Die vorliegende Arbeit befasst sich inhaltlich mit der interkulturellen Kompetenz in der Lehramtsausbildung im Fach Englisch und zeigt, inwiefern es möglich und notwendig ist, interkulturelle Kompetenz als Querschnittsaufgabe im Lehramtsstudium im Fach Englisch auszubilden. Die Thematik dieser Arbeit ist nicht nur von Interesse, weil mit der interkulturellen Kompetenz und der fremdsprachendidaktischen Lehrkräftebildung zwei große Diskursfelder miteinander in Beziehung gesetzt werden, deren Bedeutung im Bildungswesen aktuell immer deutlicher hervortritt. Viel entscheidender ist, dass trotz steigender Bedeutung, interkulturelle Kompetenz noch kein fester Bestandteil der fremdsprachendidaktischen (Aus-) Bildung ist und somit weder bei zukünftigen Fremdsprachenlehrkräften, noch in deren Unterrichtspraxis gezielt angewendet werden kann. Die Relevanz des Themas dieser Arbeit ergibt sich somit einerseits aus dem im Schulkontext formulierten Leitziel der interkulturellen Kompetenz und andererseits aus der Wichtigkeit, dass die zukünftigen Fremdsprachenlehrkräfte entsprechend ausgebildet werden. Des Weiteren geht es elementar auch darum Schülerinnen und Schülern der heutigen globalisierten und vor allem auch digitalisierten Welt eine erfolgreiche Beteiligung am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen und ihnen die Kompetenz zu vermitteln ihren persönlichen Beitrag für ein friedliches Miteinander zu leisten. Antworten auf die Fragen, welche Aufgaben eine professionelle Fremdsprachenlehrperson hat, über welche Kompetenzen und Fertigkeiten eine Lehrkraft heutzutage verfügen muss, welche Rolle die universitäre Erstausbildung bei der Ausbildung interkultureller Kompetenz spielt und welches Potenzial eine interkulturelle Erstausbildung besitzt, sollen in einem theoriegeleiteten Teil, durch eine Untersuchung des interkulturellen Angebots im universitären, fachdidaktischen Englischcurriculum gefunden werden.
Inhaltsverzeichnis
Selbstständigkeitserklärung zur Abschlussarbeit
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
1. Lehrerinnen- und Lehrerbildung (Deutschland)
1.1 Kompetenzen und Standards in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung
1.2 Rolle und Kompetenzen von Englischlehrkräften
2. Interkulturelle Kompetenz
2.1 Interkulturelle Kompetenz im Englischunterricht
2.2 Lehrkräfte mit Migrationshintergrund als Allheilmittel für die interkulturelle Öffnung?
3. Lehramtsausbildung im Fach Englisch und interkulturelle Kompetenz
3.1 Interkulturelles Angebot im fachdidaktischen Englischcurriculum
3.2 Lücken und Defizite des Curriculums der Fachdidaktik Englisch
4. Zwischenfazit
5. Interkulturelle Kompetenz als ein neues Forschungsfeld
5.1 Perspektiven für eine interkulturelle Erstausbildung
6. Zusammenfassung und Ausblick
7. Literaturverzeichnis
Monographien/ Sammelbände/ Zeitschriftenaufsätze
Internetquellen
8. Anhang
8.1. Einstellungen von Lehrkräften
8.2 Exemplarische Studienverlaufspläne der Freien Universität Berlin
8.3 Standard-Curriculum für die Verankerung interkultureller Kompetenz
8.4 Aufgaben zur Förderung interkultureller Kompetenz nach Brunner/ Ivanova
Selbstständigkeitserklärung zur Abschlussarbeit
Ich erkläre ausdrücklich, dass es sich bei der von mir eingereichten Masterarbeit mit dem Titel
Interkulturelle Kompetenz in der Lehrkräftebildung
um eine von mir selbst und ohne unerlaubte Beihilfe verfasste Originalarbeit handelt. Ich bestätige überdies, dass die Arbeit als Ganzes und nicht in Teilen zur Abgeltung anderer Studienleistungen eingereicht worden ist.
Ich erkläre ausdrücklich, dass ich sämtliche in der oben genannten Arbeit enthaltenen Bezüge auf fremde Quellen (einschließlich Tabellen, Grafiken u.Ä.) als solche kenntlich gemacht habe. Insbesondere bestätige ich, dass ich nach bestem Wissen sowohl bei wörtlich übernommenen Aussagen als auch in eigenen Worten wiedergegebene Aussagen anderer Autorinnen oder Autoren (Paraphrasen) die Urheberschaft angegeben habe.
Ich nehme zur Kenntnis, dass Arbeiten, welche die Grundsätze der Selbstständigkeitserklärung verletzen – insbesondere solche die Zitate oder Paraphrasen ohne Herkunftsangaben enthalten - als Plagiat betrachtet werden können.
Ich bestätige mit meiner Unterschrift die Richtigkeit dieser Angaben.
Datum, Name
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Tabellarischer Überblick der Inhalte und Qualifikationsziele des fachdidaktischen Englischcurriculums im Lehramtsstudium der Freien Universität Berlin
Abbildung 2: Einstellungen von Lehrkräften XXII
Abbildung 3: Bachelor mit Lehramtsoption ISS/GYM – Englisch Kernfach. Exemplarischer Studienverlaufsplan
Abbildung 4: Master für ein Lehramt an ISS/GYM – Englisch Erstfach. Exemplarischer Studienverlaufsplan
Abbildung 5: Standard-Curriculum für die Verankerung interkultureller Kompetenz/ Eigene Darstellung von Lanfranchis Modell
Abbildung 6: Standard-Curriculum für die Verankerung interkultureller Kompetenz/ Eigene Darstellung von Lafranchis Modell
Abbildung 7: Standard-Curriculum für die Verankerung interkultureller Kompetenz/ Eigene Darstellung von Lanfranchis Modell
Abbildung 8: Meinungspuzzle/ Beispiel für interkulturelle Einstiegs- und Aktivierungsübungen
Abbildung 9: Perspektivenwechsel/ Beispiel für interkulturelle Sensibilisierungsübungen
Abbildung 10: Rassismus in der Klasse- Rassismus in der Gesellschaft
Abbildung 11: Mehrere Meinungen- Ein Weg/ Beispiel für interkulturelle Inputübungen
Abbildung 13: Mehrsprachige Schule/ Beispiel für interkulturelle Transferübungen
Abbildung 14: Reflexionsspaziergang/ Beispiel für interkulturelle Abschlussübungen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Einleitung
Sandra Scheeres (SPD), Schulsenatorin von Berlin:
"Die Aufgaben einer Lehrkraft sind in Paragraph 67 des Schulgesetzes definiert: 'Die Lehrerin oder der Lehrer unterrichtet, erzieht, beurteilt und bewertet, berät und betreut in eigener pädagogischer Verantwortung im Rahmen der Bildungs- und Erziehungsziele und der sonstigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie der Beschlüsse der schulischen Gremien.' Um die täglichen Anforderungen meistern zu können, die weit über die fachliche Wissensvermittlung hinausgehen, brauchen Lehrer und Lehrerinnen soziale und interkulturelle Kompetenzen sowie eine hohe Flexibilität. Ihr Engagement, ihre Ausdauer und ihre Leidenschaft sind für eine zukunftsfähige Gesellschaft unerlässlich" (Friedman et al. 2014).
