Klimakrise, Verteilungskrise, Sinnkrise, Demokratiekrise, Wertekrise – mit dem rasanten Voranschreiten der Globalisierung gehen auch einige Probleme einher, die eine grundlegende Transformation der Gesellschaft notwendig machen. Immer mehr Verbraucher achten inzwischen darauf, welche Auswirkungen ihr Konsum auf Mensch und Umwelt hat.
Alena Barnes untersucht deshalb, welches Potenzial Corporate Social Responsibility für das moderne Marketing birgt. Was genau ist unter Corporate Social Responsibility beziehungsweise der Gemeinwohl-Ökonomie zu verstehen? Kann die Gemeinwohl-Ökonomie als fundiertes CSR-Instrument funktionieren?
Um diese Fragen zu klären, setzt Barnes sich mit dem Modell Marketing 3.0 auseinander. Dieses begreift den Menschen nicht mehr nur als Verbraucher, sondern als Mensch mit Sehnsüchten, und dem Wunsch nach Sinnhaftigkeit sowie Gerechtigkeit. Dieses Modell reichert die Autorin mit CSR-Instrumenten an. Ihre Publikation zeigt, wie die Gemeinwohl-Ökonomie bekannte Defizite herkömmlicher CSR-Tools auflöst und somit ein ganzheitliches CSR-Instrument darstellt.
Aus dem Inhalt:
- Nachhaltigkeit;
- Konsumgesellschaft;
- Greenwashing;
- Kampagne;
- Turbokapitalismus
Inhaltsverzeichnis
Danksagung
Kurzfassung
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Einführung und Motivation
1.2 Zielsetzung und methodische Vorgehensweise
1.3 Aufbau der Arbeit
2 Das Marketing
2.1 Definition
2.2 Die Entwicklung des Marketings
2.3 Marketing 3.0 – Vom Kunden zum Menschen
2.4 Zwischenfazit
3 Nachhaltigkeit in Unternehmen – Die Stunde von Corporate Social Responsibility
3.1 Begriffsdefinition
3.2 Bedeutungsentwicklung von CSR in Unternehmen
3.3 CSR im Marketing
3.4 Nachteile von CSR
3.5 Die Gemeinwohl-Ökonomie
3.6 Zwischenfazit
4 Analyse der Schnittmenge und Gegensätze der Modelle Marketing 3.0 und Gemeinwohl-Ökonomie
4.1 Schnittmenge
4.2 Gegensätze
4.3 Zwischenfazit
5 Methodik
5.1 Forschungsinteresse
5.2 Forschungsdesign
5.3 Vorgehensweise der Auswertung der erhobenen Daten
5.4 Fehlerquellen
6 Darstellung der Forschungsergebnisse
6.1 CSR-Maßnahmen in Unternehmen
6.2 Welche Motivation liegt Ihrer Ansicht nach der Einführung der Gemeinwohl-Ökonomie in Ihrem Unternehmen zugrunde?
6.3 Welche Auswirkungen hat die GWÖ Ihrer Ansicht nach auf folgende Punkte Ihres Unternehmens?
6.4 Gemeinwohlökonomie und Marketing 3.0
6.5 Wenn Sie einen Blick in die Zukunft werfen, wo sehen Sie das Marketing 3.0 und die Gemeinwohl-Ökonomie?
7 Zusammenfassung und Reflexion der Ergebnisse der Experteninterviews
7.1 Interviewfrage 1 und 2: CSR-Maßnahmen in Unternehmen
7.2 Interviewfrage 3: Welche Motivation liegt Ihrer Ansicht nach der Einführung der Gemeinwohl-Ökonomie in Ihrem Unternehmen zugrunde?
7.3 Interviewfragen 4 bis 8: Welche Auswirkungen hat die GWÖ Ihrer Ansicht nach auf folgende Punkte Ihres Unternehmens?
7.4 Interviewfragen 9 und 10: Gemeinwohlökonomie und Marketing 3.0
7.5 Interviewfrage 11: Blick in die Zukunft
8 Resümee
8.1 Zusammenfassung und Beantwortung der Forschungsfrage
8.2 Ausblick und Handlungsempfehlungen
Literaturverzeichnis
Anhang
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
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Impressum:
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Covergestaltung: GRIN Publishing GmbH
Danksagung
Mein Dank gebührt meinen Eltern Heike Barnes, Brendan Barnes und darüber hinaus Britta Barnes für ihre warmen und wohlwollende Herzen. Dafür, dass sie mir dieses Studium ermöglichten und immer einen guten irischen Whiskey für mich parat hatten, wenn das Studieren neben der Arbeit auch mal schwer fiel. Slàinte.
Besonders danke ich meiner Frau, Frieda Barnes, die mir zur geistigen Stärkung die besten Gerichte zauberte, stets mit Sambal vollendete und mir sogar die Walnüsse mit der Hand knackte wenn kein Nussknacker zur Verfügung war. Außerdem danke ich ihr dafür, dass sie stets ein offenes Ohr für mich hatte und mit ihrem Scharfsinn dazu beitrug, dass die Arbeit in der angestrebten Form ihren Abschluss gefunden hat. Is breá.
Go Raibh Maith.
Kurzfassung
In dieser Arbeit wird das Potential der Gemeinwohl-Ökonomie als Corporate Social Responsibility (CSR)-Instrument im Rahmen des Marketings 3.0 untersucht.
Im ersten Schritt wird das Marketing theoretisch beschrieben und das moderne Marketing-Modell (Marketing 3.0) nach Philip Kotler analysiert. Das Marketing 3.0 begreift den Menschen nicht mehr nur als Verbraucher0F1 mit oberflächlichen Bedürfnissen, sondern als Mensch mit Sehnsüchten, Ängsten und dem Wunsch nach Sinnhaftigkeit, Gerechtigkeit sowie einem ausgeprägten ökologischen Bewusstsein. Um vor diesem Hintergrund eine adäquate Marketingstrategie zu generieren, wird die Integration von CSR in Marketingkonzepte vorgeschlagen. Angesichts der Tatsache, dass CSR heute unter inflationärem Gebrauch leidet – Stichwort Greenwashing – und weitere Defizite aufweist, wird das alternative Wirtschaftsmodell von Christian Felber, die Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ), vorgestellt. Es wird dargestellt, wie die GWÖ alle beschriebenen Defizite von CSR-Tools aufgreift, in ihrem Kerngedanken beseitigt und als ganzheitliches CSR-Instrument gesehen werden kann. Daraufhin werden die Schnittstellen der Modelle nach Kotler und Felber basierend auf den Ergebnissen der Literaturrecherche aufgedeckt um einen ersten Eindruck der Kompatibilität eines effektiven Zusammenwirkens der GWÖ als CSR-Instrument im Marketing 3.0 zu gewinnen. Das Ergebnis spiegelt eine breite Übereinstimmung ideologischer Inhalte der Modelle wider. Dies wird zusätzlich im methodischen Teil der Arbeit, dem Experteninterview, deutlich. Zusammenfassend wird hieraus erkennbar, dass die GWÖ als CSR-Tool in den Unternehmen der befragten Marketing-Experten positive Auswirkungen auf verschiedene Unternehmensbereiche hat. Darüber hinaus bestärken sich die GWÖ und das Marketing 3.0 gegenseitig in ihrer Entfaltung, Zielerreichung und Etablierung in der Praxis. Handlungsbedarf wird in der Politik gesehen, von der erwartet wird, dass nachhaltiges Wirtschaften in Form von Gesetzen für Unternehmen obligatorisch wird und dass es für bereits verantwortungsbewusste Unternehmen Erleichterungen zur besseren Überlebensfähigkeit am Markt gibt.
Gemeinwohl-Ökonomie / Marketing 3.0 / Corporate Social Responsibility
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 Faktoren für die Entstehung von Marketing 3.0
Abbildung 2: Die drei Stadien des Umgangs mit sozialen Themen im Marketing
Abbildung 3: Das CSR-Reifegradmodell
Abbildung 4: Das Nachhaltigkeitsdreieck
Abbildung 5: Die Gemeinwohl-Matrix 5.0
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Marketing 1.0, 2.0 und 3.0 im Vergleich
Tabelle 2 Die Gemeinwohl-Bilanz 5.0 als Berichtsrahmen für nichtfinanzielle Erklärungen
Tabelle 3: Punkteskala
Tabelle 4: CSR-Tools im Einsatz befragter Unternehmen
Tabelle 5: Expertenmeinungen – Allgemeine wirtschaftliche Performance
Tabelle 6: Expertenmeinungen – Öffentliche Präsenz
Tabelle 7: Expertenmeinungen – Kundengewinnung, -zufriedenheit, -bindung
Tabelle 8: Expertenmeinungen – Mitarbeiterzufriedenheit
Tabelle 9: Expertenmeinungen – Talentsuche
Tabelle 10: Expertenmeinungen – Übereinstimmung ideologischer Inhalte der Modelle Marketing 3.0 und Gemeinwohl-Ökonomie
Tabelle 11: Expertenmeinungen – Effizienz der GWÖ als CSR-Instrument im Marketing 3.0
Abkürzungsverzeichnis
AktG Aktiengesetz
AMA American Marketing Association
BIP Bruttoinlandsprodukt
BP British Petroleum
CEO Chief Executive Officer
CO2 Kohlenstoffdioxid
CSR Corporate Social Responsibility
DDR Deutsche Demokratische Republik
DIN Deutsches Institut für Normung
DIW Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung
DNK Deutscher Nachhaltigkeitskodex
e. V. eingetragener Verein
EMAS Eco-Management and Audit Scheme
FF Forschungsfrage
FFH Forum Fairer Handel
FSC Forest Stewardship Council
FU Forschungsunterfrage
GOTS Global Organic Textile Standard
GRI Global Reporting Initiative
GW Gemeinwohl
GWÖ Gemeinwohl-Ökonomie
HGB Handelsgesetzbuch
ILO Internationale Arbeitsorganisation
ISO International Organization for Standardization
KWG Kreditwesengesetz
MBA Master of Business Administration
NGO Nichtregierungsorganisation
OECD Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
PEFC Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes
PoS Point of Sale
RWE Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk
SOEP Das Sozioökonomische Panel
TNS Taylor Nelson Sofres
UNGC United Nations Global Compact
WEF World Economic Forum
WFTO World Fair Trade Organization
1 Einleitung
Das erste Kapitel der vorliegenden Thesis besteht aus Einführung und Motivation, Zielsetzung und methodischer Vorgehensweise sowie dem Aufbau der Arbeit.
1.1 Einführung und Motivation
Seit dem Ende des Kalten Krieges wächst die Welt wirtschaftlich immer mehr zusammen. Die rasant voranschreitende Globalisierung, angetrieben von den Kräften der „Marktlogik“, führt dazu, dass aufgrund der Verflechtungen neben den Vorteilen auch viele Nachteile entstehen und ein globales Ausmaß annehmen. Ein Problem ist, dass Institutionen und die Gesellschaft mit den Veränderungen kaum Schritt halten können: „ Die soziale Entwicklung entkoppelt sich vom wirtschaftlichen Fortschritt“ (Snower zitiert in Jung 2017, o.S.), so der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Dennis Snower. Das damit verbundene Unbehagen über die Entwicklungsrichtung der Weltwirtschaft ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen und wird geschürt durch Stichworte wie die von Menschen gemachte Klimakrise, Verteilungskrise, Sinnkrise, Demokratiekrise oder Wertekrise – Brennpunkte, die eine grundlegende Transformation in der Gesellschaft notwendig machen.
