Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Wohlbefinden und der wahrgenommenen sozialen Integration von Schülerinnen und Schülern mit Fluchthintergrund und damit, wie ihr Wohlbefinden und die soziale Integration positiv beeinflusst werden können.
Um eine erfolgreiche Integration von zugewanderten Schülerinnen und Schülern zu ermöglichen, scheint es unumgänglich, sie dort abzuholen, wo sie stehen. Fühlen sich Schülerinnen und Schüler mit Fluchthintergrund in deutschen Schulen und Klassen wohl? Inwiefern haben sie Teil an dem Sozialleben von Schülerinnen und Schülern ohne Fluchthintergrund? In den Dialog mit ihnen zu treten, kann außerdem Aufschluss darüber geben, was sie für ihr Wohlergehen benötigen und was nötig ist, damit der Integrationsprozess vor allem für sie befriedigend ablaufen kann. Auch wenn davon ausgegangen wird, dass Kinder und Jugendliche schneller Anschluss finden, weil sie über z.B. Bildungseinrichtungen in direktem Kontakt zu Einheimischen stehen, muss in Betracht gezogen werden, dass bloßer Kontakt für eine erfolgreiche Integration nicht reicht und dieser Prozess nicht von alleine abläuft.
INHALTSVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
TABELLENVERZEICHNIS
1. Einleitung
2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Wohlbefinden
2.1.1 Definition von Wohlbefinden
2.1.2 Einflussfaktoren, Zusammenhänge und Ursachen von Wohlbefinden
2.1.3 Funktion und Auswirkungen von Wohlbefinden
2.1.4 Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen in der Schule
2.2 Integration als Teilbedingung von Wohlbefinden
2.2.1 Integration aus sozialpsychologischer Sicht
2.2.2 Integration als Begriff der Akkulturationsforschung
2.2.3 Zusammenhang zwischen Integration und Wohlbefunden
3. Aktueller Forschungsstand
3.1 Aktueller Forschungsstand zum Wohlbefinden und zur Integration von Jugendlichen in der Schule
3.2 Aktueller Forschungsstand zur subjektiv wahrgenommenen Integration, Partizipation und zum subjektiven Wohlbefinden von Personen mit Fluchthintergrund
3.3 Aktueller Forschungsstand zur subjektiv wahrgenommenen Integration, Partizipation und zum subjektiven Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern mit Fluchthintergrund
4. Fragestellung
5. Methode
5.1 Forschungsdesign
5.2 Instrument
5.3 Stichprobe
5.4 Analyseverfahren
6. Ergebnisse
6.1 Probandin 1
6.1.1 Wohlbefinden und subjektiv wahrgenommene Integration vor dem Interventionsprojekt
6.1.2 Wohlbefinden und subjektiv wahrgenommene Integration nach dem Interventionsprojekt
6.1.3 Vergleich der Ergebnisse vor und nach dem Interventionsprojekt
6.2 Probandin 2
6.2.1 Wohlbefinden und subjektiv wahrgenommene Integration vor dem Interventionsprojekt
6.2.2 Wohlbefinden und subjektiv wahrgenommene Integration nach dem Interventionsprojekt
6.2.3 Vergleich der Ergebnisse vor und nach dem Interventionsprojekt
6.3 Probandin 3
6.3.1 Wohlbefinden und subjektiv wahrgenommene Integration vor dem Interventionsprojekt
6.3.2 Wohlbefinden und subjektiv wahrgenommene Integration nach dem Interventionsprojekt
6.3.3 Vergleich der Ergebnisse vor und nach dem Interventionsprojekt
6.4 Probandin 4
6.4.1 Wohlbefinden und subjektiv wahrgenommene Integration vor dem Interventionsprojekt
6.4.2 Wohlbefinden und subjektiv wahrgenommene Integration nach dem Interventionsprojekt
6.4.3 Vergleich der Ergebnisse vor und nach dem Interventionsprojekt
7. Diskussion der Ergebnisse und Reflexion des Studienprojekts
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildung 1: Kreislauf zur Auswirkung von Wohlbefinden auf soziales Handeln und soziale Kontakte
Abbildung 2: Kulturkontakt von Gruppen und seine Auswirkungen in Form von Akkulturation
Tabelle 2: Kategoriensystem für die Qualitative Inhaltsanalyse
Interviewleitfaden
TRANSKRIPT PROBAND 1 – VORHER
TRANSKRIPT PROBAND 1 – NACHHER
TRANSKRIPT PROBAND 2 – VORHER
TRANSKRIPT PROBAND 2 – NACHHER
TRANSKRIPT PROBAND 3 – VORHER
TRANSKRIPT PROBAND 3 – NACHHER
TRANSKRIPT PROBAND 4 – VORHER
TRANSKRIPT PROBAND 4 – NACHHER
AB 1:
AB 2:
AB 3:
AB 4:
Anhang: Kategoriensystem, Interviewleitfaden, Transkripte der Interviews, Elternanschreiben, Arbeitsblätter zum Projektablauf
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1: Kreislauf zur Auswirkung von Wohlbefinden auf soziales Handeln und soziale Kontakte (in Anlehnung an Abele, 1994)
Abbildung 2: Kulturkontakt von Gruppen und seine Auswirkungen in Form von Akkulturation (Fikentscher & Rall, 2012)
Abbildung 3: Akkulturationsstrategien von Berry (Berry, 1997, S. 10; zitiert nach Göbel & Buchwald, 2017, S. 38)
TABELLENVERZEICHNIS
Tabelle 1: Beschreibung der Teilnehmerinnen am Interventionsprojekt und an den Interviews
Tabelle 2: Kategoriensystem für die Qualitative Inhaltsanalyse
1. Einleitung
„Flüchtling sein heißt: die Heimat verlassen müssen ohne eigene Schuld, ohne Sicherheit – nur mit einem Herz voll Hoffnung.“
Heinz Körber
Laut dem Ausländerzentralregister befinden sich in Deutschland zum Stichtag des 31.12.2016 rund 1,6 Millionen Schutzsuchende, die einen Asylantrag gestellt haben. Davon sind insgesamt ca. 870.000 Anträge anerkannt, 150.000 abgelehnt und weitere 500.000 noch offen (Statistisches Bundesamt, 2018). Eine so hohe Zahl an Geflüchteten stellt Deutschland vor eine spätestens seit Einzug der so genannten Gastarbeiter alt bekannte Aufgabe: die erfolgreiche Integration von Zugewanderten. Eine Aufgabe, die unter anderem auch Institutionen wie die Schule mit rund 137.000 schulfähigen geflüchteten Kindern und Jugendlichen im Alter von 6 bis 18 Jahren (Statistisches Bundesamt, 2018) ohne ein bisher beschlossenes Einwanderungsgesetz oder sonstige festgelegte Rahmenbedingungen bewerkstelligen müssen. Andererseits stellt die Ankunft in Deutschland auch die Zugewanderten vor eine Herausforderung, die es zu bewältigen gilt. Teilweise durch Krieg und Flucht traumatisiert, kommen die Kinder und Jugendlichen in einem Land an, das sich möglicherweise aus kultureller Sicht von ihrem Heimatland unterscheidet und in dem sie sich erst einmal zurechtfinden müssen. Drei Jahre sind seit der so genannten Flüchtlingswelle im Jahr 2015 vergangen (Statistisches Bundesamt, 2018), sodass sich folgende Frage stellt: Wie fühlen sich Schülerinnen und Schüler mit Fluchthintergrund in der Schule und in der Klasse?
Um eine erfolgreiche Integration von zugewanderten Schülerinnen und Schülern zu ermöglichen, scheint es unumgänglich, sie dort abzuholen, wo sie stehen. Fühlen sich Schülerinnen und Schüler mit Fluchthintergrund in deutschen Schulen und Klassen wohl? Inwiefern haben sie Teil an dem Sozialleben von Schülerinnen und Schülern ohne Fluchthintergrund? In den Dialog mit ihnen zu treten, kann außerdem Aufschluss darüber geben, was sie für ihr Wohlergehen benötigen und was nötig ist, damit der Integrationsprozess vor allem für sie befriedigend ablaufen kann. Auch wenn davon ausgegangen wird, dass Kinder und Jugendliche schneller Anschluss finden, weil sie über z.B. Bildungseinrichtungen in direktem Kontakt zu Einheimischen stehen (SVR, Was wir über Flüchtlinge (nicht) wissen. Der wissenschaftliche Erkenntnisstand zur Lebenssituation von Flüchtlingen in Deutschland, 2016), muss in Betracht gezogen werden, dass bloßer Kontakt für eine erfolgreiche Integration nicht reicht und dieser Prozess nicht von alleine abläuft. Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Wohlbefinden und der wahrgenommenen sozialen Integration von Schülerinnen und Schülern mit Fluchthintergrund und damit, wie ihr Wohlbefinden und die soziale Integration positiv beeinflusst werden können.
Zunächst wird ein Überblick über bereits bestehende Theorien geboten. Dazu wird der Begriff subjektives Wohlbefinden definiert und mögliche Einflussfaktoren, Zusammenhänge und Ursachen werden erläutert. Weiter wird auf die Auswirkungen von Wohlbefinden und das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen speziell in der Schule eingegangen. Im Anschluss daran erfolgt die Definition von Integration aus sozialpsychologischer und kultur-anthropologischer Sicht und eine Erklärung des Zusammenhangs zwischen Integration und subjektivem Wohlbefinden. Neben der Darstellung von Theorien erfolgt auch eine Beschreibung des aktuellen Forschungsstandes zum Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen in der Schule im Allgemeinen, von Personen mit Fluchthintergrund und speziell auch von Schülerinnen und Schülern mit Fluchthintergrund. Sowohl aus der Theorie als auch aus dem aktuellen Forschungsstand ergeben sich verschiedene Fragestellungen bezüglich des subjektiven Wohlbefindens und der sozialen Integration von Schülerinnen und Schülern mit Fluchthintergrund in Deutschland. Die Methode, die genutzt wird, um die formulierten Fragestellungen zu beantworten, wird im darauffolgenden Kapitel erläutert. Es folgt eine Darstellung des Forschungsdesigns, des Interventionsprojektes, des genutzten Instruments und des Analyseverfahrens. Im Anschluss daran werden die Ergebnisse der Probanden und Probandinnen sowohl vor als auch nach dem Interventionsprojekt vorgestellt und miteinander verglichen. Zuletzt werden die Ergebnisse auf Grundlage der Theorie und des aktuellen Forschungsstandes und in Hinblick auf die Fragestellungen diskutiert und interpretiert. Außerdem erfolgt eine Reflexion des Studienprojekts unter anderem mithilfe der Gütekriterien. Letzten Endes wird dann die Bedeutung der Ergebnisse für das eigene Handeln als Lehrkraft zusammengefasst.
