Die Globalisierung, also die weltweite Öffnung und Integration von Märkten, drückt sich unter anderem in einem wachsenden globalen Wettbewerb zwischen Unternehmen aus. Die durch diesen Wettbewerb verkürzten Produktlebenszyklen verursachen den Unternehmen beispielsweise hohe Kosten z.B. für Forschung und Entwicklung. Aufgrund des harten Wettbewerbsdrucks sind die Gewinnmargen häufig niedrig, die angestammten Märkte werden enger und so bleibt nur die Möglichkeit, durch die Einführung immer neuer Produkte, die Gewinnung zusätzlicher Marktanteile und die Eroberung neuer Märkte die Gewinne zu steigern.
Um jedoch strategische Vorteile gegenüber Mitbewerbern im Wettbewerb realisieren zu können, ist es nötig, über deren aktuelle und geplante Aktivitäten so genau wie möglich Bescheid zu wissen. Ein aus dem Bereich der politischen und militärischen Spionage (engl.: intelligence) während des Kalten Kriegs angepasster Prozess des Sammelns und Auswertens von Informationen über Wettbewerber nennt man heute ‚competitive intelligence‘ (CI) oder ‚competitive analysis‘. Sie dient als Ausgangspunkt für diese Arbeit, indem sie unter einem Wissensmanagement-Ansatz betrachtet wird.
Die einem CI-Ansatz eigentlich vorausgehende Wettbewerbs - Analyse soll im Rahmen dieser Arbeit ausgeklammert bleiben. Zwar ist auch die Wettbewerbsanalyse als Bestandteil einer CI - Strategie zu sehen, sie wird auch entsprechend eingeordnet werden. Doch im speziellen Fall soll auf eine bereits bestehende Liste direkter Wettbewerber als Resultat einer früheren Analyse zurückgegriffen werden. Ein Ansatz des Benchmarking von CI - Prozessen durch Kennzahlen soll im Rahmen dieser Arbeit ebenfalls ausgeklammert werden, da er hier zu weit führen würde. Die Arbeitsprozesse in dem diesem Beispiel zugrunde liegenden Wirtschaftsforschungs- und Beratungsumfeld ist zudem extrem wenig standardisiert, was die Vergleichbarkeit durch Benchmarking - Kennzahlen extrem schwierig macht.
Bei Ansätzen des Wissensmanagements steht eine gesteigerte Beachtung des Wissens gegenüber der Information im Zentrum der Betrachtung. Wissen, z.B. in den Köpfen von Mitarbeitern als Know-How repräsentiert, wird als kostbare Ressource betrachtet, mit der systematisch umgegangen, die also mit Managementmethoden angegangen werden muss. Die rasche Umwandlung von Information in Wissen und dessen effektive Nutzung ist daher heute als wichtiger Erfolgsfaktor für Unternehmen zu betrachten.
[...]
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung
1.1 Themenumfeld und -abgrenzung
1.2 Motivation und Relevanz des Themas
1.3 Ziele und Gang der Darstellung
2 'Knowledge Management' und 'Competitive Intelligence'
2.1 Information und Wettbewerb
2.2 Begriffsumfeld und -definitionen
2.3 Knowledge Management
2.4 Competitive Intelligence
2.5 Ein KM-Ansatz für das Wissen über Wettbewerber
3 Ein Wissensmanagement-Ansatz des CI – Prozesses
3.1 Das Wettbewerbsumfeld des Beispielunternehmens
3.2 Ein allgemeines Vorgehensmodell
3.3 Ein konzeptioneller Ansatz für Wettbewerbsdaten
4 Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einführung
1.1 Themenumfeld und -abgrenzung
Die Globalisierung, also die weltweite Öffnung und Integration von Märkten, drückt sich unter anderem in einem wachsenden globalen Wettbewerb zwischen Unternehmen aus. Die durch diesen Wettbewerb verkürzten Produktlebenszyklen verursachen den Unternehmen beispielsweise hohe Kosten z.B. für Forschung und Entwicklung. Auf-grund des harten Wettbewerbsdrucks sind die Gewinnmargen häufig niedrig, die ange-stammten Märkte werden enger und so bleibt nur die Möglichkeit, durch die Einführung immer neuer Produkte, die Gewinnung zusätzlicher Marktanteile und die Eroberung neuer Märkte die Gewinne zu steigern.
Um jedoch strategische Vorteile gegenüber Mitbewerbern im Wettbewerb realisieren zu können, ist es nötig, über deren aktuelle und geplante Aktivitäten so genau wie möglich Bescheid zu wissen. Ein aus dem Bereich der politischen und militärischen Spionage (engl.: intelligence) während des Kalten Kriegs angepasster Prozess des Sammelns und Auswertens von Informationen über Wettbewerber nennt man heute ‚competitive intelligence‘ (CI) oder ‚competitive analysis‘. Sie dient als Ausgangspunkt für diese Arbeit, indem sie unter einem Wissensmanagement-Ansatz betrachtet wird.
Die einem CI-Ansatz eigentlich vorausgehende Wettbewerbs - Analyse soll im Rahmen dieser Arbeit ausgeklammert bleiben. Zwar ist auch die Wettbewerbsanalyse als Be-standteil einer CI - Strategie zu sehen, sie wird auch entsprechend eingeordnet werden. Doch im speziellen Fall soll auf eine bereits bestehende Liste direkter Wettbewerber als Resultat einer früheren Analyse zurückgegriffen werden. Ein Ansatz des Benchmarking von CI - Prozessen durch Kennzahlen soll im Rahmen dieser Arbeit ebenfalls ausge-klammert werden, da er hier zu weit führen würde. Die Arbeitsprozesse in dem diesem Beispiel zugrunde liegenden Wirtschaftsforschungs- und Beratungsumfeld ist zudem extrem wenig standardisiert, was die Vergleichbarkeit durch Benchmarking - Kennzah-len extrem schwierig macht.