Der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung ist deshalb auch eine zentrale Rolle zuzuteilen. Sie hat die Aufgabe den zukünftigen Lehrerinnen und Lehrern Berufsfertigkeiten und professionelle Kompetenzen zu vermitteln, damit diese den gesellschaftlichen, allgemeinbildenden und kulturellen Auftrag der Bildungsinstitution Schule bestmöglich umsetzen können. Auch die ehemalige Bundesministerin Johanna Wanka äußerte im Jahr 2015, zum Start der ins Leben gerufenen Initiative Qualitätsoffensive Lehrerbildung, durch welche Bund und Länder gemeinsam die Lehrerausbildung in Bezug auf Praxisnähe, bessere Verzahnung zwischen Studium, Referendariat und Weiterbildungen verbessern möchten Vergleichbares:
„Ein erfolgreiches Bildungssystem setzt eine hochwertige Lehrerbildung voraus. Es gibt kaum einen wichtigeren, kaum einen anspruchsvolleren, aber wahrscheinlich auch kaum einen schöneren Beruf. [...] Wir möchten, dass besonders gute Ausbildungsmodelle Schule machen. Dabei geht es zum Beispiel um große Aufgaben wie Integration und Inklusion“ (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2015).
Seit den Ergebnissen der internationalen Studien wie PISA, TIMMS oder IGLU und dem daraus entstanden Diskurs über die Bildungsbenachteiligung von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund in der Bildungsinstitution Schule werden Themen wie Integration, Inklusion und Diversität stärker priorisiert. Die Bildungspolitik sieht diesen Bildungsnachteil von SuS mit Migrationshintergrund vor allem in einem Defizit der interkulturellen Kompetenz von Lehrpersonen begründet und betont, dass es im Schulbetrieb zukünftig stärker um die Kenntnisnahme und Annahme von Diversität gehen müsse (vgl. Bender-Szymanski 2008: 201). Die Forderungen nach interkulturell kompetenten Lehrpersonen seitens der Bildungspolitik werden laut.
Die interkulturelle Kompetenz sieht Riemer (2018) vor allem in der Aufgabe von Fremd- und Zweitsprachenlehrkräften, da sie Mehrsprachigkeit, inklusionssensible Überzeugungen sowie interkulturelles Lernen1 als grundlegende Elemente des Fremdsprachenunterrichts verstehen (vgl. Riemer 2018: 134). Dass Sprache, vor allem Mehrsprachigkeit, ein grundlegendes Element interkulturellen Lernens sei und zur Persönlichkeitsentwicklung beitrage, argumentiert Kraus unter anderem folgendermaßen: „Sprache ist Medium für die Vergegenwärtigung und die Entfaltung von Innerlichkeit, für Gefühle, Emotionen und damit Ausdruck der Gesamtpersönlichkeit“ (Kraus 2006: 318). Sprache kann also als Chance zur Verständigung, als Instrument der Konfliktlösung und zum Begreifen der Welt dienen und bietet sich somit als Brücke für interkulturelle Kompetenz an (vgl. ebd.).
So wird auch im Berliner Rahmenlehrplan für das Fach Englisch die Beziehung zwischen Sprache und interkultureller Kompetenz verankert und der Erwerb einer Fremdsprache als grundlegende Prämisse für die Entwicklung interkultureller Kompetenz beschrieben (vgl. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie 2015: 3). Die wachsende Bedeutung von interkultureller Kompetenz führt somit nicht nur zu einer Addition im Fachprofil von Englischlehrerinnen und -lehrern, sondern rückt Diskurse zu den Anforderungsprofilen von Fremdsprachenlehrkräften, deren professionelle Handlungskompetenz und auch die Lehrkräfteausbildung wieder in den Vordergrund. Trotz der Lehramtszugangsverordnung (LZVO) in 2014, welche für die universitäre Erstausbildung für Lehramtsstudierende festlegt, dass „ […] Kenntnisse und Fähigkeiten in inklusiver Bildung und in Grundlagen der Förderdiagnostik sowie in der Gestaltung von Unterricht und Erziehung in heterogenen Lerngruppen […]“ (KMK 1996: 10) in der Fachdidaktik eines jeden Faches zu erwerben sind (vgl. ebd.), bleibt die interkulturelle Ausbildung von Englischlehrkräften unzureichend und verpasst es, die Lehrerinnen und Lehrer von morgen auf die interkulturellen Anforderungen und Herausforderungen der Berufspraxis vorzubereiten.
Die vorliegende Arbeit befasst sich inhaltlich mit der interkulturellen Kompetenz in der Lehramtsausbildung im Fach Englisch und zeigt, inwiefern es möglich und notwendig ist, interkulturelle Kompetenz als Querschnittsaufgabe im Lehramtsstudium im Fach Englisch auszubilden. Die Thematik dieser Arbeit ist nicht nur von Interesse, weil mit der interkulturellen Kompetenz und der fremdsprachendidaktischen Lehrkräftebildung zwei große Diskursfelder miteinander in Beziehung gesetzt werden, deren Bedeutung im Bildungswesen aktuell immer deutlicher hervortritt. Viel entscheidender ist, dass trotz steigender Bedeutung, interkulturelle Kompetenz noch kein fester Bestandteil der fremdsprachendidaktischen (Aus-) Bildung ist und somit weder bei zukünftigen Fremdsprachenlehrkräften, noch in deren Unterrichtspraxis gezielt angewendet werden kann. Die Relevanz des Themas dieser Arbeit ergibt sich somit einerseits aus dem im Schulkontext formulierten Leitziel der interkulturellen Kompetenz und andererseits aus der Wichtigkeit, dass die zukünftigen Fremdsprachenlehrkräfte entsprechend ausgebildet werden. Des Weiteren geht es elementar auch darum Schülerinnen und Schülern der heutigen globalisierten und vor allem auch digitalisierten Welt eine erfolgreiche Beteiligung am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen und ihnen die Kompetenz zu vermitteln ihren persönlichen Beitrag für ein friedliches Miteinander zu leisten. Antworten auf die Fragen, welche Aufgaben eine professionelle Fremdsprachenlehrperson hat, über welche Kompetenzen und Fertigkeiten eine Lehrkraft heutzutage verfügen muss, welche Rolle die universitäre Erstausbildung bei der Ausbildung interkultureller Kompetenz spielt und welches Potenzial eine interkulturelle Erstausbildung besitzt, sollen in einem theoriegeleiteten Teil, durch eine Untersuchung des interkulturellen Angebots im universitären, fachdidaktischen Englischcurriculum gefunden werden.
Die Beschäftigung mit der interkulturellen Kompetenz in der Lehramtsausbildung im Fach Englisch setzt zunächst eine Skizzierung des allgemeinen Rahmens der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung in Deutschland voraus. Eine Betrachtung der Kompetenzen und Standards in der Lehrkräftebildung mit dem Fokus auf Englischlehrkräfte ist Teil dessen. Somit werden im ersten Kapitel zunächst der strukturelle Aufbau, die KMK-Standards und Kritikpunkte der universitären Lehrkräfteausbildung erläutert. Die Kapitel 2 und 3 bilden die zwei großen Hauptfelder dieser Arbeit. Während im Kapitel 2 existierende Ansätze und Modelle zum Konzept interkultureller Kompetenz dargestellt werden, um diese anschließend in den Kontext des Englischunterrichts zu setzen, wendet sich das dritte Kapitel der interkulturellen Kompetenz im Kontext der Lehrkräftebildung im Fach Englisch zu. Zusätzlich wird im Kapitel 3 eine Fokussierung auf das universitäre Englischcurriculum, Defizite, Lücken und Grenzen der aktuellen fremdsprachenfachdidaktischen Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern aufgezeigt. Beide Hauptkapitel werden mit einem Zwischenfazit abgeschlossen. Dies erscheint aus folgenden Gründen sinnvoll: Aufgrund der hohen Komplexität beider Hauptfelder bietet sich ein Zwischenresümee der bisherigen Ergebnisse und Schlussfolgerungen an. Zusätzlich ist die klare Definition des Begriffs der interkulturellen Kompetenz im schulischen Kontext trotz einer Vielzahl an Fachliteratur, theoretischen Ansätzen und Modellen problematisch. Die Klärung des Begriffs, die anschließende Einbettung interkultureller Kompetenz in den Kontext der Lehrkräftebildung und die Untersuchung des interkulturellen Angebots im fachdidaktischen Englischcurriculum sind mit zahlreichen Fragen verbunden, dessen Antworten im Zwischenfazit zusammengefasst werden. Das Kapitel 5 zeigt, basierend auf den vorhergehenden Kapiteln, entwicklungsbedürftige Bereiche des Forschungsfeldes interkultureller Kompetenz im Bildungskontext auf und beleuchtet unterschiedliche Perspektiven für eine interkulturelle Erstausbildung. Im letzten Punkt werden die Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst und Ausblick auf weitere Forschungen gegeben.