Immer mehr Verbrauchern ist es nicht mehr gleichgültig, welche Auswirkungen ihr Konsum auf Mensch und Umwelt hat.1F2 Die Externalisierung in die Zukunft oder in andere Länder, also die Produktion von Gütern und Dienstleistungen auf jene Art und Weise, dass Umweltkosten erst Jahre später bzw. in anderen Ländern anfallen, aber auch prekäre Arbeitsbedingungen in Schwellen- und Entwicklungsländern oder eine Ressourcenverknappung, verlangen nach einer Kurskorrektur in Politik und Wirtschaft. So wünschen sich laut einer für DIE ZEIT durchgeführten Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes TNS Emnid neun von zehn Bundesbürgern eine neue Wirtschaftsordnung. Sie sind davon überzeugt, dass der Kapitalismus nicht für soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz sorgen kann bzw. nicht verantwortungsbewusst mit der Endlichkeit der Ressourcen umgeht.2F3 Diesen Wunsch nach Veränderung und einer Neuausrichtung äußern Bürger in weltweiten Bewegungen wie der „Occupy Bewegung“ gegen das umstrittene Bankenwesen, das die Weltwirtschaftskrise 2008/2009 hervorbrachte, oder „Fridays For Future“, eine Bezeichnung für die globalen Schüler- und Studierendenbewegung, die sich für Klimaschutz einsetzt.
Die Agenda 213F4 der Vereinten Nationen bringt den Missstand auf den Punkt:
Die Menschheit steht an einem entscheidenden Punkt ihrer Geschichte. Wir erleben eine Festschreibung der Ungleichheiten zwischen und innerhalb von Nationen, eine Verschlimmerung von Armut, Hunger, Krankheit und Analphabetentum sowie die fortgesetzte Zerstörung der Ökosysteme, von denen unser Wohlergehen abhängt. Eine Integration von Umwelt- und Entwicklungsbelangen und die verstärkte Hinwendung auf diese wird indessen eine Deckung der Grundbedürfnisse, höhere Lebensstandards für alle, besser geschützte und bewirtschaftete Ökosysteme und eine sicherere Zukunft in Wohlstand zur Folge haben.4F5
Eine wirtschaftliche Werteverschiebung weg von absatzorientierter Gewinnmaximierung hin zu gesellschaftlicher Verantwortung muss scheinbar die logische Schlussfolgerung sein. Doch wie genau könnte eine solche Alternative aussehen? Sicher ist, dass Reformen im bestehenden System allein nicht mehr genügen, sondern es eine neue Vision braucht.
Die Bedeutungsentwicklung von Corporate Social Responsibility nimmt vor dem Hintergrund wachsender sozialer und ökonomischer Sorgen immer weiter zu und ist von einer Randerscheinung zu einem Schlüsselkonzept des 21. Jahrhunderts geworden. Ein Nebeneffekt der Auseinandersetzung mit CSR-Maßnahmen ist mitunter, dass nachhaltiges Wirtschaften als ein Differenzierungsmerkmal in Zeiten des zunehmenden Wettbewerbsdrucks erkannt wird und sich als ein beliebtes Marketing-Tool etabliert hat. Stakeholder nehmen Risiken nicht-nachhaltiger Geschäftstätigkeiten wahr, plädieren auf gesellschaftliche Verantwortung und fordern die Integration von Nachhaltigkeitskonzepten in die Unternehmensstrategien. Folglich bedienen sich immer mehr Marketingabteilungen des CSRs zur Bearbeitung ihres Marketing-Mixes. Marketing ist eine Kerndisziplin der Betriebswirtschaft und die zunehmende Diskussion um eine Verantwortung der Wirtschaft macht auch hier nicht halt. Innovatives Marketing kann als Schlüssel in der Verknüpfung von wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Kriterien menschlicher Bedürfnisse gesehen werden und wird daher zusehends als Instrument im Unternehmen zur Aktivierung und Kommunikation von nachhaltigen Aktivitäten integriert.5F6 Wirtschaften führt nicht nur zu Wohlstand, sondern auch zu erheblichen Belastungen für die Umwelt, zum Verbrauch endlicher Ressourcen sowie zu einer ungerechten Verteilung der Güter. Diesen Problemen kann mit kreativen Lösungen und deren effizienter Umsetzung, mit unter anderem der Hilfe des Marketings, begegnet werden. Doch die Authentizität im Nachhaltigkeitsmarketing bleibt häufig auf der Strecke. Viele Unternehmen definieren mittlerweile Nachhaltigkeit als Geschäftsziel und das weniger aus ethischer6F7 Motivation heraus sondern viel mehr aus Berechnung. Sie wollen Kunden ansprechen, die darauf achten, dass Produkte unter gesellschaftlich verantwortungsbewussten Bedingungen entstanden sind und fair produziert und vertrieben werden. Darüber hinaus hilft es ihnen bei der Stärkung ihrer Reputation. Das Marketing von heute sieht sich demzufolge vor neue Herausforderungen gestellt. Philip Kotler7F8 beschreibt das Marketing von heute als Marketing 3.0. Dieses Modell lässt die statischen Konzepte von Marketing 1.0 (Produkt im Zentrum) und Marketing 2.0 (der Mensch und seine oberflächlichen Bedürfnisse im Zentrum) hinter sich und betrachtet den Verbraucher als ganzheitliches Wesen mit Ängsten, Sehnsüchten, einem ausgeprägten Umweltbewusstsein und dem Bedürfnis nach sozialer und ökonomischer Gerechtigkeit.8F9 Der Konsument sieht heute nicht mehr nur einfach zu, sondern wird mithilfe der digitalen Transformation (v. a. durch die sozialen Medien) und Open Innovation9F10 partizipativ und zum Prosumer10F11. Dieser Trend in Richtung kollaborativer Konsumenten beeinflusst das Unternehmensgeschehen maßgeblich, da Unternehmen selbst nun nicht mehr Alleinherrscher über ihre Produkte und Marken sind, sondern den Bedürfnissen und Anforderungen starker Konsumentengemeinschaften gerecht werden müssen, die ihren Anforderungen über das Internet mittlerweile eine enorme Reichweite verschaffen können.
Viele Unternehmen kommen mit der Ausübung von CSR an ihre Grenzen. Zwar beanspruchen sie soziales, ökonomisches und ökologisches Engagement für sich, doch Konsumenten haben mittlerweile die Taktiken rein punktueller Maßnahmen und die des Greenwashings11F12 vieler Unternehmen durchschaut, wodurch das CSR immer mehr an Glaubwürdigkeit verliert. Was kann also getan werden, um ganzheitliches, transparentes, sinnstiftendes und messbares CSR zu betreiben?
Für eine nachhaltige und gemeinwohlorientierte Entwicklung der Gesellschaft müssen das Verständnis von wirtschaftlichem Erfolg und die Rahmenbedingungen des Wirtschaftens an die Ziele einer nachhaltigen Entwicklung und der Fokussierung auf das Gemeinwohl gekoppelt sein und die Umsetzung durch entsprechende Instrumente gefördert werden. Der Begründer der Gemeinwohl-Ökonomie, Christian Felber, hat hierzu einen Lösungsvorschlag kreiert. Der Wiener Wissenschaftler fordert: „ Wirtschaft muss menschlicher, sozialer, verteilungsgerechter, nachhaltiger, demokratischer – rundum ethischer werden als sie es heute ist“ (Felber 2018, S. 8). Laut Felber geht es dem Menschen gut, wenn er die Werte „Vertrauensbildung, Ehrlichkeit, Wertschätzung, Respekt, Zuhören, Empathie, Kooperation, gegenseitige Hilfe und Teilen“ (Felber 2018, S. 12). erfährt. Diese Werte fördert die Gemeinwohl-Ökonomie, bei der das Geld nur Mittel zur Erreichung dieser höheren Ziele ist und nicht wie bei der Marktwirtschaft der Profit zum alleinigen Ziel wird. Denn das alleinige Ziel der Gewinnmaximierung füttert Egoismus, Gier und Geiz sowie Rücksichtslosigkeit und Verantwortungslosigkeit. Die Gemeinwohl-Ökonomie wird von Felber selbst als ein alternatives Wirtschaftsmodell und gleichzeitig als CSR-Instrument bezeichnet. Dieses innovative Wirtschaftsmodell wird in dieser Arbeit vorgestellt. Zudem soll dessen mögliches Potential als CSR-Instrument im Marketing 3.0, herausgearbeitet werden.
1.2 Zielsetzung und methodische Vorgehensweise
Die Zielsetzung der Arbeit ist die Beantwortung der Forschungsfrage (FF). Diese lautet wie folgt:
FF: Wie ist das Potential der Gemeinwohl-Ökonomie als CSR-Instrument im Marketing 3.0 einzuschätzen?
Zusätzlich zur Forschungsfrage wurden ergänzend fünf Forschungsunterfragen (FU) entwickelt, die zur Strukturierung und als Leitfaden der Arbeit sowie der Wissenssammlung zur Beantwortung der Forschungsfrage dienen.
FU:
1) Was ist unter dem Modell Marketing 3.0 nach Philip Kotler zu verstehen?
2) Was ist unter Corporate Social Responsibility bzw. der Gemeinwohl-Ökonomie nach Christian Felber zu verstehen?
3) Kann die Gemeinwohl-Ökonomie als fundiertes CSR-Instrument funktionieren?
4) Welche Schnittmenge ergibt sich aus der Analyse der Modelle Marketing 3.0 und Gemeinwohl-Ökonomie?
5) Wie ist nach Meinung der Experten das Potential der Gemeinwohl-Ökonomie als CSR-Instrument im Marketing 3.0 einzuschätzen?
Zur Beantwortung dieser Fragen wurde eine systematische Literaturrecherche durchgeführt, um einen theoretischen Bezugsrahmen herzustellen. Es wurde auf Grundlagenliteratur zu den Theorien des Marketings sowie der Nachhaltigkeit zurückgegriffen. Die Gemeinwohl-Ökonomie als noch junges Modell ist detailliert nur im gleichnamigen Buch ihres Gründers Christian Felber beschrieben, welches für diese Arbeit unverzichtbar ist. Des Weiteren wurden digitale Journale zum Thema Marketing sowie Beiträge aus dem Internet zur Gemeinwohl-Ökonomie herangezogen. Es wurde sowohl deutsche als auch englische Literatur berücksichtigt.
Um die Forschungsfrage zu beantworten, wurde neben der Aufbereitung theoretischer Grundlagen eine empirische Studie durchgeführt, die qualitativ und quantitativ ausgewertet wurde. Mit Hilfe eines Leitfadeninterviews wurden Experten aus dem Bereich Marketing, die in bereits Gemeinwohl-bilanzierten Unternehmen tätig sind, zu unterschiedlichen Inhalten hinsichtlich CSR, der Gemeinwohl-Ökonomie und Marketing 3.0 befragt, um den Grad des Potentials der GWÖ als CSR-Instrument im im Marketing 3.0 zusätzlich durch Expertenmeinungen zu analysieren.
