Die Philosophische Anthropologie wird in den späten 1920er Jahren in Deutschland begründet. Die Hauptvertreter und Anreger sind Max Scheler, Helmuth Plessner und Arnold Gehlen. Die Frage „Was ist der Mensch und was ist seine Stellung in der Welt?“ stellt die Hauptaufgabe dieser Wissenschaft dar. Sowohl die physiologische wie auch die geistige Sichtweise auf den Menschen wird hier in Betracht gezogen, diese bildet die Schnittstelle zwischen dem naturwissenschaftlichen und dem geisteswissenschaftlichen Zugang der Betrachtung des Menschen. Diese neu etablierte Wissenschaft hat auch weitere Wissenschaften wie die Pädagogik und die Soziologie beeinflusst. In den 1990er Jahren hat ein erneutes Interesse an der Wissenschaft dazu geführt, dass die Werke von Scheler, Plessner und Gehlen studiert wurden.
I. Einleitung und Biografie
II. Zusammenfassung vom Referat
II.I Die drei Organisationsformen des Lebendigen
II.II Drei Dimensionen der Welt
III. Was ist menschliche Natur nach Plessner?
IV. Wozu braucht der Mensch die Kultur?
V. Fazit
VI. Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Die Philosophische Anthropologie wird in den späten 1920er Jahren in Deutschland begründet. Die Hauptvertreter und Anreger sind Max Scheler, Helmuth Plessner und Arnold Gehlen. Die Frage „Was ist der Mensch, und was ist seine Stellung in der Welt?“ stellt die Hauptaufgabe dieser Wissenschaft dar. Sowohl die physiologische wie auch die geistige Sichtweise auf den Menschen wird hier in Betracht gezogen, diese bildet die Schnittstelle zwischen dem naturwissenschaftlichen und dem geisteswissenschaftlichen Zugang der Betrachtung des Menschen. Diese neu etablierte Wissenschaft hat auch weitere Wissenschaften wie die Pädagogik und die Soziologie beeinflusst. In den 1990er Jahren hat ein erneutes Interesse an der Wissenschaft dazu geführt, dass die Werke von Scheler, Plessner und Gehlen studiert wurden (Witteriede 2009).
Helmuth Plessner
Helmuth Plessner wird 1892 in Wiesbaden geboren. Sein Philosophiestudium erschließt sich Plessner durch den Kontakt mit einem Botaniker A. Reuber. Danach absolviert er ein Zoologiestudium in Heidelberg. Das Interesse an der Kombination von Biologie und Philosophie fasziniert ihn durch H. Driesch, den er im Studium kennenlernt. Zwei Jahre folgen im Studium bei dem Phänomenologen E. Husserl. Danach absolviert er ein Kantstudium in Erlangen und promoviert bei P. Hensel. 1920 beendet er sein Studium in Köln mit der Arbeit „Untersuchungen zu einer Kritik der philosophischen Urteilskraft“. Seine Abhandlung über die „Einheit der Sinne“ jedoch führte ihn erstmals in die Richtung der anthropologischen Studien. Sein Hauptwerk „Die Stufen des Organischen und der Mensch“ erscheint jedoch erst 1928. Mit der Arbeit „Grenzen der Gemeinschaft“ (1924) wird jedoch die Richtung, in die seine Forschung in der Anthropologie gehen soll, erstmals deutlich. Anfängliche Plagiatsvorwürfe werfen jedoch zunächst ein schlechtes Licht auf seine Publikation und dieses wird nicht entsprechend gewürdigt. Plessners Werk wird auch nur bis 1936 veröffentlicht. 1932 muss er seine Lehrtätigkeit in Köln auf Weisung des Naziregimes aufgeben. Zwischenzeitlich lehrt er an der Universität Groningen. 