2. Theoretischer Hintergrund
Die folgenden Kapitel beschäftigen sich mit der Aufbereitung der theoretischen Grundlagen zu den Aspekten Wohlbefinden und Integration und deren Einflussfaktoren, Ursachen, Auswirkungen und Zusammenhang.
2.1 Wohlbefinden
Das Wohlbefinden von Menschen ist vor allem in der Forschung, Therapie und Wirtschaft in den Fokus gerückt. Das Wohlbefinden eines Menschen hat bedeutende Auswirkungen auf sein Denken, Fühlen und Handeln und ist somit ein wichtiger Aspekt der Psychologie und Soziologie. „Das Glück der Menschen, ihr subjektives Wohlbefinden, ist ein gesellschaftspolitisch relevanter Faktor.“ (Mayring, 1991, S. 37; zitiert nach Hascher, Wohlbefinden in der Schule, 2004, S. 25) Ob Wohlbefinden dasselbe ist wie Glück, welche Einflussfaktoren bekannt sind und inwiefern sich das Wohlbefinden auf ein Individuum auswirkt, wird in den folgenden Kapiteln näher erläutert. Besondere Berücksichtigung erhält dabei gegen Ende das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen in der Schule.
2.1.1 Definition von Wohlbefinden
Unzählige Theorien versuchen Wohlbefinden als psychologisches Konstrukt zu fassen. Die psychologische Forschung bemüht sich seit Jahren die Grenzen, Ursachen und Quellen des Wohlbefindens zu bestimmen. Mayring spricht sogar von einem „Chaos der Definitionen“ (Mayring, Die Erfassung subjektiven Wohlbefindens, 1994, S. 51). Becker betont ebenfalls, dass sich in der Fachliteratur wenig um einheitliche Definitionen bemüht wird und damit unter anderem Unklarheiten bezüglich des Konzepts Wohlbefinden entstehen (Becker, 1994)
So wird subjektives Wohlbefinden als Glück oder Glück als subjektives Wohlbefinden, Lebensqualität, Freude, positive Stimmung oder Zufriedenheit konzipiert (Mayring, Die Erfassung subjektiven Wohlbefindens, 1994). Synonym zum Begriff Wohlbefinden wird auch von Zufriedenheit, Glück oder Freude gesprochen. Einig ist man sich jedoch mittlerweile darin, dass sich Wohlbefinden durch seine emotionale Komponente vom Konstrukt Zufriedenheit abgrenzt. Zufriedenheit stelle den kognitiven Teil des Wohlbefindens dar (Hascher, Wohlbefinden in der Schule, 2004; Mayring, Die Erfassung subjektiven Wohlbefindens, 1994). Wohlbefinden wird in der englischen und anglo-amerikanischen Literatur auch als „Happiness“ bezeichnet und kann damit auch mit „Glückseligkeit“ oder „glücklich sein“ verglichen werden (Kesebir & Diener, 2008; Veenhoven, 1991).
In der Auseinandersetzung mit verschiedenen Ansätzen, Wohlbefinden als Konstrukt zu fassen und zu definieren, eröffnet sich ein Feld von „unüberschaubaren Wohlbefindenskonzepten“ (Hascher, Wohlbefinden in der Schule, 2004). Im Großen und Ganzen lassen sich die verschiedenen Ansätze zur Bestimmung von Wohlbefinden in drei Bereiche einteilen: Wohlbefinden als ein eigenes Gefühl mit eigener Erlebnisqualität, Wohlbefinden als eine Kombination aus emotionalen und kognitiven Faktoren und Wohlbefinden als ein Sammelbegriff positiver Emotionen. Für die hier vorliegende Arbeit ist das Verständnis von Wohlbefinden als eine Kombination aus emotionalen und kognitiven Faktoren relevant.
Mittlerweile hat sich in der Wohlbefindensforschung das Konzept des Wohlbefindens als eine spezifische Kombination aus emotionalen und kognitiven Faktoren durchgesetzt. Diener, Diener & Diener (1995) beschreiben das Wohlbefinden eines Menschen beispielsweise als „people’s cognitive and affective evaluations of their lives“ (Diener, Diener & Diener, 1995, S. 851; zitiert nach Gysin, 2017, S. 50) Auch Martin (1992) definiert das Wohlbefinden folgendermaßen:
„So happiness might safely described as a judgement about one’s overall life quality based largely upon the way people feel but also including people’s assesment of their past and future and how they think they are doing relative to other people.“ (Martin, 1992, S. 224; zitiert nach Hascher, Wohlbefinden in der Schule, 2004, S. 25)
Veenhoven (1991) klassifizierte ebenfalls Konzepte von Wohlbefinden, die deutlich machen, dass neben positiven Emotionen auch Lebensumstände und positiv konnotierte Werte Teil des Wohlbefindens sind (Veenhoven, 1991, S. 2; zitiert nach Hascher, Wohlbefinden in der Schule, 2004, S. 24). Eine eindeutige Definition oder Einigung darüber, inwiefern sich das Wohlbefinden aus diesen Teilaspekten zusammensetzt und wie diese zusammenwirken, gibt es jedoch nicht. Exemplarisch werden deshalb stellvertretend die Arbeiten und Modelle von Mayring (1994) und Becker (1994) vorgestellt.
Mayring (1994) beschäftigte sich unter anderem mit der Frage, inwiefern die Gefühle, insbesondere die Glücksgefühle eines Menschen mit seinem Wohlbefinden zusammenhängen (Mayring, Die Erfassung subjektiven Wohlbefindens, 1994). Mayring unterscheidet bei den zum Wohlbefinden beitragenden Faktoren zwischen
- „Einer negativen (Freiheit von subjektiver Belastung) und einer positiven (Freude, Glück) Komponente und
- Einer kognitiven (Zufriedenheit) und einer affektiven (Gefühl des Wohlbefindens) Komponente.“ (Mayring, Die Erfassung subjektiven Wohlbefindens, 1994, S. 51)
Darauf basierend unterscheidet Mayring damit zwischen den vier genannten Faktoren, die er wie folgt begründet:
- Freiheit von subjektiver Belastung begründet er auf dem Zwei-Komponenten-Ansatz von Bradburn & Caplovitz (1965), die Wohlbefinden als eine Balance zwischen negativem und positivem Befinden (affect balance) definieren, wobei positives und negatives Befinden relativ unabhängig voneinander variiert werden kann (Bradburn & Caplovitz, 1965; Hascher, Wohlbefinden in der Schule, 2004; Mayring, 1994).
- Freude erklärt er als einen Faktor, der positive Gefühle umfasst, die kurzfristig und situationsspezifisch sind. Diese Gefühle können sowohl das Ergebnis zweckbezogener Aktivitäten sein, als auch das Ergebnis solcher Aktivitäten, die keinen Zweck verfolgen (Mayring, Die Erfassung subjektiven Wohlbefindens, 1994).
- Zufriedenheit ist ein kognitiver Faktor, der durch folgende kognitive Prozesse entsteht: „die kognitive Einschätzung des Lebens, das Abwägen von Positivem und Negativem, das Vergleichen von Lebenszielen und dem davon bereits Erreichten, das Messen des eigenen Lebens an internen oder sozialen Vergleichsnormen“ (Mayring, Die Erfassung subjektiven Wohlbefindens, 1994, S. 52).
- Glück umfasst im Gegensatz zu Zufriedenheit die emotionale Komponente des Wohlbefindens. Mayring unterscheidet jedoch zwischen einer state-Komponente, die das aktuelle, intensive und tiefe, die ganze Persönlichkeit umfassende emotionale Glückserleben umfasst, und der trait-Komponente, die das langfristige, auf Glückserleben aufgebaute und im Lebenslauf entwickelte Lebensglück beschreibt (Mayring, Die Erfassung subjektiven Wohlbefindens, 1994).
Insgesamt fasst Mayring diese Faktoren in seinem Vier-Faktoren-Ansatz als Modell zusammen. In ihrer Kombination führen Freuden, Glück und Belastungsfreiheit als emotionale Komponenten und Zufriedenheit als kognitive Komponente dem Modell nach zum subjektiven Wohlbefinden (Mayring, Die Erfassung subjektiven Wohlbefindens, 1994).
Becker (1994) differenziert in seinem Strukturmodell des Wohlbefindens noch das psychische und das physische Wohlbefinden. Da für diese Forschungsfrage das psychische Wohlbefinden von höherer Relevanz ist, wird auf das physische Wohlbefinden nicht weiter eingegangen. Der Vollständigkeit halber soll nur erwähnt werden, dass auch die physische Verfassung eines Menschen, wie z.B. die Abwesenheit von körperlichen Beschwerden, zu seinem Wohlbefinden beiträgt. Beckers Strukturmodell weist ähnliche Strukturen wie der Vier-Faktoren-Ansatz von Mayring auf. Das aktuelle psychische Wohlbefinden soll einen Oberbegriff des momentanen Erlebens einer Person beschreiben. Es setzt sich zusammen aus positiven Gefühlen wie Freude oder Glücksgefühl, positiven Stimmungen wie Wohlbehagen oder Entspannung und aktueller Beschwerdefreiheit (Becker, 1994, S. 14). Das habituelle psychische Wohlbefinden bezieht sich auf einen längeren Zeitraum, der sogar das gesamte Leben miteinschließen kann (Becker, 1994). Es umfasst die Seltenheit negativer Gefühle und Stimmungen (also die habituelle Beschwerdefreiheit) und die Häufigkeit positiver Gefühle und Stimmungen (Becker, 1994, S. 14).
Um im Folgenden von einer einheitlichen Begriffskonstruktion zu sprechen, werden wesentliche Merkmale aus verschiedenen Theorien zusammengefasst:
Man kann von Wohlbefinden sprechen, wenn:
- Sowohl Gedanken als auch Gefühle einer Person berücksichtigt werden
- Positive und negative Emotionen miteinbezogen werden
- Freude als zentrales Empfinden von Wohlbefinden betrachtet wird. (Hascher, Wohlbefinden in der Schule - Einführung, 2004).