Bei Ansätzen des Wissensmanagements steht eine gesteigerte Beachtung des Wis-sens gegenüber der Information im Zentrum der Betrachtung. Wissen, z.B. in den Köp-fen von Mitarbeitern als Know-How repräsentiert, wird als kostbare Ressource betrach-tet, mit der systematisch umgegangen, die also mit Managementmethoden angegangen werden muss. Die rasche Umwandlung von Information in Wissen und dessen effektive Nutzung ist daher heute als wichtiger Erfolgsfaktor für Unternehmen zu betrachten. Als Folge dieser Einsicht sind Ansätze entstanden, die Nutzung der Ressource Wissen in Organisationen systematisch zu planen und zu steuern, die allgemein unter dem Label ‚Wissensmanagement‘ bzw. ‚knowledge management‘ (KM) diskutiert werden.
Wie hier gezeigt werden soll, ergibt sich aus einer Reihe von substanziellen Umschich-tungen im beruflichen Umfeld von Informationsvermittlern eine Verschiebung ihres Tä-tigkeitsprofils. Dies wirft u.a. die Notwendigkeit auf, sich auf neuen Tätigkeitsfeldern zu positionieren.
Die 'Wissensrevolution' kann daher nicht zuletzt eine Chance für Informationsvermittler sein, Dienstleistungen nicht nur des Suchens, Selektierens und Speicherns von Infor-mation zu bieten, sondern Dienste mit größeren „informationellen Mehrwerten“ [Kuhlen 1995, 34], anbieten zu können. Die Verschiebung des Profils von Informationsspezia-listen hin zu stärker beratenden und konzeptionellen Tätigkeiten im organisationalen Umfeld wird als Chance zur Weiterentwicklung des Berufsbildes gesehen. In diesem Kontext, der Entwicklung eines vorkonzeptuellen Ansatzes für ein betriebliches Wis-sensmanagement, steht diese Arbeit.
1.2 Motivation und Relevanz des Themas
Allgemein ist zunächst die „universale Durchdringung der Alltags- und professionellen Welten mit multimedialen und vernetzten Informationsmaschinen...“ festzustellen, die in Anlehnung an den inzwischen gebräuchlichen Begriff „Telematisierung“ um eine multi-mediale Komponente erweitert, als „Telemediatisierung“ (Telekommunikation, Multime-dia und Informatik) bezeichnet wurde [Kuhlen 1999, 77 und 105]. Diese Omnipräsenz von Informationstechnologie (IT) wird heute gelegentlich auch als ‚pervasive computing‘ bezeichnet:
„Computing is no longer a discrete activity bound to a desktop; pervasive computing is fast becoming a part of everyday life.“ [IBM 2000]
Kennzeichnend für dieses Konzept ist zum einen die Idee vom Computer in alltäglichen Gebrauchsgegenständen. Zum Anderen beinhaltet ‚pervasive computing ‘ aber auch die Idee vom Verschwinden bzw. Transparent werden der komplexen Informationstechnik.
Das Ausschöpfen von Rationalisierungspotentialen durch den Einsatz von IT machte diese zum Wettbewerbs- und damit Erfolgsfaktor für Unternehmen und beeinflusste da-durch auch die weitere Entwicklung von Marktstrukturen. Seit dem Aufkommen des Online-Banking wurde z.B. - zunächst im Bereich der Finanzwirtschaft - vermehrt das Phänomen der ‚Disintermediation‘ diskutiert, womit ursprünglich der Trend beschrieben wurde, Investments zunehmend ohne die Mitwirkung einer Bank oder anderer Mittler-instanzen zu tätigen [Allen 1996, 29].
Im Grunde beschreibt ‚Disintermediation‘ damit ein Phänomen, das durch die immer breitere Nutzung des Internet zunehmend evident wird: Klassische Mittlerfunktionen scheinen auf allen Ebenen durch das Entstehen „komparativer Mehrwerte“ [Kuhlen 1996, 90] elektronischer Märkte obsolet zu werden, wodurch traditionelle Konfigura-tionen von Wertschöpfungsketten auseinanderbrechen. So ist z.B. zu erwarten, dass der herkömmliche Einzelhandel als Intermediär zwischen Großhandel und Endverbrau-cher durch den Internet-Handel zumindest stark einbrechen wenn nicht gar abgelöst werden wird [Kuhlen 1999, 189], sollte sich der ‚e-commerce‘ erst auf breiter Front durchsetzen.
Ähnlich wie auf den Märkten für physische Wirtschaftsgüter das Internet also Mittler-funktionen auszuschalten scheint, ist dieser Trend zur Disintermediation auch im Be-reich der Dienstleistung, wie z.B. der Informationsvermittlung, erkennbar. Er wurde in den letzten Jahren zunehmend hinsichtlich seiner Gefahren, aber auch seiner Chancen und neuen Herausforderungen für Informationsspezialisten diskutiert; z.B. bei [Allen 1996], [Kinghorn 1996], [Griffiths 1997] oder [Broadbent 1998]. Im deutschsprachigen Raum wurde das Phänomen mit etwas Zeitverzug, auch mit Blick auf die Chancen be-sonders bei [Herget et al 1999] und [Kuhlen 1999] diskutiert. Auch Untersuchungen wurden zur Frage der Auswirkungen der Disintermediation auf das berufliche Umfeld von Informationsvermittlern durchgeführt. Gar einen Szenario-Ansatz zur Prognose der weiteren Entwicklung der Disintermediation bis ins Jahr 2010 stellt z.B. [Edwards et al 1996] vor.
Durch die neuen Möglichkeiten von Endanwendern, sich über verhältnismäßig einfach zu benutzende Informationssysteme mit graphischen Oberflächen Zugang zu Informa-tionen zu beschaffen, die vorher nur über personale Mittler zugänglich waren, durch den an nahezu jedem Arbeitsplatz zur Verfügung stehenden Internet-Zugang und nicht zuletzt zukünftig durch die „selbständig operierenden technischen Assistenten“ sind speziell die „Mittlerformen“ durch eine „doppelte Bedrohung“ von der Telemediatisierung der Märkte betroffen [Kuhlen 1999, 188f] und drohen zunehmend obsolet zu werden. Ebenso bewirken auch politische Zielsetzungen, wie z.B. die Umsetzung des Program-mes ‚Information als Rohstoff für Innovation‘ (1996-2000) der Bundesregierung, dass Fachwissenschaftler bereits im Rahmen der Ausbildung qualifiziert werden, elektroni-sche wissenschaftlich-technische Information in Datenbanken selbständig und ohne zwischengeschaltete Informationsvermittler zu nutzen [bmb+f 1996, 65ff].
