Seit dem Ende des sozialistischen Regimes dehnten sich die bereits bestehenden Spannungen innerhalb der Teilrepubliken der jugoslawischen Föderation aus. Es kam zu Auseinandersetzungen kontroverser und ideologischer Gesichtspunkte. Auch Bosnien und Herzegowina blieb nicht verschont. Nach dem die alte Ideologie des Kommunismus immer mehr an Bedeutung verlor, entfaltete sich der Wunsch nach einem neuen Identifikationsmerkmal. Aufbauend auf dieser Identitätskrise entstand die sogenannte Identitätspolitik, die Mary Kaldor als „Bewegungen [definiert], die ihre Gefolgschaft auf Grundlage ethnischer, rassischer oder religiöser Identität mobilisieren, und zwar zum Zwecke der Erlangung staatlicher Macht.“ Diese Identitätspolitik, in Form des Ethnonationalismus, wurde somit der Gegenstand des politischen Diskurses der damaligen Zeit.
Der Nationalismus, der nun eine Art Wiederbelebung und Auferblühung durchlebte, brachte in einem Land, das einst von der Vielfältigkeit geprägt war enorme Folgen und Probleme mit sich, die zunächst im Krieg mündeten. Jedoch, politisch betrachtet, nie endeten. Symbolische und reale Gewalt gegen die Gesellschaft und den Staat zeichnen die Lage Bosnien und Herzegowinas seit fast 25 Jahren aus. Durch das Friedens-Abkommen von Dayton wurde das Land in seinen Grundzügen gespaltet. So dominieren bis heute ethnonationalistische Parteien die politische Landschaft. Einseitige Geschichten werden in ethnisch getrennten Schulen erzählt und unterrichtet, in der Kultur herrschen nationalistische Motive und die Medienlandschaft ist ethnisch geprägt. Im Wesentlichen sind die wichtigsten Akteure der Sozialisation ethnisch organisiert, und infolgedessen identifizieren sich die Menschen mit ihrer ethnischen Gruppe und nicht als Bürger Bosnien-Herzegowinas.
Die vorliegende Arbeit geht somit der Frage nach, inwiefern die Identitätspolitik nach dem Zerfall Jugoslawiens in Bosnien und Herzegowina zur Zerstörung des ethnischen Pluralismus geführt hat. In anderen Worten, auf welche Weise hat der Ethnonationalismus das Zusammenleben der Menschen unterschiedlicher ethnischer Abstammung erschwert oder sogar zerstört, sodass sich die wenigsten noch mit Bosnien und Herzegowina identifizieren? Allerdings soll im Hintergrund die Frage stehen, ob der ethnische Pluralismus und das Zusammenleben der Menschen wirklich zerstört ist oder wir es nur denken sollen?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Historisch-politischer Kontext
- Zerfall Jugoslawiens
- Die Welle des Nationalismus
- Ethnonationalisierung der bosnischen Bevölkerung vor dem Krieg
- Begriffsverständnis
- Von der gesamtjugoslawischen Krise zur ethnonationalistischen Wendung in Bosnien-Herzegowina
- Religion und Nationalismus
- Identitätsfrage in Bosnien und Herzegowina
- Die drei wichtigsten Konfliktparteien und ihre Interessen
- Nicht-nationalistische Parteien
- Die ersten Mehrparteienwahlen
- Machtinstrumente der politischen Elite
- Krieg als Mittel zum Zweck
- Zerstörung des ethnischen Pluralismus
- Dayton-Abkommen
- Das Washington-Abkommen
- Die Verhandlungen von Dayton
- Der Inhalt des Daytoner Friedensabkommens
- Kritik
- Politisches System: Streit um die staatliche Ordnung
- Spaltung der Gesellschaft
- Bildungswesen
- Soziale Strukturen
- Territoriale Verschiebung
- Kultur
- Dayton-Abkommen
- Kritische Überlegung
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Auswirkungen der Identitätspolitik auf den ethnischen Pluralismus in Bosnien-Herzegowina nach dem Zerfall Jugoslawiens. Sie beleuchtet, wie der Ethnonationalismus das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher ethnischer Herkunft erschwert oder gar zerstört hat. Die Arbeit analysiert die Ursachen der ethnischen Spaltung, die Rolle der politischen Elite, den Einfluss des Krieges und die Folgen des Dayton-Abkommens.
- Ethnonationalismus als treibende Kraft der Identitätspolitik
- Die Folgen des Zerfalls Jugoslawiens und der damit einhergehenden Nationalisierungsprozesse
- Der Einfluss der politischen Elite und die Machtinstrumente der ethnischen Gruppierungen
- Die Zerstörung des ethnischen Pluralismus durch Krieg und staatliche Ordnung
- Die Auswirkungen der ethnischen Spaltung auf das gesellschaftliche Leben in Bosnien-Herzegowina.
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel liefert einen historischen und politischen Kontext, indem es den Zerfall Jugoslawiens und die damit verbundene Welle des Nationalismus beschreibt. Das zweite Kapitel analysiert die ethnonationalistische Wendung in Bosnien-Herzegowina vor dem Krieg, betrachtet das Begriffsverständnis des Ethnonationalismus und beleuchtet die Rolle von Religion und Nationalismus in diesem Prozess. Das dritte Kapitel widmet sich dem Krieg in Bosnien-Herzegowina und seinem instrumentellen Charakter als Mittel der nationalistischen Identitätspolitik. Das vierte Kapitel untersucht die Zerstörung des ethnischen Pluralismus nach dem Krieg, analysiert das Dayton-Abkommen und dessen Folgen, beleuchtet die Spaltung der Gesellschaft in den Bereichen Bildung, soziale Strukturen, territoriale Verschiebung und Kultur.
Schlüsselwörter
Ethnonationalismus, Identitätspolitik, Bosnien-Herzegowina, Zerfall Jugoslawiens, Dayton-Abkommen, ethnischer Pluralismus, politische Elite, Krieg, Segregation, Spaltung der Gesellschaft, Bildung, soziale Strukturen, Kultur.
- Quote paper
- Adelisa Osmanovic (Author), 2019, Ethnonationalismus in Bosnien-Herzegowina, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/534849