Die Autorin selbst arbeitet als Marketing-Managerin und sieht sich in der Verantwortung, Menschen für einen gesellschaftlich und ökologisch verantwortungsbewussten Konsum zu begeistern. Im Marketing 3.0 als Arbeitsgrundlage und der Gemeinwohl-Ökonomie als CSR-Tool sieht sie Potential für ein verantwortungsvolleres Arbeiten. Inwieweit dies auch in der Praxis funktionieren kann, möchte die Autorin in dieser Arbeit untersuchen.
Diese Arbeit richtet sich zum einen an Praktizierende aus dem Bereich Marketing, die durch ihre Tätigkeit einen maßgeblichen Einfluss auf den Konsum der Menschen haben. Zum anderen richtet sich diese Arbeit an Forschende, die sich auf wissenschaftlicher Ebene mit den innovativen Theorien des Marketings 3.0, CSRs und der Gemeinwohl-Ökonomie befassen. Die Intention dieser Masterarbeit ist es, das Potential der Gemeinwohl-Ökonomie als CSR-Instrument im Rahmen des Marketings 3.0 zu analysieren, um damit auch Überlegungen anzustrengen, wie die verantwortungsbewussten Theorien in die Praxis umgesetzt und optimiert werden können. Letztendlich beweisen sich wissenschaftliche Theorien erst in ihrer praktischen Anwendung, d. h. ihre Tauglichkeit kann nur im Alltag überprüft werden.
1.3 Aufbau der Arbeit
Nach der Einleitung (1) folgt der theoretische Teil, in dem zunächst der Begriff Marketing definiert wird (2.1). Es folgt ein Überblick über die Entwicklung des Marketings (2.2), an den sich eine detaillierte Ausführung zur Entwicklung von Marketing 3.0 – Vom Kunden zum Menschen (2.3), anschließt. Der nächste Hauptpunkt der Arbeit befasst sich mit der Nachhaltigkeit in Unternehmen (3). Für ein besseres Verständnis werden einleitend Begriffsdefinitionen (3.1) bereitgestellt. Im Anschluss wird ein Einblick in die Bedeutungsentwicklung von CSR in Unternehmen (3.2) und CSR im Marketing (3.3) gegeben. Im Folgenden werden die Nachteile von CSR (3.4) analysiert. Der letzte Abschnitt widmet sich der Gemeinwohl-Ökonomie (3.5). Im vierten Kapitel wird eine Analyse der Schnittmenge und der Gegensätze der Modelle Marketing 3.0 und Gemeinwohl-Ökonomie (4) vorgenommen.
Das anschließende Kapitel umfasst den empirischen Teil der Arbeit. Zunächst wird die Methodik (5) erläutert, welche zunächst in das Forschungsinteresse (5.1) und Forschungsdesign (5.2) unterteilt ist. Anschließend wird die Vorgehensweise der Auswertung der erhobenen Daten präsentiert (5.3) sowie mögliche Fehlerquellen besprochen (5.4). Das vorletzte Kapitel befasst sich mit der Darstellung und Zusammenfassung der Forschungsergebnisse (6). Dieser Punkt ist in die einzelnen Fragen des Leitfadeninterviews unterteilt und beginnt mit dem Thema CSR-Maßnahmen in Unternehmen (6.1). In der nächsten Frage geben die Experten Auskunft über folgenden Sachverhalt: „Welche Motivation liegt Ihrer Ansicht nach der Einführung der Gemeinwohl-Ökonomie in Ihrem Unternehmen zugrunde?“ (6.2), gefolgt von der Frage „Welche Auswirkungen hat die GWÖ Ihrer Ansicht nach auf folgende Punkte Ihres Unternehmens?“ (6.3) und untergliedert sich in einzelne Unterfragen. Das nächste Fragenbündel trägt den Titel: Gemeinwohl-Ökonomie und Marketing 3.0 (6.4). Abschließend geben die Experten einen Ausblick in die Zukunft und beantworten folgende Frage: „Wenn Sie einen Blick in die Zukunft werfen, wo sehen Sie das Marketing 3.0 und die Gemeinwohl-Ökonomie?“ (6.5). Im vorletzten Kapitel werden die Ergebnisse der Experteninterviews (7) noch einmal prägnant zusammengefasst und von der Autorin reflektiert. Dazu werden die Interviewfragen in die Themenblöcke unterteilt und in Unterpunkte (7.1 – 7.5) dargestellt.
Die Masterthesis schließt mit einem Resümee (8), welches sich in eine Zusammenfassung und Beantwortung der Forschungsfrage (8.1) sowie einem Ausblick und Handlungsempfehlungen (8.2) unterteilt, ab.
2 Das Marketing
Marketing als betriebswirtschaftliches Grundkonzept hat sich von einer Unternehmensfunktion, die den Marketing-Mix zusammenstellt und ausführt, zu einer unverzichtbaren funktionsübergreifenden und langfristigen unternehmerischen Disziplin gewandelt. Um die theoretische Marketingstrategie in die Praxis umzusetzen, entwickelte Jerome McCarthy12F13 im Jahr 1960 den berühmten Marketing-Mix „Die 4 P‘s“. Die Bestandteile dieses Tools stehen für die englischen Begriffe Product, Price, Place, und Promotion. Im Deutschen spricht man hier von Produkt-, Preis-, Distributions- und Kommunikationspolitik. Jeder dieser Faktoren wird einer strategisch zielgerichteten Bearbeitung unterzogen, um im Anschluss – aufeinander abgestimmt – eine erfolgreiche Marktbearbeitung zu ermöglichen. Der Konsument ist heute für Unternehmen der entscheidende Protagonist für wirtschaftlichen Erfolg. Dadurch hat das Marketing eine zentrale Rolle bei der Ausrichtung aller unternehmensinternen wie -externen Unternehmensaktivitäten bekommen. Es ist für die Identifizierung menschlicher und gesellschaftlicher Bedürfnisse verantwortlich und dient damit als wichtige Schnittstelle zwischen Unternehmen und Verbrauchern. Das zentrale Ziel des Marketings ist die erfolgreiche Kundengewinnung, -zufriedenheit und -bindung, welche durch die Planung, Steuerung und Kontrolle aller Absatz gerichteten Aktivitäten eines Unternehmens erreicht werden soll.13F14 Die historischen Meilensteine des Marketings lassen sich nach Philip Kotler, dessen wissenschaftliche Werke eine maßgebliche Grundlage dieser Arbeit bilden, in drei Entwicklungsstadien gliedern: Marketing 1.0, 2.0 sowie 3.0. Den Ausgangspunkt bildet das Marketing 1.0, ein Massen-Marketing-Ansatz für standardisierte Produkte. Im Marketing 2.0 wurde dies durch einen personalisierten Ansatz der Produktvermarktung verfeinert, um die Bedürfnisse des einzelnen Konsumenten konkret zu adressieren. Marketing 3.0 geht noch einen Schritt weiter und betrachtet den Konsumenten als Mensch mit Ängsten, Sehnsüchten und einem ausgeprägten Sinn für soziale, ökologische und ökonomische Gerechtigkeit. Der Konsument als Schlüssel zur Erreichung von wirtschaftlichem Erfolg rückt nun als ganzheitlich betrachtetes Wesen ins Zentrum der Marketingstrategie.
Da das Marketing ein zentrales Konzept für die vorliegende Arbeit ist, wird dies im folgenden Unterpunkt zunächst definiert, bevor im Anschluss daran die Hintergründe für die Veränderung des Marketingkonzepts aufgezeigt werden. Danach folgen ein Überblick über die Entwicklungsgeschichte des Marketings sowie ein tiefergehender Einblick in die Kernaktivitäten des Marketings 3.0.
2.1 Definition
Für ein besseres Verständnis sollen in diesem Kapitel die relevantesten Definitionen des Begriffs Marketing aufgezeigt werden.
Die Entstehung des Marketings als wirtschaftliches Konzept lässt sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts im englischen Sprachraum ausmachen.14F15 Anfang der 1960er Jahre wurde der Marketing-Mix als Systematik aller Marketingaktivitäten durch Jerome McCarthy definiert. Wissenschaftler, die sich mit Marketing befassten, wie z. B. Heribert Meffert, der von 1968 bis 2002 an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster den ersten Marketing-Lehrstuhl Deutschlands leitete, sehen dies als die Geburtsstunde des modernen Marketings, das insbesondere durch Philip Kotler weiterentwickelt wurde.
Im ersten Arbeitsschritt wurde für die Definition und genauere Durchleuchtung des Begriffes „Marketing“ die aktuelle Fachliteratur analysiert. Die Analyse der Literatur ergab, dass die Autoren sehr unterschiedliche Schwerpunkte setzen und die Definitionen daher heterogen sind. Es gibt jedoch keine wesentlichen inhaltlichen Widersprüche zwischen den Autoren. Von den zwei geläufigsten und anerkanntesten Definitionen im deutschsprachigen Raum stammt eine aus dem Jahr 1977 von Meffert:
„Marketing bedeutet Planung, Koordination und Kontrolle aller auf die aktuellen und potenziellen Märkte ausgerichteten Unternehmensaktivitäten. Durch eine dauerhafte Befriedigung der Kundenbedürfnisse sollen die Unternehmensziele verwirklicht werden“ (Meffert 1991, S. 31).
Im Jahr 2007 formulierte Kotler für den weltweit führenden Marketingverband, The American Marketing Association (AMA), eine neuere Definition. Ins Deutsche übersetzt lautet diese wie folgt:
„Marketing ist ein Prozess im Wirtschafts- und Sozialgefüge, durch den Einzelpersonen und Gruppen ihre Bedürfnisse und Wünsche befriedigen, indem sie Produkte und andere Dinge von Wert erstellen, anbieten und miteinander austauschen“ (Kotler 2011, S. 39).
2.2 Die Entwicklung des Marketings
Die Historie des Marketings lässt sich anhand von Meilensteinen der Geschichte und Wirtschaft in den letzten beiden Jahrhunderten nachvollziehen. Aber auch Gegenwart und Zukunft üben starke Kräfte auf die Richtung und Ausprägung des Marketings aus. Trenderscheinungen werden von Marketingexperten analysiert und in der unternehmenseigenen Marketingstrategie berücksichtigt. Welche geschichtlichen Meilensteine und Trenderscheinungen einen maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung des Marketings ausgeübt haben bzw. momentan ausüben, wird im nachfolgenden Punkt beschrieben. Im Anschluss wird die Entwicklung des Marketings anhand der Modelle Marketing 1.0, 2.0 und 3.0 nach Kotler aufgezeigt. Der Punkt schließt mit einer detaillierten Beschreibung des Modells Marketing 3.0 ab.
2.2.1 Hintergrund
“Within five years, if you're in the same business you are in now, you're going to be out of business” (Kotler o.J.).