Disintermediation ist daher zunächst als reale Bedrohung anzusehen. Für Informations-vermittler bedeuten diese Veränderungen nämlich, dass einige klassische Kern-Tätig-keitsgebiete für sie wegbrechen bzw. nicht mehr nachgefragt werden. Es handelt sich z.B. um einfachere Recherchen in Online- oder Inhouse-Datenbanken und Profildienste wie SDI, die, einmal eingerichtet, weitgehend ohne das Zutun von Informationsspezia-listen funktionieren. Das Internet bietet zudem eine Vielzahl von werbefinanzierten, ein-fach zu abonnierenden Spezial-Newslettern, die dabei helfen, über ein Thema auf dem Laufenden zu bleiben.
Kennzeichnend für den Prozess der Disintermediation ist allerdings auch, dass nicht alle Vermittlerinstanzen durch sie gleichermaßen angreifbar sind. Vor allem negativ, also durch Verdrängung betroffen, scheinen diejenigen Mittler zu sein, die einen ver-gleichsweise geringen Mehrwert durch ihre Leistungen schaffen. Kinghorn zitiert in die-sem Sinne eine Studie von Arthur D. Little und der Giga Information Group, die sich mit den Auswirkungen des 'electronic commerce' auf den Handel befasste, und wendet diese Erkenntnis auf die Disintermediation im Bereich der Informationsvermittlung an [Kinghorn 1996, 365].
Obwohl sie in vielen Unternehmen bereits ein Faktum ist, darf die Endnutzer-Recherche allerdings nicht ganz kritiklos gesehen werden: Die Frage der Informationsqualität und –effektivität wird dabei nämlich meist nicht thematisiert und es zeigt sich einmal mehr, dass zu einer effektiven Recherche nicht nur Zugang zu möglichst viel Informations-quellen benötigt wird, sondern trotz einfach zu bedienender Suchsysteme ebenso aus-reichende Quellen- und Methodenkenntnisse benötigt werden, um zum einen erfolg-reich zu suchen und zum Anderen die gefundene Information z.B. hinsichtlich der Zuverlässigkeit und Vollständigkeit der Quellen und vielem mehr bewerten zu können. Bei der Endnutzer-Recherche muss man daher in vielen Fällen schlicht von einer fal-schen Verwendung der Arbeitszeit sprechen, da hochbezahlte Mitarbeiter ihre eigent-lichen Aufgaben auf ganz anderen Feldern haben:
„The longer it takes an end-user to find what they are looking for, the longer they are not performing their key function...“ [Kinghorn 1996, 364].
Gleichzeitig wächst die Menge des publizierten Wissens – auch durch die niedrige Publikationsschwelle des Internet – weiter explosiv an. Nun ist jedoch zu diagnostizie-ren, dass nicht einmal mehr die heute zur Verfügung stehende Technologie die gewalti-gen Datenmengen sinnvoll erschließen kann: Auch die mächtigsten Suchmaschinen sind mit der Indexierung der Webseiten des Internet überfordert. Der ‚ information overflow‘ in Gestalt ungefilterter und unbewerteter Information trifft den selbst recher-chierenden Endnutzer daher häufig ohne Vorbereitung und der Entscheider wird an-gesichts der unübersehbaren Menge an Information entweder handlungsunfähig, ent-scheidet in der Unübersichtlichkeit letztlich ganz ohne Information rein aufgrund seiner Intuition und verlässt sich dabei eventuell auf falsche (unbewertete) Information. Mögli-cherweise können fortgeschrittene ‚technische Informationsassistenten‘ hier mittelfristig einen Ausweg anbieten [Kuhlen 1999]. Die Rolle für Informationsvermittler in diesem Szenario könnte in einer Vorauswahl von Quellen und der Beratung und Schulung von Endnutzern hinsichtlich Methoden und Werkzeugen liegen.
Einen zunächst definitorischen ‚Ausweg‘ aus der Krise bietet Urs Naegeli an, indem er postuliert, es handle sich nicht eigentlich um einen Trend zur Ausschaltung von Mittler-funktionen, sondern um eine Verschiebung hin zur technikgestützten Intermediation. Bei der Definition der Disintermediation setzt er beim Begriff an: “Ent-Vermittlung, die Aus-schaltung des Intermediums” und schließt daraus, es gehe nicht um eine „Abschaffung der Vermittlung an sich“, sondern um „die Ersetzung des Menschen durch die Maschine zur Vermittlung von Dienstleistungen...“ [Naegeli 1999, 32], also um eine Substitution menschlicher durch elektronische Mediation. Das ist sicher richtig, bietet aber noch kei-nen Weg für Informationsspezialisten, trotz der Verzichtbarkeit menschlicher Mittler-funktionen weiterhin wertvolle Beiträge zum Erfolg ihrer Organisationen zu leisten. Diese Möglichkeit steckt erst in der Antithese bzw. Gegenbewegung zur beschriebenen Disintermediation, der „re-intermediation“ [Kinghorn 1996, 363; Griffiths 1997, 297], etwa zu beschrieben als ‚professionelle Informationsvermittlung mit Mehrwert‘.
Wie auch immer sich die Disintermediation in einer konkreten Organisation auswirken mag: Aus diesen Veränderungen ergeben sich die Notwendigkeit und die Chance, die Tätigkeitsgebiete von Informationsvermittlern teilweise neu zu definieren und vor allem neue strategische Geschäftsfelder zu besetzen. Wegbrechende Kern-Arbeitsgebiete können Anlass für Informationsspezialisten sein, die lange beschworene ‚Professiona-lisierung des Berufsbildes‘ jetzt systematisch anzugehen. Baustein dieser Professio-nalisierung der Informationsvermittlung kann die bisher noch weithin fehlende Anwen-dung klassischer Managementtechniken und –strategien in der Informationsarbeit, also z.B. die professionelle strategische Planung und Analyse von Geschäftsprozessen, die systematische Beobachtung des Marktumfeldes, die Beteiligung an der Entwicklung strategischer Ziele etc. sein.
