Der Begriff "Wirtschaftswunder" beschreibt in nur einem einzigen Wort den wirtschaftlichen Aufstieg der BRD in den beiden Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg. Diese Seminararbeit prüft diesen Begriff kritisch und zeigt anhand des aktuellen wirtschaftshistorischen Forschungsstands auf, dass sich solch eine komplexe Entwicklung nicht in einem Schlagwort darstellen lässt.
Diese Arbeit beinhaltet umfassende Erläuterungen der Situation nach dem Zweiten Weltkrieg, sodass keinerlei Vorwissen notwendig ist und gibt Hinweise auf weiterführende Literatur an geeigneter Stelle für besonders interessierte Leser. Für die Argumentation wurde eine breite Datenmasse ausgewertet.
Inhaltsverzeichnis
1 Vom zerstörten Deutschland zum millionsten produzierten VW Käfer in nur zehn Jahren
2 Der Boom der Nachkriegszeit - Tatsächlich ein „Wirtschaftswunder“?
2.1 Ausgangssituation nach dem Zweiten Weltkrieg
2.1.1 Die Trümmergesellschaft
2.1.2 Das Licht am Ende des Tunnels
2.2 Die Prosperität der 1950er und -60er Jahre
2.2.1 Bruttoinlandsprodukt
2.2.2 Bruttosozialprodukt
2.2.3 Arbeitslosigkeit
2.2.4 Gestiegener Wohlstand
2.2.4.1 Veränderungen der Arbeitswelt
2.2.4.2 Auswirkungen auf den Alltag
2.3 Erörterung des Begriffs „Deutsches Wirtschaftswunders“
2.3.1 Der wirtschaftliche Aufschwung der Nachkriegszeit als gesamteuropäisches Phänomen
2.3.2 Die Catch-Up Hypothese
2.3.3 Weitere Erklärungstheorien der VWL
2.3.4 Politische Maßnahmen
2.4 Ursachen für die Entstehung des Begriffs „Wirtschaftswunder“
2.5 Doch kein „Phönix aus der Asche“
3 Der Trabant als Symbol der DDR
4 Literatur- und Quellenverzeichnis
4.1 Literaturverzeichnis
4.2 Internetquellen
5 Abbildungsverzeichnis
6 Anhang
1 Vom zerstörten Deutschland zum millionsten produzierten VW Käfer in nur zehn Jahren
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Vergoldeter Käfer von 1955
Am 5. August 1955 lief der eine millionste Volkswagen im Wolfsburger Werk vom Band und wurde zu diesem Anlass vergoldet1. Dieser stellt das bekannteste Symbol des sich rasch vollzogenen Wiederaufbaus der Wirtschaft in der BRD und des daraus resultierten Anstiegs des Lebensstandards, vor allem in materieller Hinsicht, dar. Da dieser prosperierende Zustand der Wirtschaft in solch einem kurzen Zeitraum von nur wenigen Jahren erreicht wurde und über nahezu zwei Jahrzehnte anhielt, wird dieses Phänomen auch als das „deutsche Wirtschaftswunder“ bezeichnet. Das Wirtschaftswachstum betrug in den Jahren von 1951-1970 durchschnittlich über 6 %2 - Werte, die für das heutige Deutschland unmöglich zu erreichen sind. Die Beschäftigungsquoten kletterten auf einen Spitzenwert von 99,75 % im Jahr 19653. Wie es zu diesen wirtschaftlichen Erfolgen kommen konnte, lässt sich nicht auf wenige simple Gründe reduzieren, sondern ist viel mehr Resultat einer Vielzahl von komplexen Entwicklungen im Verlauf des gesamten 20. Jahrhunderts. Deshalb lassen sich lediglich Erklärungsansätze bzw. -theorien verfassen.