1. Lehrerinnen- und Lehrerbildung (Deutschland)
Die institutionelle Krise der Bildungseinrichtung Schule seit dem sogenannten PISA-Schock und die darauffolgenden Reformvorschläge ließen die Lehrkräftebildung nicht unberührt (vgl. Horvath 2009: 25). Die Gestaltung von Standards für die Lehrerinnen- und Lehrerbildung kann zum Einen als Konsequenz des PISA-Schocks gesehen werden und ist zum Anderen eine Reaktion auf gesellschaftliche Anforderungen wie Inklusion, Migration und Integration. Der Diskurs über Bildungsstandards und Kompetenzen in der LuL-Bildung ist somit gar nicht oder nur schwer von dem Aspekt der Bildungsstandards für Schülerinnen- und Schüler zu trennen (vgl. ebd.). Der Schock nach der PISA-Vergleichsstudie rückte deshalb auch die Lehrkräfteausbildung unter die Lupe. Die Qualität der Schule und des Unterrichts zu steigern, stehe jetzt in ihrer Verantwortung. Die Formulierung von Zielen in Form von Standards kann demnach als Versuch gewertet werden, das Ziel der Professionalisierung der LuL-Bildung zu konkretisieren und somit eine Verbesserung von Schülerinnen- und Schülerleistungen zu erzielen (vgl. Lersch 2006: 43).
Auch wenn zum Begriff der Professionalisierung von LuL konkurrierende Ansätze existieren, lassen sich in der Erziehungswissenschaft drei übergeordnete Ansätze zur Bestimmung von Professionalisierung im Lehrerinnen- und Lehrerberuf identifizieren: der strukturtheoretische Bestimmungsansatz, der kompetenzorientierte Ansatz und der berufsbiographische Bestimmungsansatz (vgl. Terhart 2011: 206ff.). Laut Terhart (2011) ist der strukturtheoretische Ansatz dadurch gekennzeichnet, dass sich Professionalität im Lehrerberuf durch die Fähigkeit, die widersprüchliche Aufgabenstruktur zu bewältigen, zeigt:
„Kompetenter, reflektierender Umgang mit unabstellbarer, aber gleichwohl täglich zu bewältigender und faktisch auch irgendwie bewältigter Unsicherheit und Undeterminiertheit werden im strukturtheoretischen Ansatz zum Kernstück pädagogischer Professionalität“ (Terhart 2011: 206).
Terhart benennt einige der sich widersprechenden Anforderungen an Lehrkräfte wie zum Beispiel die „Nähe - Distanz zu Schülerinnen und Schülern“, „Person des Schülers versus Sachorientierung“, „Einheitlichkeit versus Differenz“ und „Autonomie versus Heteronomie“ (vgl. ebd.). Insgesamt verdeutlicht der strukturtheoretische Ansatz demnach das Spannungsverhältnis zwischen theoretischen und praktischen Handlungssituationen, was zu einer generellen Unsicherheit des LuL- Handelns führt, dessen erfolgreiche, tägliche Handhabung professionelles Handeln im Lehrberuf bedeutet.
Das Konzept des kompetenzorientierten Ansatzes sieht Professionalität einer Lehrperson vor allem in der Höhe des erworbenen Kompetenzgrades begründet. Terhart (2011) schreibt:
„Professionell ist ein Lehrer dann, wenn er in den verschiedenen Anforderungsbereichen (Unterrichten und Erziehen, Diagnostizieren, […])‚ über möglichst hohe bzw. entwickelte Kompetenzen und zweckdienliche Haltungen verfügt […]“ (Terhart 2011: 207).
Demnach ist bei dem kompetenzorientiertem Ansatz Lehrerprofessionalität abhängig von einem definierten Kompetenzbegriff sowie von klar definierten Voraussetzungen, die Lehrkräfte benötigen und welche vermittelbar sind, damit Lehrpersonen professionell handeln können und schließlich ein hohes Kompetenzniveau entwickeln.
Der berufsbiographische Ansatz betont die Kompetenzentwicklung als einen wissens- und erfahrungsgestützten Prozess, bei dem professionelles Handeln mit der individuellen Identität der Lehrperson verknüpft ist. Für Terhart (2011) wird Professionalität bei dem berufsbiographischen Ansatz zu einem berufsbiographischem Entwicklungsproblem, bei dem professionelles Handeln biographische Lebensereignisse und Erfahrungen miteinschließt (vgl. Terhart 2011: 206ff.).
Liegt vielen Professionalisierungstheorien noch das Verständnis von unabhängig nebeneinander existierenden Ansätzen von Professionalisierung vor, so vereint Bechtels Verständnis von Professionalität im Lehrerberuf diese drei Ansätze: „Meinem Verständnis von Professionalität liegt eine Verknüpfung aus kompetenzorientiertem, strukturtheoretischem und berufsbiographischem Ansatz zugrunde“ (Bechtel 2018: 9). So greifen bei Bechtel der kompetenzorientierte Ansatz und der strukturtheoretische Ansatz insofern ineinander, dass auch im kompetenzorientierten Ansatz die situative Unsicherheit der Lehrperson berücksichtigt wird, da „Unterricht nur begrenzt planbar ist“ (ebd.: 10). So berücksichtigen beide Ansätze die Unvorhersehbarkeit des Lehrberufs. Das Konzept des kompetenzorientierten Ansatzes weist darüber hinaus Parallelen zum berufsbiographischen Ansatz auf, da beide die Kompetenzentwicklung in den Vordergrund stellen. Bechtel bestimmt den Lehrerinnen- und Lehrerberuf somit als eine „Profession, für dessen Ausübung man sich im Laufe eines berufsbiografischen Entwicklungsprozesses der Professionalisierung die nötigen Kompetenzen aneignen kann […]“ (ebd. 10). Vor dem Hintergrund Bechtels Professionalisierungsverständnis ist folglich eine Lehrerinnen- und Lehrerausbildung gefragt, die zur Professionalisierung des Lehrerinnen- und Lehrerberufs beiträgt, indem sie in entwickelten Ausbildungsplankonzepten alle drei miteinander verknüpften Ansätze vereint und ausbildet.
Die Einführung von fachbezogenen Bildungsstandards hatte den Zweck die Professionalisierung des Berufs voranzutreiben und folglich sicherstellen, dass LuL in ihrem Unterricht professionell handeln. Es wird deutlich, dass der Diskurs über Professionalität des Lehrberufs eng mit dem Diskurs Standards und Kompetenzen im Lehrerinnen- und Lehrerberuf verbunden ist und sich vor allem auf die Ausbildung von Lehrkräften bezieht. Terhart (2006) bemerkt dazu kritisch:
„Und wie üblich wurde hierbei [der Gestaltung von Standards für Lehrerinnen und Lehrer] nicht – was eigentlich nahe gelegen hätte- an die Definition von klaren Leistungs- und Kompetenzerwartungen an im Beruf befindliche Lehrer gedacht, sondern an Standards für die Lehrerbildung, an Standards für diejenigen also, die jetzt bzw. demnächst für den Lehrerberuf ausgebildet werden und erst in einigen Jahren in den Beruf eintreten“ (Terhart 2006: 30).