Um die Geschichte des Marketings schrittweise zu erläutern, hilft es zunächst eine grobe Abfolge bedeutsamer Entwicklungen der menschlichen Zivilisation für das vorliegende Thema aufzuführen. Alvin Toffler15F16 gliedert die für diese Arbeit relevanten Entwicklungen in vier wirtschaftliche Wellen (Revolutionen). Die erste Welle ist das Agrarzeitalter (Beginn vor ca. 12.000 Jahren), in dem hauptsächlich Landwirtschaft und Ackerbau betrieben wurde. Die zweite Welle beschreibt das Industriezeitalter (Beginn im 19. Jahrhundert), mit der industriellen Revolution in England und folgend im übrigen Europa. Wir befinden uns momentan am Ende der dritten Welle, dem Informationszeitalter, das von Informationen, Daten und hochentwickelter Technologie geprägt ist. Gleichzeitig steuern wir heute auf die vierte Welle zu, die sich durch Kreativität, Kultur und Umweltbewusstsein beschreiben lässt. Der ehemalige Präsident der Republik Indonesiens und gleichzeitig enger Vertraute Kotlers, Susilo Bambang Yudhoyono, sieht in der vierten Welle Parallelen mit dem Konzept des Marketings 3.0. Kotler betont dort in seinem Werk, dass das Konzept des Marketings als Gegengewicht zum makroökonomischen Konzept gesehen werden kann. Wenn sich das makroökonomische Umfeld ändert, ändert sich auch das Verhalten der Verbraucher und das wiederum verändert das Marketing.16F17 Die Märkte und Präferenzen der Konsumenten haben sich in den letzten Jahrzehnten signifikant verändert. Dies hat zur Folge, dass sich auch die Marketingkonzepte an die schnellen und ständigen Veränderungen anpassen müssen.
Der Konsument möchte laut der aktuellen Definition der American Marketing Association neben Value, also der Schaffung von Werten für den Kunden, auch Customer Relationship, das heißt eine langfristig orientierte Kundenbeziehungsstrategie, die den Verbraucher als Partner wahrnimmt und ihn partizipativ oder kooperativ an Prozessen teilnehmen lässt.17F18
2.2.2 Historische Marketing-Modelle nach Philip Kotler
Als Ausgangspunkt für den Vergleich der einzelnen Marketing-Modelle dient die folgende Tabelle, die im weiteren Verlauf chronologisch und detaillierter beschrieben wird.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Marketing 1.0, 2.0 und 3.0 im Vergleich
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: Kotler 2015, S. 24.
Das Marketing 1.0 legte seinen Schwerpunkt auf das Produkt und ist demnach auch als produktorientiertes Marketing bekannt. Die Ära des Produktnutzens entstand in den 1950er und 60er Jahren. Dieser Episode war unter anderem das Model T des Autoherstellers Ford vorausgegangen, dessen Ansatz durch Henry Fords18F19 berüchtigten Satz sehr gut erklärt wird:
„Jeder Kunde kann ein Auto in der Farbe seiner Wahl erhalten – vorausgesetzt es ist schwarz“ (aus dem Englischen, Ford, H. 1922, S. 72).
Im Industriezeitalter ging es demnach vornehmlich darum, einfache und einheitliche Massenprodukte zu erzeugen, um einen Massenmarkt zu bedienen. Dadurch konnten Größendegressionsvorteile19F20, und somit Einsparungen an Produktionskosten und eine erschwingliche Preisgestaltung für Abnehmer erzielt werden. Laut Unternehmer jener Zeit hatte der Konsument keine emotionalen, sondern lediglich physische Bedürfnisse. Die Befriedigung des Kunden war also rein auf den funktionalen Wert des Produkts zurückzuführen. Anders als in der heutigen Zeit, in der Produkte Wertschöpfungsketten vorweisen, die sich in verschiedenen Fabriken an unterschiedlichen Orten abspielen, wurden die Produkte komplett in nur einer Fabrik gefertigt. Die Interaktion zwischen Unternehmen und Verbrauchern beschränkte sich auf die One-to-Many (nicht personalisierte) Transaktion. Das Marketing 1.0 kann daher auch als transaktionsorientiertes Marketing beschrieben werden, da es sich lediglich auf den Verkaufsabschluss konzentrierte. Die Kommunikation beschränkte sich auf eine indirekte Kundenansprache. Diese Ausrichtung änderte sich entscheidend im Marketing 2.0.
Ende der 50er, Mitte der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts hatten grundlegende Marktstrukturveränderungen zu wachsendem Wohlstand und dadurch zu einer Machtverschiebung vom Verkäufer- zum Käufermarkt geführt. Der wiederkehrende Wohlstand und der Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg bzw. der industrielle Strukturwandel von einer militärischen zu einer zivilen Produktion führten zum Markteintritt zahlloser Anbieter von Konsumgütern. Doch diese vielen Anbieter erzeugten bald einen Überhang des Angebots gegenüber der Nachfrage und Unternehmen mussten folglich ihre Marketingstrategie mithilfe des Differenzierungsansatzes ändern. Nach dem US-amerikanischen Wissenschaftler und Marketing-Spezialisten Michael E. Porter ist unter Differenzierung im Unternehmensumfeld eine Wettbewerbsstrategie zu verstehen, bei der es sich durch beispielsweise eine Qualitäts- oder Kostenführerschaft von der Konkurrenz abzusetzen gilt. Die reine Fokussierung auf den Produktnutzen reichte bei einem derartigen Wettbewerbsdruck nicht mehr aus. Gleichzeitig vergrößerte sich mit der steigenden Anzahl an Radio- und Fernsehgeräten in den Haushalten die Reichweite der Werbung. Das Marketing 2.0 war geboren, welches den transaktionsorientierten Prozess des Marketings 1.0, in dem der reine Austausch von Produkten und Dienstleistungen im Vordergrund stand, ablöste.20F21 Der Fokus wurde vom Produkt auf die Kunden und deren Bedürfnisse übertragen. Zuvor hatte das Marketingmodel stark ausgeprägte strategische Züge. Die reine Produktfokussierung im Marketing 1.0 war relativ unflexibel und ignorierte weitgehend die potentiell schrumpfende Nachfrage oder Änderungen von Kundenbedürfnissen. Für ein erfolgreiches und zeitgemäßes Marketing musste daher der Kunde ins Zentrum der Marketingstrategie rücken. Hier kommt das Konzept der Segmentierung, Positionierung und des Targetings erstmals zum Tragen, das im Gegensatz zum Massenmarketing nicht an der Gemeinsamkeit aller Abnehmer, sondern an spezifischen Bedürfnissen verschiedener Nachfragegruppen ansetzt.21F22 Der Marketingspezialist muss den Zielmarkt analysieren und für die definierte Zielgruppe das Produkt so entwickeln, dass es attraktiver als die Konkurrenzprodukte ist. Seine Aufgabe ist es, eine Kommunikationskampagne zu generieren, welche die potentiellen Abnehmer adressiert bzw. mit den Verbrauchern in einen Dialog tritt. Dieser Fortschritt wird durch die technologischen Entwicklungen signifikant erleichtert. Denn eine wichtige Grundlage des Marketings 2.0 ist das Web 2.0 (Community Web). Dieses entwickelte das ursprüngliche Web 1.0 weiter, indem es Konstrukte wie Soziale Netzwerke, Blogs und Wikipedia hervorbrachte und sich durch Aspekte wie Information Sharing, Interactivity, Pooling of Individual Knowledge auszeichnete.22F23 Dadurch erhielten Marketingfachleute im Marketing 2.0 zum ersten Mal in der Geschichte des Marketings die Möglichkeit, Verbraucher direkt auf ihren bevorzugten Channels zu adressieren.
In den 2000er Jahren wurde das wertorientierte Zeitalter bzw. das Marketing 3.0 eingeläutet. Unternehmen möchten den Verbraucher nicht nur zufriedenstellen, sondern ihm mit dem Produkt oder der Dienstleistung einen gesellschaftlichen Mehrwert bieten bzw. soziale Missstände beseitigen. Der Verbraucher wird als ganzheitliches Wesen mit Verstand und unabhängigen Gedanken sowie der Fähigkeit, Emotionen zu empfinden, wodurch die Kaufentscheidung beeinflusst wird, betrachtet. Das Marketing 3.0 ist demnach komplexer als seine Vorgänger-Konzepte. Der nachfolgende Punkt erklärt das Modell im Detail.
2.3 Marketing 3.0 – Vom Kunden zum Menschen
“We believe that the strongest future trend for cooperations, especially in the capital market, is the issue of sustainability” (Kotler 2010, S. 104).
Dieses Kapitel widmet sich der ersten Forschungsunterfrage:
FU1: Was ist unter dem Modell Marketing 3.0 nach Philip Kotler zu verstehen?
In Abgrenzung zum Marketing 1.0 und 2.0 hebt das Marketing 3.0 die Idee des Marketings auf die Ebene menschlicher Sehnsüchte, Werte und emotionaler Ansprüche. Das Marketing 3.0 kann als ein Produkt aus Krisenzeiten gesehen werden. Es wurde mitunter durch die Finanzkrise von 2008/2009, die drohende Gefahr des anthropogenen Klimawandels, die Verteilungskrise oder verstärkt auch durch Sinnkrisen der Menschen in (Post-)Industriegesellschaften hervorgerufen. Menschen spüren die negativen Auswirkungen dieser Krisen in Form von wachsenden sozialen, ökologischen und ökonomischen Missständen. Das Marketing 3.0 adressiert daher Menschen mit Ängsten, Sehnsüchten und Hoffnungen und begegnet den Verbrauchern damit auf einer höheren spirituellen Ebene. Werte, die diese Aspekte adressieren, gelten nun als höchstes unternehmerisches Differenzierungsmerkmal auf dem Markt. Geht es nach Kotler, ist es möglich, ein menschenzentriertes und gleichzeitig profitables Unternehmen zu führen.
Bei Verbrauchern entstand im Informationszeitalter erstmals das Bewusstsein, dass sich durch Marketing ihre Konsummöglichkeiten drastisch erweitern. Sie können dadurch viel mehr als zuvor Verantwortung für alle negativen Effekte, die ihr Konsum mitverursacht, tragen. Diese Sichtweise erfordert es, dass Marketingverantwortliche neben Faktoren wie der Preisgestaltung alle ethischen Konsequenzen der Wertschöpfungskette ihrer Produkte und Dienstleistungen bedenken und in ihren Entscheidungen berücksichtigen.23F24
Unternehmen, die Marketing 3.0 praktizieren, streben neben der Erfüllung komplexerer Kundenbedürfnisse auch nach dem Schaffen eines sozialen bzw. ökologischen Mehrwerts. Neben den Kundenbedürfnissen beschreibt Kotler drei Kräfte, welche vereinzelte Unternehmen bereits zur Umsetzung von Marketing 3.0 veranlasst haben: die Mitwirkung der Konsumenten, das Zeitalter des Globalisierungsparadox und das Zeitalter der Kreativgesellschaft. Im nächsten Punkt werden diese Kräfte bzw. Trenderscheinungen im Detail erläutert.