In dieser Seminararbeit soll zu Beginn eine kurze Beschreibung der Ausgangslage der BRD nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgen, wodurch die Startbedingungen für die Wirtschaft in einen anschließenden Wiederaufbau dargelegt werden. Darauf folgt die Darstellung der Prosperität der 1950er und -60er Jahre, wobei die Veränderungen der Arbeitswelt als Ursache und den deshalb ermöglichten erhöhten Lebensstandard erläutert werden, welcher einen besonderen Kontrast zur Nachkriegssituation darstellt. Die wirtschaftspolitischen Entwicklungen von 1945-1950 werden bei Bedarf erläutert, eine separate Darstellung dieser erfolgt nicht. Anschließend soll unter Bezug auf die wirtschaftshistorische Forschung erörtert werden, inwieweit die damaligen Entwicklungen als „Wirtschaftswunder“ bezeichnet werden können.
Dabei wird hauptsächlich der Zeitraum von 1945-1970 beleuchtet und sich auf das Gebiet der damaligen BRD, also dem Zusammenschluss der drei Besatzungszonen4 von Großbritannien, Frankreich und den USA, beschränkt, wobei trotzdem ein starker wirtschaftlicher Aufschwung anderer Länder als Vergleich herangezogen wird. Ein Bezug zur wirtschaftlichen Situation der DDR erfolgt im Schluss dieser Arbeit.
2 Der Boom der Nachkriegszeit - Tatsächlich ein „Wirtschaftswunder“?
Zunächst erfolgt ein Überblick über die Situation der Nachkriegsgesellschaft von 1945-1949. Diese war von Zerstörung durch die Bombardierungen der Alliierten in nahezu jedem Bereich geprägt - Wohnen, Transportmöglichkeiten, Nahrungsmittelversorgung, etc. Dahingegen waren die noch gut erhaltenen Industrieanlagen Hoffnungsträger der Bevölkerung für einen Wiederaufbau. Anschließend werden die 1950er und -60er Jahre, die von hoher Prosperität geprägt waren, als Gegensatz dargestellt. Dies fungiert gleichzeitig als Nachweis der Existenz eines starken wirtschaftlichen Aufschwungs, der als das „Deutsche Wirtschaftswunder“ bezeichnet wird. Im dritten Teil dieser Arbeit soll eine Einschätzung des Begriffs „Wirtschaftswunder“ anhand der wirtschaftshistorischen Forschung erfolgen.
2.1 Ausgangssituation nach dem Zweiten Weltkrieg
Die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht beendete im Mai 1945 den Zweiten Weltkrieg für den NS-Staat, was gleichzeitig dessen Ende bedeutete5. Jener Zustand stellte die Ausgangsbedingungen für einen Wiederaufbau dar und wird deshalb zunächst näher betrachtet.
2.1.1 Die Trümmergesellschaft
Die Kriegszerstörungen, vor allem hervorgerufen durch die Flächenbombardierungen6 der Alliierten in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs7, prägten das Leben in den ersten Jahren nach 1945 maßgeblich.
Die Erfassung des Ausmaßes der Kriegsschäden war in ihrem Umfang nur schwer möglich, weshalb „nur wenige verlässliche Schätzungen“8 vorhanden sind und die Angaben in der wirtschaftshistorischen Literatur, teils stark, variieren. Zudem sind für die meisten Bereiche keine allgemeingültigen Aussagen möglich, sondern eine differenzierte Betrachtung jeder Stadt wäre notwendig. Aus der exemplarischen Darstellung folgender Sachverhalte lässt sich dennoch ein Eindruck der Nachkriegssituation ableiten.
Im Zeitraum von 1940 bis 1945 fielen 1 996 036 Tonnen Bomben9 „auf Deutschland und die von Deutschen besetzten Westgebiete“10, die schätzungsweise 400 Millionen Kubikmeter Schutt hinterließen11. Zu beachten ist, dass Daten für die Trümmermengen nur sehr ungenau angegeben werden können12 13.
