolle
Das Teilregime der Gewaltenkontrolle soll vor allem für die gegenseitige Kontrolle von Legislative, Exekutive und Judikative und die Wahrung von Volkssouveränität und Selbstbestimmung sorgen (Merkel/Puhle/Croissant 2003: 88). Die Verselbstständigung einer Gewalt und der Missbrauch von Macht soll dadurch verhindert werden (Croissant 2010: 96).
Wird eine Gewalt durch eine andere beeinträchtigt oder korrumpiert, hat dies Auswirkungen auf die Funktionalität aller Gewalten. Durch diese gehemmte Gewaltenkontrolle ist es möglich, dass die Exekutive zu viel Macht bekommt und sich verselbstständigt und die Demokratie sehr anfällig wird. Es besteht aber die Möglichkeit, dass eine Gewalt in Krisensituationen umfangreiche Vollmachten bekommt, um die Ordnung wiederherzustellen (Merkel/Puhle/Croissant 2003: 88).
Darüber hinaus liegt ein Defekt vor, wenn politische Ämter für private Zwecke missbraucht werden oder Richter von einer Gewalt für deren politischen Zweck beeinflusst werden, wodurch die Autonomie der Gerichte verloren geht (Merkel/Puhle/Croissant 2003: 89). Die Beschneidung von Mitteln und Ressourcen der Gerichte gilt ebenfalls als Defekt (Merkel/Puhle/Croissant 2003: 90).
Es liegen also Defekte in der Gewaltenkontrolle vor, wenn die Exekutive umfassende Gesetzgebungskompetenzen besitzt, die Judikative nicht autonom ist bzw. komplett ausgeschaltet wird (Merkel/Puhle/Croissant 2003: 91). Ist solch ein Defekt gegeben, wird diese Form der defekten Demokratie als „delegativ“ bezeichnet (Thiery 2002: 85).
2.6) Effektive Regierungsgewalt
Dieses Teilregime zeigt, ob die demokratisch legitimierten Machthaber tatsächlich die effektive Macht im Staat besitzen oder ob andere Mächte vorhanden sind, die Einfluss auf das politische Geschehen haben. Aber auch die Kontrolle des Militärs spielt in diesem Teilregime eine Rolle (Croissant 2010: 96).
Es liegt ein Defekt vor, sobald die Kompetenz der gewählten Mandatsträger beschnitten ist oder von Seiten der Gewalten nicht mehr reagiert werden kann. Dies kann zum einen geschehen, indem externe „Vetomächte“ (Militär, Unternehmen usw.) in das politische Geschehen eingreifen oder indem gewisse Entscheidungen aus der Politik ausgegliedert werden (Merkel/Croissant 2000: 10).
Über dies hinaus ist die Kontrolle des Militärs wichtig, da dies eine beträchtliche Macht im Staat darstellt. Es ist in der Lage, eine Regierung unter Druck zu setzen oder zu stürzen. Daher ist es wichtig, dem Militär einen Rahmen zu setzen, in dem es agieren kann und weiterhin als Mittel für die Machthaber funktioniert (Merkel/Puhle/Croissant 2003: 93). Wenn sich das Militär jedoch den Anweisungen der Entscheidungsträger widersetzt (Befehlsverweigerung usw.) hat es die Möglichkeit, per „Veto“ auf die Regierung Einfluss zu nehmen. Allerdings besteht erst ein Defekt, sobald das Militär mit Interventionen gegen das System vorgeht (Merkel/Puhle/Croissant 2003: 94).
In diesem Szenario, dass Vetomächte und/oder Militär Einfluss auf die Politik nehmen, wird von einer Enklavendemokratie gesprochen (Thiery 2002: 85).
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- Arbeit zitieren
- Maximilian Posch (Autor:in), 2012, Eine Anwendung des Konzepts der defekten Demokratie auf die Weimarer Republik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/538087
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