2.3.1 Trends zur Entwicklung des Marketings 3.0
Das Bedürfnis der Mitwirkung der Verbraucher am Entstehungsprozess der Produkte erfährt durch das ebenfalls um die Jahrhundertwende entstandene Web 3.0 eine neue Dimension. Dem Web 3.0 gelingt es, die Unmengen an gesammelten Kundendaten (Big Data) in Kontext zu setzen und dadurch individuelle Bedürfnisse zu identifizieren und für den Verbraucher irrelevante Inhalte vorab herauszufiltern. Das Web 3.0 ist der erweiterte Ansatz von einer Partizipation im Web 2.0 hin zu einer Kooperation, in dem der Konsument auf ein höheres Level – vom Consumer zum Prosumer – gehoben wird. Da ein Prosumer professionelle, also wesentlich höhere Ansprüche an ein Produkt stellt als durchschnittliche Endverbraucher, ist seine Mitwirkung am Erstellungsprozess zur erfolgreichen Begegnung komplexer werdender Bedürfnisse für Unternehmen von großem Vorteil. Das Web 3.0 ist auch bekannt als New Wave Technologie. Die New Wave Technologie erleichtert der breiten Masse den Zugang zum Markt für Computer, Internet und Geräten wie Smartphones und Tablets durch einfache Bedienbarkeit und erschwingliche Preise. Ein Produkt des Webs 2.0 mit einer signifikant wachsenden Ausprägung im Web 3.0 sind die sozialen Netzwerke. Hier kann zwischen den expressiven sozialen Medien wie Blogs, dem Kurznachrichtendienst Twitter, der Videoplattform YouTube, dem sozialen Netzwerk Facebook oder kollaborativen sozialen Medien wie Wikipedia unterschieden werden. Wie Wikipedia zeigt, kann Zusammenarbeit zu einer wichtigen Informationsquelle im Internet führen. Probleme werden ins Netz gestellt und Lösungsfinder melden sich mit einem Beitrag zur Problemlösung. Dies führt im Nebeneffekt zu einer verstärkten Macht der kollektiven Konsumentengemeinschaft. Marketingabteilungen sollten sich demnach dem Trends Open Innovation anpassen und ihre Abteilungen öffnen, um mit den Konsumenten zusammenzuarbeiten, um Produkte gemeinsam zu entwickeln und zu verbessern, oder Beiträge zur geeigneten Produktvermarktung zu sammeln.
Ein weiterer nicht zu verachtender Punkt ist, dass der Konsument gehört werden will und seine Stimme Auswirkungen auf das Schaffen der Unternehmen haben kann. Durch digitale Plattformen wie Blogs, Foren oder soziale Medien wie Facebook werden Werte und Aktivitäten von Unternehmen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, was zu einer ständigen Beobachtung hinsichtlich der unternehmerischen Ausrichtung führen kann und unethische Aktivitäten schnell großes Gehör finden können.
Neben der digitalen Transformation ist auch die Globalisierung an der Entwicklung des Marketings 3.0 beteiligt. Durch den technologischen Fortschritt werden die Länder immer enger miteinander vernetzt, Informationen werden in Echtzeit ausgetauscht, Transportwege werden leichter überwunden. Doch die Globalisierung bringt auch Paradoxe auf wirtschaftlicher und sozialer Ebene mit sich. Das wirtschaftliche Paradox der Globalisierung zeigt sich in der ungleichen Verteilung des Reichtums auf der Erde. Die Anzahl der Milliardäre auf der Welt nimmt weiter zu, während immer noch über eine Milliarde Menschen von weniger als einem US-Dollar am Tag überleben müssen.24F25 Auf kultureller Ebene ist zu beobachten, dass sich durch die Globalisierung eine Weltkultur entwickelt, traditionelle Kulturen jedoch weiterhin gestärkt werden. Das bedeutet, dass Globalisierung auch Nationalismus fördern kann. Die Globalisierung hat immer auch Verlierer zu verzeichnen, die aus Angst und Unsicherheit ihre nationalen Grenzen verstärken wollen, um sich vor der Globalisierung zu schützen. Paradoxe erzeugen Unsicherheit bei den Menschen und schüren Ängste vor Armut, Ungerechtigkeit und Orientierungslosigkeit.25F26 Hier kann das Marketing 3.0 mit seinem Leitsatz, die Sehnsüchte, Ängste und Wünsche der Menschen aufzugreifen, gezielt ansetzen und den Paradoxen mit Lösungsvorschlägen begegnen, die die Menschen überzeugen. Dies kann in Form von Bindung, Orientierung aber auch Kontinuität und Sicherheit geschehen.
Die dritte Trenderscheinung, die maßgeblichen Einfluss auf die Etablierung des Marketings 3.0 hat, ist das Zeitalter der kreativen Gesellschaft. Der kreative und gebildete Teil der postmodernen Gesellschaft der Industrieländer hat einen ausgeprägten Sinn für Humanität, Moralität und Spiritualität und besitzt den Anspruch und die Überzeugung, sich selbst und die Welt ein Stückweit besser machen zu können. Ihre Nachfrage charakterisiert sich durch die Suche nach Produkten, die sie auf spiritueller Ebene mit Sinnhaftigkeit verbinden. Der US-Ökonom Richard Florida, der den Begriff der „Creative Class“ etablierte, ist davon überzeugt, dass dieser Teil der Gesellschaft stetig wachsen wird und in wirtschaftlichen Entscheidungen immer mehr berücksichtigt werden sollte.26F27 Gemessen wird dies mit dem Kreativindex, der die Fortschritte in den Bereichen Technik und Toleranzkompetenz darstellt. Mitglieder dieser Gruppe gelten als Innovatoren und Pioniere in verschiedenen Bereichen. Sie nutzen die sozialen Medien sehr stark, werden vermehrt auch zu Influencern27F28 und beeinflussen demnach andere Verbraucher in ihrem Kaufverhalten. Sie machen sich für gesellschaftlich verantwortungsvolle Produkte stark und kritisieren Marken öffentlich, die negative soziale, ökologische und ökonomische Auswirkungen hervorrufen. Aber auch in ärmeren Regionen außerhalb Europas und den USA erfahren die Kreativen Aufschwung, da sie ihren Beitrag in Form von kreativen Lösungen sozialer Missstände leisten.
Es zeigt sich, dass durch die Verpflichtung zu gesellschaftlicher Verantwortung in Mission, Vision und Werten von Unternehmen, aber vor allem deren Umsetzung im Tagesgeschäft, die Reputation von Unternehmen verbessert wird. Im Umkehrschluss zeigt der folgende Fall welche Auswirkungen eine verantwortungslose Haltung gegenüber sozialen, ökologischen und ökonomischen Standpunkten hat. Wal-Mart, als größtes Einzelhandelsunternehmen ist für schlechte Lohnzahlungen sowie für eine ignorante Haltung gegenüber Umweltproblemen bekannt. Robert Greenwald, ein US-amerikanischer Regisseur, hat hierüber 2005 einen Film gedreht. „The High Cost of Low Price“ führte laut einer McKinsey-Studie28F29 letztendlich dazu, dass im Anschluss an die Ausstrahlung des Films acht Prozent der Wal-Mart-Kunden ihren täglichen Einkauf nicht mehr bei dem Discounter tätigten. Diese Abwanderung führte zu einem radikalen Umdenken der Unternehmensführung. Die Führungskräfte von Wal-Mart versprechen in ihrer Agenda „Führung im 21. Jahrhundert“, mehrere hundert Millionen Dollar für eine Umgestaltung ihres Geschäftsmodells hin zu sozialer, ökologischer und ökonomischer Verantwortung zu investieren. Wal-Mart ist nur ein Beispiel von vielen, indem Unternehmen versuchen, ihr angekratztes Image mithilfe der Integration gesellschaftlicher Verantwortung in den Statuten wieder herzustellen.
In der folgenden Abbildung werden die treibenden Kräfte, die zur Entwicklung des Marketings 3.0 geführt haben, noch einmal übersichtlich dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 Faktoren für die Entstehung von Marketing 3.0
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: Kotler 2015, S. 41.
2.3.2 Strategie des Marketings 3.0
Um ein erfolgreiches Marketingkonzept zu entwickeln, ist besonders im Marketing 3.0 darauf zu achten, dass die Unternehmensmission29F30 die Grundlage der Marketingstrategie bildet. Wie im vorherigen Punkt beschrieben, sind Konsumenten im heutigen Zeitalter in der Lage, eine Abweichung zwischen Mission und unternehmerischen Handeln schneller und leichter zu erkennen. Um Authentizität zu wahren, sollten die Abteilungen der Führungsebene und des Marketings daher einen kontinuierlichen Austausch pflegen. Eine passende Mission zu formulieren, ist ein komplexes Unterfangen und deshalb ist es auch hier besonders wichtig, Mitarbeiter und Verbraucher in den Findungsprozess einzubeziehen. Die Bedürfnisse der Verbraucher können Ideen liefern, die zu einer beachtlichen Differenzierung in der Unternehmensmission führen. Jede Mission sollte eine gute Geschichte erzählen, welche die Menschen berührt und sich gesellschaftlicher Probleme annimmt bzw. einen sinnvollen Beitrag zur Gesellschaft leistet. Laut Douglas B. Holt, dem Oxford und Harvard Professor, der sich unter anderem mit dem kulturellen Branding von Produkten auseinandersetzt, sollte die Story, welche die Mission verbreitet, aus drei Hauptbestandteilen zusammengesetzt werden: (1) einer Persönlichkeit, die Symbolcharakter hat; (2) eine Handlung, die beispielsweise eine Herausforderung erzählt wie bei dem US-amerikanischen Kosmetikhersteller The Body Shop, in der Bauern in Entwicklungsländern um faire Handelsbedingungen kämpfen; und (3) aus Sprachbildern. Bilder wirken beim Verbraucher wie Metaphern und können Assoziationen und (im Optimalfall) ein gutes Gefühl bei diesem erzeugen.
Aber nicht nur der Verbraucher spielt in der Strategie des Marketings 3.0 eine zentrale Rolle, die Mitarbeiter des jeweiligen Unternehmens sollten ebenfalls in den Formulierungs- und Vermarktungsprozess der Unternehmensmission einbezogen werden. Eine Mission, die auch die Interessen der Mitarbeiter einbezieht, bringt dem Unternehmen auch einen Vorteil, wenn es darum geht gut ausgebildete Fachkräfte zu rekrutieren. Mit einer humanen und verantwortungsbewussten Mission, die sowohl intern als auch extern gelebt wird, wird es von Bewerbern als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen. Laut einer Umfrage im Beitrag „The New Spirit Of Work“, würden bereits im Jahr 1998 50 Prozent der MBA-Absolventen Abstriche beim Gehalt machen, wenn das für sie hieße, für ein sozialverantwortliches Unternehmen arbeiten zu können.30F31 Diese Zufriedenheit hat wiederum eine enorme Auswirkung auf die Produktivität und den wirtschaftlichen Erfolg solcher Unternehmen. Darüber hinaus sind Mitarbeiter auch wichtige Unternehmensbotschafter außerhalb der Firmenmauern und können dadurch das Unternehmens-Image beeinflussen.