Das Gabler Wirtschaftslexikon bezeichnet „Strategisches Management“ als „...Gesamtheit von Ideen, Regeln, Theorien, Prinzipien, Hypothesen usw...“ [Gabler 1992, 3178], welche die Führungsphilosophie eines Unternehmens ausmachen. Die Betonung von Managementstrategien liegt dabei also auf einer rationalen, voraus-schauenden Planung der Entwicklung eines Unternehmens. Dieser strategische Ansatz steht jedoch dem in vielen betrieblichen IuD - Abteilungen noch üblichen Verhalten einer rein pragmatisch geleiteten Reaktion auf gegebene Situationen diametral entge-gen.
Eine aussichtsreiche Abwehrmaßnahme gegen die Disintermediation unter den Vorzeichen einer Re-Intermediation ist nach meiner Einschätzung das Entwickeln und Anbieten von Dienstleistungen, die einen höheren Wertschöpfungshub und damit Nut-zen beinhalten. Durch die oben genannte Befreiung von Routineaufgaben und einfa-cheren Arbeiten gewinnen Informationsvermittler Freiraum, um z.B.
- den Informationsmarkt systematischer als bisher zu beobachten, um laufend neue Informationsquellen zu erschließen und aktuelles Wissen über die Beschaffenheit und Qualität von Quellen zu sammeln. Mit diesem Marktwissen sind sie für selbst recherchierende Endnutzer interessante Beratungs- und Schulungspartner (Endnutzer-Coaching).
- durch die inhaltliche Analyse von Rechercheergebnissen wertvollere und weitgehendere Beiträge zur Projektarbeit in Unternehmen zu leisten. Alleinige Bereitstellung von Informationen scheint als Handlungsmuster nicht mehr ausreichend zu sein.
- bei der Entwicklung von Unternehmensstrategien substanzielle Beiträge hinsichtlich Informationsquellen und Informationsprozessen beizusteuern.
- eine Informationsmanagement-Strategie entlang von Strategien und Wertschöp-fungsketten der eigenen Organisation selbst zu entwickeln und zu verfolgen (Zielgruppenbestimmung, Bedarfsermittlung, Qualitätsmanagement, Erprobung unternehmensinterner und unternehmensübergreifender Kooperationsformen, internes Informationsmarketing, Informationscontrolling etc.).
- bei der Entwicklung von Informationssystemen Informations-Prozesswissen, aber auch das Wissen über Informationsinhalte beizusteuern und damit entscheidenden Einfluss auf die technische Ausgestaltung von Informationssystemen zu nehmen (Intranets, Datenbanken etc.).
- die Entwicklung von Informationsstrategien in ihren Organisationen anzustoßen und aktiv mitzugestalten. Beispiele sind der in dieser Arbeit behandelte ‚Competitive Intelligence‘ - Ansatz (systematische Beobachtung des Wettbewerbs- und Markt-umfeldes) und ein organisationsübergreifendes ‚Wissensmanagement‘, in das sie z.B. Kenntnisse bezüglich externer Informationsquellen und interner Informations-ströme und Wissensquellen mit einbringen können.
Bei zunehmender Übernahme der Mittlerfunktionen durch technische Informationsassis-tenten geht nach Rainer Kuhlen die menschliche Autonomie zunehmend verloren. Das hier entstehende Vertrauensproblem ist, wie Kuhlen zeigt, nicht durch geeignete Me-chanismen der Systeme selbst gelöst [Kuhlen 1999]. Die Bildung von Vertrauen durch „Vertrauensübertragung“ [Kuhlen 1999, 38] ist daher möglicherweise ebenfalls eine Perspektive für Informationsvermittler. Grundlage dieses Vertrauens in technische Informationsassistenten über das Vertrauen zu personalen Informationsvermittlern könnten die positiven Erfahrungen der Nutzer mit der Professionalität und Seriosität menschlicher Informationsvermittler sein. Gleichzeitig könnten Informationsvermittler durch ihre beratende Tätigkeit vertrauensstabilisierend wirken, indem sie die Funktionen von technischen Informationsassistenten teilweise transparenter werden lassen.
Bei näherer Betrachtung ist daher gerade die Disintermediation als Chance zu begrei-fen, Dienstleistungen zu entwickeln und anzubieten, die für Kunden einen wesentlich höheren Wert als die reine Beschaffung von Information besitzen. Die Bedeutung und der Wert von Informationsspezialisten kann dadurch für Organisationen noch weiter wachsen. Außerdem ist es ein Anstoß, das Berufsbild und Qualifikationsprofil von In-formationsvermittlern positiv weiterzuentwickeln. Informationsvermittler können durch eine klare Positionierung in diesen Tätigkeitsfeldern die Bedeutung, die den wettbe-werbskritischen Ressourcen Information und Wissen in Organisationen zukommt, auch für Ihr eigenes Tätigkeitsfeld in Anspruch nehmen.
Das Heraustreten der vielerorts noch in ‚selbstgewählter Einsamkeit‘ verharrenden In-formationsspezialisten an die Organisationsöffentlichkeit und der Wandel zu proaktiven Mitgestaltern der Organisation ist dafür unverzichtbar, denn gerade die Informations-vermittlung muss, um positiv wahrgenommen zu werden, eine wirksame Öffentlichkeits-arbeit betreiben, um den Nutzen ihrer Arbeit kommunizieren zu können. Hier werden Schnittstellen und Konkurrenzen mit der Arbeit der Informatik sichtbar, die es für Infor-mationsfachleute umso wichtiger erscheinen lassen, sich gegenüber der Informatik, die für technische Lösungen zuständig ist, als Spezialisten für Fragen der Informations in-halte zu positionieren. Dabei aber auf eine ‚Einladung‘ zu warten, dürfte allerdings in den wenigsten Fällen zum Erfolg führen:
Wenn IuD nicht selbst eingeladen werden, einen Beitrag zu leisten, “...so kann ich ihnen nur raten, sich einzumischen, bevor das Knowledge Management wie schon andere Gebiete ähnlicher Natur wieder zu einer Abart der Informatik wird...” [Naegeli 1999, 39f].