2.1.2 Einflussfaktoren, Zusammenhänge und Ursachen von Wohlbefinden
Im folgenden Kapitel sollen Faktoren und Ansätze erläutert werden, die die Einflussfaktoren und Ursachen des Wohlbefindens erklären. Für diese Arbeit stehen der Einfluss von sozialem Kontakt und der Zusammenhang zwischen Wohlbefinden und sozialer Integration besonders im Fokus. Interessant ist, ob und wie das Wohlbefinden beeinflusst bzw. gesteigert werden kann und mit welchen Faktoren es zusammenhängt. Es gibt verschiedene Ansätze, in denen die Faktoren, die Wohlbefinden begünstigen oder bedingen, behandelt werden. Einig ist man sich zumindest darüber, dass verschiedene Faktoren für die Entstehung des Wohlbefindens verantwortlich sind (Diener, 1984; Veenhoven, 1991; zitiert nach Hascher, Wohlbefinden in der Schule, 2004). In der Wohlbefindensforschung hat über die Jahre eine Entwicklung von Theorien und Ansätzen stattgefunden, in der sich die Bedeutung einzelner Aspekte veränderte (Hascher, Wohlbefinden in der Schule, 2004).
Ausgehend davon, dass die Befriedung von Bedürfnissen zentral für das Entstehen, den Erhalt und die Entwicklung von Wohlbefinden sind (Campbell, 1981; zitiert nach Hascher, Wohlbefinden in der Schule, 2004), galt zu klären, welche Bedeutung dabei der Umwelt und Person zuteilwird. Zunächst fokussierte man sich auf situative und demographische Faktoren, erzielte damit jedoch wenige Erfolge. Im weiteren Verlauf konzentrierte man sich daher vermehrt auf persönlichkeitsspezifische Variablen, wobei man auch hier bald an Grenzen stieß. Neuere Arbeiten nahmen daher stärker die Interaktion von Person und Umfeld in den Blick (Hascher, Wohlbefinden in der Schule, 2004).
Folglich sollen diese drei Ansätze vorgestellt und systematisiert werden.
Situative Bedingungen des Wohlbefindens:
In Theorien und Ansätzen zu situativen Bedingungen des Wohlbefindens werden zwei zentrale Aspekte genannt: Einerseits geht es darum, dass bestimmte aktuelle Lebensbedingungen einen Einfluss auf das Wohlbefinden ausüben können, wenn diese eine zentrale Bedeutung für das Individuum haben. Andererseits ist mit diesen Lebensbedingungen die Verfügbarkeit von Ressourcen verknüpft, die nötigt sind, um Ziele und Ansprüche zu erfüllen (Diener et al., 1995; zitiert nach Hascher, Wohlbefinden in der Schule, 2004). Mayring (1992) stellt ebenfalls drei prägnante Faktoren heraus, die Bedingungen des Wohlbefindens sein sollen: „eine positive sozio-ökonomische Situation (Finanzen, Status), Gesundheit und enge Sozialbeziehungen“ (Mayer, 1992, S. 163; zitiert nach Hascher, Wohlbefinden in der Schule, 2004, S. 45) Auch situative Faktoren wie Alter, Bildung oder Sozialbeziehungen haben einen Einfluss auf das Wohlbefinden. Diese Faktoren führen über Mediatoren, wie Ressourcen zur Zielerreichung oder die soziale Einbettung zum Wohlbefinden eines Menschen und können dieses in seiner Intensität und seinen Schwankungen beeinflussen (Hascher, Wohlbefinden in der Schule, 2004). Sozialbeziehungen werden hier als ein Hauptfaktor für Wohlbefinden genannt. Aus anderen Arbeiten wird ebenfalls deutlich, dass soziale Kontakte und soziale Beziehungen ein grundlegender Einflussfaktor für das Wohlbefinden darstellt. Auch bei Becker (1994) zählen soziale Beziehungen beispielsweise zu den situativen Variablen des Wohlbefindens (Becker, 1994).
Personenspezifische Bedingungen des Wohlbefindens:
Bei Konzepten, die personenspezifische Bedingungen des Wohlbefindens berücksichtigen, geht es vor allem um den Einfluss der Persönlichkeitsstruktur auf das subjektive Wohlbefinden. Bereits in den späten 60er Jahren konnte unter anderem ein Zusammenhang zwischen positiven Gefühlen und Extraversion untersucht werden (Eysenck & Eysenck, 1967; zitiert nach Hascher, Wohlbefinden in der Schule, 2004). Weitere Forschungen ergaben, dass Wohlbefinden stark mit prosozialen Einstellungen eines Individuums (Wärme, Optimismus, emotionale Stabilität, Selbstbewusstsein) korreliert. Mangelndes Wohlbefinden hingegen korreliert mit Ängstlichkeit und Depressivität eines Individuums (Lucas & Diener, 1999; Diener & Lucas, 2000; zitiert nach Hascher, Wohlbefinden in der Schule, 2004). Anzumerken ist, dass auch untersucht wurde, ob sich das Wohlbefinden verändert, wenn sich die Lebensumstände ändern. Es konnte untersucht werden, dass sich das Wohlbefinden eines Individuums nicht signifikant verändert. Die individuelle Persönlichkeit wirkt sich also unabhängig von gegebenen Lebensumständen auf das Wohlbefinden aus. Aspekte der Persönlichkeit, wie z.B. Geselligkeit, Interessen, Depressivität oder Ängstlichkeit wirken sich demnach beispielsweise auf die Stimmung oder die Sensitivität für Gefühle und Stimmungen auf, was letztendlich zum Wohlbefinden beiträgt (Hascher, Wohlbefinden in der Schule, 2004).
Individuenzentrierte, interaktionale Bedingungen des Wohlbefindens:
Der individuenzentrierte Ansatz befasst sich mit der subjektiven Wahrnehmung von Ereignissen und deren kognitive Beurteilung und Auswirkungen auf das subjektive Wohlbefinden. Aus der positiven Bewertung eines Ereignisses folgen positive Gefühle, die letztendlich zum Wohlbefinden führen.
Die Bezugsquellen dürfen hierbei nicht außer Acht gelassen werden. Kognitive Kriterien, die die Beurteilung von Ereignissen beeinflussen, sind unter anderem der soziale Vergleich, die Adaption an neue Lebenssituationen und Ziele, Wünsche und Bedürfnisse eines Individuums (Hascher, Wohlbefinden in der Schule, 2004).
Sozialer Vergleich: Der soziale Vergleich kann mit eigenen vergangenen Leistungen oder aber mit Leistungen anderer Individuen erfolgen. Diese Vergleiche führen dann zu einer Interpretation, inwiefern die eigenen Ziele tatsächlich erreicht wurden. „Werden die Leistungen anderer Personen oder eigene vorangegangene Leistungen als besser beurteilt, so führt dies zu einem Graben zwischen der Aspiration und der Leistung und hat einen negativen Einfluss auf die Zufriedenheit.“ (Hascher, Wohlbefinden in der Schule, 2004, S. 63) Da Zufriedenheit bereits als kognitiver Teil des Wohlbefindens beschrieben wurde, führt der Vergleich über die Zufriedenheit auch unmittelbar zum Wohlbefinden oder im Falle von Unzufriedenheit zu Missbefinden. Fraglich ist allerdings noch unter anderem, welche Bezugsnormen gewählt werden oder ab wann eine Abweichung als positiv oder negativ gewertet wird.