Die Hauptziele dieser Flächenbombardierungen waren die Wohnflächen der Bevölkerung und das Verkehrswesen14. Infolgedessen war in etwa jede vierte Wohnung zerstört15. Das stellte ein Problem in doppelter Hinsicht dar, denn in dem geringeren Wohnraum mussten zusätzliche zwölf Millionen repatriierte Displaced Persons16 aus den ehemaligen Ostgebieten Platz finden17. Die Wohnungsnot wird auch an nachfolgender Fotografie deutlich: Kein einziges erkennbares Haus ist mehr bewohnbar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Dresdens zerstörtes Stadtzentrum nach den Bombenangriffen vom 13.-15. Februar 1945
Die Straßen befanden sich hingegen noch in gutem Zustand und konnten befahren werden - in anderen Gebieten der Stadt Dresen unmöglich.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Verschüttete Straße in Dresden nach den Bombenangriffen vom 13.-15. Februar 1945
Dieser Unterschied zeigt warum keine qualitative Aussage über den Anteil der beschädigten oder vollständig verschütteten Straßen möglich ist. Das Straßennetz ist zu komplex, es wären sehr differenzierte Statistiken notwendig, denn Straßen in Dörfern sind nicht mit der infrastrukturellen Bedeutung von Autobahnen gleichzusetzen, die wesentlich höhere Verkehrsaufkommen bewältigen können. Derart explizite Daten sind zur damaligen Zeit nicht erhoben worden.
Der Zustand der Bahn ist hingegen von Werner Abelshauser ausführlich für die britische Zone erfasst worden: Dort waren 1945 nur noch 1000 von 13000 Schienenkilometern befahrbar und keine einzige Eisenbahnbrücke über den Rhein erhalten18. Dadurch war nicht nur der Transportweg über Schienen, sondern auch die Verwendung des Wasserwegs unmöglich, da die Trümmer zusammen mit gesunkenen Schiffswracks die Fahrrinne versperrten – der Rhein, längster Fluss Deutschlands19, war nicht mehr schiffbar20.
Neben einer Wohnung gehört auch Nahrung zu den Grundbedürfnissen des Menschen. Die Lebensmittelversorgung war von den Besatzungsmächten abhängig und deshalb unterschiedlich, in keiner Besatzungszone konnte jedoch über die ersten Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg hinweg eine ausreichende und konstante Verfügbarkeit von Lebensmitteln gewährt werden21. Der kalte Winter von 1946/47 und die Hitzeperiode im anschließenden Sommer verschärften die Hungersnöte zusätzlich22. Durchschnittlich waren für jeden westdeutschen Bürger täglich 1400 Kilokalorien verfügbar23 24, das ist weniger als die Hälfte der 3000 Kilokalorien, die während des Zweiten Weltkriegs durchwegs bereitgestellt werden konnten25. Zeitweise konnten in den Besatzungszonen nur knapp mehr als 1000 Kilokarien pro Person und Tag aufgebracht werden26. Das war insofern ein Problem, da die Ernährung essentiell für die Leistungsfähigkeit eines Arbeiters ist, gerade da der größte Teil der Bevölkerung in den ersten beiden Wirtschaftssektoren tätig war27, die von schwerer körperlicher Arbeit geprägt sind.
Zuletzt ist die Währung zu betrachten, die in den Nachkriegsjahren einer hohen Inflation ausgesetzt war. Es handelte sich bis Ende des Zweiten Weltkriegs um eine verdeckte Inflation, da sie unter der Herrschaftszeit der Nationalsozialisten durch außerordentliche Geldvermehrung ausgelöst wurde. Jene konnte aufgrund der strengen Regelung der Wirtschaft durch die „seit 1933 bzw. 1936 wirksamen Lohn- und Preisstopps“28 und die Versorgung der Bevölkerung mittels Kartensystemen29 jedoch nie ausbrechen30.
Das Geldvolumen wurde von „1933: 40 Milliarden RM auf 1945: 320 Milliarden RM“31 vermehrt - eine Steigerung von 700 % innerhalb von 12 Jahren32. Aus diesem Grund ist in der unmittelbaren Nachkriegszeit ein Schwarzmarkt ausgebrochen, auf dem Zigaretten der Marke Camel als Maß für den Wert eines Produktes genutzt wurden oder auf eine Währung ganz verzichtet wurde und Tauschgeschäfte durchgeführt wurden33.