Terhart benennt damit eine bildungspolitische Lücke zwischen der beruflichen Ausbildung und dem Berufsalltag/ der beruflichen Praxis von Lehrpersonen. Die Formulierung von Bildungsstandards, vorrangig für die Lehrkräfteausbildung, verdeutlicht die Tatsache, dass die festgestellten Defizite im Bildungswesen vor allem als Resultat schlecht ausgebildeter Lehrerinnen und Lehrer angesehen werden.
Die Bedeutsamkeit einer qualitativ hochwertigen Lehrerinnen- und Lehrerbildung und somit Qualität der Lehrpersonen manifestiert sich u.a. in den von der Kultusministerkonferenz (KMK) formulierten Standards für die Lehrkräftebildung (vgl. Burwitz-Melzer et al. 2018: 7). Diese Standards definieren Kompetenzen, welche sowohl für die Ausbildung als auch die berufliche Praxis von Lehrkräften entscheidend sein sollen. Die von der KMK definierten Standards für die Lehrkräfteausbildung nehmen Bezug auf die im Schulgesetz verankerten Bildungs- und Erziehungsziele und bilden somit die Grundlage für das Anforderungsprofil, mit welchem die Lehrpersonen konfrontiert werden und welches es professionell umzusetzen gilt. Im Schulgesetz sind die Aufgaben von Lehrkräften u.a. wie folgt bestimmt:
„Die Lehrkräfte fördern die persönliche Entwicklung, das eigenständige Lernen und das eigenverantwortliche Handeln der Schülerinnen und Schüler. Sie unterrichten, erziehen, beurteilen und bewerten, beraten und betreuen in eigener pädagogischer Verantwortung im Rahmen der Bildungs- und Erziehungsziele und der sonstigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie der Beschlüsse der schulischen Gremien“ (§ 67 Absatz I Satz 1-7 SchulG).
Angelehnt an das Schulgesetz setzt der Bericht des Sekretariats der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (2004) mit den formulierten Standards einen Rahmen für die institutionelle Lehrkräftebildung in Deutschland, der folgender Modellvorstellung zugrunde liegt:
„Das Fundament für die (spätere) berufliche Kompetenz von Lehrern wird durch die Erstausbildung bereitgestellt […] die weitergehende und nachhaltige Ausformung beruflicher Kompetenzen und Identitäten geschieht dann innerhalb der (ersten Jahre der) Berufstätigkeit selbst […]. Das bedeutet: Berufliche Fähigkeiten entwickeln sich im Verlaufe eines längeren Prozesses und über mehrere Stadien oder Stufen hinweg […]“ (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 2004: 9).
Die hier sichtbar werdende Vorstellung von Kompetenzentwicklung der KMK verdeutlicht das dreigliedrige Ausbildungsmodell von Lehrkräften, bestehend aus: „Wissenschaftliche Erstausbildung – Universität und Pädagogische Hochschule, praktische Erstausbildung – Seminar und Berufseintritt und „Berufspraxis – Fort- und Weiterbildung“ (vgl. ebd. 15ff.). Ausgehend von den im Schulgesetz festgehaltenen Aufgaben von Lehrpersonen unterteilt die KMK (2004) das Anforderungsprofil von Lehrerinnen und Lehrern in die vier Kompetenzbereiche: Unterrichten, Erziehen, Beurteilen und Innovieren (vgl. KMK 2004). Die Kompetenzbereiche Unterrichten, Erziehen und Innovieren umfassen jeweils drei Kompetenzen, während der Bereich Beurteilen zwei Kompetenzen beinhaltet (vgl. ebd.). Im Kontext der LuL-Ausbildung werden Kompetenzen als die berufsbezogenen Fähigkeiten von Lehrpersonen verstanden, welche von unterschiedlicher Ausprägung sein können. Diesen elf Kompetenzen sind insgesamt 37 Standards zugeordnet, welche in Standards für die theoretischen- und praktischen Ausbildungsphasen unterteilt sind.
Lersch (2006) stellt phasenbezogene Unterschiede in den 37 formulierten Standards fest, welche die vorgesehene stufenartige Kompetenzentwicklung der Lehramtsstudierenden in der Ausbildung unterstreichen:
„Während es für die erste Phase (universitäre, wissenschaftliche Erstausbildung) fast ausschließlich um ‚wissen‘, ‚kennen‘ und allenfalls noch ‚reflektieren‘ geht, werden sie [die Standards] für die 2. Phase (Berufseintritt) mit konkreten Handlungsbegriffen ausgedrückt: ‚vermitteln‘, ‚gestalten‘, ‚auswählen‘, ‚verarbeiten‘, ‚anwenden‘, ‚konzipieren‘ […]“ (Lersch 2006: 45).
Diese begriffliche Abgrenzung der Standards zwischen dem theoretischen und dem praktischen Ausbildungsabschnitt verdeutlicht, die dreistufige Modellvorstellung der KMK, in der die universitäre Einrichtung, zur Vorbereitung auf den Berufseinstieg, nur die theoretischen, wissenschaftlichen Grundlagen ausbildet (vgl. ebd.). Während der Bericht des Sekretariats der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (2004) diese klar getrennte Aufteilung als „einen systematischen berufsbezogenen Lern- und Erfahrungsprozess, bei dem die einzelnen Elemente aufeinander aufbauen“ (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 2004: 9) benennt, fasst Lersch (2006) diese aufgeteilte, schrittweise Lehrerinnen- und Lehrerausbildung wie folgt zusammen:
„Am Ende der erfolgreich absolvierten 1. Phase ist jemand, der „ kennt was und weiß was“, am Ende der 2. Phase „ kennt und weiß er was und kann was“, und dieses Können kultiviert er in der 3. Phase zu professioneller Kompetenz“ (Lersch 2006: 46).
Das Problem auf welches Lersch hiermit hinweist, ist das Lehramtsstudentinnen und -studenten am Ende der universitären Ausbildung, vor dem Berufseintritt, sowie es die KMK vorsieht, zwar wissen aber nicht können (vgl. ebd. 47). Es wird also davon ausgegangen, dass die Entwicklung beruflicher Kompetenzen von Lehrkräften in den ersten Jahren nach Berufseintritt erfolgen – also in voller Berufstätigkeit. Im Bericht des Sekretariats der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (2004) heißt es dazu: „Wichtig ist, dass man Kompetenzerwartungen und Standards, die für einen berufserfahrenen, voll kompetenten Lehrer gelten, nicht schon zum Ziel der vorauslaufenden theoretischen und praktischen Ausbildungsabschnitte erklären kann“ (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 2004: 9). Angaben die konkretisieren, ab wann und ob eine Lehrkraft als berufserfahren und kompetent zählt und wie dieser Zustand festgestellt und überprüft werden kann, sind im Bericht nicht genannt.
Was die dem Ausbildungsmodell entsprechenden Kompetenzen und Standards sind und was sie jeweils beinhalten wird im Folgenden betrachtet. Aufgrund des begrenzten Rahmens dieser Arbeit werden nur die für das Thema relevanten Kompetenzen und Standards skizziert.
1.1 Kompetenzen und Standards in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung
Im Kontrast zu den Bildungsstandards für SuS, welche sich auf den spezifischen Bereich der Bildungsinstitution Schule beziehen und als konkrete Leistungserwartungen verstanden werden, sind Standards im Kontext der LuL-Bildung als Maßstäbe zu verstehen, welche den Ausprägungsgrad der einzelnen Kompetenzen von LuL erfassen (vgl. ebd. 8).
Für den Kompetenzbereich Unterrichten soll laut KMK (2004) in der universitären Ausbildung u.a. die folgende Kompetenz erworben werden:
I. „Lehrerinnen und Lehrer planen Unterricht unter Berücksichtigung unterschiedlicher Lernvoraussetzungen und Entwicklungsprozesse fach- und sachgerecht und führen ihn sachlich und fachlich korrekt durch“ (KMK 2004: 7).