1935 publiziert er „Das Schicksal deutschen Geistes im Ausgang seiner bürgerlichen Epoche“ und 1941 die Abhandlung „Lachen und Weinen“. Dies führt erstmals zu seinem literarischen Erfolg. 1946 übernimmt er das Ordinariat für Philosophie. Darauf folgt die Übernahme des Lehrstuhls für Soziologie an der Universität Göttingen. In einem weiteren Werk analysiert er die Entstehung und Entwicklung des Nationalsozialismus im deutschen Bürgertum unter dem Titel „Die verspätete Nation. Über die Verführbarkeit bürgerlichen Geistes“ (1959). Nach zehn Jahren Lehrtätigkeit an der Universität Göttingen verlässt er den Lehrstuhl um an der New School for Social Research in New York zu arbeiten. Bereits nach einem Jahr (1963) geht er nach Erlenbach bei Zürich um dort Gründungsmitglied der Werner-Reimers-Stiftung zu werden. Auch nimmt er wieder die Lehrtätigkeit an der Universität Zürich auf. 1964 erhält er eine Würdigung durch die Universität Groningen wie auch 1972 im Alter von 80 Jahren die Ehrendoktorwürde der Universität Zürich. 1982 folgt eine weitere Verleihung durch die Universität Freiburg. Im Alter von 92 Jahren (1985) verstirbt Helmuth Plessner in Göttingen.
II. Zusammenfassung vom Referat
Die Grundpositionen, die Helmuth Plessner in „Stufen des Organischen und der Mensch“ vertritt, ist, dass der Mensch als eine Einheit von Körper und Geist existiert. Plessner untersucht den Doppelaspekt der menschlichen Existenz und sieht den Menschen damit als ein Lebewesen, welches auf der einen Seite seine Natürlichkeit, seine Instinktsicherheit, verloren hat, auf der anderen Seite jedoch kulturschaffend ist und als ein Lebewesen unter anderen Lebewesen existiert (Witteriede 2009: 41).
Das siebte Kapitel aus Plessners Werk Die Stufen des Organischen und der Mensch setzt sich mit der sogenannten Positionalität und Reflexivität des Menschen auseinander. Plessner befasst sich mit der Unterscheidung zwischen Pflanze, Tier und Mensch. Diese führt dann zu einer genaueren Bestimmung des Menschen, der sich selbst in einer Außen-, Innen- und Mitwelt erlebt. Das erste anthropologische Grundgesetz, das Gesetz der natürlichen Künstlichkeit des Menschen, wird zuletzt angeführt und erklärt. Die Fragen, die zunächst gestellt werden können, sind, was ein Stufengang des Organischen bei Plessner überhaupt sein soll und was er unter belebt und unbelebt versteht, um den Unterschied zwischen Pflanze, Tier und Mensch zu begreifen. Die Unterscheidung wird im Folgenden erklärt. Der größte Unterschied, den Plessner jedoch nennt, ist, dass der Mensch nur dann lebe, wenn er ein Leben führt (Plessner 1965: 310).
Durch den Begriff Positionalität verdeutlicht Plessner, wie Pflanzen, Tiere und der Mensch in die Welt gestellt sind oder welche Stellung sie in der Welt haben. Durch den Begriff wird auch verständlich, wie der Mensch selbst organisiert ist und sich selbst wahrnimmt; mit seinem Körper, seinem psychischen Innenleben und als Glied der Gesellschaft. Der Begriff Reflexivität bezeichnet nach Plessner die Fähigkeit sich selbst von sich abzuheben und damit „das Lebenssystem“ zu überblicken (Plessner 1965: 290). Durch die verschiedenen Positionen, die der Mensch einnehmen kann, ist Reflexivität erst möglich. Die Positionalität bedingt damit die Fähigkeit der Reflexivität.