„Ein besonders groteskes Beispiel für die durch diese Dreifachbewertung von Waren durch Naturaltausch, amerikanische Zigaretten und offiziell umlaufendes Geld eintretenden Verzerrungen zwischen Leistung und Entgelt fand u.a. auch Eingang in die Akten des amerikanischen Kongresses. Dort wird der Fall eines Bergarbeiters im Ruhrgebiet geschildert, der in der Woche 60 RM verdiente. Gleichzeitig besaß er ein Huhn, das in der Woche durchschnittlich 5 Eier legte. Eines davon aß er für gewöhnlich selbst, die vier übrigen tauschte er gegen 20 Zigaretten. Diese stellten auf dem schwarzen Markt bei einem Stückpreis von 8 RM einen Gegenwert von 160 RM dar. Das Huhn „verdiente“ also mit seiner „Arbeit“ nahezu dreimal soviel wie der Bergmann in 6 Tage harter Fron unter Tage.“ [34]
Jörg Echternkamp erfasste die Differenzen der Preise der Real- und der Schwarzmarktwirtschaft exemplarisch.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Realwirtschafts- und Schwarzmarktpreise 1946/47 im Vergleich
Außerdem war die Fortsetzung der Zwangsbewirtschaftung notwendig35.
2.1.2 Das Licht am Ende des Tunnels
In der aussichtslos erscheinenden Lage der Nachkriegszeit war Hoffnung essentiell, um die körperlich sowie mental harte Zeit nicht nur zu überleben, was bereits eine Herausforderung in einem kalten Winter ohne Wohnung und mit unzureichender Lebensmittelversorgung darstelle, sondern das Land unter diesen Umständen in nur wenigen Jahren wiederaufzubauen. Diese Hoffnung basierte auf dem sekundären Wirtschaftssektor.
Die Ursache dafür liegt zur Zeit der Nationalsozialisten, deren Ziel eine autarke und vollkommen auf die Kriegsvorbereitung bzw. später -führung ausgerichtete Wirtschaft darstellte36 37. Die Ausrichtung der Industrie speziell zum Zweck der Aufrüstung zeigt sich an dieser Grafik von Rolf Walter:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Der Anteil der Rüstungsproduktion an der gesamten industriellen Produktion 1938-1944
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Anteile der Wirtschaftssektoren an der Gesamtbeschäftigung in Prozent
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7: Anteile der Wirtschaftssektoren an der Nettowertschöpfung
Aus beiden Diagrammen geht hervor, dass der sekundäre Wirtschaftssektor sowohl bei der Beschäftigung, als auch der Nettowertschöpfung den größten Anteil darstellt. Die Hinterlassenschaft für die Nachkriegsbevölkerung war somit eine Wirtschaft, die auf der Industrie beruhte.
Wichtig zu berücksichtigen ist, dass die Industrie keineswegs florierte - „[d]ie Produktion der deutschen Wirtschaft hatte bis 1950 eine äußerst schwierige Anlaufphase zu überwinden.“38 Sie war lediglich die beste Option, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Dafür sprechen diverse Gründe: Die Industrieanlagen waren vergleichsweise wenig beschädigt, sie wurden nur von einem Siebtel der Bomben getroffen, die auf Wohnflächen fielen39. Außerdem konnten von Bergwerken beispielsweise „nur oberirdische Transportanlagen zerstört werden“40, Untertagebauanlagen konnten nicht getroffen werden41. Michael von Prollius leitet aus Schätzungen, die Werner Abelshauser aufgrund mangelnder Daten aufstellte, eine Erhöhung des westdeutschen Industriepotentials42 von 21 % gegenüber 1936 ab43. Mark Spoerer und Jochen Streb halten alle aufgestellten Schätzungen der wirtschaftshistorischen Literatur aufgrund von neueren Berechnungen von Jonas Scherner für zu gering44. Sie sind der Ansicht, dass „große Kriegsschäden zu bewältigen“45 gewesen wären und interpretieren aus der Datenlage der historischen Forschung, dass kontraintuitiv „über das Ausmaß der Kriegsverluste keine auch nur halbwegs belastbaren Zahlen vor[liegen]“46. Sie sehen als hoffnungsgebenden Aspekt, dass die Demontagen und Restitutionen sehr gering ausfielen – lediglich eine Verringerung von 4 % des Bestands von 193847.