Adaption: Kritiker der sozialen Vergleichstheorie vertreten die Ansicht, dass Individuen auf neue Lebensereignisse unmittelbar emotional reagieren können, aber dies nur einen kurzfristigen Einfluss auf das Wohlbefinden hat. Es sei eher so, als würden die Individuen ein Grundwohlbefinden besitzen, dass durch Ereignisse zwar kurzzeitig beeinflusst werden kann, aber nach bestimmter Zeit wieder zum ursprünglichen neutralen Punkt zurückpendelt (Hascher, Wohlbefinden in der Schule, 2004). Grundlage für diese Überlegungen waren Beobachtungen aus der Wohlbefindensforschung, die offenlegten, dass sich einerseits Menschen, die im Lotto gewonnen hatten, nicht signifikant wohler und andererseits Menschen, die schwere Schicksalsschläge erlitten hatten, nicht signifikant unwohler fühlten. Außerdem konnte untersucht werden, dass selbst kritische Lebensereignisse nur eine kurzfristige Auswirkung auf das Wohlbefinden hatten (Brickmann et al., 1978; Havinghurst, 1948; zitiert nach Hascher, Wohlbefinden in der Schule, 2004). Weiterführend beschäftigte sich auch Veenhoven (1991) mit der Relativität von Glück und den verschiedenen empirischen Befunden aus der Vergangenheit zu diesem Thema. Veenhoven (1991) nennt zunächst Teile der Vergleichstheorie und erklärt, dass das „Lebensglück eines Menschen aus einem mehr oder weniger bewußt vollzogenen mentalen Vergleich zwischen dem subjektiv erlebten Ist-Zustand mit einem Soll-Zustand“ resultiert. „Je stärker Ist-Zustand und Soll-Zustand übereinstimmen, desto glücklicher fühlt sich der Mensch“ (Veenhoven, Ist Glück relativ? Überlegungen zu Glück, Stimmung und Zufriedenheit aus psychologischer Sicht, 1991, S. 2). Auch hier kann ein Vergleich sozialer Ebene mit anderen Individuen oder auf individueller Ebene mit Zuständen der Vergangenheit erfolgen. Gleichzeitig nennt Veenhoven (1991) verschiedene Studien, die das Wohlbefinden von Menschen in verschiedenen Lebenslagen untersucht haben und zu dem Ergebnis gekommen sind, dass sich Wohlbefinden nicht vorhersagen lässt. Basierend auf diesen Studien und der Vergleichstheorie, entstehe die Annahme, dass Glück relativ sei und nicht gesteigert werden könne:
„Diese Variante der Vergleichstheorie sagt vorher, daß Glück und Unglück alternierend in Erscheinung treten und sich ausgleichen. Wenn wir uns mit anderen vergleichen, sind wir anschließend glücklicher oder unglücklicher, ein Zustand, der jedoch nur solange anhält, bis wir zu einer vergleichbaren Referenzgruppe zurückkehren, um so zu einer neutralen Ausgangsposition zurückzukehren. Auch Vergleiche mit früheren Erfahrungen belegen scheinbar, daß das Glück um einen neutralen Punkt oszilliert. Verbessern wir uns, so fühlen wir uns eine Zeitlang glücklich, doch gewöhnen wir uns bald wieder an diesen Zustand und haben das Gefühl, zu einem neutralen Level zurückzukehren oder sogar unglücklich zu werden, weil der Fortschritt nur kurze Zeit anhielt. Ist dies richtig, so können wir annehmen, daß glückliche und unglückliche Zeiten sich im Laufe eines Lebens ausgleichen, und daß glückliche und unglückliche Menschen sich innerhalb der Gesamtbevölkerung etwa die Waage halten.“ (Veenhoven, Ist Glück relativ? Überlegungen zu Glück, Stimmung und Zufriedenheit aus psychologischer Sicht, 1991)
Ziele, Wünsche, Bedürfnisse: Diener (1984) vertrat die Ansicht, dass das Wohlbefinden mit dem Erreichen von individuellen Zielen in Verbindung steht. Erfolge führen zu positiven Gefühlen und können die Selbstwirksamkeitsüberzeugung eines Individuums erhöhen (Bandura, 1982). Werden Ziele nicht erreicht, löst dies negative Emotionen aus, welche sich sogar intensivieren können, wenn sich ein Individuum gedanklich stark mit dem Scheitern beschäftigt.“ (Hascher, Wohlbefinden in der Schule, 2004, S. 65) Ähnlich führt auch Emmons (1986, 1989) an, dass das Wohlbefinden lediglich den Zweck erfülle, das Individuum zum Erreichen von Zielen zu motiveren. Wohlbefinden wird demnach unter einem funktionalen Blickwinkel betrachtet (Emmons, 1986; Emmons, 1989; zitiert nach Hascher, Wohlbefinden in der Schule, 2004). Brunstein (1993) untersuchte auf Grundlage dieser beiden Hypothesen in seinen Studien den Zusammenhang zwischen dem Erreichen von Zielen und dem Wohlbefinden und konnte einen signifikanten Zusammenhang beobachten. „Wenn [die Probanden und Probandinnen] sich einem für sie sehr erstrebenswerten Ziel näherten, so steigerte dies ihr Wohlbefinden. Wurde das Erreichen eines bedeutsamen Ziels erschwert oder gar verhindert, reduzierte sich das Wohlbefinden.“ (Brunstein, 1993; zitiert nach Hascher, Wohlbefinden in der Schule, 2004, S. 66)
Die Aufführung der Bezugsquellen zeigt, dass man sich in der Wohlbefindensforschung nicht einig ist, ob das Wohlbefinden eines Menschen überhaupt gesteigert werden kann.
2.1.3 Funktion und Auswirkungen von Wohlbefinden
Bisher wurde sich mit den Ursachen und Einflussfaktoren von Wohlbefinden beschäftigt. Es ging also primär darum, wie Wohlbefinden überhaupt entsteht. Im Folgenden soll beantwortet werden, welche Funktion Wohlbefinden hat. Warum ist es für den Menschen scheinbar so wichtig, nach Wohlbefinden zu streben? Außerdem soll es um die Auswirkungen von Wohlbefinden gehen. Becker (1994) und Abele (1994) behandeln diese beiden Aspekte und werden exemplarisch aufgeführt, um einen Überblick zu geben.
Abele hat sich 1994 mit der Frage beschäftigt, welche Auswirkungen Wohlbefinden auf die Anstrengungsbereitschaft und die Partizipation und das soziale Handeln und soziale Beziehungen haben kann (Abele, 1994).
Anstrengungsbereitschaft und Partizipation:
Empirische Befunde weisen nach, dass Wohlbefinden zu einer Aktivitätsförderung führt. So hatten beispielsweise Teilnehmer und Teilnehmerinnen, die in positive Stimmung versetzt worden waren, ein höheres Interesse an angenehmen Aktivitäten als die Kontrollgruppe. Andere Quellen unterstützen die These, dass Wohlbefinden zu einer höheren Motivation und Persistenz bei der Bearbeitung von Aufgaben führt. Diese beiden Aspekte erhöhen wiederum die Erfolgswahrscheinlichkeit. Sowohl angenehme Aktivitäten als auch Erfolg führen letztendlich wieder zu Wohlbefinden, sodass ein Kreislauf entsteht (Abele, 1994).
Soziales Handeln und soziale Beziehungen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Kreislauf zur Auswirkung von Wohlbefinden auf soziales Handeln und soziale Kontakte (in Anlehnung an Abele, 1994
Große Version im Anhang
Forschungen haben gezeigt, dass eine positive Stimmung die Spendebereitschaft und Hilfeleistungen fördert und soziale Beziehungen dadurch gestärkt werden. Subjektives Wohlbefinden fördert außerdem Freundlichkeit und Kontaktbereitschaft. Menschen, die sich wohlfühlen, finden nach verschiedenen Studien auch schneller Kontakt zu anderen Menschen und sind eher in der Lage, Sympathie zu äußern. All diese Faktoren wiederum begünstigen die soziale Integration, die sich dann wiederum auf das Wohlbefinden auswirken kann. Auch hier entsteht ein Kreislauf (Abele, 1994).
2.1.4 Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen in der Schule
„Wenn Schulen ihren Auftrag erfüllen wollen, können sie auf das positive Potenzial, das mit dem Wohlbefinden ihrer SchülerInnen zusammenhängt, nicht verzichten.“ (Hascher & Lobsang, Das Wohlbefinden von SchülerInnen. Faktoren, die es stärken, und solche, die es schwächen., 2004) Hascher und Lobsang stellen mit dieser Aussage die zentrale Bedeutung von Wohlbefinden für die Schule dar. Bisher wurde Wohlbefinden aus der psychologischen Sicht behandelt. Der Vollständigkeit halber soll aber auch Wohlbefinden aus pädagogischer Sicht thematisiert werden. Wohlbefinden aus pädagogischer Sicht beinhaltet noch einmal eine genauere Abgrenzung. Wenn es darum geht, aus pädagogischer Sicht eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich Schülerinnen und Schüler wohlfühlen, so wird die Gestaltung einer Schulumgebung angestrebt, die ein lern- und leistungsförderliches Klima gewährleistet (Hascher, Wohlbefinden in der Schule - Einführung, 2004). Die Gestaltung dieser Schulumgebung ist auch in Hinblick auf Schulentwicklung in den Fokus gerückt. Es wird davon ausgegangen, dass das Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern einen direkten Einfluss auf ihren Lernprozess, die individuelle Leistung und damit auch auf ihren persönlichen Bildungsweg hat (Gläser-Zikuda & Fuß, Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern im Unterricht , 2004). Für die folgende Arbeit wird sich jedoch größtenteils auf das Wohlbefinden aus psychologischer Sicht beschäftigt, das in einem pädagogischen System untersucht wird.
Grob et al. (1991) haben verschiedene Komponenten herausgestellt, die für das Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern ausschlaggebend sind. Sie verstanden Wohlbefinden als eine Kombination aus kognitiven und emotionalen Aspekten:
- Positive Kognitionen und Emotionen gegenüber der Schule (z.B. die Schule als sinnvoll bewerten)
- Freude in und an der Schule (z.B. sich über Erfolg freuen)
- Schulisches Selbstbewusstsein (z.B. sich mit den Anforderungen der Schule identifizieren können und sich ihnen gewachsen fühlen)
- Keine Sorgen und Probleme wegen der Schule (z.B. sich keine Sorgen über das Erreichen der Lernziele machen müssen)
- Keine körperlichen Beschwerden wegen der Schule (z.B. nicht unter Herzklopfen bei der mündlichen Mitarbeit leiden)
- Keine sozialen Probleme in der Schule (z.B. sich von den anderen in der Klasse akzeptiert fühlen) (Grob et al., 1991; zitiert nach Hascher & Baillod, Soziale Integration in der Schulklasse als Prädiktor für Wohlbefinden, 2004, S. 134)
Hascher fasst ebenfalls wesentliche Einflussfaktoren für das Wohlbefinden wie z.B. die Persönlichkeit oder soziale Beziehungen in der Schule zusammen (Hascher, 2004). Ähnliche Ergebnisse erhält auch Gysin (2017) bei der Darstellung von Produktionsmitteln des subjektiven Wohlbefindens von Kindern und Jugendlichen in der Schule. Für die Produktion von sozialem Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern sind Status, Verhalten und Affekt wichtige instrumentelle Ziele. Peerbeziehungen und soziale/emotionale Unterstützungen sind Produktionsmittel, die die Produktion von sozialem Wohlbefinden unter Einsatz von persönlichen Ressourcen wie z.B. dem Partner fördern (Gysin, 2017).
Sowohl Grob et al. (1991) als auch Hascher (2004) und Gysin (2017) stellen soziale Beziehungen und die Anerkennung und Akzeptanz von Mitschülern als Aspekte dar, die sich auf das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen in der Schule auswirken. Daraus lässt sich schließen, dass soziale Integration relevant für das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen ist.
2.2 Integration als Teilbedingung von Wohlbefinden
In den Kapiteln zuvor wurde bereits mehrfach die Bedeutung von sozialen Kontakten und sozialer Integration für das Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern herausgestellt. Da sich die Arbeit mit der subjektiven Wahrnehmung der Integration von Jugendlichen mit Fluchthintergrund beschäftigt, sollte die Integration auch aus kulturanthropologischer Sicht nicht außer Acht gelassen und erwähnt werden. Im Folgenden wird daher die Integration sowohl aus sozialpsychologischer als auch aus kulturanthropologischer Sicht definiert und erläutert. Im Anschluss daran wird der Zusammenhang zwischen Integration und Wohlbefinden näher beleuchtet.