Der Kompetenzbereich Unterrichten schließt Kompetenzen ein, welche die Lehrkraft dazu befähigen die Fähigkeiten der SuS zu fördern, die SuS durch passend geschaffene Lernsituationen zu motivieren und Möglichkeiten zu schaffen, in denen SuS das Gelernte anwenden, vertiefen und nutzen können (vgl. ebd.). In den für den Bereich Unterrichten dazugehörigen Standards für den theoretischen Ausbildungsabschnitt wird unter anderem das „Kennen von Erziehungs- und Bildungstheorien, Unterrichtsmethoden, Aufgabenformen und -formaten, sowie das Wissen zur Entwicklung von weiterführendem Interesse“ (ebd. 7f.) als Maßstäbe formuliert. Die Standards für die praktischen Ausbildungsabschnitte betonen vor allem das Auswählen und Arbeiten mit Arbeits- und Kommunikationsformen, sowie die Vermittlung von Lernstrategien und Methoden, welche die SuS nutzen können um eigenverantwortlich und selbstbestimmt zu lernen. Der Kompetenzbereich Unterrichten erfordert demnach eine curriculare Kompetenz, welche es der Lehrkraft erlaubt Aufgaben und Lehrvorhaben fach- und sachgerecht zu erstellen und diese adressatengerecht zu formulieren. Darüber hinaus ist eine methodische Kompetenz erforderlich, da LuL laut KMK Lehr- und Lernprozesse in einer bestimmten Zeit inklusives Material vorplanen und auch umsetzen müssen (vgl. ebd.).
Der Kompetenzbereich Erziehen umfasst unter anderem die folgenden Kompetenzen:
I. „Lehrerinnen und Lehrer kennen die sozialen und kulturellen Lebensbedingungen, etwaige Benachteiligungen, Beeinträchtigungen und Barrieren von und für Schülerinnen und Schüler und nehmen im Rahmen der Schule Einfluss auf deren individuelle Entwicklung“ (ebd.: 9).
II. „Lehrerinnen und Lehrer vermitteln Werte und Normen, eine Haltung der Wertschätzung und Anerkennung von Diversität und unterstützen selbstbestimmtes Urteilen und Handeln von Schülerinnen und Schülern“ (ebd.: 10).
III. „Lehrerinnen und Lehrer finden Lösungsansätze für Schwierigkeiten und Konflikte in Schule und Unterricht“ (vgl. ebd.).
Der Kompetenzbereich Erziehen bezieht sich somit vor allem auf das Kennen von interkulturellen Dimensionen und auch geschlechtsspezifischer Einflüsse bei der Gestaltung von Bildungs- und Erziehungsprozessen (vgl. ebd.). Vor dem Hintergrund von Inklusion, Integration und Migration nimmt der Kompetenzbereich Erziehen unter anderem Bezug auf Fähigkeiten die hilfreich sind für die pädagogische Interaktion mit SuS, für die Entwicklung von Präventionsmaßnahmen und Möglichkeiten Lern- und Entwicklungsprozesse zu unterstützen. Um den Kompetenzbereich Erziehen professionell umzusetzen benötigt die Lehrkraft unter anderem eine kulturelle Kompetenz, die es der Lehrperson ermöglicht in Lerngelegenheiten den eigenen Absichten und Maximen entsprechend kommunizieren zu können. Darüber hinaus benötigt die Lehrperson eine interkulturelle Kompetenz, die es ihr erlaubt, eine angemessene Haltung gegenüber Lernenden zu finden um die soziale und kulturelle Diversität der SuS zu berücksichtigen und in die Bildungs- und Erziehungshandlungen miteinfließen zu lassen.
Das Anforderungsprofil für den Kompetenzbereich Beurteilen bestimmt u.a. die folgende Kompetenz als notwendig:
„I. Lehrerinnen und Lehrer diagnostizieren Lernvoraussetzungen und Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern; sie fördern Schülerinnen und Schüler gezielt und beraten Lernende und deren Eltern“ (ebd.: 11).
Das Aufgabenprofil für diesen Bereich verlangt von den Absolventinnen und Absolventen neben dem Wissen zu den Begriffen und Merkmalen von Heterogenität und Diversität, eine sach- und adressatengerechte Beratung und Beurteilung von SuS-Leistungen, die durch grundlegende Transparenz für Lehrkräfte, SuS und deren Eltern nachzuvollziehen ist (vgl. ebd.). Die dazugehörigen Standards erfordern vor allem das Kennen von Grundlagen der Lernprozessdiagnostik, Prinzipien und Ansätze der Beratung von SuS und Eltern und das Kennen der Verknüpfung zwischen lernförderlicher Rückmeldung und gesellschaftlicher Funktionen von Leistungsbeurteilungen (vgl. ebd.: 12). Somit erfordert der Kompetenzbereich Beurteilen eine reflexive und evaluative Kompetenz bei LuL, welche Formen der Lernprozessdiagnostik und Leistungsbeurteilung nutzen sollen, um SuS-Ergebnisse im Blick auf Kriterien bewerten zu können.
Der Bereich Innovieren betont vor allem die Kompetenzentwicklung der LuL als einen fortlaufenden Prozess:
„I. Lehrerinnen und Lehrer sind sich der besonderen Anforderungen des Lehrerberufs bewusst. Sie verstehen ihren Beruf als ein öffentliches Amt mit besonderer Verantwortung und Verpflichtung“ (ebd.: 13).
Der Kompetenzbereich Innovieren stellt die Position des LuL- Berufs mit den entsprechenden Aufgaben in den Vordergrund und betont die Notwendigkeit der ständigen Fortbildung und Weiterentwicklung. Das Kennen von Methoden zur Selbstevaluation und Selbstreflexion sind hier entscheidend und entsprechend in den Standards festgehalten. In der Praxis steht für den Bereich Innovieren das Nutzen von Bildungsforschungsergebnissen für den eigenen Unterricht und der Umgang mit Belastungen im Mittelpunkt. Der Kompetenzbereich Innovieren erfordert somit unter anderem eine institutionelle Kompetenz, da von LuL erwartet wird, dass diese im Stande sind schulische Arbeitsbedingungen, sowie Projekte und Organisationen mitzugestalten (vgl. ebd.).
Aus den aufgelisteten Kompetenzen und Standards der KMK ergibt sich dreierlei:
I. Das Kompetenz- und Aufgabenprofil für Lehrkräfte basiert auf der Grundlage von Kommunikation. Jeder Kompetenzbereich erfordert eine Art von Kommunikation, sei es die Kommunikation von Fach- und Sachbotschaften (Kompetenzbereich Unterrichten = curriculare und methodische Kompetenz) oder persönliche, inter- /kulturelle Botschaften (Kompetenzbereich Erziehen). Des Weiteren ist in den Standards und Kompetenzen der KMK auch das Kommunikationsgegenüber (SuS, Eltern und andere LuL) mit gesonderten Kommunikationsanforderungen bestimmt.
II. Die Lehrkraft ist Vertreter für die gesellschaftliche Aufgabex der Schule. Die Lehrkraft wird vor die Aufgabe gestellt, die SuS einerseits zu eigenverantwortlichen und andererseits zu sozialen und tragfähigen Mitgliedern der bestehenden Gesellschaft auszubilden. Das Aufgabenprofil der LuL geht demnach weit über Fach- und Sachbotschaften hinaus und beinhaltet gesellschaftliche Aufträge (Integration, soziale und kulturelle Diversität, Geschlechterkunde) die es verlangen, dass die Lehrkraft im Stande ist diese im Unterricht mitauszubilden.