Doch welche Werte sind „gute“ Werte? Kotler bezeichnet solche Werte als echte Werte, die die kooperative, kulturelle und kreative Seite von Mitarbeitern anregt und fördert. Kooperative Werte im Unternehmen fördern den Austausch und das Netzwerken der Kollegen untereinander und brechen starre Grenzen zwischen einzelnen Abteilungen. Als kulturelle Werte können solche bezeichnet werden, die es Mitarbeitern erlauben, an einem Kulturwandel teilzuhaben, wie zum Beispiel durch kollaborative Demokratisierung im Unternehmen. Mitarbeiter bekommen die Möglichkeit, die Zukunft der Firma mitzugestalten. Sowohl Involvierung als auch Empowerment sind tragende Säulen des Marketings 3.0. Kreative Werte sind im heutigen Zeitalter besonders wichtig, da sie dem Mitarbeiter die Freiheit geben, innovative Ideen zu entwickeln, die nicht auf die Selbstverwirklichung und somit auf die Arbeitsmotivation einzahlen können, sondern letztlich auch positive Auswirkungen auf den Innovationsprozess und Differenzierungsgrad des Unternehmen ausüben können.
Neben den Verbrauchern und Mitarbeitern dürfen auch die Vertriebspartner nicht in der Vermarktungsstrategie der Mission fehlen. In Zeiten der Globalisierung sind Zwischenhändler für Unternehmen, die eine globale Marktabdeckung verfolgen, besonders wertvoll. Sie besitzen spezifisches Know-how bezüglich kultureller Besonderheiten der jeweiligen Verkaufsregion und über technologische Standards und haben meist bereits ein solides Netzwerk vor Ort aufgebaut. Doch Vertriebspartner sind nicht einfach eine dritte Kategorie nach den Verbrauchern und Mitarbeitern, denn bei Zwischenhändlern handelt es sich um eigene Unternehmen mit Mission, Vision und Werten. Deshalb sollten die Kooperationspartner eines Unternehmens im Rahmen des Marketings 3.0 eine ähnliche Mission und Identität sowie Werte, Ziele und Handlungsbereitschaft zu mehr gesellschaftlicher Verantwortung aufweisen. Im Optimalfall wird sogar eine Angleichung der Mission vorgenommen. Denn letztendlich sind es in dieser Vertriebsstruktur die Zwischenhändler, die die Werte des produzierenden Unternehmens an die Endverbraucher kommunizieren.
Um den strategischen Part des Marketings 3.0 abzurunden, sollte die Unternehmensmission sowie -vision schließlich noch bei den Aktionären vermarktet werden. Ein bedeutendes Thema der Zukunft wird die Nachhaltigkeit sein. Gesellschaftliche Verantwortung als Unternehmen zu übernehmen, heißt auch dem angesprochenen Human Spirit der Verbraucher, Mitarbeiter und Aktionäre zu begegnen. Doch eben dieser Human Spirit muss unter den Aktionären anders angesprochen werden, da sie andere Erfolgskriterien haben. Ihnen gilt es aufzuzeigen, dass ein nachhaltiges Engagement das Unternehmen schrittweise auf eine profitablere Ebene führt, dem Wettbewerbsdruck standhält und somit ihre Aktien erfolgsbringend im Unternehmen angelegt sind. Es sind vor allem die kurzfristigen Aktivitäten der Aktionäre auf dem Finanzmarkt, die diesen durch Spekulationen und impulsives Handeln aus dem Rahmen bringen. Daher lässt sich unter modernen Unternehmen, die Marketing 3.0 bereits praktizieren, beobachten, dass sie die Rechte langfristiger Aktionäre, die intensiver in die Unternehmenspraktiken involviert sind, stärken und die der kurzfristigen schwächen. Im Jahr 2008 führte die Economist Intelligence Unit eine Umfrage unter 1254 Managern weltweit durch, und kam zu dem Ergebnis, dass ein starker Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeit und einer starken Aktienkursentwicklung besteht.31F32 Nachhaltiges Wirtschaften bringt Unternehmen auch Vorteile in der Expansion. So heißen auch in Entwicklungsländern vor allem NGOs und Bürger aber auch vereinzelte Politiker Unternehmen willkommen, die soziale, ökologische und ökonomische Missstände aufgreifen und Lösungen präsentieren.
2.3.3 Anwendungen des Marketings 3.0
Marketing hat vordergründig die Aufgabe, das Unternehmen auf dem Markt zu differenzieren. In dieser Arbeit wurden bereits Möglichkeiten zur Unterscheidung im Wettbewerb im Rahmen eines modernen Marketings aufgezeigt. Doch vor allem wird im Marketing 3.0 nach einer langfristigen sinnhaften Möglichkeit der Differenzierung an den vor allem in Europa und den USA übersättigten Märkten gesucht. Und genau in diesen Regionen durchdringt das Nachhaltigkeitskonzept aufgrund der Verbraucher- und Mitarbeiterbedürfnisse die Wirtschaft. So zeigen Erkenntnisse neuer US-amerikanischer (1) und britischer (2) Studien wie wichtig den Konsumenten Nachhaltigkeit inzwischen ist: 32F33
(1) In den letzten 15 Jahren haben Erhebungen von Cone immer wieder gezeigt, dass 85 Prozent der amerikanischen Konsumenten Unternehmen positiv beurteilen, die soziale Anliegen unterstützen. Auch in Krisenzeiten erwarten über die Hälfte der Verbraucher, dass sich Unternehmen sozialen Herausforderungen stellen. 33F34
(2) Die Mehrheit der britischen Verbraucher (93 Prozent) wünscht sich laut einer Studie von Ipsos Mori Unternehmen mehr soziale Effekte ihrer Produkte und Dienstleistungen. 34F35
Doch noch heute beschränkt sich das Engagement vieler Unternehmen in dieser Hinsicht auf einmalige Spenden-Aktionen für Einrichtungen für Hilfsbedürftige oder sie betreiben nur Cause Marketing, ein Ansatz in dem CSR nur punktuell in einer Marketingkampagne integriert bzw. Bestandteil einer Image-Profilierung ist und nicht strategisch in die Unternehmensmission und das Tagesgeschäft eingegliedert wird. Hier möchte das Marketing 3.0 ganzheitlich ansetzen, authentisch und transparent sein sowie einen soziokulturellen Wandel anstoßen und mittragen. Dies heißt, dass Unternehmen Bedürfnisse der Stakeholder im Sinne der Bedürfnishierarchie von Abraham Maslow35F36 wie soziale Bedürfnisse, Individualbedürfnisse bis hin zur Selbstverwirklichung erfüllen sollten. Die Integration der Verbraucher auf horizontaler Ebene im Unternehmen, in dem ihnen mehr Mitbestimmung eingeräumt wird, wird zur Optimierung der unternehmerischen Tätigkeiten, steigert den ökonomischen Wirkungsgrad und senkt Kosten. Die nachfolgende Abbildung stellt diesen Prozess zur Veranschaulichung übersichtlich dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Die drei Stadien des Umgangs mit sozialen Themen im Marketing
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: Kotler 2010, S. 144.
Soziokulturelle Herausforderungen können unterschiedlicher Art sein. Daher ist es besonders wichtig, Herausforderungen zu wählen, die auch zur Mission, Vision und den Werten des Unternehmens passen. Ist das Unternehmen im Lebensmittelsektor tätig, kann zum Beispiel die Aufklärung Kinder und Jugendlicher hinsichtlich gesunder Ernährung eine Option darstellen. Im Kosmetikbereich wäre ein Engagement gegen Tierversuche denkbar. Wichtig ist, dass die Marketingstrategie authentisch und nachhaltig im Sinne der langfristigen Wirkung ist und neben dem Verbraucher alle Stakeholder involviert.
Die Zielgruppe sollte im Vorhinein definiert werden, um eine zielgerichtete Ansprache zu kreieren. Gängige Segmentierungskriterien sind soziodemographische und psychographische Kriterien. Zunächst wird herausgearbeitet, welche demographischen Kriterien (Geschlecht, Alter, Familienstand, Anzahl und Alter der Kinder, Haushaltsgröße, etc.) die Zielgruppe ausmachen. Daraufhin werden die sozioökonomischen Kriterien wie Schulabschluss, Ausbildung, Beruf und Einkommen betrachtet. Besonders wichtig für die Anwendbarkeit des Marketings 3.0 sind psychographische Merkmale wie soziale Orientierung, Wahrnehmungen, Motive, Präferenzen und Kaufabsichten. Relevant für das Marketing 3.0 sind vornehmlich junge Leute (Generation Y und Z)36F37 aus allen gesellschaftlichen Schichten. Sie sind wichtig – einerseits, da sie natürlich die Konsumenten der Zukunft sind, aber andererseits auch deshalb, da sie sich besonders für soziale Anliegen interessieren. Das ergab eine in Kotlers Werk von 2010 wiedergegebene Umfrage von Youthography, wonach ca. 90 Prozent der amerikanischen Jugendliche ihre Kaufentscheidung von sozialer Verantwortung mitbestimmen lassen.37F38
2.4 Zwischenfazit
Das Marketing wurde durch weltgeschichtliche Einflüsse und Trenderscheinungen in den letzten 60 Jahren einer stetigen Transformation unterzogen: vom Konsumenten, der laut den Experten des frühen Marketings keine oder wenige emotionale, sondern hauptsächlich physische Bedürfnisse hatte, über die oberflächliche Kundenzentrierung im mittleren bis späten 20. Jahrhundert, bis hin zum Marketing 3.0, das es Unternehmen heute ermöglicht, Profit zu generieren und gleichzeitig einen gesellschaftlichen Mehrwert zu schaffen bzw. sozialen Missständen zu begegnen. Grund für diese Veränderungen sind unter anderem gesellschaftliche Krisen, eine Sensibilisierung der Menschen für gesellschaftliche Missstände durch soziale Medien und veränderte Bedürfnisse der Verbraucher. Wie Toffler in seiner Dimension der vierten Welle beschreibt, bewegt sich die Gesellschaft in Richtung eines Zeitalters, das für den Menschen geprägt ist durch Kreativität, Kultur, und Umweltbewusstsein. Der Verbraucher von heute möchte nicht mehr wegsehen, sondern ist sensibel für soziale, ökologische und ökonomische Anliegen und möchte verantwortungsbewusst handeln. Unternehmen müssen demnach dieses Bedürfnis erfüllen und den Konsumenten als Wesen mit Ängsten, Sehnsüchten und dem Wunsch nach Selbsterfüllung wahrnehmen. Sie passen ihre Visionen, Missionen und Werte immer mehr den neuen Herausforderungen an – Herausforderungen wie die paradoxen wirtschaftlichen und kulturellen Umstände der Globalisierung bzw. Finanz- und Verteilungskrisen, eine wachsende Sinnkrise auf Seiten der Konsumenten oder auch die Verschlechterung des Ökosystems, die durch den menschengemachten Klimawandel verursacht wird. Unternehmen müssen diese Trends erkennen und den Konsumenten weit mehr als die physische Produktbefriedigung bieten. Übernehmen sie gesellschaftliche Verantwortung in unruhigen Zeiten und sorgen für Sicherheit, Kontinuität und Orientierung, kann dies langfristig Erfolg mit sich bringen.