II.I Die drei Organisationsformen des Lebendigen
Plessner unterscheidet drei Organisationsformen des Lebendigen nach ihrer jeweiligen Positionalität. Pflanzen, Tiere und Menschen sind unterschiedlich organsiert. Nach Plessner sind alle Lebewesen durch eine Grenze bestimmt, anorganische Körper wie beispielsweise ein Stein hätten keine solche Grenze. Die Grenze ist die „Umschlagzone“ zwischen Innen und Außen und hat keine Gestalt (Plessner 1965: 292). Pflanzen sind offen organisiert und haben keine zentralen Organe, was bedeutet, dass diese unselbstständig sind (Plessner 1965: 310). Diese sind auf den direkten Austausch mit der Umwelt angewiesen und bilden die erste Stufe des Lebendigen. Sie benötigen Sauersoff, Wasser und Sonneneinstrahlung um zu leben. Auf der zweiten Stufe befinden sich die Tiere, die zentrisch organisiert sind, was bedeutet, dass sie selbstständig leben können und körperlich im Hier-Jetzt nur als Leib existieren. Der Mensch ist exzentrisch, befindet sich auf der dritten Stufe der Organisationsform des Lebendigen und existiert in einer dreiteiligen Positionalität. Der Mensch ist erstens Körper, ist als Organganzes, ein Ding unter anderen Dingen, zu sehen. Zweitens ist er „im Körper“, besitzt ein Innenleben, welches mit der Seele gefüllt ist. Drittens ist er „außer dem Körper“, besitzt damit einen exzentrischen „Blickpunkt“ und hat die Fähigkeit sein gesamtes Lebenssystem reflexiv zu überblicken (Plessner 1965: 293).
Das Tier stehe hingegen nicht in Beziehung zur positionalen Mitte. Das Tier könne nur im Hier-Jetzt leben (Plessner 1965: 288). Es gebe keinen anderen Punkt der zeitlichen Dimension als den Hier-Jetzt Punkt. Das Tier habe zwar ein rückbezügliches System, das Sich, aber es erlebt nicht sich (selbst). Es kann sich selbst nicht vergegenständlichen und aus sich heraustreten. Die vollständige Reflexivität sei dem Tier verwehrt. Nur der Mensch sei zur Reflexivität fähig (Plessner 1965: 289). Die Bedingung, dass Reflexivität möglich sei, sei das Zentrum für Positionalität, die nur der Mensch besitze. Der Mensch muss Distanz zu sich selbst schaffen um sich selbst außerhalb des eigenen Körpers wahrnehmen zu können. Plessner beschreibt es folgendermaßen: „Es hat sich selbst, es weiß um sich und es ist sich selber bemerkbar, darin ist es „Ich““ (Plessner 1965: 290). Der Mensch sei also vergleichbar mit einem Zuschauer seiner selbst. Die Reflexivität lässt zu, dass das Lebewesen eine Kluft zwischen sich und den Erlebnissen setzt (Plessner 1965: 291). Die Spaltung in Außen-, Innenfeld und Mitfeld ist ein Merkmal für das menschliche Sein. Diese drei Ebenen, von wo aus sich der Mensch selbst wahrnehmen kann, kennzeichnen für Plessner die menschliche Positionalität. Das Tier ist gekennzeichnet durch die „Position der Frontalität“ (Plessner 1965: 291). Es lebt als Einheit mit den Sinnenfeldern und Aktionsfeldern, zwar bewusst im eigenen Körper, jedoch bleibt die Existenz außerhalb von sich verborgen. Das Wissen um die eigene Existenz ist beim Tier nicht vorhanden. Nur der Mensch besitzt dieses Wissen. Als Beispiel nennt Plessner hier die existentiellen Probleme des Menschen und setzt es in Verbindung mit der Positionalität. Der Mensch könne aus der Mitte heraustreten um diese Position zu erkennen und zu beurteilen. Dies beschreibt er als Exzentrizität oder als „im Nichts stehen“ (Plessner 1965: 292). Der Umschlag vom Sein innerhalb des Leibes zum Sein außerhalb des Leibes sei ein nicht zurückführbarer Doppelaspekt menschlicher Existenz. Dieser Doppelaspekt sei nur dem Menschen vorbehalten und bedeute gleichzeitig auch einen Bruch seiner Natur. Dieser Doppelaspekt lasse sich nicht aufheben und eine Einheit könne nur zwischen den beiden „Hälften“ des menschlichen Seins vermitteln. Ein „Zurück“ zur Natürlichkeit wie bei anderen Lebewesen sei nicht möglich. Das Individuum im Besitz dieses Wissens kann bei Plessner dann eine Person genannt werden.