2.2.1 Integration aus sozialpsychologischer Sicht
Der Begriff „Integration“ ist zwar seit geraumer Zeit Bestand von sozialpsychologischen Theorien und Forschungen und trotzdem gibt es keine einheitliche Explikation für ihn (Friedrichs & Jagodzinski, 1999). Grund dafür können Komplikationen sein, die durch die verschiedenen Perspektiven, aus denen man Integration betrachten kann, auftreten. So kann Integration beispielsweise als relationaler oder als absoluter Begriff auftreten. Spricht man davon, dass ein Individuum ein Element in einem Ganzen ist, so geht es um die Integration als Verhältnis zwischen dem Individuum und dem Ganzen und damit um einen relationalen Integrationsbegriff. Ist ein System an sich als Ganzes integriert, so geht es um einen absoluten Integrationsbegriff. Auch kann Integration auf verschiedenen Ebenen betrachtet werden. Gemeint sind die Makro-, Meso- und Mikroebene eines Systems. Eine Person kann wirtschaftlich z.B. über den Arbeitsmarkt (Makroebene) integriert sein, nimmt allerdings auf der Ebene von Vereinen und Verbänden (Mesoebene) nicht teil, sodass dort keine Integration stattgefunden hat.
Zur Beantwortung der Forschungsfrage ist der relationale Integrationsbegriff von Bedeutung, sodass auf den absoluten Integrationsbegriff nicht weiter eingegangen wird. Im Folgenden soll daher zunächst der relationale Integrationsbegriff vorgestellt werden. Im Anschluss daran werden kurz die einzelnen Ebenen eines Systems dargestellt und die Integration auf der Mikroebene erläutert, da nur diese für die Forschungsfrage von Relevanz ist.
Der relationale Integrationsbegriff kann anhand von verschiedenen Kriterien gefasst werden. Im Folgenden sollen die zwei für diese Forschung wichtigsten Kriterien dargestellt werden. Misst man Integration anhand des Kriteriums des inneren Zustands eines Individuums, so beschäftigt man sich mit der Einstellung und der inneren Haltung des Individuums gegenüber dem System, in das sich das Individuum integrieren soll. Vor allem die Sozialpsychologie befasst sich mit der Frage, unter welchen Bedingungen eine Integration des Individuums in das System stattfindet. Als Vorbedingung für eine gelingende Integration steht dabei die Akzeptanz des Systems als solches. Ein Individuum, dass das System nicht als solches anerkennt, kann sich auch nicht in es integrieren. Weiter ist eine Integration dann erfolgreich, wenn eine Identifikation mit dem System stattfindet und ein Wir-Gefühl vorhanden ist. Friedrichs und Jagodzinski (1999) führen weiter aus, dass aus Sicht des relationalen Integrationsbegriffs Integration bedeutet, dass das Individuum Ziele und Werte des Systems teilt. „Integriert ist, wer ein positives Verhältnis zum jeweiligen System oder/und seinen Zielen hat.“ (Friedrichs & Jagodzinski, 1999, S. 12) Der innere Zustand einer Person ist für den Beobachter nur anhand des Verhaltens der Person zu bewerten. So wird beispielsweise die Zentralität im Netzwerk, also die Anzahl der Freundschaften und der Beziehungen, als Variable genutzt, um den Grad der Integration des Individuums im System zu bestimmen (Friedrichs & Jagodzinski, 1999). Auf die Schule und das Forschungsprojekt übertragen würde das bedeuten, dass die Anzahl der Freundschaften und Beziehungen innerhalb der Klasse und der Schule als Messinstrument für den Grad der Integration dienen.
Nutzt man das äußere Verhalten der Person als Kriterium für den Grad der Integration im System, so muss zunächst deutlich gemacht werden, dass Integration als Kooperation verstanden wird. Nach diesem Ansatz wird Integration anhand der Stärke der Kooperation zwischen dem Individuum und mindestens einem anderen Individuum des Systems gemessen. „Eine Person ist umso stärker integriert, je mehr sie mit anderen kooperiert.“ (Kirchgässner & Raub, 1999; zitiert nach Friedrichs & Jagodzinski, 1999) Übertragen auf das Forschungsprojekt würde man den Grad der Integration des Schülers oder der Schülerin an der Stärke der Kooperation z.B. in Form von gegenseitiger Unterstützung oder gemeinsamer Problembewältigung mit anderen Schülerinnen und Schülern der Schule oder der Klasse messen.
Integration lässt sich auch auf der Mikro-, Meso- und Makroeben betrachten. Die Mikroebene beinhaltet Individuen und Kleingruppen, die Mesoebene beispielsweise Vereine und Verbände und die Makroeben die Gesellschaft als Ganzes. Für diese Arbeit ist die Mikroeben von besonderer Bedeutung. Laut Friedrichs & Jagodzinski (1999) fallen unter die Mikroebene beispielsweise Individuen und Kleingruppen. Vor allem die Klasse stellt eine Kleingruppe dar, da es sich hierbei um eine Gruppe von Individuen handelt, die im direkten Kontakt zueinanderstehen. Es geht vor allem um die Integration innerhalb dieser Kleingruppe, die gemessen werden kann, indem man Indikatoren wie z.B. Zahl der Freunde oder Freundinnen oder Kontaktpersonen genauso wie die Hilfeleistungen und Unterstützungen innerhalb dieser Kleingruppen betrachtet. Auch die Gruppenidentifikation stellt einen Indikator für die Integration auf der Mikroebene dar (Friedrichs & Jagodzinski, 1999). In diesen Aspekten stimmen der relationale Integrationsbegriff und die Betrachtung der Integration auf der Mikroebene, überein. Auch im Sinne des relationalen Integrationsbegriffs geht es um die Identifikation mit und die Kooperation innerhalb der Kleingruppe.
2.2.2 Integration als Begriff der Akkulturationsforschung
Integration findet nicht nur in sozialpsychologischer Forschung Beachtung. Auch kulturanthorpologische Forscher beschäftigen sich mit diesem Begriffskonstrukt. Die Akkulturation schafft als interdisziplinärer Forschungsbereich den Spagat zwischen diesen beiden Fachbereichen. Während die Sozialpsychologie das Aufeinandertreffen und Zusammenarbeiten von verschiedenen Menschen untersucht, erweitert die Akkulturationsforschung diesen Forschungsbereich um den kulturanthropologischen Aspekt (Fikentscher & Rall, 2012). Im Allgemeinen beschreibt Chiriboga (2004): „Acculturation refers simply to the degree to which people change when faced with the situation of living in a cultural context differing from their own… How an individual adapts to a change in cultural context is a central question in the study of acculturation“ (Chiriboga, 2004, S. 274; zitiert nach Fikentscher & Rall, 2012, S. 10)
In der Akkulturationsforschung geht es also um die Untersuchung von Veränderungen von Individuen, Gruppen und Kulturen beim Aufeinandertreffen von Menschen mit verschiedenen kulturellen Hintergründen.
Das Individuum steht als mikrosoziale Einheit im Zentrum vieler Akkulturationsforschungen. Es geht bei der Betrachtung des Individuums nicht um intrapersonelle Prozesse, sondern um Beziehungen zwischen dem Individuum und anderen Individuen oder anderen Gruppen und seinem Verhalten und Handeln in sozialen Netzwerken (Zick, 2009; zitiert nach Fikentscher & Rall, 2012). Im Kontext der Akkulturation betrachtet man beim Individuum die kognitiven und affektiven Prozesse, die durch die kulturelle Umwelt beeinflusst wurden und werden (Fikentscher & Rall, 2012). Ein weiteres Akkulturationssubjekt stellt die Gruppe auf mesosozialer Ebene dar. Die Akkulturationsforschung untersucht an diesem Subjekt die interkulturellen Beziehungen, die entstehen, wenn zwei Gruppen unterschiedlicher kultureller Hintergründe in Kontakt kommen (Zick, 2009; zitiert nach Fikentscher & Rall, 2012). „Das Wort Gruppe umfasst in der Kulturanthropologie im Allgemeinen die Nation, den Clan, die Lineage (Linie, linage), den Großhaushalt (extended household), und den Kleinhaushalt (nuclear household).“ (Fikentscher, 2009; zitiert nach Fikentscher & Rall, 2012, S. 11) Das letzte Akkulturationssubjekt ist die Kultur. Kultur stellt hier die makrosoziologische Einheit dar. Über die Kultur werden Individuen oder Gruppen Bezugsnormen bereitgestellt, anhand dessen sie sich einer Kultur im Sinne der kulturellen Identität zugehörig fühlen oder sich von einer anderen Kultur unterscheiden können. Die Kultur prägt Individuen und Gruppen und wird im Gegenzug von ihnen geprägt. In der Akkulturationsforschung wird Kultur jedoch auch als eigenständiges Subjekt betrachtet, das eine gewisse Eigendynamik vorzuweisen hat (Zick, 2009; Fikentscher, 1995/2004; zitiert nach Fikentscher & Rall, 2012).
Ob auf mikro-, meso- oder makrosozialer Ebene: Die Akkulturationsforschung untersucht den sozialen Kontakt verschiedener Kulturen. Kontakt zwischen verschiedenen Kulturen kann auf unterschiedliche Weise entstehen. Der wahrscheinlich häufigste Grund ist die Migration. Migration bedeutet Wanderung (Göbel & Buchwald, 2017) und kann auf freiwilliger oder unfreiwilliger Basis geschehen. Umstände wie Krieg, Verfolgung oder Armut zählen jedoch zu den häufigsten Gründen für Migration (Berry, 1997; zitiert nach Göbel & Buchwald, 2017). Abbildung 2 fasst die einzelnen Schritte des sozialen Kulturkontaktes noch einmal zusammen und stellt seine Auswirkungen dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Kulturkontakt von Gruppen und seine Auswirkungen in Form von Akkulturation (Fikentscher & Rall, 2012) Große Version im Anhang
Abbildung 2 ist zu entnehmen, dass Kontakt zwischen Gruppen verschiedener Kulturen in verschiedenen Formen von Akkulturation münden kann. Die Integration taucht hier als ein Wirkungsergebnis unter der Adaption als Hauptform von Akkulturation auf (Fikentscher & Rall, 2012). Integration kann auch als Synonym von Adaption genutzt werden und „ist das Stadium der Anpassung einer Kultur an eine andere, ohne dass eine neue Mischkultur entsteht und ohne dass, zumindest tendenziell, die eine Kultur die andere „aufsaugt“.“ (Fikentscher & Rall, 2012, S. 22). Weiter versteht man unter Integration „Nachahmung, Angleichung, ein vom Vertrauten abweichendes, alternatives Verhalten. Sie findet immer dann statt, wenn zwei Akkulturationssubjekte aufeinandertreffen.“ (Fikentscher & Rall, 2012, S. 22) Folge der Integration ist also nicht die Entstehung einer neuen Kultur, sondern das „Einbauen“ einer bereits vorhandenen Kultur in eine neue. Anders als bei der Assimilation geht die zu integrierende Kultur nicht in der empfangenen und dominierenden auf, sie passt sich vielmehr dem neuen Rahmen der empfangenen Kultur an (Fikentscher & Rall, 2012).