Doch neben den Verbrauchern spielen auch Mitarbeiter, Vertriebspartner und Aktionäre eine tragende Rolle im Marketing 3.0. Verantwortungsvolle Unternehmen haben laut diverser Studien einen beachtlichen Vorteil gut ausgebildete Fachkräfte zu gewinnen. Vor allem junge Fachkräfte finden in solchen Unternehmen eine geeignete Möglichkeit, ihre postmateriellen Werte einzubringen und zu leben und dienen dem Unternehmen darüber hinaus als Sprachrohr in der Öffentlichkeit. Dies setzt voraus, dass die Mission und Vision des Unternehmens ethisch formuliert ist und sich vor allem auch im unternehmerischen Handeln widerspiegelt. Auch Vertriebspartner gelten als wichtiges Sprachrohr, da sie einen direkten Kontakt zum Endabnehmer herstellen.
Um das Marketing 3.0 auch zielgerichtet anzuwenden, ist es wichtig, eine Zielgruppenformulierung durchzuführen. Dies kann nach der sozio- und psychographischen Segmentierung vorgenommen werden. Was die Zielgruppe des Marketings 3.0 in der Vergangenheit durchschaut hat, sind nicht-authentisches Engagement wie einmalige Spendenaktionen die vorrangig einer PR-Kampagne oder der Verbesserung des Images dienen. Deshalb gilt es das soziale, ökologische und ökonomische Handeln (Konzept der unternehmerischen Nachhaltigkeit) in die Mission und Vision zu integrieren und langfristig zu verfolgen.
3 Nachhaltigkeit in Unternehmen – Die Stunde von Corporate Social Responsibility
Das dritte Kapitel befasst sich mit der Beantwortung der folgenden Forschungsunterfrage:
FU2: Was ist unter Corporate Social Responsibility bzw. der Gemeinwohl-Ökonomie nach Christian Felber zu verstehen?
Al Gore38F39, der 2007 den Friedensnobelpreis erhielt, behauptete in einer Rede auf der Preisverleihung, dass ökologische Nachhaltigkeit in den kommenden 25 Jahren die Zukunft der Wirtschaft gestalten wird.39F40 Nachhaltigkeit nimmt nun auf der Agenda vieler Unternehmen tatsächlich einen wichtigen Platz ein. Dieses Kapitel befasst sich daher mit dem Thema Nachhaltigkeit in Unternehmen, heute auch unter dem Begriff Corporate Social Responsibility bekannt. Zunächst einmal wird zum besseren Verständnis eine Begriffsdefinition für Nachhaltigkeit im Allgemeinen, nachhaltige Entwicklung sowie nachhaltiges Wirtschaften gegeben. Im weiteren Verlauf des Kapitels folgt eine Analyse der Bedeutungsentwicklung von Nachhaltigkeit in Betrieben. Der vermehrte Gebrauch von CSR-Tools führt bedauerlicherweise zusehends zu mehr Missbrauchsfällen in der Umsetzung. Hierzu werden Greenwashing-Fallbeispiele aufgeführt und einzelne Defizite der Instrumente beschrieben. Um einen Ansatz zu präsentieren, der eine missbräuchliche Auslegung von unternehmerischer Nachhaltigkeit vermeiden kann, wird das alternative Wirtschaftsmodell von Christian Felber, die Gemeinwohl-Ökonomie als potentielles CSR-Tool vorgestellt. Der dritte Hauptpunkt schließt mit einem Zwischenfazit ab.
3.1 Begriffsdefinition
3.1.1 Nachhaltigkeit
Es ist weder der Mangel an Informationen noch die Vernachlässigung mit der Auseinandersetzung des Themas, sondern vielmehr einerseits der inflationäre Gebrauch des Begriffs Nachhaltigkeit an sich und andererseits der interdisziplinäre Gebrauch von Nachhaltigkeit vor allem in den Bereichen Ökologie, Ökonomie und Soziales, der dazu beiträgt, dass eine Einigung unter Wissenschaftlern für eine allgemeingültige Definition bis dato noch nicht gefunden wurde. Die folgende Formulierung gilt als die weitest anerkannte zur Beschreibung von Nachhaltigkeit:
Die Nutzung eines natürlichen regenerierbaren Systems in einer Weise, dass dieses System in seinen wesentlichen Eigenschaften erhalten bleibt und sein Bestand sich auf natürliche Weise erholen kann.40F41
Die ökologische Nachhaltigkeit schreibt vor, keinen Raubbau an der Natur zu betreiben. Eine ökologisch nachhaltige Lebensweise beansprucht die Natur nur so weit, wie sich diese wieder regenerieren kann. Die ökonomische Nachhaltigkeit umfasst eine Lebensweise, bei der keiner über seinen Verhältnissen lebt und somit die nachkommenden Generationen nicht schlechter gestellt werden. Die dritte Dimension, die soziale Dimension beschreibt ein gesellschaftliches Miteinander, in dem Konflikte nicht eskalieren und soziale Spannungen in Grenzen gehalten werden.41F42
3.1.2 Nachhaltige Entwicklung
Die weitest anerkannte Definition ist die Definition des Brundtland-Berichts42F43 der Vereinten Nationen von 1987. In diesem Bericht heißt es:
Sustainable development is development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs.43F44
Dies bedeutet, dass die nachhaltige Entwicklung eine Entwicklung ist, die gewährt, dass künftige Generationen nicht schlechter gestellt sind, ihre Bedürfnisse zu befriedigen als gegenwärtig Lebende.
Der konkrete Unterschied zwischen den Begriffen Nachhaltigkeit und nachhaltiger Entwicklung ist:
Nachhaltigkeit verweist auf einen Zustand, Statik oder Beständigkeit; nachhaltige Entwicklung impliziert Bewegung, Dynamik, das Prozesshafte sowie das Werdende und Entstehende.44F45
Allgemein umschreibt nachhaltige Entwicklung eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der aktuellen Generation entspricht und dabei die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht einschränkt.
3.1.3 Nachhaltiges Wirtschaften oder auch CSR
Trotz des vor allem in den letzten drei Jahrzehnten angestiegenen Interesses an nachhaltigem Wirtschaften wurden bis heute noch keine klaren, einheitlichen und verbindlichen Definitionen gefunden, was genau nachhaltiges Wirtschaften ausmacht.
Eine Beschreibung, die jedoch breite Anerkennung findet, ist die Bianca Wiedemanns45F46:
„Nachhaltiges Wirtschaften bedeutet, Profite sozial und ökologisch verantwortungsvoll zu erwirtschaften und nicht, Profite zu erwirtschaften, um sie dann für soziale Umweltbelange einzusetzen“ (Wiedemann zitiert in Pufé 2017, S. 10).
Diese Aussage erinnert an die Prinzipien der Unternehmensethik, welche unter anderem zwischen der instrumentalen und der integrativen Unternehmensethik unterscheiden. Die instrumentale Unternehmensethik beschreibt eine unethische Gewinnerzielung basierend auf einem Gewinnmaximierungs- und Ausbeutungsprinzip, welche ökologische und soziale Schäden verursachen und dies zu verdecken suchen, indem Gewinne zu einem (kleinen) Teil wohltätigen Zwecken zugeführt werden. Bei der integrativen Unternehmensethik hingegen wird jede unternehmerische Entscheidung gleichzeitig als Werteentscheidung betrachtet, demnach zieht sich gesellschaftliche Verantwortung durch jeden Bereich des Unternehmens.
Für Nachhaltiges Wirtschaften wird heute auch vermehrt wie für viele Begriffe im unternehmerischen Umfeld die englische Bezeichnung Corporate Social Responsibility verwendet, was übersetzt ins Deutsche „unternehmerische Gesellschaftsverantwortung“ bedeutet. Einigkeit, was unter dem Begriff „unternehmerische Gesellschaftsverantwortung“ zu verstehen ist, herrscht bis dato nicht. Viel mehr existieren auch hier eine Fülle von Definitionen, denen unterschiedliche Verständnisansätze von Gesellschaftsverantwortung vorausgehen. Eine anerkannte Definition ist die der Europäischen Kommission. In dieser heißt es:
Die Kommission legt eine neue Definition vor, wonach CSR die Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft ist. Damit die Unternehmen ihrer sozialen Verantwortung von vollem Umfang gerecht werden, sollten sie auf ein Verfahren zurückgreifen können, mit dem soziale, ökologische, ethische, Menschenrechts- und Verbraucherbelange in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsführung und in ihre Kernstrategie integriert werden.46F47
Des Weiteren kann das CSR-Reifegradmodell Orientierung geben. Das Modell zeigt auf, welche CSR-Maßnahmen im Unternehmen aktuell umgesetzt sind, welche (höheren) Stufen von CSR im Unternehmen erreicht werden können und was die einzelnen Stufen beinhalten. Unternehmen können sich an diesem Modell zur Steigerung ihres CSR-Potentials orientieren.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Das CSR-Reifegradmodell
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: Schneider 2012, S. 28–37.
Wer das sogenannte CSR 0.0 implementiert hat, betreibt eine unsystematische, passive Art von CSR und achtet demnach lediglich die Gesetze bzw. stellt Arbeitsplätze zur Verfügung. Der Ausbau der CSR-Aktivitäten hat hier am meisten Potential. Das CSR 1.0 geht einen Schritt weiter indem wohltätige Aktivitäten wie beispielsweise Sponsorings in die unternehmerischen Aktivitäten eingebaut werden. Allerdings wird das CSR nicht auf die Tätigkeiten im Unternehmen bezogen, sondern lediglich über eine verantwortliche Nutzung eines Teils des Gewinns nachgedacht. Somit ist auch die Version 1.0 nicht systemisch in der Strategie bzw. im Kerngeschäft verankert und daher stark ausbaufähig. Ein signifikanter Sprung findet von CSR 1.0 auf 2.0 statt. CSR 2.0 kann bereits als integrativ und systematisch im Managementkonzept verankert gesehen werden. Bei dieser Stufe werden Maßnahmen in Anlehnung an das im nächsten Punkt vorgestellte Nachhaltigkeitsdreieck implementiert. Es werden also anders als im Modell 1.0 alle drei Sparten – Ökologie, Ökonomie und Soziales – bedient. Das Modell 2.0 bezieht die gesamte Wertschöpfungskette in ihre CSR-Prozesse ein. So werden Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse integriert und die Lieferkette so gestaltet, dass sie den Ansprüchen des CSRs gerecht wird.
Abgerundet wird das Stufen-Modell durch das Konzept CSR 3.0, bei dem das Unternehmen die Rolle als proaktiver politischer Gestalter einnimmt und versucht, gesellschaftliche Rahmenbedingungen über sein wirtschaftliches Handeln hinaus nachhaltig zu verändern und zu verbessern.
