Das Traktat "De luce" des damaligen Bischofs von Lincoln, Robert Grosseteste, bietet bis heute Anlass nicht nur zu lichtmetaphysischen Diskussionen. Doch dabei werden Grossetestes Theorien gar nicht immer der Lichtmetaphysik zugeordnet, sondern auch häufig im Zusammenhang mit anderen Disziplinen wie der Naturphilosophie oder der Physik erörtert.
Eine in dieser Abhandlung nachgegangene Frage ist daher, wie diese unterschiedlichen Zuordnungen von "De luce" gerechtfertigt werden. Natürlich muss dafür auch auf das Traktat selbst eingegangen werden und auf das Ziel, das Grosseteste beim Verfassen vor Augen schwebte. Zu offensichtlich ist die Anlehnung an die Schöpfungsgeschichte und dass der Autor seine eigene Version der Schöpfungstheorie präsentiert, nach der das Licht die Dinge geschaffen hat und demzufolge das Licht die Grundlage des Universums ist. Besondere Eigenschaften des Lichtes üben wiederum bestimmte Wirkungen auf die Entstehung des Kosmos und der Dinge aus.
Grosseteste lebte im Mittelalter, einer Zeit, in der das aristotelische Weltbild dominierte. So gesehen, waren seine neuartigen Überlegungen in gewisser Weise revolutionär – und schließlich polarisieren sie die Wissenschaft noch immer. Im Verhältnis zur Entstehung von "De luce" ist der Begriff der Lichtmetaphysik noch sehr jung: 1916 wurde er von Clemens Baeumker geprägt . Gemeint ist mit dem Terminus, dass das Universum aus Licht geschaffen wurde und durch das Licht beeinflusst wird.
Im Anschluss an die Vorstellung des Traktats folgen bekannte Grosseteste-Interpretationen und deren Kernthesen, die auch die Hintergründe von "De luce" erläutern.
Inhalt
1. Einleitung
2. „De Luce“
2.1 Hintergründe
2.2 Allgemeine und besondere Aussagen über das Licht
3. Kritiken
3.1 Das Licht und die Schöpfung
3.2 Eigenschaften des Lichtes
3.3 Das Licht als universalstes Prinzip
3.4 Lichtmetaphysik oder Physik?
4. Schluss
5. Literatur
6. Erklärung
1. Einleitung
Das Traktat „De luce“ des damaligen Bischofs von Lincoln, Robert Grosseteste, bietet bis heute Anlass nicht nur zu lichtmetaphysischen Diskussionen. Doch dabei werden Grossetestes Theorien gar nicht immer der Lichtmetaphysik zugeordnet, sondern auch häufig im Zusammenhang mit anderen Disziplinen wie der Naturphilosophie oder der Physik erörtert.
Eine Frage, welcher diese Hausarbeit nachgehen möchte, ist daher, wie diese unterschiedlichen Zuordnungen von „De luce“ gerechtfertigt werden. Natürlich muss dafür auch auf das Traktat selbst eingegangen werden und auf das Ziel, das Grosseteste beim Verfassen vor Augen schwebte. Zu offensichtlich ist die Anlehnung an die Schöpfungsgeschichte und dass der Autor seine eigene Version der Schöpfungstheorie präsentiert, nach der das Licht die Dinge geschaffen hat und demzufolge das Licht die Grundlage des Universums ist. Besondere Eigenschaften des Lichtes üben wiederum bestimmte Wirkungen auf die Entstehung des Kosmos und der Dinge aus.
Grosseteste lebte im Mittelalter, einer Zeit, in der das aristotelische Weltbild dominierte. So gesehen, waren seine neuartigen Überlegungen in gewisser Weise revolutionär – und schließlich polarisieren sie die Wissenschaft noch immer. Im Verhältnis zur Entstehung von „De luce“ ist der Begriff der Lichtmetaphysik noch sehr jung: 1916 wurde er von Clemens Baeumker geprägt[1]. Gemeint ist mit dem Terminus, dass das Universum aus Licht geschaffen wurde und durch das Licht beeinflusst wird.
Im Anschluss an die Vorstellung des Traktats stelle ich bekannte Grosseteste-Interpretationen vor und deren Kernthesen, die auch die Hintergründe von „De luce“ erläutern, die Quellen, die Grosseteste beeinflusst haben. Die Auswahl der Kritiken lehnt sich an die Präsenzveranstaltung „Etappen der Lichtmetaphysik“ am 14./15. Oktober 2005 in Hagen.
2. „De Luce“
2.1 Hintergründe
„De luce seu inchoatione formarum“ - so lautet der vollständige Titel von Robert Grossetestes Lichttraktat. Es entstand während seiner Amtszeit als Bischof von Lincoln, die 1235 begann. Zahlreiche Quellen unterstützten Grossetestes Forschungen, wie das Alte und das Neue Testament, die Grundzüge des Neuplatonismus, Augustinus sowie auch arabische (al Kindi) und jüdische Philosophien (Ibn Gabriol).