Plessner sieht den Menschen zunächst als ein Glied der organischen Welt, in der er eine Sonderstellung hat. Die biologische Unterscheidung zwischen dem Tier und dem Menschen ist grundlegend für seine Anschauung. Den größten Unterschied zwischen Mensch und Tier, sieht er jedoch darin, dass der Mensch seine Verhaltensweisen steuern kann, was Holzhey als biopsychisches Gestalten bezeichnet (Holzhey 2004: 220). Einen Doppelaspekt sieht Plessner beim Menschen, dass er einen Körper hat und dieser zugleich auch ist. Zusätzlich weiß er um seinen Körper und seinen Geist, was er als exzentrische Positionalität benennt. Diese erlaubt dem Menschen sich reflexiv in der Welt wahrzunehmen (Plessner 1965: 290).
II.II Drei Dimensionen der Welt
Die Welt unterteilt Plessner in drei „Dimensionen“, in denen sich der Mensch bewegt. Diese sind die Außen -, Innen - und Mitwelt. Die Außenwelt ist zunächst ein leerer Raum, der eine zeitlich-räumliche Dimension darstellt. Dieser ist mit Gegenständen gefüllt. Der Mensch ist in den Raum hineingesetzt, wobei die Exzentrizität ihm helfe an einer bestimmten Stelle zu stehen und sich zurecht zu finden. Der Körper des Menschen ist unter allen anderen Dingen im räumlich-zeitlichen System zunächst nur ein ausgedehnter Körper.
Die Innenwelt stellt die Welt „im“ Leib dar. Erst mit der Distanz zu sich selbst und dem eigenen Körper könne der Mensch seine Innenwelt erfahren. Es bedeutet, dass der Mensch seine Erlebnisse durch die Innenwelt erst erfährt, verarbeitet und die Seele darauf wirken lassen kann. Dadurch, dass der Mensch seine Gefühle und Gedanken wahrnimmt, kann er seine Gefühlswelt beurteilen („mir zumute sein“) und anhand dessen sich auch in Beziehung zur Außenwelt sehen („etwas sein“) (Plessner 1965: 296). Der Mensch stehe damit „neben sich“, „über sich“ und „hinter sich“ ohne sich zu verlassen. „Er lebt und erlebt nicht nur, sondern er erlebt sein Erleben“ (Plessner 1965: 292). Das bedeutet, dass er über seine Erlebnisse reflektieren kann.
Die „psychische Realität“ vollziehe sich in der Innenwelt. Es gibt die reine Hingenommenheit und die Selbstvergessenheit bis zum versteckt verdrängten Erlebnis. Die Reflexion entstehe durch die Entdeckung der psychischen Realität und ermögliche auch eine Umgestaltung dieser. Im Akt der Selbstschau der eigenen psychischen Realität entstünden Wünsche, wie Verlangen nach Liebe, oder es entstünden Depressionen. Der Mensch sei immer auch Beobachter seiner selbst und könne damit sein Verhalten und seine Handlungen beobachten und beurteilen (Plessner 1965: 297 f.).