Betrachtet man die Auswirkungen von Integration auf die Identität der Person finden sich Überschneidungen zum sozialpsychologischen Begriff der Integration. Aus Sicht der Akkulturationsforschung ist Integration dann gelungen, wenn „ein in sich gefestigter Mensch […] seine Vergangenheit hinter sich gelassen hat und in der Gegenwart aus dem Fundus seines reichen Erfahrungshorizonts schöpft. Er kennt verschiedene Kulturen und hat in der Gesellschaft, in der er lebt, seine Heimat gefunden.“ (Fikentscher & Rall, 2012, S. 51) Letzteres beschreibt einen Aspekt, der zuvor bezüglich des relationalen Integrationsbegriffs aus sozialpsychologischer Sicht beschrieben wurde. Es geht dabei um den inneren Zustand einer Person und damit um seine Haltung und seine Befindlichkeit gegenüber dem System, hier der Kultur, in die sie sich integriert. Das Individuum muss sich, um sich erfolgreich zu integrieren, auch mit der neuen Kultur identifizieren und seine Werte und Ziele teilen. Hier ist somit eine Überschneidung beider Integrationsperspektiven sichtbar.
Das vorliegende Modell von John W. Berry (1997) zeigt ebenfalls, wie Integration mit der Identifikation mit der eigenen Kultur und der neuen Gesellschaft zusammenhängt (Abbildung 3).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Akkulturationsstrategien von Berry (Berry, 1997, S. 10; zitiert nach Göbel & Buchwald, 2017, S. 38)
Dem Modell ist zu entnehmen, dass Integration dann stattfindet, wenn sich das Individuum sowohl mit der Mehrheitsgesellschaft als auch mit der Herkunftskultur identifizieren kann. Außerdem hängt Integration mit dem Kontakt und der Teilhabe an der anderen Kultur zusammen. In Bezug auf Kinder und Jugendliche mit Fluchthintergrund würde das bedeuten, Integration würde nur dann stattfinden, wenn diese Schüler Kontakt mit und Teilhabe an der Kultur der Schülerinnen und Schüler ohne Fluchthintergrund haben. Marginalisierung findet statt, wenn sowohl die Herkunftskultur als auch die Kultur der Aufnahmegesellschaft abgelehnt wird. Individuen, die die Assimilationsstrategie verfolgen, geben die Herkunftskultur auf und übernehmen die Werte der Aufnahmegesellschaft. Wird der Kontakt zur Aufnahmegesellschaft abgelehnt, aber der Kontakt zur Herkunftskultur aufrechterhalten, so handelt es sich um Separation (Berry, 1980; zitiert nach Göbel & Buchwald, 2017).
Der Akkulturationsprozess von Flüchtlingen findet unter besonderen Bedingungen statt. Flüchtlinge haben ihre Heimat unfreiwillig verlassen. Die meisten Menschen mit Fluchthintergrund haben traumatische Erfahrungen gemacht und kommen mit Kriegs- oder Verfolgungserfahrungen in das Aufnahmeland. Infolge dessen beantragen viele Flüchtlinge Asyl, was dafür sorgen kann, dass sie eine unsichere Aufenthaltsperspektive belastet. Neben diesen ganzen Faktoren, die bewältigt werden müssen, kommt der Akkulturationsprozess als weitere Hürde hinzu (Göbel & Buchwald, 2017).
Der Aufnahmegesellschaft kommt im Akkulturationsprozess eine ebenso wichtige Rolle zu. Sowohl Bedingungen der Herkunftsgesellschaft als auch der Aufnahmegesellschaft sind die Basis für das Stattfinden von Akkulturation. Göbel & Buchwald (2017) fassen die Bedeutung der Einstellung der Aufnahmegesellschaft wie folgt zusammen:
„Wenn die Akkulturationsorientierung von Zugewanderten und der Aufnahmegesellschaft übereinstimmen, dann spricht dies für eine konsensuelle Akkulturationssituation, innerhalb derer die Integration erfolgreich sein kann. Wenn jedoch zum Teil unterschiedliche Perspektiven von Seiten der Zugewanderten und der Aufnahmegesellschaft eingenommen werden, hat dies problematische Auswirkungen, denn die divergierenden Orientierungen bergen ein hohes Spannungs- und Konfliktpotenzial.“ (Göbel & Buchwald, 2017, S. 40)
Integration kann beispielweise nur erfolgreich sein, wenn auch die Aufnahmegesellschaft Individuen erlaubt, weiterhin ihre Herkunftskultur auszuleben und ihnen trotzdem eine Teilhabe ermöglicht. Da die Einstellung der Aufnahmegesellschaft für diese Arbeit jedoch nur gering von Bedeutung ist, wird hier nicht weiter darauf eingegangen. Es soll nur betont werden, dass Akkulturation ein wechselseitiger Prozess ist, auf den beide Seiten, sowohl die Herkunftsgesellschaft als auch die Aufnahmegesellschaft, Einfluss haben.
Zugewanderte nehmen in einem Akkulturationsprozess gegenüber der Aufnahmegesellschaft eine Minorität ein. Das angesprochene Spannungs- und Konfliktpotenzial zwischen der Aufnahmegesellschaft als Majorität und den Zugewanderten als Minorität unter der Voraussetzung, dass sie unterschiedliche Kulturen ausleben, findet sich auch in der von Allport (1954) aufgestellten und durch Pettigrew (u.a. 1998) aufgearbeiteten Kultur-Kontakt-Hypothese wieder. Die Kultur-Kontakt-Hypothese beschäftigt sich unter anderem mit dem Abbau von Vorurteilen zweier Gruppen verschiedener Kulturen gegenüber. Grundlage für die Kultur-Kontakt-Hypothese ist die Annahme, dass Vorurteile einer fremden Gruppe gegenüber dazu führen, dass diese Gruppe abgewiesen wird (Allport, 1971). Allport nennt verschiedene Möglichkeiten, durch die eine Fremdgruppe abgewiesen werden kann: Verleumdung, Vermeidung, Diskriminierung, körperliche Gewaltanwendung und Vernichtung (Allport, 1971). Jede Art von Abweisung führt zwangsläufig zu einer Behinderung von Teilnahme und positivem Kontakt, was wiederum nicht förderlich für Integration ist. Allport erarbeitete in seiner Kultur-Kontakt-Hypothese eine Möglichkeit zum Abbau von Vorurteilen durch den Kontakt von verschiedenen Gruppen unterschiedlicher Kultur. Pettigrew griff die Kontakt-Hypothese 1998 und entwickelte neben den optimalen Kontaktbedingungen auch die psychologischen Prozesse heraus, die mit der Kontakterfahrung einhergehen. Die Kultur-Kontakt-Hypothese formuliert konkrete Bedingungen, die zum Abbau von Vorurteilen führen sollen:
(1) Gemeinsame übergeordnete Ziele sind in der Kontaktsituation ein Faktor für den Erfolg von Kontaktmaßnahmen. Es muss sich dabei um Ziele handeln, die von beiden Gruppen angestrebt und verfolgt werden und nur durch die Zusammenarbeit beider Gruppen erreicht werden können.
(2) Kooperation ist die notwendige Grundlage, um das gemeinsame Ziel zu erreichen und schließt gleichzeitig den Wettbewerb zwischen den Gruppen aus.
(3) Beide Gruppen müssen während der Kontaktsituation den gleichen Status haben, da ansonsten während der Kooperation die Gefahr besteht, dass sich während der Interaktion Stereotypen herausbilden, nach denen dann gehandelt wird.
(4) Für einen gleichberechtigten Umgang miteinander, bedarf es Autoritäten, die Normen und Gesetze für die Kontaktsituation formulieren. Zudem können gesetzliche Regeln die Entwicklung von Verhaltensstandards fördern, die dann auch in den Alltag übernommen werden können, um auch außerhalb der Kontaktsituation den offenen Ausdruck von Vorurteilen zu unterbinden.
(5) Bietet die Interaktion ein gewisses Freundschaftspotenzial, so werden wiederholte Erfahrungen positiver Interaktionen über einen längeren Zeitraum ermöglicht. Freundschaften führen außerdem zum Aufbau von affektiven Bindungen und stellen einen relevanten Faktor für die langanhaltende Überwindung von Vorurteilen dar (Allport, 1971; Pettigrew, 1998; zitiert nach Peterson & Six, 2008).
Neben diesen Bedingungen formuliert Pettigrew (1998) auch noch vier psychologische Prozesse, die durch den Kontakt in Gang gesetzt werden und durch eine Veränderung der Einstellungen gegenüber der Fremdgruppe letztendlich zum Abbau von Vorteilen führen:
(1) Durch den Kontakt wird die Möglichkeit gegeben, Wissen zu erwerben. Im Idealfall führt dies dazu, dass Informationen erhalten werden, die den Vorurteilen widersprechen und somit zu einer Revision der Vorurteile führen.
(2) Durch den Intergruppenkontakt wird eine Verhaltensänderung gefördert, indem neue und den Vorurteilen widersprechende Verhaltensweisen gefordert werden. Dies führt ebenfalls dazu, dass Vorurteile revidiert werden.
(3) Durch die begünstigte Entwicklung von Bindungen und Freundschaften kommt es zu einem Aufbau von affektiven Bindungen. Positive Reaktionen, Empathie und Vertrauen werden durch den Aufbau von affektiven Bindungen ebenfalls begünstigt, was wiederum den Abbau von Vorurteilen fördert.