Diese Arbeit folgt damit einerseits den Gegebenheiten der Praxis, da sich IuD - Spezia-listen durchaus schon ihre berechtigte Beteiligung an Wissensmanagement - Projekten erkämpft haben. Der in dieser Arbeit gewählte Ansatz steht aber andererseits auch im Gegensatz zur weit verbreiteten Praxis, in Wissensmanagement-Projekten vorwiegend IT - Projekte zu sehen. Hier wird ein vor allem auf der Einführung neuer Prozesse basierender Wissensmanagement - Ansatz verfolgt, der zudem mit verhältnismäßig geringem Technikeinsatz zu realisieren ist.
Dass sich das Marktumfeld im Bereich der Informationswirtschaft offensichtlich drama-tisch ändert, ist in den letzten Jahren auch am Marktverhalten der klassischen Daten-bankanbieter zu beobachten. Das Phänomen des Auftretens einer zunehmenden Zahl an ungeschulten Endusern, die, ohne eine klassische IuD - Ausbildung zu besitzen, als direkte Recherchekunden auftreten, zwingt die Hosts zur Neupositionierung. Sie haben sich seit der massenhaften Nutzung des Internet mit einer zunehmenden Zahl von Kun-den auseinander zu setzen, die als eher sporadische Nutzer mehr Schulung und Unter-stützung benötigen und einfacher zu benutzende, z.B. formularbasierte Recherchewege über das WWW, wünschen. In der Folge ist daher zu erwarten, dass auch der Druck zur Veränderung von Preismodellen wächst, die bisher auf verhältnismäßig wenige Viel-nutzer ausgerichtet sind und z.B. jährliche Mindestumsätze, Grundgebühren etc. vorse-hen.
Die Hosts etablieren sich durch diese Entwicklung zunehmend als Dienstleister, die sich stärker durch Kundenberatung und -schulung und die Planung und Realisierung kom-pletter Intranet-Lösungen im Zusammenhang mit ihren Datenbanken profilieren und sich damit teils auch als Software-Anbieter positionieren. Ein Beispiel für diese Repo-sitionierung von Hosts ist der Datenbankanbieter DIALOG (http://www.dialog.com).
Gleichzeitig gibt es seit kurzer Zeit, ebenfalls durch das Internet und seine verhältnis-mäßig niedrigen Markteintrittsbarrieren ausgelöst, einen Trend zur Verlagerung von Informationsangeboten weg vom klassischen Host, hin zur eigenständigen Vermarktung von Informationsangeboten durch Produzenten über das Internet. Schon vor Jahren etablierte sich die Financial Times Group durch den Aufbau von FT Profile als eigen-ständiger Datenbankanbieter, wurde jetzt allerdings, mit dem Übergang von FT Profile an den Datenbankanbieter Lexis-Nexis wieder in einen klassischen Host eingegliedert.
Erst in jüngster Zeit zog Hoppenstedt seine Firmenprofildatenbanken von den Hosts ab, um sie selbst über das Internet zu vermarkten; ebenso Kompass Datenbanken und der Seibt Verlag. Die Spannung im Markt zeigt sich auch durch häufigeres Auftreten von Kooperationen wie sie erst kürzlich der Wirtschaftsdienst 'Dow Jones‘ und die Nachrich-tenagentur ‚Reuters‘ in einem Joint-Venture unter dem Namen ‚Factiva‘ (http://www.factiva.com) vollzogen haben.
Die Aufgabe des Host-Prinzips als Kristallisationspunkt für die Informationssuche würde als langfristiger Trend von der Nutzerseite aus gesehen zu einer starken Zersplitterung des Informationsmarktes führen. Die traditionelle Host-Struktur mit einem verhältnis-mäßig homogenen Datenbank-Angebot droht aufzubrechen. Noch wichtiger für erfolg-reiche Recherchen wird dann eine genaue Informationsmarkt- und Quellenkenntnis durch eine systematische Marktbeobachtung und eine kontinuierliche Recherchetätig-keit. Diese Entwicklung widerspräche teilweise der Disintermediationsthese von Infor-mationsvermittlungsleistungen, sind hier doch wieder stärker die Erfahrungen von Intermediären gefragt.
1.3 Ziele und Gang der Darstellung
Zunächst wird die Rolle von Information und Wissen im wirtschaftlichen Wettbewerb dargestellt, was die Grundlage für die systematische Beschaffung von Information über Wettbewerber (competitive intelligence) legt.
Anschließend sollen wichtige Begriffe wie ‚Informationsmanagement‘, 'Informationsres-sourcenmanagement' und 'Organisationales Lernen‘ in ihren Bezug zum Wissensmana-gement gestellt werden. Die anschließende Darstellung der Konzepte 'Wissensmana-gement' und ‚competitive intelligence' dient der Vorbereitung der Bearbeitung des Themas.
Als Ausgangspunkt für den hier praktizierten Ansatz dient zum einen der vierstufige „intelligence cycle“ [Kahaner 1997, 285] zur Implementierung eines CI - Prozesses in Organisationen und zum Anderen das Modell der „Wissensmanagement-Bausteine“ nach Probst [Probst et al 1999, 53]. Die Sicht auf die Probstschen Wissensmanage-ment-Bausteine als Prozessmodell dient dabei als äußerer Strukturierungsrahmen des zu entwickelnden Vorgehensmodells. Entlang der Analyse der einzelnen Vorgehens-phasen sollen mögliche Informationsquellen genannt, praktische Beispiele aus einem Wirtschaftsforschungsunternehmen aufgezeigt und das Vorgehensmodell dabei Schritt für Schritt entwickelt werden.