3.2 Bedeutungsentwicklung von CSR in Unternehmen
Die betriebliche Nachhaltigkeit hat ihre Anfänge im Umweltmanagement. Auslöser für die Formulierung eines unternehmensinternen Umweltmanagements waren unter anderem der Bericht über die „Grenzen des Wachstums“ des Ökonomen Dennis L. Meadows aus dem Jahr 1972 sowie die Ölkrise im Jahr 1973. Die ersten Wissenschaftler setzten sich mit der konkreten Thematik der betrieblichen Nachhaltigkeit jedoch erst ab der zweiten Hälfte der 1980er Jahre auseinander, was sich in einer verstärkten Aktivität in Form von Tagungen und Konferenzen zum Thema Umweltmanagement, oder auch in der Generierung neuer universitärer Studiengänge äußerte.47F48 Mitte der 1990er Jahre formulierten die ersten Unternehmen als Pioniere der betrieblichen Nachhaltigkeit Stellenanzeigen im Umwelt- bzw. Nachhaltigkeitsbereich. Auch die Unternehmensberatung McKinsey veröffentlichte ebenfalls Mitte der 1990er Jahre in der Tageszeitung DIE ZEIT folgendes Inserat:
[...] Der schwierige Übergang unserer hochkomplexen Industriegesellschaft in ein ökologisch ausbalanciertes, leistungsfähiges Wirtschaftssystem ist eine gewaltige Aufgabe, die uns in den kommenden Jahrzehnten in Atem halten wird. [...] Das Unternehmensmanagement der Zukunft ist auch Umwelt-Management. Als führende Managementberatung kann sich McKinsey nicht damit zufriedengeben, lediglich mit dieser Entwicklung Schritt zu halten. Wir werden sie vielmehr mit allem Nachdruck vorantreiben. [...].48F49
Die Beweggründe zur betrieblichen Nachhaltigkeit sind mannigfaltig. Zunächst haben einige Unternehmen als Pioniere das Ziel einer Differenzierung zum Wettbewerber durch ökologische Nachhaltigkeit verfolgt. Eine rein umweltorientierte Unternehmensstrategie ist aber im Zuge der wettbewerbsträchtigen Marktwirtschaft nicht überlebensfähig, weshalb die zwei Dimensionen Ökonomie und Soziales das Konzept heute ergänzen.49F50 Unternehmen operieren nicht isoliert auf Märkten, sondern stehen in wechselseitiger Beziehung zu ihrem direkten und indirekten Umfeld. Veränderungen des Umfelds erzeugen innerhalb der Unternehmen einen Anpassungsdruck. Wenn das Unternehmen langfristig existieren möchte, muss es seine Geschäftsmodelle und Strategien dahingehend überdenken, dass es vor dem Hintergrund sich verschärfender Umweltgesetze, des zunehmenden Ressourcen-, Kosten-, und Innovationsdrucks sowie ethisch-sozialer Vorschriften und den bereits angesprochenen veränderten Bedürfnissen der Verbraucher auch langfristig erfolgreich operieren kann.50F51 Firmen, die Nachhaltigkeitsprinzipien in die Unternehmensstrategie integrieren, können diese potenziell immer stärker als Wettbewerbsvorteil nutzen. Dies zeichnet sich durch Differenzierung und Effizienzsteigerung, Steigerung des Innovationspotentials, verbesserter Legitimität der Unternehmensstrategie und somit Gewinnung des Vertrauens der Zivilgesellschaft und gut ausgebildeter Arbeitskräfte sowie durch motivierte Mitarbeiter die zu einer langfristigen Überlebensfähigkeit am Markt beitragen können, aus.
Um das Zusammenwirken der einzelnen Dimensionen (ökologisch, ökonomisch, sozial) zu veranschaulichen und integrativ in Handlungsmöglichkeiten zu implementieren, wurden mit der Zeit diverse Nachhaltigkeitsmodelle entwickelt. Eines der geläufigsten Modelle ist das Nachhaltigkeitsdreieck. Dieses vermittelt die Notwendigkeit der Existenz und des Zusammenwirkens aller drei Dimensionen, damit das Konzept vollständig funktionieren kann.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Das Nachhaltigkeitsdreieck
[...]
1 Gemeint sind stets beide Geschlechter. Aus Gründen der Lesbarkeit wird auf die Nennung beider Formen in dieser Arbeit verzichtet.
2 Griese 2015, S. 8.
3 Vgl. Haake 2012. URL: https://www.zeit.de/wirtschaft/2012-08/umfrage-deutschland-wirtschaftsordnung (letzter Zugriff: 25.04.2019).
4 Auf der Rio-Konferenz 1992 ist deutlich geworden, dass eine nachhaltige Entwicklung nur durchein weltweites Aktionsprogramm erreicht werden kann. Mit der in Rio verabschiedeten Agenda 21 werden detaillierte Handlungsaufträge gegeben, um einer weiteren Verschlechterung der Situation des Menschen und der Umwelt entgegenzuwirken und eine nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen sicherzustellen. URL: https://www.nachhaltigkeit.info/artikel/agenda_21_744.htm (letzter Zugriff: 10.4.2019).
5 Vgl. United Nations Organisation 1992. AGENDA 21. URL: http://www.un.org/depts/german/conf/agenda21/agenda_21.pdf (letzter Zugriff: 25.5.2019).
6 Vgl. Stehr/Struve 2017, S. V.
7 Vgl. Göbel 2016. Die Ethik kann ganz allgemein gekennzeichnet werden als die Lehre oder auch die Wissenschaft von Moral und Ethos, als von menschlichen Handeln, welches sich von der Differenz zwischen gut/sittlich und böse/sittlich falsch leiten lässt.
8 Philip Kotler ist ein amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler. Er gilt als Begründer der modernen Marketinglehre und sein 1967 erschienenes Buch Marketing Management gehört zur Standardliteratur in der weltweiten universitären Ausbildung.
9 Kotler 2010, S. 15f.
10 Der Begriff Open Innovation bezeichnet die Öffnung des Innovationsprozesses von Organisationen und damit die aktive strategische Nutzung der Außenwelt zur Vergrößerung des Innovationspotenzials.
11 Das Wort Prosumer stammt aus dem Englischen und ist ein aus den Wörtern Professional Consumer zusammengesetzter Kunstbegriff. Ein Prosumer stellt professionellere Ansprüche an ein Produkt als ein durchschnittlicher Verbraucher.
12 Vgl. Forum Umweltbildung o.J. Greenwashing ist eine kritische Bezeichnung für PR-Methoden, die darauf abzielen, einem Unternehmen in der Öffentlichkeit ein umweltfreundliches und verantwortungsbewusstes Image zu verleihen, ohne dass es dafür eine hinreichende Grundlage gibt. URL: https://www.umweltbildung.at/cms/praxisdb/dateien/357_pdf.pdf (letzter Zugriff: 16.05.2019).
13 Edmund Jerome McCarthy, US-amerikanischer Marketingprofessor und Autor. Das Konzept „Die 4 P‘s“ entwickelte er in seinem 1960 erschienenen Buch - Basic Marketing: A Managerial Approach.
14 Vgl. Rennhak/Kesting 2008, S. 6.
15 Vgl. Meffert et al. 2015, S. 6.
16 Alvin Toffler war ein US-amerikanischer Futurologe. Er war bekannt für seine Arbeiten zur Digitalen Revolution, der Technologischen Singularität und der Kommunikations-Revolution.
17 Vgl. Kotler 2010, S. 15.
18 Vgl. Walsh/Klee/Kilian 2009, S. 4.
19 Henry Ford gründete den Automobilhersteller Ford Motor Company und perfektionierte die Fließbandfertigung im Automobilbau.
20 Ein Größendegressionsvorteil entsteht, wenn eine größere Menge an gleichen Produkten produziert wird und somit Fixkosten auf mehr Einheiten verteilt werden können (Skaleneffekt).
21 Vgl. Rennhak/Kesting 2008, S. 6.
22 Vgl. Meffert 2000, S. 181.
23 Vgl. Erragcha/Romdhane 2014, S. 138.
24 Vgl. Ferrell/Hartline 2011, S. 8.
25 Vgl. Kotler 2010, S. 33.
26 Vgl. Kotler 2010, S. 33.
27 Vgl. Glaeser o. J. Review of Richard Florida’s The Rise of the Creative Class. URL: https://scholar.harvard.edu/files/glaeser/files/book_review_of_richard_floridas_the_rise_of_the_creative_class.pdf (letzter Zugriff: 25.05.2019).
28 Als Influencer werden Personen bezeichnet, die aufgrund ihrer starken Präsenz und ihres hohen Ansehens in sozialen Netzwerken als Träger für Werbung und Vermarktung in Frage kommen.
29 Vgl. Marshal o. J. The High Price of Low Cost. URL: http://changewalmart.org/wp-content/uploads/2016/11/The-High-Price-of-Low-Cost.pdf (letzter Zugriff: 25.05.2019).
30 Die Unternehmensmission umfasst die wichtigsten Tätigkeitsbereiche und Kernkompetenzen sowie den Mehrwert für die Kunden als auch Mitarbeiter, der sich daraus ergibt.
31 Vgl. Dorsey 1998. The New Spirit Of Work. URL: https://www.fastcompany.com/34650/new-spirit-work (letzter Zugriff: 25.05.2019).
32 Vgl. Economist Intelligence Unit 2008. Doing Good: Business and the Sustainability Challenge. URL: http://graphics.eiu.com/upload/sustainability_allsponsors.pdf (letzter Zugriff: 25.05.2019).
33 Vgl. Kotler 2010, S. 137.
34 Vgl. The 2010 Cone Cause Evolution Study. URL: http://ppqty.com/2010_Cone_Study.pdf (letzter Zugriff: 25.05.2019).
35 Vgl. Ramrayka 2006. The Rise and Rise of the Ethical Consumer. URL: https://www.theguardian.com/society/2006/nov/06/5 (letzter Zugriff: 25.05.2019).
36 Abraham Maslow (US-amerikanischer Psychologe) gilt als ein Gründer der Humanistischen Psychologie.
37 Generation Y: Jahrgang 1977-1994 / Generation Z: Jahrgang 1995-2012.
38 Vgl. Kotler 2010, S. 131.
39 Albert Arnold „Al“ Gore Jr. ist ein US-amerikanischer Politiker, Unternehmer sowie Umweltschützer.
40 Vgl. Gore/Blood 2004, o. S.
41 Vgl. Pufé 2012, S. 37.
42 Vgl. Pufé/Kamiske 2012, S. 29f.
43 Der Brundtland-Bericht wird auch als Bericht „Our Common Future“ bezeichnet, den die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen („Brundtland-Kommission“) im Jahr 1987 veröffentlichte. Die ehemalige norwegische Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland war Vorsitzende dieser Kommission.
44 Vgl. Lexikon der Nachhaltigkeit. URL: https://www.nachhaltigkeit.info/artikel/definitionen_1382.htm (letzter Zugriff: 25.05.2019).
45 Vgl. Pufé 2012, S. 37.
46 Bianca Wiedemann ist Geschäftsleiterin der Unternehmensberatung Fair Society – Wirtschaft im Einklang mit Gesellschaft und Umwelt. Sie berät Unternehmen strategisch zu den Themen Nachhaltigkeit und CSR sowie Stiftungen und andere Initiativen im Bereich Sozialmarketing.
47 Vgl. Europäische Kommission, 2017. URL: http://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2011/DE/1-2011-681-DE-F1-1.Pdf 2011 (letzter Zugriff: 25.05.2019).
48 Vgl. Dyckhoff/Souren 2008, S. 5f.
49 Vgl. Dyckhoff/Souren 2008, S. 4.
50 Vgl. Dyckhoff/Souren 2008, S. 3.
51 Vgl. Ulrich/Krieg 1974, S. 18.
- Quote paper
- Alena Barnes (Author), 2020, Corporate Social Responsibility und die Gemeinwohl-Ökonomie. Welches Potential bieten CSR-Instrumente im Marketing 3.0?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/537508
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