Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit Gellerts Roman „Die schwedische Gräfin von G***“. Gellert wollte mit seinem Werk nicht nur unterhalten, sondern verfolgte auch pädagogische Absichten, die ich mit dieser Hausarbeit herausarbeiten möchte.
Um dies zu gewährleisten ist es unter anderem notwendig, die Begründung formaler Aspekte im Handlungsstrang des Werkes wiederzufinden.
Ich werde darüber hinaus die für Gellert geltenden Ideale anhand seiner moralischen Vorlesungen und Quellen anderer Autoren historisch und kritisch darstellen, um den Roman auf dieser Grundlage zu untersuchen.
Weiterhin möchte ich die Charakteristika der Empfindsamkeit vorstellen, die die Grenze der tradierten Moralnormen im Gegensatz zur anschließenden Strömung des Sturm und Drang noch nicht überschreiten. Im Mittelpunkt soll hierbei die Einheit von Herz und Vernunft und ihre Bewährung stehen. Der Focus wird vorwiegend auf dem ersten Teil des Romans liegen, da die pädagogische Absicht in diesem wesentlich ausgeprägter ist.
Auffallend ist außerdem, dass der Roman über eine Haupt- und zahlreiche Nebenhandlungen verfügt. Ich werde in der vorliegenden Arbeit zum einen untersuchen, was Gellert mit dieser großen Anzahl von handelnden Personen bezwecken wollte und welche Bedeutung den Sterbensszenen zukommt.
Anhand ausgesuchter Episoden möchte ich anschließend die spezielleren Absichten Gellerts darstellen und hierbei auch die Sichtweise eines heutigen Lesers einbeziehen.
Gliederung
1. Einleitung
2. Formale Aspekte und Erzählformen
2.1. Ich-Erzählerin und Ansprache des Lesers
2.2. Die Episodenstruktur des ersten Teils
2.3. Der Einsatz von Briefen im Roman
3. Gellert als Pädagoge der Aufklärung
4. Gellerts Ideale
4.1. Gellerts Moral- und Tugendideal
4.2. Gellerts Liebes- und Eheideal
4.3. Gellerts Ideal der Einheit von Herz und Vernunft – Affekttransformation
5. Ausgewählte Episoden zur exemplarischen Darstellung Gellerts Intention
5.1. Marianenepisode als Antithese zur gelungenen Affekttransformation
5.2. Heirat mit Herrn R***
5.3. Rückkehr des Grafen
5.4. Ehe zu viert als Ausweg
5.5. Die Episode des Prinzen
6. Neudefinition der Funktion des Todes
7. Schlussbetrachtung
II. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit Gellerts Roman „Die schwedische Gräfin von G***“. Gellert wollte mit seinem Werk nicht nur unterhalten, sondern verfolgte auch pädagogische Absichten, die ich mit dieser Hausarbeit herausarbeiten möchte.
Um dies zu gewährleisten ist es unter anderem notwendig, die Begründung formaler Aspekte im Handlungsstrang des Werkes wiederzufinden.
Ich werde darüber hinaus die für Gellert geltenden Ideale anhand seiner moralischen Vorlesungen und Quellen anderer Autoren historisch und kritisch darstellen, um den Roman auf dieser Grundlage zu untersuchen.
Weiterhin möchte ich die Charakteristika der Empfindsamkeit vorstellen, die die Grenze der tradierten Moralnormen im Gegensatz zur anschließenden Strömung des Sturm und Drang noch nicht überschreiten. Im Mittelpunkt soll hierbei die Einheit von Herz und Vernunft und ihre Bewährung stehen. Der Focus wird vorwiegend auf dem ersten Teil des Romans liegen, da die pädagogische Absicht in diesem wesentlich ausgeprägter ist.
Auffallend ist außerdem, dass der Roman über eine Haupt- und zahlreiche Nebenhandlungen verfügt. Ich werde in der vorliegenden Arbeit zum einen untersuchen, was Gellert mit dieser großen Anzahl von handelnden Personen bezwecken wollte und welche Bedeutung den Sterbensszenen zukommt.