III. Die Lehrperson ist Ausgangspunkt für alle Vorgänge des Lehrens und Lernens in der Bildungsinstitution Schule. Die Kompetenzen und Standards der KMK (2004) verdeutlichen die besondere Rolle der Lehrkraft: „Lehrerinnen und Lehrer sind sich der besonderen Anforderungen des Lehrerberufs bewusst. Sie verstehen ihren Beruf als ein öffentliches Amt mit besonderer Verantwortung und Verpflichtung“ (ebd. 13). Der Handlungs- und Verantwortungsbereich von Lehrkräften geht weit über das Klassenzimmer und den Unterricht hinaus. Wie in den Standards und Kompetenzen der KMK verankert, wird von Lehrkräften erwartet „Mitwirkungsmöglichkeiten“ wahrzunehmen, „kollegiale Beratung“ zu praktizieren, mit „inner- und außerschulischen Professionen und Einrichtungen“ zu kooperieren und mit den „Eltern der SuS vertrauensvoll zusammenzuarbeiten“. Die Lehrkraft hat somit Einfluss auf Bildungs- und Erziehungsprozesse, die weit über die Bildungsinstitution Schule hinaus gehen.
Das dargestellte komplexe und vielschichtige Anforderungsprofil des Lehrberufs betont die Bedeutsamkeit einer kompetenten Lehrperson und dessen Handlungsfähigkeit. Spätestens seit den umfassenden Forschungsergebnissen des neuseeländischen Pädagogen John Hattie2 ist die Lehrpersönlichkeit, sowie das Lehrerinnen- und Lehrerhandeln als zentraler Faktor für erfolgreiches Lehren und Lernen ins öffentliche Bewusstsein gerückt und hat den signifikanten Einfluss des Lehrpersonenhandelns auf die Lernleistungsergebnisse der SuS betont (vgl. Bechtel 2018: 9). Die allgemeindidaktischen Befunde Hatties lassen zum Einen die Forderung nach professionelleren Lehrkräften lauter werden und legitimieren gleichzeitig die Frage nach dem professionellem Lehrinnen- und Lehrerhandeln für den fachspezifischen Unterricht. Wie dargestellt, beziehen sich die definierten Standards und Kompetenzen, welche der Forderung nach mehr Professionalisierung entsprechen sollen, grundsätzlich auf fächerübergreifende Aspekte. Wie Terhart (2006) kritisch bemerkt, wird die fachliche und didaktische Spezifik der Professionalität von Lehrerinnen und Lehrern weitestgehend ausgeklammert:
„Eine weitere, ebenfalls vielleicht typisch pädagogische Engführung ist darin zu sehen, dass bei Standards für die Lehrerbildung (auch seitens der KMK) zunächst immer an die erziehungs- oder bildungswissenschaftlichen Elemente in der Erstausbildung von zukünftigen Lehrern gedacht wird (Pädagogik, Psychologie, Soziologie etc.), nicht aber an Standards für die sogenannten fachbezogenen Studienelemente […]“ (Terhart 2006: 30).
So existieren seitens der KMK ausschließlich fächerübergreifende Standards und Kompetenzen für Lehrkräfte, sowie Bildungsstandards für die erste Fremdsprache für SuS, jedoch gibt es keine formulierten Bildungsstandards für die fachbezogene Rolle der Lehrperson.
Das folgende Kapitel wird sich mit der Rolle und den Anforderungen von Fremdsprachenlehrpersonen auseinandersetzen. Im Fokus steht dabei die Fremdsprache Englisch und demnach auch die fachspezifischen Anforderungen an Englischlehrkräfte.
1.2 Rolle und Kompetenzen von Englischlehrkräften
Sprache gilt als Basis für das Selbstverstehen, die zwischenmenschliche Verständigung und das generelle Verständnis der Welt. „In einer Zeit zunehmender internationaler Verflechtungen und Kontakte ist die Lebenswirklichkeit der heute Heranwachsenden von verschiedenen Sprachen und Kulturen geprägt“ (Senatsverwaltung 2015: 3), weshalb Fremdsprachenkenntnisse und interkultureller Erziehung eine wachsende Bedeutung zukommen. Auch für die individuelle Entwicklung der Identität und somit ebenfalls für die Teilhabe an Gesellschaft und Kultur ist das flexible und sichere Fremdsprachenlernen von entscheidender Wichtigkeit. Sprache und Kultur werden hierbei als sich gegenseitig bedingende Konzepte betrachtet. So kann Sprache Ergebnis und Veranlassung für kulturelle Gegebenheiten sein. „Sprachenlernen ist damit eine der wesentlichen Herausforderungen, die mit dem Auftrag des lebenslangen Lernens auf die Gesellschaft, auf die Bildungssysteme und auf den Einzelnen zukommen“ (KMK 2003: 6). Die Sprache Englisch als „Mittler zwischen verschiedenen Muttersprachen“ (Timm 1998: 8) nimmt im schulischen Bereich des Fremdsprachenlernens eine herausgestellte Stellung ein, da sie durch ihre Rolle als lingua franca Schülerinnen und Schüler zu internationaler fremdsprachlicher Handlungsfähigkeit befähigt. Die englische Sprache ist, vorrangig durch den Umgang mit den Medien, besonders bei Heranwachsenden allgegenwärtig. In Hinblick auf die Position des Englischen als Sprache internationaler Verständigungen, ist die Beherrschung von Englisch in einer immer enger werdenden Welt auch Voraussetzung für die zukünftige Berufswelt von SuS. So ist Englisch Voraussetzung für die Teilhabe in weiten Bereichen von Technik, Wirtschaft, Kultur, Forschung und Politik (vgl. Senatsverwaltung 2015: 4). Der Fremdsprache Englisch, als weltweite lingua franca, wird deshalb im Bereich der Bildungsinstitution Schule von der Senatsverwaltung (2015) besondere Aufgaben zugeordnet:
„Aufgrund der flexiblen und verhältnismäßig einfach anwendbaren Strukturen und aufgrund der Tatsache, dass in weiten Bereichen von Technik und digitalen Medien englische Begriffe zur Alltagssprache bereits jüngerer Kinder gehören, eignet sich Englisch in besonderem Maß für die Verständigung gerade unter jungen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und mit unterschiedlichen Herkunftssprachen“ (Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie 2015: 4).
Die interkulturelle Ausbildung, Mehrsprachigkeit, inklusionssensible Überzeugungen und individuelle Identitätsstiftung werden demnach vor allem in der Aufgabe des Englischunterrichts3 gesehen. Thaler (2014) begründet die Position des Englischunterrichts, und damit der Englischdidaktik mit dem „besonderen Verhältnis zu weiteren mit dem Vermittlungsgegenstand befassten Fachwissenschaften z.B. Sprachwissenschaft, Literaturwissenschaft, Kulturwissenschaften“ (Thaler 2014: 27f.).
„Da Englisch auf der ganzen Welt gesprochen wird, kann grundsätzlich auch die ganze Welt Thema im Englischunterricht sein (globales Lernen, global education)“ (ebd.: 27). Es wird deutlich, dass die Anforderungen im Englischunterricht weit über den reinen Erwerb der englischen Sprache hinausgehen und einen erhöhten Anwendungsbezug sowie Ausrichtung auf interkulturelle Kompetenz erfordern. Der Englischunterricht mit der dazugehörigen interkulturellen Ausbildung von SuS stellt somit eine anspruchsvolle Herausforderung und gleichzeitig eine interkulturelle Bereicherung für SuS und Englischlehrkräfte dar. Neben den allgemein-pädagogischen, von der KMK vorgeschriebenen, Anforderungen der Kompetenzbereiche Unterrichten, Erziehen, Beurteilen und Innovieren, bestehen demnach auch fachspezifische Aufgaben für Englischlehrkräfte. Die Frage nach den spezifischen Anforderungen für Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer ist von aktueller Bedeutung in der Fremdsprachendidaktik. Im Folgenden werden unterschiedliche und zum Teil widersprüchliche Ansätze zur Beantwortung der Frage skizziert.