Das am Ende dieser Arbeit dann entstandene allgemeine Vorgehensmodell für die Ein-führung eines ‚Wettbewerber-Wissensmanagements‘ soll ausreichend konkret sein, um erste Erfahrungen mit der Konzeptualisierung von Wissensmanagement - Ansätzen und mit den Begrenzungen und Schwierigkeiten, aber auch den Möglichkeiten von Konzep-ten des Managements von Wissen über Wettbewerber sammeln zu können. Ziel ist der spätere Ausbau dieser Grundlagen zu einem ganzheitlichen Ansatz für ein Wissens-management - Konzept in einem Wirtschaftsforschungs- und Beratungsunternehmen.
Zwar wird die gewählte Strategie, der das hier beschriebene Vorgehen folgen wird, überwiegend eine Kommunikationsstrategie sein, doch wird in bestimmten Bereichen auch Informationstechnik zum Einsatz kommen. Wo das vorgesehen ist, sollen am Ende dieser Arbeit auch erste Grundlagen zur Verwaltung der gesammelten Informa-tionen in Form einer Identifikation zentraler Wissensobjekte stehen.
Das am Ende dieser Arbeit stehende Modell ist noch kein Konzept im Sinne einer direk-ten Implementierungsfähigkeit, sondern besitzt vorkonzeptuellen Charakter. Dies hat zum einen den Grund, dass noch keine notwendigen Voraussetzungen (z.B. ein vorlau-fendes Information Audit) existieren, aufgrund derer ein konkretes Konzept entwickelt werden könnte. Zum Anderen sollte gerade ein Wissensmanagement-Konzept unter intensiver Beteiligung der späteren Nutzer entwickelt werden, da die Akzeptanz hier der eigentliche Knackpunkt ist. Diese Beteiligung kann hier jedoch nicht hergestellt werden, da es, wie erwähnt, kein entsprechendes vorlaufendes oder begleitendes Projekt gibt.
Diese Arbeit ist durch meine berufliche Praxis als Informationsspezialist (Information Research / Information Management) in einem mittelständischen Wirtschaftsforschungs und Strategieberatungsunternehmen motiviert. Durch die proaktive Entwicklung eines Konzeptansatzes zur Einführung eines Wissensmanagements soll die Chance wahrge-nommen werden, auf die Innovations- und Leistungspotentiale der innerbetrieblichen Informationsvermittlung (IuD) gegenüber der Geschäftsleitung aufmerksam zu machen. Die Informationsvermittlung will dadurch ihren Anspruch auf eine aktive Mitgestaltung von Leistungserstellungsprozessen im Unternehmen eindeutig dokumentieren.
"If a little knowledge is dangerous,
where is the man
who has so much to be out of danger."
Thomas Henry Huxley
“We are drowning in information
but starved for knowledge.”
John Naisbitt
2 'Knowledge Management' und 'Competitive Intelligence'
2.1 Information und Wettbewerb
Eine wichtige Begleiterscheinung der Globalisierung, also der globalen Öffnung und Integration von Märkten, ist die Ausweitung und Verschärfung des Wettbewerbs zwi-schen Unternehmen und des Standortwettbewerbs zwischen Staaten. Bisherige Markt-grenzen, wie Nationalstaaten, stellen kaum mehr ein Hindernis dar, da sich infolge der weltweiten Liberalisierung von Güter- und Kapitalmärkten der Abbau von Handels-barrieren, wie Zollschranken oder Kapitalverkehrsbestimmungen, zunehmend durch-setzt. Dies geschieht vor allem in der Hoffnung auf die Erweiterung von Möglichkeiten der eigenen Wirtschaft, auf ausländische Märkte zu expandieren und so Arbeitsplätze im eigenen Land zu sichern. Informationstechnologie erleichtert zusätzlich die Mobilität von Information und Kapital. Fast jedes Unternehmen versucht nun, sich auf möglichst vielen Märkten seines Segmentes zu etablieren, um Absatz und Gewinn zu steigern. Die Folge ist ein wachsender globaler Wettbewerb zwischen Unternehmen, verbunden mit härtestem Preisdruck, der die Gewinnmargen in Teilbereichen gegen Null treibt, nur um Marktanteile halten zu können. Die durch harte Konkurrenz und damit steigenden Preisdruck gekennzeichneten Märkte werden enger und so bleibt nur die Möglichkeit, durch die Einführung immer neuer Produkte, die Gewinnung zusätzlicher Marktanteile und durch die Eroberung neuer Märkte die Gewinne zu steigern. Die Produktlebens-zyklen werden so wesentlich verkürzt, was den Unternehmen besonders hohe Kosten, z.B. für Forschung und Entwicklung, verursacht [Busch 1999].
Forschung und Entwicklung hängen jedoch eng mit Information und Lernen zusammen. Wie in der Folge gezeigt werden soll, ist die Erfüllung vieler strategischer Unterneh-mensaufgaben zum überwiegenden Teil vom Umgang mit Information und der erfolg-reichen, raschen Generierung von Wissen abhängig. Zum geschäftsrelevanten Wissen gehört daher auch immer stärker das Wissen über Entwicklungen im Marktumfeld, über Kunden und Wettbewerber. Die Bedeutung von Information für die Wertschöpfung und Konkurrenzfähigkeit auf volkswirtschaftlicher Ebene soll zunächst aus arbeitsmarkt-ökonomischer Sicht betrachtet werden. Die wachsende Bedeutung von Wissen, hier am Bereich der beruflichen Ausbildung gemessen, ist evident, denn es lässt sich eine wachsende Arbeitsmarktbedeutung von komplexen Tätigkeiten mit hohen Qualifika-tionsanforderungen feststellen [IAB 1999]. Anfang der neunziger Jahre waren noch rund ein Fünftel der Arbeitskräfte in den USA mit der Produktion materieller Güter beschäf-tigt, was tendenziell niedrigere Qualifizierungsanforderungen stellt. Drucker prognosti-zierte eine Halbierung dieses Anteils binnen 15 Jahren [Drucker 1994, 40].Eine aktuelle Prognose des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und der Prognos AG sagt für Deutschland eine weiterhin starke Abnahme der Arbeitskräfte in produktionsorien-tierten Tätigkeiten voraus. Von einem Anteil von 30,7 Prozent im Jahr 1995 soll der Anteil dieser Tätigkeiten bis zum Jahr 2010 auf 24,0 Prozent sinken. Dagegen soll es einen stark wachsenden Bedarf an Arbeitskräften im sekundären Dienstleistungssektor geben. Der Arbeitskräftebedarf wird dabei speziell in hochqualifizierten Berufsbildern, in den Tätigkeitsbereichen Forschung und Entwicklung, Organisation und Management, Beraten, Betreuen, Lehren, Publizieren, u.ä. die höchsten Zuwächse verzeichnen können [IAB 1999, 2], (s. Abbildung 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Erwerbstätige nach Tätigkeitsgruppen. Nach: [IAB 1999, 2].