(4) Im Verlauf des Intergruppenkontaktes kommt es nicht nur zu einer Neubewertung der Fremdgruppe sondern auch der Eigengruppe, da durch den Kontakt die Möglichkeit gegeben wird, den eigenen Horizont zu erweitern und zu bemerken, dass die eigenen Werte, Sitten und Normen nicht die einzig möglichen sind. Die Erweiterung der Perspektive kann zu einer respektvollen und offenen Haltung gegenüber Fremdgruppen generell führen. Pettigrew spricht in diesem Fall von einer „Deprovinzialisierung“ (Pettigrew, 1998; zitiert nach Peterson & Six, 2008)
Pettigrew (1998) betont außerdem, dass einmaliger Kontakt nicht ausreicht, um Vorurteile abzubauen und Vorurteilsabbau nur im langfristigen Prozess erfolgen kann. Der Kontakt spielt dabei eine zentrale Rolle und erfolgt im Laufe der Zeit auf verschiedenen Ebene (Pettigrew, 1998; zitiert nach Peterson & Six, 2008).
2.2.3 Zusammenhang zwischen Integration und Wohlbefunden
Theorien zum aktuellen Wohlbefinden befassen sich unter anderem mit der Steigerung des aktuellen psychischen Wohlbefindens durch soziale Zuwendung und Nähe. Um die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, spielen Mitmenschen eine zentrale Rolle. Daher sind Kontakt und Umgang mit Mitmenschen auch für das aktuelle psychische Wohlbefinden von Bedeutung. Die soziale Zuwendung kann dabei auf direktem Wege z.B. durch gemeinsame Aktivitäten, aber auch auf indirektem Wege durch die Bewältigung von negativen Gefühlen wirken (Becker, 1994). Becker verweist dabei auf die Formen des sozialen Rückhalts von Schwarzer & Leppin (1994):
- Emotionale Unterstützung
- Zusammensein und positiver Kontakt
- Instrumentelle Unterstützung
- Informationelle Unterstützung
- Bewertungs-/Einschätzungsunterstützung (Becker, 1994; Schwarzer & Leppin, 1994)
Auch Mayring sah in der sozialen Interaktion eine wichtige Quelle für positive Emotionen und somit auch für das subjektive Wohlbefinden eines Menschen. Er befragte dazu in vorwiegend qualitativen Pilotstudien Schülerinnen und Schüler und Studentinnen und Studenten nach der Präzisierung des Glücksgefühls. Diese nannten „am häufigsten menschliche Gefühle und Liebe“ (Hascher, Wohlbefinden in der Schule, 2004, S. 27)
House et al. haben sich 1988 mit der Aufteilung von Sozialbeziehungen aus soziologischer Perspektive beschäftigt (House, Umberson, & Landis, 1988). Sie nehmen eine Einteilung in folgende Punkte vor:
Die soziale Integration beschreibt die „Existenz oder die Quantität von Sozialbeziehungen“ (Schwarzer & Leppin, 1994, S. 177; House, Umberson, & Landis, 1988). Es geht dabei also um die Größe eines sozialen Netzwerks oder die Häufigkeit des Kontaktes. Die Anzahl der aufrechterhaltenden aktiven Bindungen nutzt man häufig, um die soziale Integration zu messen (Schwarzer & Leppin, 1994).
Mit der Struktur der sozialen Netzwerke ist die „Dauer, Gegenseitigkeit und Homogenität“ gemeint (Schwarzer & Leppin, 1994, S. 177; House, Umberson, & Landis, 1988). Sie wird über die Größe und Dichte des Netzwerks und die Art, Häufigkeit und Regelmäßigkeit der sozialen Interaktion erfasst. Die Faktoren hängen eng miteinander zusammen: Die Größe des Netzwerks beschreibt die Anzahl der Mitglieder im sozialen Netzwerk, die Dichte deren soziale Nähe und daraus ergibt sich auch die Anzahl, Häufigkeit und Regelmäßigkeit von Interaktionen. (Schwarzer & Leppin, 1994)
Der Beziehungsgehalt umfasst die Funktion und Qualität der Beziehung (House, Umberson, & Landis, 1988).
Soziale Integration ist auch die Basis für soziale Unterstützung. Soziale Unterstützung ist die Information, „die das Individuum davon überzeugt, a) umsorgt und geliebt und b) geschätzt zu werden, sowie c) zu einem Netzwerk von Kommunikation und gegenseitiger Verpflichtung zu gehören.“ (Schwarzer & Leppin, 1994, S. 175). Schwarzer & Leppin (1994) stellen den Zusammenhang zwischen sozialer Integration, sozialer Unterstützung und subjektivem Wohlbefinden mithilfe einer Kausalkette dar. Soziale Integration bedeutet demnach eine Teilhabe an einem sozialen Netzwerk. Durch dieses soziale Netzwerk erhält man soziale Unterstützung, mithilfe derer man Probleme bewältigen kann, was sich wiederum positiv auf die seelische Gesundheit und damit auf das Wohlbefinden auswirkt. Wichtig zu erwähnen ist, dass die wahrgenommene Unterstützung individuell ist und von der Persönlichkeit abhängt. Es kann daher durchaus vorkommen, dass zwei Individuen desselben sozialen Netzwerks die soziale Unterstützung innerhalb dieses Netzwerkes unterschiedlich wahrnehmen. Dementsprechend wäre dann auch die Auswirkung auf das Wohlbefinden eine andere. Weiter ist die soziale Integration auch ein Faktor, der sich auf die Stressbewältigung auswirkt und somit ebenfalls Wirkung auf das Wohlbefinden hat. Wer sich in einer Krise befindet und daher Stress empfindet, kann diesen Stress im Falle von sozialer Unterstützung, z.B. über Kommunikation, Motivation oder seelischen Aufbau, besser bewältigen und empfindet dadurch eine geringere Belastung. Dass soziale Integration und soziale Interaktion nicht immer nur positive Auswirkungen hat, darf hier nicht außer Acht gelassen werden. Soziale Interaktionen tragen auch immer ein gewisses Konfliktpotenzial mit sich. In Hinblick auf soziale Unterstützung kann es im Krisenfall mitunter zu Enttäuschungen kommen, wenn der erwartete Rückhalt nicht gegeben wird (Schwarzer & Leppin, 1994). Diese Enttäuschung würde sich dann negativ auf das Wohlbefinden auswirken.
3. Aktueller Forschungsstand
Basierend auf den bereits beschrieben Theorien und Ansätzen, die seit Jahrzehnten bestehen und weiterentwickelt wurden, wurden Studien durchgeführt, die das Wohlbefinden und die Integration von Individuen und Gruppen untersuchten. Da diese Arbeit sich mit dem subjektiven Wohlbefinden und der wahrgenommenen Integration von Schülerinnen und Schülern (mit Fluchthintergrund) beschäftigt, werden im Folgenden Forschungsergebnisse aus diesem Bereich vorgestellt.
3.1 Aktueller Forschungsstand zum Wohlbefinden und zur Integration von Jugendlichen in der Schule
Grob et al. (1991) führen unter anderem eine Komponente des Wohlbefindens von Schülerinnen und Schülern auf, die sich mit sozialen Problemen in der Schule und der Akzeptanz von Mitschülerinnen und Mitschülern beschäftigt (siehe Kapitel 2.1.4). Die soziale Integration eines Schülers oder einer Schülerin in seine/ihre Klasse ist dafür von zentraler Bedeutung. Sozial eingebunden zu sein zählt außerdem zu den Grundbedürfnissen eines Menschen (Deci & Ryan, 1993; zitiert nach Hascher & Baillod, Soziale Integration in der Schulklasse als Prädiktor für Wohlbefinden, 2004). Ist dieses Grundbedürfnis nicht gedeckt, so werden Menschen traurig, hoffnungslos oder unglücklich. Da die Schule für Kinder und Jugendliche einen Ort darstellt, an dem die meisten einen großen Teil ihres Tages verbringen, kommt es dort auch unmittelbar zu sozialem Kontakt zwischen ihnen. Bei Schulklassen handelt es sich um Gruppierungen, die nicht auf freiwilliger Basis, sondern viel mehr unter Zwang und Zuweisung entstanden sind. Soziale Kontakte müssen daher nicht auch automatisch soziale Integration bedeuten. Für Kinder und Jugendliche stellt soziale Integration und Unterstützung einen wichtigen Aspekt dar, denn der Schulalltag bietet oftmals Herausforderungen sowohl im emotionalen als auch im sozialen Bereich, die es zu bewältigen gilt. Innerhalb der Klasse abgelehnt zu werden kann besonders starke Auswirkungen haben, da Schülerinnen und Schüler kaum Ausweichmöglichkeiten haben. In solch einem Fall fühlen sich Schülerinnen und Schüler oft allein gelassen und gehen eher ungern zur Schule (Hascher & Baillod, Soziale Integration in der Schulklasse als Prädiktor für Wohlbefinden, 2004).
Einige Studien konnten untersuchen, dass soziale Kontakte bzw. soziale Integration von Kindern und Jugendlichen von zentraler Bedeutung für ihr Wohlbefinden sind. Fend et al. (1976) haben beispielsweise festgestellt, dass die positive Bewertung der Schule durch Schülerinnen und Schüler mit ihrer sozialen Integration zusammenhing. Anonymität und wenig Unterstützung führten hingegen zu einem distanzierten Verhältnis zur Schule. In einer späteren Befragung konnte Fend (1997) diese Ergebnisse bestätigen. Hier untersuchte er dann den Zusammenhang zwischen sozialer Integration und dem Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern in der Schule. Auch hier zeigte sich, dass sich Schülerinnen und Schüler in der Schule wohler fühlten, wenn sie das Gefühl hatten, sozial integriert zu sein (Fend, 1976; Fend, 1997; zitiert nach Hascher, & Ballod, Soziale Integration in der Schulklasse als Prädiktor für Wohlbefinden, 2004). Eder (1995) konnte bei einer Befragung einen Zusammenhang zwischen der Qualität der Beziehungen zu Mitschülerinnen und Mitschülern und dem Wohlbefinden feststellen. Außerdem trägt auch die Interaktion von Schülerinnen und Schülern mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern zum positiven Erleben und somit zu positiven Bewertungen der Schule bei und führt letztendlich auch dazu, dass sich Schülerinnen und Schüler in ihrer Schule wohlfühlen (Eder, 1995; zitiert nach Hascher & Baillod, Soziale Integration in der Schulklasse als Prädiktor für Wohlbefinden, 2004). Die Umkehrung dieser Forschungsergebnisse müsste demnach sein, dass sich Schülerinnen und Schüler nicht wohl fühlen, wenn sie nicht sozial integriert sind. Es lässt sich vermuten, dass das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen, die von Mitschülerinnen und Mitschülern abgelehnt werden, in der Schule beeinträchtigt ist (Hascher & Baillod, Soziale Integration in der Schulklasse als Prädiktor für Wohlbefinden, 2004). Hascher & Baillod (2004) untersuchten in ihrer Studie zum Zusammenhang zwischen sozialer Integration und Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern auch den das Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern, die in ihrer Klasse unbeliebt sind. Grundsätzlich wurde davon ausgegangen, dass beliebte Schülerinnen und Schüler in ihrer Klasse auch sozial integriert sind und andersherum. Die Beliebtheit eines Schülers/einer Schülerin wurde graduell an der Wahl zum Sitznachbarn gemessen. Schülerinnen und Schüler, die fünf oder mehr Ablehnungen und keine oder maximal zwei Wahlen erhalten hatten, galten in der Studie als unbeliebt. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer, auf die dies nicht zutraf, galten als beliebt. Die Schülerinnen und Schüler wurden zu verschiedenen Aspekten befragt. Die Aussagen von unbeliebten und beliebten Schülerinnen und Schülern wurden gegenübergestellt. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Studie zeigen konnte, dass sich beliebte, also sozial integrierte, Schülerinnen und Schüler in der Schule signifikant wohler fühlen als unbeliebte Schülerinnen und Schüler (Hascher & Baillod, Soziale Integration in der Schulklasse als Prädiktor für Wohlbefinden, 2004).