Wipperfürth (2009) sieht diese fachspezifischen Aufgaben in den Ziel- und Handlungsbereichen Lehrersprache, Mehrsprachigkeit und interkulturelles Lernen (vgl. Wipperfürth 2009: 8) . Der Bereich Lehrersprache umfasst alle Aufgaben der Englischlehrkraft für die „die Verwendung von Sprache, die für die Gestaltung und Organisation der Lehr-/Lernprozesse notwendig sind“ (ebd.: 13). Laut Wipperfürth ist die Lehrperson im Fremdsprachenunterricht das einzige „Steuerungsinstrument des sprachlichen Inputs […] ergänzt durch den Einsatz von Hörtexten, Video oder dem Kontakt mit Muttersprachlern über Internet oder Gastbesuche“ (ebd.: 14), weshalb Sprechtempo, Aussprache, Vereinfachungen, Gestik und Mimik als Modifikationen einen wichtigen Teil des Bereichs Lehrersprache ausmachen (vgl. ebd.). Im Bereich der Mehrsprachigkeit haben LuL als Ziel Schülerinnen und Schüler zu motivieren, Fertigkeiten und Einstellungen zu erwerben, die ihnen das Lernen weiterer Fremdsprachen ermöglichen und somit das Konzept des lebenslangen Lernens fördern (vgl. ebd.: 16). Der Bereich interkulturelle Kompetenz bestimmt unter anderem die Öffnung des Fremdsprachenunterrichts für die Vielfalt von inter-, multi- und transkultureller Erfahrungen als Ziel, weshalb Englischlehrerinnen und -lehrer die Aufgabe zukommt, sich mit interkulturellen Themen auseinanderzusetzen, das eigene Wissen und eine positive Einstellung zu interkulturellen Begegnungen aufrechtzuerhalten um in der Lage zu sein, interkulturelle Kompetenz an SuS vermitteln zu können (vgl. ebd.: 20).
Bechtel (2018) schlägt vor, die Aufgaben für Englischlehrkräfte von den formulierten Standards für die fortgeführte erste Fremdsprache für die Allgemeine Hochschulreife der KMK abzuleiten und beschreibt die Anforderungen an Fremdsprachenlehrinnen und -lehrern als ein aus fachwissenschaftlicher-, fremdsprachlicher- und fachdidaktischer Kompetenz zusammengesetztes Konstrukt (vgl. Bechtel 2018: 12). Laut Bechtel ermöglicht es die fachwissenschaftliche Kompetenz „der Lehrperson, den sprachlichen, literarischen, kulturellen Gegenstand von der Sache her in angemessener Differenziertheit und Tiefe zu durchdringen“ während die fremdsprachliche Kompetenz „der Lehrperson eine gewisse Grundsicherheit“ gibt und „Voraussetzung für einen funktional einsprachigen Fremdsprachenunterricht“ ist (vgl. ebd.). Die fachdidaktische Kompetenz ist nach Bechtel zur Reflexion des fremdsprachlichen Inputs und der sprachlichen Komplikationen der SuS da (vgl. ebd.: 13).
Rossa (2018) formuliert ähnlich wie Bechtel drei Kernkompetenzen für Englischlehrkräfte, nähert sich inhaltlich jedoch eher Wipperfürth an. Nach Rossa ist eine Englischlehrkraft dann fachkompetent, wenn diese erstens „aus einer Vielfalt methodischer Optionen wählen kann“, „zweitens in der Lage ist, den Lernenden mit dem Wissen über ihre individuellen Voraussetzungen und Lernschwierigkeiten einen lebendigen und bedeutsamen Zugang zur Fremdsprache zu bieten“ und drittens „die Wirksamkeit des eigenen unterrichtlichen Handelns mit Blick auf die Unterstützung der individuellen Lernprozesse prüfen und anpassen“ (Rossa 2018: 147) kann. Rossas Ansatz, die Fachkompetenz für Englischlehrpersonen zu formulieren, hat insofern einen Schnittpunkt mit Wipperfürths Ansatz, als dass Rossa ebenfalls mitunter die interkulturelle Kompetenz als zentrale Anforderung an Englischlehrkräfte hervorhebt:
„Den Hintergrund […] bildet die interkulturelle kommunikative Kompetenz der Lehrperson und das Fachwissen […]. Diese professionellen Ressourcen erlauben den zuvor genannten ‚lebendigen Zugang‘ zur Fremdsprache als Mittel zur Auseinandersetzung mit Mehrsprachigkeit, interkulturellen Aushandlungsprozessen und kulturellen Identifikationsmöglichkeiten“ (ebd.).
Die dargestellten Ansätze zum Kompetenzprofil von Englischlehrerinnen und -lehrern finden sich teilweise auch in den formulierten Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung von der Kultusministerkonferenz wieder. Im Beschluss der KMK (2008) Ländergemeinsame inhaltliche Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung werden für die erste Phase der Lehrerbildung, in Form von inhaltlichen und kompetenzbezogenen Standards u.a. die folgenden fachspezifischen Kompetenzen für angehende Englischlehrkräfte benannt:
„Die Studienabsolventinnen und -absolventen […] kennen die wichtigsten Ansätze der Sprach-, Literatur-, Kultur- und Mediendidaktik und können diese für den Unterricht nutzen, verfügen über ein vertieftes Sprachwissen […], [sie] verfügen über ausbaufähiges Orientierungswissen und Reflexivität […] auch unter dem Gesichtspunkt von Mehrsprachigkeit, Heterogenität und inklusiven Unterricht, [und sie] verfügen über vertieftes Wissen zur Entwicklung und Förderung von kommunikativer, interkultureller und textbezogener fremdsprachlicher Kompetenz, methodischer Kompetenz und Sprachlernkompetenz von Schülerinnen und Schülern […]“ (KMK 2008: 44).
Bei den von der KMK festgelegten Kompetenzdeskriptoren und Anforderungen handelt es sich um einerseits sehr allgemeingültige und grob beschriebene Aufzählungen, andererseits decken diese sich aber zum Teil mit den zuvor aufgeführten Ansätzen und machen offenkundig, dass die Vorbereitung auf die Inklusion als auch die interkulturelle Kompetenz bei angehenden Lehrkräften von wichtiger Bedeutung ist. Insgesamt ist das von der KMK definierte Fachprofil für angehende Lehrkräfte für das Fach Englisch recht abstrakt gehalten, geht weniger auf explizite Fertigkeiten und Fähigkeiten ein und leistet keinen konkreten Bezug zur Unterrichtspraxis.
Folgt man Bechtels Vorschlag und leitet die Aufgaben von LuL von den von der KMK festgesetzten Bildungsstandards für das Fach Englisch ab, stößt man auf Parallelen. So ist auch in den, von der KMK (2003), definierten Kompetenzbereichen für die Fremdsprache Englisch die Sprachlernkompetenz, Sprachbewusstheit, Funktionale kommunikative Kompetenz, Text - und Medienkompetenz und die Interkulturelle kommunikative Kompetenz benannt (KMK 2003: 9). Des Weiteren bestimmen die von der KMK definierten Standards für Englisch auch die Interkulturelle Kompetenz sowie das inklusive Lernen als entscheidende Aufgabe des Englischunterrichts. So soll der Englischunterricht „Heterogenität im Hinblick auf persönlichen, sozio-kulturellen und ethnischen Hintergrund sowie unterschiedliche Lebensformen“ (ebd.: 33) wahrnehmen und wertschätzen. Der Unterricht soll möglichst nah an der Lebensrealität der SuS sein und sowohl die sprachlichen als auch die kulturellen Erfahrungen der SuS miteinbinden (vgl. ebd.). Die Berücksichtigung bzw. der Einbezug der SuS-Realität im Unterricht führt dazu, dass die SuS sich in ihrer Individualität wahrgenommen fühlen und unterstützt gleichzeitig die Persönlichkeitsentwicklung der SuS, sowie das individuelle Lernen (vgl. ebd.). „Die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, unabhängig von ethnischer und kultureller Herkunft, sozialem und wirtschaftlichem Status, Geschlecht und sexueller Orientierung, Alter und Behinderung sowie Religion und Weltanschauung“ (ebd.: 33), definiert die KMK (2003) als den im Englischunterricht führenden Leit- und Zielgedanken.