Dieser erkennbare Trend spiegelt eine Entwicklung der Arbeitslandschaft wider, die sich in Richtung immer komplexerer Berufsbilder fortentwickelt. Immer mehr Tätigkeiten erfordern Wissen über klassische Disziplingrenzen hinweg und damit einen allgemein höheren Ausbildungsstand, wie der wachsende Trend zu anspruchsvolleren Qualifi-kationsprofilen zeigt. Die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und ganzen Volkswirtschaften wird, wie gezeigt werden wird, daher in Zukunft noch stärker von deren effektiver Informationsnutzung abhängig sein.
Man kann allerdings annehmen, dass die Bedeutung der Ressource Information für die Innovationsfähigkeit von Volkswirtschaften zwischenzeitlich allgemein als zentral ange-sehen wird:
„Als Produktionsfaktor sind ... Informationen eine entscheidende Voraussetzung für Innovationen in Wirtschaft, Wissenschaft und Staat und damit für die Zukunft des Standorts Deutschland ...“ [bmb+f 1996, 8].
Ein effektiver Umgang mit Information und Wissen wird einerseits für ganz alltägliche Entscheidungen zur Voraussetzung. Andererseits erhöht sich durch die Notwendigkeit des Umganges mit anwachsenden Informationsmengen die „...Komplexität der Lebens-bezüge...“ und führt dadurch wieder zu einem weiter anwachsenden Bedarf an Infor-mation. Diesen Mechanismus beschreibt Stock als „circulus vitiosus“ [Stock et al 1998, 186]. Der weiter anwachsende Strom an zur Verfügung stehenden Informationen führt jedoch auch wieder zu dem Phänomen, dass tendenziell immer geringere Anteile an publiziertem Wissen auch tatsächlich genutzt werden können (‚information overflow‘).
Dieses Szenario einer sich selbst verstärkenden Nachfrage nach Information bei gleichzeitig tendenziell geringer werdenden Nutzungsmöglichkeiten für Information lässt den Schluss zu, dass die Bedeutung der Ressource Information zukünftig noch wesent-lich zunehmen wird und damit im Bewusstsein der meisten Menschen als kostbares Gut verankert werden wird. Die zielgerichtete Nutzung von Information zur Erarbeitung von Wissen ist daher als „...wachsendes individuelles und kollektives Optimierungspro-blem...“ zu sehen [Stock et al 1998, 186], das als Erfolgsfaktor entscheidenden Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften nehmen wird.
Auf organisationaler Ebene ist nach dem Aufkommen einer Vielzahl von Management-lehren und –methoden davon auszugehen, dass die meisten wesentlichen Erfolgsfak-toren in der Vergangenheit bereits Gegenstand von Optimierungsanstrengungen wurden. Prozesse, Qualität, Arbeitszeit, Kapital- und Personaleinsatz etc. wurden je-weils durch entsprechende Managementmethoden weitgehend optimiert. Dabei ist die Sichtweise bei vielen dieser Optimierungsansätze jedoch fast ausschließlich auf die Innenseite von Organisationen fokussiert [Drucker 1998, 11].
Eine erfolgreiche Strategieentwicklung erfordert jedoch verstärkt Wissen über Vorgänge und Entwicklungen außerhalb der Organisation. So sind z.B. Kenntnisse über Kunden und Nicht-Kunden, über bekannte und noch nicht erschlossene Märkte, sowie über offensichtliche und potentielle Wettbewerber nötig, um vorausschauend und vor allem schneller als der Wettbewerb agieren zu können. Information hat also auch die Funktion eines Wettbewerbsfaktors.
Wenn Information aber für jedermann frei zugänglich ist, weshalb sollen sich dann aus deren Nutzung Wettbewerbsvorteile erzielen lassen?
Die Grundlage, aufgrund der Unternehmen hoffen können, durch die Nutzung von Information und dem gezielten Schaffen von Wissen Wettbewerbsvorteile erzielen zu können, ist die Vorstellung unvollkommen ausbalancierter Märkte, die durch die unglei-che Verteilung von Information und Wissen gekennzeichnet sind. Diese Vorstellung basiert auf der inzwischen weithin akzeptierten Marktprozess-Theorie (‚ Market Process Theory‘) einiger österreichischer Wirtschaftswissenschaftler, der sogenannten ‚öster-reichischen Schule‘ und steht im Gegensatz zu der früher verbreiteten ‚neoklassischen Verteilungstheorie‘ (eigene Übers.; ‚Neoclassical Equilibrium Theory‘), die von der perfekt gleichmäßigen Verteilung von Information zwischen den Marktteilnehmern ausging [Wigand et al 1997, 23].
Markt basiert also auf dem Erkennen von Informationslücken und Wissensvorsprüngen und der Möglichkeit, diese im Sinne der Realisierung von Wettbewerbsvorteilen aus-zunutzen. Information ist damit geradezu Voraussetzung für Wettbewerbsvorteile, denn die Marktteilnehmer befinden sich unter einem konstanten Druck, ihre Fähigkeiten durch Lernen auszuweiten, um günstiger zu produzieren, besseren Service bieten zu können, effizientere Geschäftsprozesse zu bilden und Chancen oder Gefahren auf dem Markt rechtzeitig erkennen zu können [Wigand et al 1997, 24f].