Der Mensch könne deshalb in Rollen schlüpfen, schauspielern und sich dessen bewusst sein (Plessner 1965: 298). Dies sei eine fundamentale Spaltung der Existenz und die Wahrnehmung seiner Selbst sei für den Menschen eine Herausforderung. Dies stelle nach Plessner die Herausforderung für den Menschen dar. Der Mensch müsse sich mit seiner Innenwelt auseinandersetzen, mit den Erlebnissen, die er durchmacht und was er währenddessen bemerkt, wie er in seinem Charakter, seinem Temperament und seinen Anlagen nach ist (Plessner 1965: 299). Es gäbe einen radikalen Doppelaspekt zwischen der Seele und dem Vollzug im Erlebnis. Diese sei notwendig für die exzentrische Position. Das „Ich“ ist Besitzer seines Leibes und seiner Seele. Über die Erfahrung komme der Mensch auch auf die Idee, dass es außerhalb seines Ichs auch andere Individuen gibt. Diese nimmt er als Mitwelt wahr. Die Wahrnehmung anderer geschehe eben durch Beschränkung oder Einengung der eigenen psychischen Realität, indem der Mensch bemerkt, dass der Andere ebenso eine Innenwelt besitzt wie man Selbst (Plessner 1965: 301). Die Annahme von anderen ähnlichen Lebewesen oder Menschen beruhe nicht auf Projektion, sondern auf der Vorbedingung der Sphäre der menschlichen Existenz. Der Mensch nehme die anderen auch mit seinen anderen Wesensmerkmalen wahr, seiner eigenen Innenwelt, die dem Menschen verborgen bleibt und kann nur durch sehr verschiedene Arten der Deutung aufgeschlossen werden (Plessner 1965: 301).
Die Mitwelt werde erst durch die exzentrische Form erkannt und zugleich werde auch die Realität gewährleistet (Plessner 1965: 302). Die Garantie der wirklichen Selbsterkenntnis des Menschen liege in der Weise, dass der Mensch auch das „Du, Er, Wir“ erkennt (Plessner 1965: 300).
Die Mitwelt, wie Plessner den Begriff gebraucht, ist nicht gleich nur wie im gängigen Sprachgebrauch die soziale Umgebung des Menschen mit vergangenen und kommenden Generationen gemeint, sondern Lebewesen, die aktuell koexistieren (Plessner 1965: 306). Sodann vergleicht Plessner die Mitwelt beim Tier mit dem des Menschen. Die Mitwelt beim Tier schließe kein Mitverhältnis am Weltlichen, am Weltbewusstsein oder Geist, mit ein (Plessner 1965: 307). Es gäbe zwar eine Mitfeldsphäre im Tierreich, einen Instinkt mit dem das Tier seine Welt wahrnimmt. Jedoch habe nur der Mensch ein Mitverhältnis zu anderen lebenden Formen. Er sehe und erkenne die Einheit des Lebens (Plessner 1965: 308). Das „Ich“ und „Du“ kann in ein verschmelzendes „Wir“ münden, die eine Kollektiventwicklung darstellt. Die Mitwelt sei daher abhängig von der Wahrnehmung des Menschen und seiner Reflektivität der eigenen Position inmitten von anderen Menschen (Plessner 1965: 302). Die Mitwelt trage eine Person und zugleich wird sie auch von der Person getragen und gebildet. Plessner bezeichnet die Welt zwischen den Menschen auch als die „Welt des Geistes“ (Plessner 1965: 303). Das auszeichnende Merkmal der seelischen Existenz der Person sieht Plessner darin, dass der Mensch in Beziehung zwischen seiner Innenwelt und der erlebten Welt stehen kann. In dieser Beziehung entwickelt der Mensch quasi ein Kollektivbewusstsein, die er auch die „Wir-Form“ des eigenen Ich nennt. Die Unterscheidung zwischen Seele, Geist und Bewusstsein erklärt Plessner auch nochmal genau. Die Seele ist die reale Existenz der Person, der Geist ist die eigentümlich geschaffene Positionsform und ist realisiert in der Mitwelt, in der „Wir-Sphäre“, und das Bewusstsein nennt Plessner den Aspekt, in dem die Welt sich durch die exzentrische Position der Person darbietet. Der Mensch selbst werde erst durch seine Mitwelt und seine Exzentrizität zu einer Person. Plessner sieht die Mitwelt auch als „einen Menschen“, als die Kultur, in der Sphäre ein Einander bildet (Plessner 1965: 304). Da Plessner die exzentrische Position für den Menschen als unerträglichen Zustand beschreibt, könne der Mensch dieses nur durch schöpferisches Machen ausgleichen (Plessner 1965: 311). Um den Zwiespalt zwischen dem Sein im Hier-Jetzt und der Exzentrizität zu überwinden, müsse der Mensch seine Existenz durch kulturschaffendes Tun ergänzen. Die Kultur sieht Plessner daher als ein Phänomen an, durch die der Mensch seine „Hälftenhaftigkeit“ kompensieren kann (Plessner 1965: 311).