Der Blick in die Bildungsstandards der SuS für die erste Fremdsprache macht deutlich, dass die Professionalität von Englischlehrinnen und -lehrern zum Einen auf der Qualität und dem Umfang des fachlichen Könnens und Wissens beruht und zeigt zum Anderen auf, dass die Fähigkeiten und Fertigkeiten von Englischlehrpersonen weit über das Fachwissen hinausgehen müssen. Gerade für das Fach Englisch kommt neben dem sprachbildenden Bestandteil ein bedeutsamer gesellschaftlicher Erziehungsauftrag hinzu. So muss die Englischlehrkraft in der Lage sein, die SuS zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu befähigen, gesellschaftliche Werte und Normen zu vermitteln, sowie allen kulturellen Prägungen offen gegenüber stehen und diese aktiv in den Unterricht mit einbinden und erweitern (vgl. Diehr 2018: 43). Die Komplexität an Anforderungen und Aufgaben, denen Englischlehrerinnen und -lehrer gegenüberstehen ist, enorm und verdeutlicht die Schwierigkeit des aktuellen Fremdsprachenlehrkräftediskurses. Auch ist es nicht verwunderlich, dass „für die fachspezifische Kompetenz von Fremdsprachenlehrkräften noch keine (vollständige) theoretische Modellierung“ (ebd.: 45) vorliegt. „Auch ein Konzept und Instrument zur Erfassung von Entwicklungen und Zuwächsen im Verlauf des Studiums fehlen derzeit noch“(ebd.). Es scheint jedoch, als bestünde zwischen den verschiedenen Theorieansätzen, welche versuchen das Fachprofil für Englischlehrkräfte zu konkretisieren, über eine Kompetenz Einigkeit: interkulturelle Kompetenz. Die interkulturelle Kompetenz wird sowohl in den Standards und Kompetenzen für die Lehrerinnen- und Lehrerbildung, als auch in den eben skizzierten theoretischen Ansätzen von u.a. Wipperfürth als fester Bestandteil des Fachprofils für Englischlehrkräfte benannt. Zusätzlich ist die interkulturelle Kompetenz zentraler Leit- und Zielgedanke in den von der KMK formulierten Bildungsstandards für die erste Fremdsprache. Unter dieser Prämisse und in Bezug auf den thematischen Rahmen dieser Arbeit, setzen die folgenden Kapitel die Interkulturelle Kompetenz als festen Zielbereich des Fachprofils und somit der Professionalität von Englischlehrinnen und -lehrern voraus.
Die Grundvoraussetzung bei der Vermittlung von Normen, Werten und Kompetenzen ist, dass die Lehrkraft diese bereits selbst in fundierter Form besitzt. Die Rolle der Lehrkraft als Vorbild im Lernbereich der interkulturellen Kompetenz und die damit verbundene Fähigkeit der Lehrperson, sensibel auf die individuellen kulturellen und sozialen Lernbedingungen der SuS einzugehen, ist für das Lernziel eine konstruktive Interaktion im Unterricht und die Motivation der Schülerinnen und Schüler zentral (vgl. Wipperfürth 2009: 19).
2. Interkulturelle Kompetenz
„Schulen stehen vor der Aufgabe, allen Kindern und Jugendlichen unabhängig von ihrer Herkunft umfassende Teilhabe an Bildung und Chancen für den größtmöglichen Bildungserfolg zu eröffnen, zur erfolgreichen Gestaltung von Integrationsprozessen und damit zu einem friedlichen, demokratischen Zusammenleben beizutragen und Orientierung für verantwortungsbewusstes Handeln in der globalisierten Welt zu vermitteln“ (KMK 1996: 2).
Im Zuge der zunehmenden Globalisierung und der damit einhergehenden sozialen, politischen, medialen, wirtschaftlichen sowie kulturellen Vernetzung von Menschen und Institutionen steht die Gesellschaft vor neuen Herausforderungen, welche interkulturelle Kommunikationsformen erforderlich und notwendig machen (vgl. Göbel 2011: 191). Situationen interkultureller Art in den heutigen kulturell heterogenen Gesellschaften finden sich in Bildungsinstitutionen, in der Arbeitswelt und in dem täglichen Miteinander in Alltagssituationen (vgl. ebd.). Die Entwicklung interkultureller Kompetenz ist vor diesem Hintergrund zu einem zentralen Bildungsziel für Lernende und Lehrpersonen des Englischunterrichts geworden.4 Diese Zielsetzung für den Englischunterricht zieht eine Reihe von Fragen nach sich, welche sowohl in der fremdsprachendidaktischen Forschung, als auch in der Unterrichtspraxis diskutiert werden und teilweise noch unbeantwortet sind; hierzu zählen u.a.: die inhaltlich- und vermittlungsperspektivische Unschärfe des dem Englischunterricht zugrundeliegenden Entwurfs der interkulturellen Kompetenz und die Frage des Gebrauchs bzw. der Realisierung der interkulturellen Kompetenz in der Praxis. Die Beschäftigung mit dem Konzept interkultureller Kompetenz geht mit der Aufgabe einher, zunächst zu konkretisieren, was im schulischen Kontext interkulturelle Kompetenz ist. Wie das vorhergehende Kapitel verdeutlicht hat, ist das Konstrukt der interkulturellen Kompetenz zwar zentraler Bestandteil des Englisch-Curriculums, erschwert durch seine Unbestimmtheit jedoch die klare Formulierung von konkreten Anforderungen an Englischlehrkräfte. Das folgende Kapitel berücksichtigt daher den aktuellen Diskurs zur interkulturellen Kompetenz als Zielsetzung des Englischunterrichts, betrachtet existierende Ansätze und Modellvorstellungen, um anschließend zentrale Dimensionen interkultureller Kompetenz herauszuarbeiten. Der Bestand an Fachliteratur bezüglich interkultureller Kompetenz ist jedoch zu umfangreich, um im Rahmen dieser Arbeit vollständig berücksichtigt werden zu können. Die folgende Skizzierung interkultureller Ansätze spiegelt demnach nur einen Bruchteil der existierenden Literatur wider.
[...]
1 Der Begriff interkulturelles Lernen wird in der vorliegenden Arbeit als Weg zum Ziel interkultureller Kompetenz verstanden (vgl. Caspari 2008: 20).
2 Die Hattie-Studie, welche auf über 50.000 Studien mit ca. 250 Millionen Lernenden zurückgreift, stellt heraus, dass eine Vielzahl an Aspekten von der Lehrperson beeinflusst werden können, was vor allem dadurch bedingt ist, dass die Lehrkraft die größte Quelle für Varianz in der Bildungsinstitution Schule ist. Hattie bestimmt den absoluten Vorrang personaler vor strukturellen Einflussfaktoren, wodurch die Qualität des Lehrerinnen- und Lehrerhandelns und somit auch die Professionalisierung der Lehrerinnen- und Lehrerbildung an Bedeutung gewinnt (vgl. Hattie 2013).
3 Andere Fremdsprachen beinhalten ebenfalls den Aspekt der interkulturellen Bildung, für den Zweck dieser Arbeit, wird sich jedoch auf die englische Sprache fokussiert.
4 Bereits seit den 1970er-Jahren existiert ein allgemeines interkulturelles Bildungsziel, verankert in Rahmenlehrplänen und den Bildungsstandards der KMK, was als Grundsteinlegung für eine Öffnung für kulturelle Pluralität angesehen werden kann.
- Quote paper
- Sarah Eisenfeld (Author), 2019, Interkulturelle Kompetenz in der Lehrkräftebildung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/536611
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