Die Nutzung von Information ist häufig ein zeitkritischer Prozess, denn früher oder später verschwinden einmal erreichte Informationsvorsprünge und damit Wettbewerbs-vorteile; spätestens dann nämlich, wenn Wettbewerber diese Informationen ebenfalls genutzt und ihre Marktstrategie darauf abgestimmt haben. Daraus folgt, dass Informa-tionsvorsprünge kontinuierlich gesucht und möglichst rasch genutzt werden müssen, indem das hieraus gezogene Wissen systematisch in Wettbewerbsvorteile umgewan-delt wird. Es muss also angewandt werden und in neue oder weiterentwickelte Produk-te, Dienstleistungen, Geschäftsprozesse etc. eingehen, Innovationsfähigkeit auf der Basis von Information als treibende Kraft zur Weiterentwicklung von Produkten und Dienstleistungen ist daher ein zunehmend wichtiger werdender Faktor, der Wettbe-werbsvorteile auf Märkten generieren kann.
Nicht umsonst empfiehlt Drucker Wissen als „...die Trumpfkarte der entwickelten Län-der“ [Drucker 1998]. Als Folge der langfristigen demographischen Entwicklung der entwickelten Nationen (Überalterung und Unterbevölkerung) sieht er „...eine drastische und fortgesetzte Steigerung der Produktivität der Ressource Wissen...“ [Drucker 1998, 10] als alleinige Möglichkeit zum Erhalten längerfristiger komparativer Wettbewerbs-vorteile gegenüber bisher geringer entwickelten Volkswirtschaften.
Nur beiläufig erwähnt sei, dass gelegentlich neben der Rolle von Information als Wett-bewerbsfaktor auch ihre Bedeutung als Produktionsfaktor betrachtet worden ist. Neben den klassischen betriebswirtschaftlichen Produktionsfaktoren Arbeit, Werkstoffe und Betriebsmittel ermöglicht Information „...die zielgesteuerte Kombination der klassischen Produktionsfaktoren im betrieblichen Leistungserstellungsprozess...“ [Rehäuser et al 1996, 9]. Dagegen wird Wissen gelegentlich als eigenständiger fünfter Produktionsfak-tor bezeichnet, um seine Bedeutung gegenüber der Information hervorzuheben [Rehäuser et al 1996] und [Forst 1999], oder auch einfach als vierter Produktionsfaktor angenommen [Stewart 1998].
2.2 Begriffsumfeld und -definitionen
Nahezu jeder Arbeit zum Wissensmanagement ist die jeweils mehr oder weniger schar-fe Unterscheidung zwischen Zeichen, Daten, Information und Wissen vorangestellt. Im Rahmen dieser Arbeit kann die Definition von grundliegenden Begriffen natürlich eben-falls nicht unterbleiben. Doch soll hier nicht allzu viel Gewicht auf die in vielen wissen-schaftlichen Disziplinen unterschiedlichst definierten und in der 'scientific community' der Informationswissenschaft sowieso diskutierten Grundbegriffe Zeichen, Daten, Infor-mation und Wissen gelegt werden. Der Schwerpunkt soll hier vielmehr verstärkt auf der Herstellung von Bezügen und Abgrenzungen zwischen im Zusammenhang mit dem Wissensmanagement (WM) stehenden Begriffen wie Informationsmanagement (IM), Informationsressourcen-Management (IRM) und organisationalem Lernen (OL) liegen.
Seit einigen Jahren wird vermehrt das Schlagwort ‚Wissen‘, anstatt früher ‚Information‘, gebraucht. Analog hierzu hört man heute das Schlagwort von der ‚Wissensgesellschaft‘ häufiger als das der ‚Informationsgesellschaft‘. Dieser Übergang soll hier nicht in der Breite diskutiert werden, doch ein kurzer Blick auf die möglichen Ursachen geworfen werden.
Vielleicht ist diese scheinbare ‚Abkehr‘ von der 'Informationsgesellschaft' ein äußeres Zeichen der Ernüchterung darüber, dass die allzu großartigen Versprechen, die der Vision der Informationsgesellschaft anhafteten, bisher nicht realisiert werden konnten. Zum Einen ist 'information at your fingertips' noch immer weitgehend Werbeverspre-chen, denn heutige informationstechnische Möglichkeiten und Marktbedingungen die-nen nicht gerade der einfachen Informationsversorgung für jedermann; eine Tatsache, die als "Informationsparadoxon" oder konkreter: "Referenzproblem informationeller Autonomie" [Kuhlen 1999, 173f] bezeichnet wurde. Zum Anderen setzt sich mehr und mehr die kritische Erkenntnis durch, dass Information noch lange kein Wissen ist [Simon 1999, 307].
Die zu Beginn dieser Arbeit geschilderte Informations- oder besser: Datenüberflutung führt zwangsläufig zu der Erkenntnis, dass die Aufmerksamkeitsspanne des Menschen nicht beliebig erweiterbar ist. Die potentiell zur Verfügung stehende Information muss daher „... anhand von selektiven, interpretatorischen und wertenden Prozessen...“ veredelt und verdichtet werden [Capurro 1998, 347].
Das durch die begrenzte menschliche Aufmerksamkeitsspanne und Verarbeitungska-pazität nicht mehr zu beherrschende Übermaß an Information erzeugt also Bedarf an dem gegenüber Daten und Information Orientierung bietenden Wissen. Denn, um mit dem Konstanzer Philosophen Jürgen Mittelstraß zu sprechen: Information trägt zwar zum Faktenwissen bei, aber nicht per se zur Orientierung. Wissen, das solche Orien-tierung ermöglicht, lässt sich jedoch nicht wie Information erwerben [Mittelstraß 1992]. (Ein etwas differierendes Verständnis von Information, denn in der unten definierten Bedeutung sollte 'Information' aufgrund ihrer Kontextabhängigkeit sehr wohl Orientie-rung bieten).
Hier erscheint es nun angebracht, das Verständnis dieser grundlegenden Begriffe zu klären. 'Wissen' und 'Information' sollen im Rahmen dieser Arbeit in der pragmatischen Definition der Konstanzer Informationswissenschaft verwendet werden:
[...]
- Citation du texte
- Andreas R. Brellochs (Auteur), 2000, "Competitive Intelligence" und "Knowledge Management" - Information über Markt und Wettbewerber als externe Wissensquelle in einem Wirtschaftsforschungsunternehmen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52
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