Neben den Industrieanlagen selbst waren die Arbeitskräfte von hoher Bedeutung, die die Maschinen bedienten. Laut Michael von Prollius ist „[d]ie Qualifikationsstruktur der Arbeitnehmer […] insgesamt positiv zu bewerten“48, nicht zuletzt bedingt durch den Einsatz von Zwangsarbeitern und dem hohen Zuzug aus der SBZ – auch von Fachkräften49. Das - modern ausgedrückt – Humankapital war also gegeben, jedoch ergaben sich zwei Probleme. Die Unterversorgung der Bevölkerung mit Nahrung bedingte eine geringe Leistungsfähigkeit der Arbeiter und aufgrund der hohen Geldentwertung war die Finanzierung des Lebensunterhaltes durch das Einkommen nicht möglich, was für eine dementsprechend geringe Motivation zu arbeiten sorgte.
2.2 Die Prosperität der 1950er und -60er Jahre
Der wirtschaftliche Aufschwung im Zeitraum von 1950-1970 und der daraus resultierte, erheblich gestiegene Wohlstand soll im folgenden Kapitel dargestellt werden. Dazu werden zunächst die Indikatoren Bruttoinlandsprodukt und Bruttosozialprodukt betrachtet, die ein Wachstum der Wirtschaft messen. Außerdem werden die besonders niedrigen Arbeitslosenzahlen dargelegt, die mit dem Bruttoinlandsprodukt heute die gängigsten Kennzeichen für den Erfolg der Wirtschaft eines Landes sind. Zuletzt wird der aus dem Boom resultierte angestiegene Lebensstandard dargelegt, wobei zunächst die Veränderungen der Arbeitswelt und anschließend die des Lebensstils erläutert werden.
2.2.1 Bruttoinlandsprodukt
Der heutige Standard zur Messung des Wirtschaftswachstums eines Landes ist die Betrachtung der prozentualen Veränderungen des Bruttoinlandsproduktes – kurz BIP – im Vergleich zum Vorjahr. Für eine bessere Vergleichbarkeit ist es sinnvoll die preisbereinigten Werte zu betrachten, da Wirtschaftswachstum durch Inflation keinerlei Mehrung des Wohlstandes zur Folge hat.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 8: Bruttoinlandsprodukt von 1950-2018 (preisbereinigt)
Da es sich beim Bruttoinlandsprodukt um eine abstrakte Größe handelt, die im alltäglichen Leben nicht direkt spürbar ist und zusätzlich eine zeitliche Distanz von vielen Jahrzehnten besteht, ist ein Vergleich zu aktuellen Werten sinnvoll, um eine Einordnung der Dimensionen vornehmen zu können. Von 1951-1959 betrug das Wirtschaftswachstum gemessen am BIP durchschnittlich 8,22 %, in den 1960er-Jahren 4,83 %50. Vernachlässigt man die kurze Depression von 1966/67, so liegt der Wert auch in diesem Jahrzehnt mit 5,73 % über der 5 % Marke51. Insgesamt ergibt sich für 1951-1970 ein Durchschnittswert des Wirtschaftswachstums von 6,37 %52. Für 2000-2018 beträgt dieser 1,41 % und von 2010 bis 2018 2,11 %53. 2009 war die letzte Weltwirtschaftskrise. 2010 hatte sich die Konjunktur bereits erholt und befand sich nach heutiger Definition seitdem durchwegs in einer Boom-Phase – bei relativ exakt einem Drittel des Wirtschaftswachstums, das die BRD in der 1950er und 60er-Jahren erlebte. 2018 konnten die meisten Industrienationen keine 2 % verzeichnen und nach aktuellen Prognosen werden diese Raten eher sinken – siehe Abbildung 9. Die Unterschiede der Dimensionen werden schon hier deutlich.
[...]