Anhand ausgesuchter Episoden möchte ich anschließend die spezielleren Absichten Gellerts darstellen und hierbei auch die Sichtweise eines heutigen Lesers einbeziehen.
2. Formale Aspekte und Erzählformen
Es ist auffällig, dass Gellert versucht hat, seine inhaltlichen Intentionen durch die gewählten Formalien zu stützen:
2.1. Ich-Erzählerin und Ansprache des Lesers
Der Roman ist wie eine Autobiographie erzählt. Durch die Ich-Erzählerin wird dem Leser die Fiktion von Authenzität des Erzählten vermittelt. Der Leser fühlt sich stärker angesprochen, weil ihm durch die Erzählerin als ansprechbare Persönlichkeit das Gefühl vermittelt wird, dass die Geschichte seinetwegen erzählt wird.[1] Im Anschluss an den Erziehungsbericht wird dem Leser sogar die Rolle des Richters über die Tugendhaltung der Protagonisten zugewiesen: „Es wird am besten sein, wenn ich mich weder lobe noch tadle und es auf die Gerechtigkeit der Leser ankommen lasse, was sie sich aus meiner Geschichte für einen Begriff von meiner Gemütsart machen wollen.“[2] Dem Leser wird durch diese Aufforderung Mündigkeit zugesprochen, was ihn aufwertet und so seine Rezeptionsbereitschaft für die zu vermittelnden Auffassungen erhöht. Es ist zu erkennen, dass sich der Roman an kundige, belesene Leser richtet, denn die Erzählerin deutet die galanten Motive nur an und verzichtet auf ausführliche Erläuterungen. Die gesamte Erzählsituation spiegelt somit das Autonomisierungsstreben der Aufklärung wider.
2.2. Die Episodenstruktur des ersten Teils
Der behandelte Roman gliedert sich in zahlreiche, mehr oder weniger abgeschlossene Episoden, deren Anfang und Ende meist durch abschließende, zeitraffende Überleitungen deutlich markiert sind.[3] In jeder dieser Episoden wird beispielhaft aufgezeigt, wie durch die Befolgung von Tugendidealen Konfliktsituationen bewältigt werden können. Die personen- und handlungsreichen Episoden werden durch die übergreifende Konzeption des Lebensberichtes der Gräfin zusammengehalten. Als Haupthandlung kann man demnach den Lebensbericht der Gräfin bezeichnen, neben der eine Vielzahl antithetisch oder parallel verlaufender Nebenhandlungen existieren. Auch in diesen kleineren Handlungen entfaltet Gellerts Herz- und Vernunftideal zur Affekttransformation, auf das später noch eingegangen wird, seine Wirksamkeit. Die Romanfiguren werden in allen Episoden mit Extremsituationen hauptsächlich unerfreulicher Art konfrontiert, in denen die Betroffenen entweder gefasst und besonnen oder irrational und leidenschaftlich reagieren, wobei nur die erste Verhaltensweise ins Glück führt. Generell versucht Gellert durch seine Episodenstruktur zu erreichen, dass so viele Situationen der bürgerlichen Lebenskultur wie möglich erprobt werden, um die Bewährung des Ideals von Herz und Vernunft zu demonstrieren.
2.3. Der Einsatz von Briefen im Roman
Briefe, die in Romanen eingebunden sind, haben dokumentarischen Charakter und lassen das Werk realer erscheinen. Darüber hinaus kann sich der Leser durch den Einsatz von Briefen stärker in die Geschehnisse einfühlen und sich mit den Protagonisten stärker identifizieren. Gellert wollte durch die eingebundenen Briefe inhaltliche Homogenität zwischen den Aussagen der Erzählerin und den geschilderten Erlebnissen in den Briefen schaffen. Mit diesem Mittel provozierte er die Autorisierung des von der Erzählerin ( und ihm ) vertretenen Tugendideals.