Mit seiner Arbeit verfolgte Grosseteste die Absicht, seine Sicht der Schöpfungstheorie darzulegen, die sich auf das Wesen und die Wirkung des Lichtes stützt: Das Licht sei eine feine körperliche Substanz, die zur Entstehung von Dingen (und auch Welten) führe. Dieses Ziel, in Verbindung mit Aristoteles’ Theorien über das Universum aus dessen Werk „De coelo“, führen dazu, dass „De luce“ durchaus als Naturphilosophie oder Naturwissenschaft der Frühmoderne betrachtet werden kann.
Grossetestes Traktat beginnt mit der Charakterisierung des Lichtes als die erste körperliche Form (corporeitas, forma prima), die zudem dimensionslos ist (McEvoy 2000: 88). Dabei unterscheidet Grosseteste zwischen dem Licht als „forma prima“ (lux) und dem sichtbaren Licht (lumen), das vom Firmament ausstrahlt. In diesem „ersten Licht“ vereinen sich Erkenntnis und Seinsgründe, was Grosseteste veranlasst, mithilfe des Lichtes die verschiedenen Bereiche des Seins zu entschlüsseln. So kann für ihn, wie auch Baur in seiner Grosseteste-Arbeit bemerkt, durch die Eigenschaften und Wirkungsweisen des Lichtes nicht nur die Natur erklärt werden, sondern es ist ebenfalls für die Beziehung von Körper und Seele maßgebend, sogar für physiologische Vorgänge. Auch die Entstehung von Musik und den Tönen bezieht Grosseteste in seine Erläuterungen ein, um die Vielschichtigkeit des Lichtes aufzuzeigen.[2]
Die Ähnlichkeit mit der Trinität ist beim Licht die größte, verglichen mit allen anderen körperlichen Dingen. Weil Gott gemäß Grossetestes Ausführungen Licht ist, lebt er als Trinität (McEvoy 2000: 93). In der körperlichen Natur existiert nichts Feineres als Licht. Daraus schlussfolgert Grosseteste eine Verbindung zwischen dem Licht und der Seele, die er in seinem Hexaëmeron als unkörperlich charakterisiert.
Zu beachten ist, dass Grosseteste seine Lichtphilosophie nie komplett zu einem Gesamtwerk ausgearbeitet hat (McEvoy 2000: 95). Alles, was er über das Licht herausgefunden hat, findet sich in verschiedenen Werken, von denen „De luce“ im Mittelpunkt steht.
2.2 Allgemeine und besondere Aussagen über das Licht
Eine sehr besondere Eigenschaft des Lichtes ist, dass es sich entfalten und in alle Richtungen ausbreiten kann.[3] Es enthält immer auch Energie und ist von Natur aus fähig, sich zu reproduzieren und zu vervielfältigen. Dabei geht die Vermehrung von einem Punkt aus und entwickelt sich in geraden Linien zu einer Lichtkugel, der Sphäre.
McEvoy stellt fest (2000: 92), dass das reproduzierte, „neu“ entstandene Licht zwar das Licht ist, aus dem es kommt – zugleich jedoch auch nicht. Es teilt mit dem „Ursprungslicht“ dieselbe Natur im Sinne von Herkunft, aber unterscheidet sich durch die neue Form(ung), verursacht durch die Reproduktion, von diesem.
Bei der Selbstmultiplikation des Lichtes geht Grosseteste von einer mathematischen Unendlichkeit aus, ohne jedoch zu übersehen, dass diese Vervielfältigung aber trotzdem endlich sein muss, da die Dimensionen der Größe eben nicht unendlich sein können. Deshalb kann das Licht die Materie nur bis zu einem gewissen Umfang ausdehnen, was Grosseteste ebenfalls durch ein mathematisches Argument untermauert. Dabei bedient er sich Aristoteles, der davon ausging, dass ein einfaches Ding durch endliche Multiplikation nicht zu Quantität führen könne. Wird ein einfaches Ding unendlich multipliziert, so muss dies eine begrenzte Quantität ergeben, und die Größe, die dadurch entsteht, muss somit ebenfalls endlich sein und ein einfaches Ding unendlich übertreffen (Grosseteste/Baur 1912: 11).
[...]
[1] „The term ‘metaphysics of light’ was coined by Clemens Baeumker in 1916 and has been employed widely, through not uncontroversially, ever since. It designates a whole circle of themes (…).” (McEvoy 2000: 87)
[2] „Ja selbst das Verhältnis von Leib und Seele, die physiologischen Funktionen der Sinnesorgane, die Erkennntis, wollen verständlich gemacht sein mittels der Natur und der Funktion des Lichtes.“ (BAUR, 1913: 42f.)
[3] „(…) quod lux multiplicatione sua infinita extendit materiam in dimensiones finitas minores et dimensiones finitas maiores secundum quaslibet proportiones se habentes ad invicem (…).“ (Grosseteste/Baur 1912: 12)
- Quote paper
- Carla Hermges (Author), 2005, Der Status des Lichtes in Robert Grossetestes Lichttraktat, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/53287
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