1 Vgl. Fuhr, Eckhard: „Wie der Käfer mein Leben veränderte“, 04.08.2013, Welt, https://www.welt.de/motor/article118642143/Wie-der-Kaefer-mein-Leben-veraenderte.html, letzter Zugriff: 04.11.2019.
2 Eigene Berechnung auf Grundlage von: Statistisches Bundesamt: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, 27.08.2019, https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Volkswirtschaftliche-Gesamtrechnungen-Inlandsprodukt/Tabellen/inlandsprodukt-volkseinkommen1925-pdf.pdf?__blob=publicationFile&v=5, letzter Zugriff: 04.11.2019. Im Folgenden als: Statistisches Bundesamt: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, 2019.
3 Vgl. Agentur für Arbeit: Arbeitslosigkeit im Zeitverlauf. Entwicklung der Arbeitslosenquote nach Strukturmerkmalen. Https://statistik.arbeitsagentur.de/nn_31892/SiteGlobals/Forms/Rubrikensuche/Rubrikensuche_Form.html?view=processForm&resourceId=210368&input_=&pageLocale=de&topicId=17722&year_month=aktuell&year_month.GROUP=1&search=Suchen, letzter Zugriff: 04.11.2019. Im Folgenden als: AfA: Arbeitslosigkeit im Zeitverlauf, 2019.
4 Siehe Anhang Anlage 1.
5 Vgl. Prollius, Michael von: Deutsche Wirtschaftsgeschichte nach 1945. Mit 31 Tabellen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2006 (= UTB 2785), S. 16. Im Folgenden als: Prollius: Wirtschaftsgeschichte nach 1945, 2006.
6 Die größten Bombenangriffe erfolgten auf Essen mit 4700 Tonnen am 11. März 1945 und am Folgetag auf Dortmund mit 4800 Tonnen. (Vgl. Elmer, Christina [u.a.]: „Tod aus der Luft“, Spiegel Online, https://www.spiegel.de/geschichte/luftangriffe-auf-deutsche-staedte-interaktive-karte-a-1030568.html, letzter Zugriff: 04.11.2019. Im Folgenden als: Spiegel: Luftangriffe, 2019.)
7 Vgl. Spiegel: Luftangriffe, 2019, letzter Zugriff: 04.11.2019.
8 Spoerer, Mark/Streb, Jochen: Neue deutsche Wirtschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts. München: Oldenbourg 2013, S. 212. Im Folgenden als: Spoerer/Streb: Neue deutsche Wirtschaftsgeschichte, 2013.
9 Vgl. Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (Hg.): Dokumente deutscher Kriegsschäden. Evakuierte, Kriegssachgeschädigte, Währungsgeschädigte; die geschichtliche und rechtliche Entwicklung. Bonn: Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte 1958 (= 1), S. 46. Im Folgenden als: BfVFK: Dokumente deutscher Kriegsschäden, 1958.
10 BfVFK: Dokumente deutscher Kriegsschäden, 1958, S. 46.
11 Vgl. Echternkamp, Jörg: Die Bundesrepublik Deutschland. 1945/49-1969. Paderborn [u.a]: Schöningh 2013 (= UTB, Seminarbuch Geschichte 3724), S. 18. Im Folgenden als: Echternkamp: BRD 1945/49-1969, 2013.
12 Vgl. BfVFK: Dokumente deutscher Kriegsschäden, 1958, S. 49.
13 „Die Berechnung der Trümmermassen wurde aber in jeder Stadt sehr eigenwillig vorgenommen, so daß in den meisten Fällen weder eine einwandfreie Feststellung noch eine zwischenörtliche Vergleichbarkeit gegeben war. [sic!]“ (Ebd.)
14 Vgl. Prollius: Wirtschaftsgeschichte nach 1945, 2006, S. 20.
15 Vgl. Echternkamp: BRD 1945/49-1969, 2013, S. 24.
16 Die Rückholung der Personen, die sich nach der Befreiung von den Alliierten durch Kriegseinwirkung außerhalb der Landesgrenzen befanden.