Briefe werden im Roman auch dort eingesetzt, wo auch persönliche Gespräche möglich gewesen wären, wie beispielsweise bei der Verzichtserklärung des Herrn R*** oder der Werbung des Grafen für die Gräfin. Die Briefe treten in emotional heiklen Liebes- und Liebesverzichtserklärungen anstelle eines Gespräches. In diesen Situationen dient der Brief als Mittel der Affektkontrolle, da Briefe Getrenntheit ermöglichen und die Kommunikation über schwierige Themen erleichtert wird.
Im zweiten Teil des Romans wird der Erzählbericht der Gräfin in weiten Teilen durch die Briefe des Grafen ersetzt. Der Brief kann in diesem übertriebenen Maße nicht mehr die Authentizität der Erzählung fördern. Daran lässt sich erkennen, dass Gellert sich nicht genau über den Einsatz und Grenzen des Einsatzes von Briefen im Klaren war.
3. Gellert als Pädagoge der Aufklärung
Die Schwedische Gräfin von G*** erschien in den Jahren 1747 und 1748 anonym in zwei Bänden. Die Anonymität begründete sich darin, dass der Roman zu jener Zeit in Deutschland noch einen sehr schlechten Ruf hatte und Gellert befürchtete sein Ansehen als Professor für Beredsamkeit und Moral zu gefährden. Trotz großer Beliebtheit des Werkes beim zeitgenössischen Publikum gab es sehr früh bereits ausgesprochene Kritik an der poetischen Qualität des Romans. Ungewohnt erscheint, dass Gellert einen Roman aus der Ich-Perspektive schreibt und die Hauptfigur des Romans durch eine Frau verkörpert wird. Die Schwedische Gräfin von G*** stellte tatsächlich eine originäre Neuschöpfung dar, die zu keinem der zeitgenössischen Romane eine stärkere Ähnlichkeit hat.
Historisch ist das Werk in die Epoche der Aufklärung einzuordnen (ca. 1720-1785). Diese manifestiert sich bei Gellert „in seiner reinsten, weil elementaren Form“[4]. Die Literatur der Aufklärungszeit wurde maßgeblich und mehr als andere Epochen von den geistesgeschichtlichen Strömungen der Zeit beeinflusst. Im Zeitalter der Aufklärung wurde religiöser Belehrungseifer durch vernünftige Belehrungen wie die Idee der Toleranz abgelöst. Kant definierte die Zeit der Aufklärung wie folgt: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Erschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“[5]
Wenn man nun untersuchen möchte, ob Gellert ein Aufklärungspädagoge war, ist es sinnvoll sein Werk mit den von Herwig Blankerts aufgestellten sechs Thesen der Aufklärungspädagogen zu vergleichen:
„Erziehung liegt in der Hand des Menschen und kann zum Gegenstand einer eigenen Reflexion gemacht werden.“
[...]
[1] Meyer-Krentler, E. (1974): Der andere Roman. Gellerts „Schwedische Gräfin“. Von der aufklärerischen Propaganda gegen den „Roman“ zur empfindsamen Erlebnisdichtung. Göppingen: Verlag Alfred Kümmerle, S.30f.
[2] Gellert, C.F. (1968): Leben der schwedischen Gräfin von G***. Bibliographisch ergänzte Ausgabe. Stuttgart: Reclam, S.7, Z.19-23.
[3] Meyer-Krentler, E. (1974): Der andere Roman. Gellerts „Schwedische Gräfin“. Von der aufklärerischen Propaganda gegen den „Roman“ zur empfindsamen Erlebnisdichtung. Göppingen: Verlag Alfred Kümmerle, S.37f.
[4] Witte, B. (1990) (Hrsg.): Ein Lehrer der ganzen Nation. Leben und Werk Christian Fürchtegott Gellerts. München: Fink Verlag, S. 84.
[5] Bahr, E. (1996) (Hrsg.): Was ist Aufklärung. Thesen und Definitionen. Bibliographisch ergänzte Ausgabe. Stuttgart: Reclam, S. 9.
- Citation du texte
- Stephanie Meyer (Auteur), 2006, Liebe im Widerspruch zwischen Gesellschaft und Herz am Beispiel von 'Leben der schwedischen Gräfin von G***' von C. F. Gellert, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/53759
-
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X.