3.2 Aktueller Forschungsstand zur subjektiv wahrgenommenen Integration, Partizipation und zum subjektiven Wohlbefinden von Personen mit Fluchthintergrund
Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) hat im Januar 2016 in Kooperation mit der Robert Bosch Stiftung eine Expertise veröffentlicht, in der unter anderem der aktuelle Forschungsstand zur sozio-kulturellen Integration von Flüchtlingen in Deutschland zusammengefasst wurde. Einige Studien, die diesen Themenbereich untersuchten, sollen nun vorgestellt werden. Dabei handelt es sich um Untersuchungen von sowohl Kindern und Jugendlichen als auch von erwachsenen Geflüchteten (SVR, Was wir über Flüchtlinge (nicht) wissen. Der wissenschaftliche Erkenntnisstand zur Lebenssituation von Flüchtlingen in Deutschland, 2016). Kinder und Jugendliche haben allgemein leichteren Zugang zu Kontakt zu Einheimischen, da sie in gemeinsamen Institutionen wie z.B. der Schule untergebracht sind und sich dort regelmäßig begegnen (Bretl, 2008; Aumüller, 2008; zitiert nach SVR, 2016).
Weiss, Enderlein & Rieker (2001) haben 1995 und 1996 insgesamt 49 Jugendliche mit Fluchthintergrund in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe Brandenburg zu ihren sozialen Kontakten befragt. Die meisten Jugendlichen gaben an, über Freundschaften zu verfügen. Welche Nation die Freunde hatten, hatte für sie eine geringe Bedeutung. Andere Jugendliche derselben Herkunft waren für sie insofern wichtig, als dass sie die Sprache und die Lebenseinstellungen teilten und sich bei Problemen austauschen konnten (Weiss, Enderlein & Rieker, 2001; zitiert nach SVR, 2016).
Barth & Guerrero Menesis (2012) befragten 27 Jugendliche mit Fluchthintergrund in verschiedenen westdeutschen Bundesländern und stellten fest, dass die Befragten überdurchschnittlich häufig Kontakt zu Personen aus dem eigenen Herkunftsland haben. Nur sieben der 27 befragten Jugendlichen gaben an, auch Bekannte oder Freunde zu haben, die in Deutschland geboren wurden. Diese Jugendlichen waren alle regelbeschult oder in Vereinen aktiv. Als wichtige Orte für Kontakt wurden der Wohnort, die Schule und Vereine genannt (Barth & Guerrero Menesis, 2012; zitiert nach SVR, 2016).
Täubig (2009) kommt in seinen qualitativen Fallstudien mit erwachsenen Geflüchteten zu ähnlichen Ergebnissen. Auch hier bestanden Freundschaften größtenteils zu Landsleuten, was eng mit Verständigungsproblemen und Sprachbarrieren zusammenhing. Teilweise bestehen zu Geflüchteten aus anderen Ländern oberflächliche Kontakte und in wenigen Fällen auch Freundschaften. Kontakte oder Freundschaften zu Einheimischen bestehen nur in Einzelfällen (Täubig, 2009; zitiert nach SVR, 2016).
Zuletzt werden noch die kommunenbezogenen Studien von Aumüller und Bretl (2008) aufgeführt. Aumüller und Bretl untersuchten das Zusammenleben von Geflüchteten und Einheimischen in Berlin, München, Schwäbisch Hall und Jena. Festgestellt wurde hier, dass jeweils Geflüchtete und Einheimische eher nebeneinander als miteinander leben. In wenigen Fällen gab es auch zeitweise angespannte Verhältnisse. Freundschaften von Geflüchteten bestehen eher zu anderen Geflüchteten. Es hat sich außerdem herauskristallisiert, dass „soziale Kontakte und Freundschaften mit Einheimischen neben der Wohnsituation und dem Vorhandensein einer örtlichen Herkunftsgemeinschaft auch von der Eigeninitiative und Handlungsfähigkeit der jeweiligen Person abhängen“ (Bretl & Kraft, 2008; Aumüller, 2008; zitiert nach SVR, 2016, S. 38)
2017 führte die SVR eine eigene qualitative Studie in Form von Interviews mit 21 Geflüchteten durch (SVR, Was wirklich wichtig ist: Einblicke in die Lebenssituation von Flüchtlingen, 2017). Die Befragten beantworteten unter anderem Fragen zu ihrer sozialen Teilhabe und zu den aktuellen Kontaktpersonen. Zentrale Erkenntnisse der Studie sind, dass Kontakte mit Menschen aus dem Umfeld für Flüchtlinge von großer Bedeutung sind. Geflüchtete haben in der Anfangszeit schon früh Kontakt mit Einheimischen, wobei es sich dabei meist um Alltagssituationen oder Kontakt mit Ehrenamtlichen handelt. Teilweise nehmen die Geflüchteten auch am sozialen Leben teil. Die Quellen des Kontakts gehen dabei vom Ehrenamt über Begegnungen im öffentlichen Raum bis hin zum beruflichen Umfeld. Bei den meisten Befragten ergab sich jedoch eher eine soziale Isolation, obwohl häufiger, alltäglicher Kontakt mit anderen Menschen bestand. Tiefe persönliche Beziehung waren wenig entwickelt (SVR, Wie gelingt Integration? Asylsuchende über ihre Lebenslagen und Teilhabeperspektiven in Deutschland, 2017). Einige Flüchtlinge berichten auch von Ablehnung und Diskriminierung, die sie teilweise emotional stark belastet. Alles in allem erfahren Geflüchtete viel Unterstützung, die jedoch meist auf organisatorische oder materielle Hilfe begrenzt ist. „Auf längere Sicht scheint es aber wichtiger zu sein, dass sich echte soziale Beziehungen entwickeln, aus denen sich längerfristige Bindungen und Freundschaften ergeben können.“ (SVR, Was wirklich wichtig ist: Einblicke in die Lebenssituation von Flüchtlingen, 2017, S. 5)
Eine weitere Grundlage soll auch die quantitative Studie mit ca. 5000 erwachsenen Flüchtlingen durch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und das Sozio-ökonomische Panel (SOEP) des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) bieten (Fendel & Kosyakova, 2017; Brücker, Rother, & Schupp, 2016). Bezüglich des subjektiven Wohlbefindens ergab die Studie, dass Geflüchtete im Schnitt zufrieden mit ihrem Leben sind. Ebenfalls festgestellt wurde, dass Geflüchtete sehr viel stärker unter Einsamkeit leiden als Personen ohne Migrationshintergrund. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden auch zu der Anzahl und der Intensität der sozialen Kontakte zu Deutschen und Personen aus dem Herkunftsland befragt. Im Schnitt gaben Geflüchtete an, mit drei Deutschen Kontakt zu haben. In kleinen Kommunen wiesen Flüchtlinge mehr Kontakte auf als in Großstädten. 68% der Geflüchteten gaben an, häufg mit Deutschen in Kontakt zu kommen. Unterschieden wurde hierbei nicht, ob es sich bei den Kontaktpersonen um Privatpersonen oder Personen im Ehrenamt, sozialen Dienst oder ähnliches handelt. Mit der Dauer des Aufenthalts stieg auch die Zahl der neuen Kontakte, nicht jedoch die Intensität der Kontakte. In kleineren Kommunen waren die Anzahl und die Häufigkeit der Kontakte zu Deutschen signifikant höher aks in Großstädten. Die Anzahl und die Häufigkeit der Kontakte zu Deutschen hing mit den Sprachkenntnissen, der Erwerbstätigkeit, der Unterbringung und der Größe der Kommune zusammen (Brücker, Rother, & Schupp, 2016).
Zusammengefasst zeigen die Studien, dass Geflüchtete zwar über viele Kontakte zu Einheimischen verfügen, aber nicht in der Qualität der Beziehungen unterschieden wurde. Kinder und Jugendliche mit Fluchthintergrund haben grundsätzlich die Möglichkeit, schneller und einfacher mit Kindern und Jugendlichen ohne Fluchthintergrund in Kontakt zu kommen, dennoch berichten nicht alle über Kontakte und kaum jemand über Freundschaften zu Einheimischen. Tiefere und persönlichere Bindungen zu Nicht-Geflüchteten sind sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern und Jugendlichen kaum vorhanden. Aus den Ergebnissen geht ebenfalls heraus, dass das Verhalten der Aufnahmegesellschaft ebenso wichtig ist, wie das der Geflüchteten selbst. Eine Integration kann nicht stattfinden, wenn Geflüchtete Ablehnung oder Diskriminierung erfahren. Ebenso müssen Flüchtlinge ihre Sprachbarrieren bewältigen und Eigeninitiative beim Knüpfen von Kontakten zeigen.
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- Citation du texte
- S. D. (Auteur), 2018, Wie die soziale Integration und das subjektive Wohlbefinden bei geflüchteten Jugendlichen positiv beeinflusst werden können, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/536437
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