17 Vgl. Echternkamp: BRD 1945/49-1969, 2013, S. 37. Genaue Darstellung: Siehe Anlage 2.
18 Vgl. Abelshauser, Werner: Wirtschaft in Westdeutschland 1945-1948. Rekonstruktion und Wachstumsbedingungen in der amerikanischen und britischen Zone. München: Oldenbourg 1975 (= Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 30), S. 152f. Im Folgenden als: Abelshauser: Wirtschaft in Westdeutschland, 1975.
19 „Offizielle Länge des Rheins nach der Internationalen Kommission für die Hydrologie des Rheingebietes: […] 1232,7km“ (KHR, https://www.chr-khr.org/de/nachrichten/lange-des-rheins-update-2015, letzter Zugriff: 04.11.2019.)
20 Abelshauser: Wirtschaft in Westdeutschland, 1975, S. 152f.
21 Vgl. Echternkamp: BRD 1945/49-1969, 2013, S. 26f.
22 Vgl. ebd., S. 26.
23 Vgl. Johannes-Dieter Steinert (2006): Food and the Food Crisis in Post-War Germany, 1945-1948: British Policy and the Role of British NGOs, in: Frank Trentmann und Fleming Just (Hg.): Food and conflict in Europe in the age of the world wars, Basingstoke, S. 274. Spoerer/Streb: Neue deutsche Wirtschaftsgeschichte, 2013, S. 212.
24 Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. – eine Initiative des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft – empfiehlt heutzutage für einen Mann zwischen 25-51 Jahren mit geringer körperlicher Aktivität im Alltag eine Nährstoffmenge von 2300 Kilokalorien, für eben solche Frauen 1800 Kilokalorien. Da der damalige Alltag von harter körperlicher Arbeit in Industrie und Landwirtschaft geprägt war, muss sich eher an den Empfehlungen für einen aktiven körperlichen Alltag orientiert werden - 3000 Kilokalorien für Männer und 2400 Kilokalorien für Frauen. (DGE, https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/energie/, letzter Zugriff: 04.11.2019.)
25 Vgl. Justus Rohrbach (1955): Im Schatten des Hungers. Dokumentarisches zur Ernährungspolitik und Ernährungswirtschaft in den Jahren 1945-1949, Hamburg, S. 15, 292. Aus Spoerer/Streb: Neue deutsche Wirtschaftsgeschichte, 2013, S. 212.
26 Vgl. Spoerer/Streb: Neue deutsche Wirtschaftsgeschichte, 2013, S. 213. Genaue Darstellung siehe Anlage 3.
27 Siehe Abbildung 6.
28 Prollius: Wirtschaftsgeschichte nach 1945, 2006, S. 25.
29 „Ab dem 1. September 1939 waren Fleisch, Fett, Butter, Käse, Vollmilch, Zucker und Marmelade nur noch auf Lebensmittelkarten erhältlich. Zwei Wochen später wurden auch Brot und Eier rationiert. Die militärische Expansion sorgte dann dafür, dass die Versorgung der „Volksgemeinschaft“ bis 1944 dauerhaft gesichert war.“ (Echternkamp, Jörg: „Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit“, 30.04.2015, BpB, https://www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/der-zweite-weltkrieg/199405/kriegswirtschaft-und-zwangsarbeit, letzter Zugriff: 04.11.2019.)
30 Vgl. Prollius: Wirtschaftsgeschichte nach 1945, 2006, S. 25.
31 Prollius: Wirtschaftsgeschichte nach 1945, 2006, S. 25.
32 Eigene Berechnung auf Grundlage von: ebd.
33 Vgl. Echternkamp: BRD 1945/49-1969, 2013, S. 27f.
34 Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Zwischen Kapitulation und Grundgesetz. Hg. von Josef Becker, Theo Stammen, Peter Waldmann. 2. überarbeitete Auflage. München: Fink 1987 (= UTB 854), S. 98 wiedergegeben nach Backer, John H., Priming the German Economy – American Occupational Polities 1945-1948, Durham, 1971, S. 99.