Das erste anthropologische Grundgesetz, das Gesetz der Künstlichkeit, gibt eine Antwort auf die Frage wie der Mensch seiner Lebenssituation gerecht wird, wenn er um seine exzentrische Position weiß. Die Frage stelle sich jeder Mensch um leben zu können. Plessner bezeichnet den Zustand des Menschen auch „Bewusstsein der konstitutiven Heimatlosigkeit“ (Plessner 1965: 309) des Menschen. Der Mensch versuche häufig auch durch eine starke Bindung an Orte, Familie, Haus oder Ahnen diese zu überdecken. Dadurch, dass der Mensch um sein Bedürfnis nach Gemeinschaft weiß, stehe er dem Tier höher und habe Einfluss auf sein soziales Verhalten. Der Mensch müsse sich aus dem, was er schon ist, noch machen. Diese Daseinsweise sei dem Menschen aufgezwungen und so müsse der Mensch so verbleiben und um diese Position oder Stellung wissen (Plessner 1965: 309). „Der Mensch lebe nur, indem er ein Leben führe“ (Plessner 1965: 310). Der Mensch müsse sein Leben „in die Hand nehmen“, damit er leben kann. Es bedeutet, dass der Mensch Verantwortung übernehmen muss und dies auch weiß. Der Mensch müsse mit dieser Aufgabe leben, da er die Natürlichkeit anderer Lebewesen, wie der Tiere, nicht erlangen könne (Plessner 1965: 310). Er könne nicht direkt leben und ist in seiner Existenzform also „künstlich“. Erst durch schöpferisches Tun erlange der Mensch ein Gleichgewicht um seine exzentrische Position „ertragen zu können“ (Plessner 1965: 311). Die Ergänzungsbedürftigkeit sei also die Ursache für Kultur. Für die Entstehung der Kultur gibt Plessner zwei mögliche wissenschaftliche Ansätze an, den spiritualistischen und den naturalistischen. Der erste Ansatz führt die Entstehung der Kultur auf den Geist zurück. Intelligenz, Bewusstsein und Seele würden zu der natürlichen Ausstattung des Menschen gehören. Der zweite Ansatz besagt, dass die Anlage des Menschen, also seine evolutionsbedingte Intelligenz und sein Bewusstsein die Kultur schaffen. Beim ersteren, wird davon ausgegangen, dass es einen Naturmenschen gab, der dazu gedrängt wurde Intelligenz auszubilden um sich gegen Feinde zu schützen. Da Verteidigungsmittel zur Lebenserhaltung geschaffen werden sollten, werden daher Intelligenz und Handfertigkeit als Ursache für die Kultur gesehen. Eine zweite und negative Auffassung dieses Ansatzes stellt die Eigenschaften als Ergebnis eines lebensgefährdenden Prozesses dar. Die Intelligenz beruhe auf Gehirnparasitismus und damit einer Veränderung der Gehirnstruktur und im Denken (Plessner 1965: 313).
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- Quote paper
- Elvira Reich (Author), 2019, Die Anthropologie Helmuth Plessners. Die Stufen des Organischen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/535894
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