35 Vgl. Götschmann, Dirk: „Zwangsbewirtschaftung (1939-1950)“, HLB, https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Zwangsbewirtschaftung_(1939-1950)#Organisation_der_Versorgung_nach_dem_8._Mai_1945, letzter Zugriff: 04.11.2019. Beinhaltet knappe Erläuterung des komplexen Systems der Zwangsbewirtschaftung nach 1945.
36 Vgl. Walter, Rolf: Wirtschaftsgeschichte. Vom Merkantilismus bis zur Gegenwart. 5., aktualisierte Auflage. Köln [u.a]: Böhlau 2011 (= UTB 3387), S. 215ff. Im Folgenden als: Walter: Wirtschaftsgeschichte Merkantilismus bis Gegenwart, 2011.
37 In der wirtschaftshistorischen Literatur ist umstritten, ob die industriefördernde Wirtschaftspolitik des NS-Regimes „einen Modernisierungsprozess der deutschen Wirtschaft einleitete […], oder ob die staatlich induzierten Investitionen eher zum Aufbau unrentabler industrieller Überkapazitäten führten und das Wachstumstempo der westdeutschen Volkswirtschaft daher längerfristig eher bremsten.“ (Spoerer/Streb: Neue deutsche Wirtschaftsgeschichte, 2013, S. 171.) Verfechter dieser These argumentieren, dass durch die staatlichen Subventionen Innovationsprozesse initialisiert wurden, die die „deutsche Industrie auf längere Sicht auf einen höheren technologischen Entwicklungspfad hoben“ (Ebd.), wobei Gegner argumentieren, dass sich die deutsche Industrie bereits vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten auf diesem Pfad befand und die Autarkiepolitik das Wachstumspotential durch den fehlenden Absatz auf dem Weltmarkt einschränkte. Um die Debatte zu klären müssten Daten zum hypothetischen Szenario eines Fortbestehens der Weimarer Republik existieren, in der die Unternehmer ohne Eingriffe des Staates hätten agieren können. (Vgl. ebd.)
38 Winkel, Harald: Die Wirtschaft im geteilten Deutschland. 1945-1970. Wiesbaden: Steiner 1974 (= Wissenschaftliche Paperbacks 4), S. 96. Im Folgenden als: Winkel: Wirtschaft im geteilten Deutschland, 1974.
39 Vgl. Prollius: Wirtschaftsgeschichte nach 1945, 2006, S. 20.
40 Ebd., S. 21.
41 Vgl. Ebd.
42 Die Gesamtheit der wirtschaftlichen Leistung aller Betriebe des sekundären Sektors.
43 Vgl. Prollius: Wirtschaftsgeschichte nach 1945, 2006, S. 20-21. Bezug auf: Abelshauser, Werner: Die Rekonstruktion der westdeutschen Wirtschaft und die Rolle der Besatzungspolitik. In: Politische und ökonomische Stabilisierung Westdeutschlands 1945–1949. Fünf Beitrage zur Deutschlandpolitik der westlichen Alliierten. Hg. von Claus Scharf/Hans-Jürgen Schröder. Stuttgart: Steiner 1977.
44 Vgl. Spoerer/Streb: Neue deutsche Wirtschaftsgeschichte, 2013, S. 213f.
45 Ebd., S. 213.
46 Ebd., S. 214.
47 Vgl. ebd. Berechnung nach Krengel, Rolf (1958): Anlagevermögen, Produktion und Beschäftigung der Industrie im Gebiet der Bundesrepublik von 1924 bis 1956, Berlin.
48 Prollius: Wirtschaftsgeschichte nach 1945, 2006, S. 19.
49 Vgl. ebd.
50 Eigene Berechnung auf Grundlage von: Statistisches Bundesamt: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, 2019, letzter Zugriff: 04.11.2019.
51 Eigene Berechnung auf Grundlage von: ebd., letzter Zugriff: 04.11.2019.
52 Eigene Berechnung auf Grundlage von: ebd., letzter Zugriff: 04.11.2019.
53 Eigene Berechnung auf Grundlage von: ebd., letzter Zugriff: 04.11.2019.
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