Als es während meines ersten Interviews an der Haustür Sturm klingelt, fragt der 15jährige Murat mich höflich, ob es in Ordnung sei, kurz zu unterbrechen. Nickend schalte ich das Aufnahmegerät aus, während Murat zur Haustür geht und hinter sich die Durchgangstür zum Treppenhaus schließt. Er öffnet die Haustür und redet leise, aber für mich dennoch hörbar, auf die Person vor der Tür ein: „Wenn du hier noch einmal läutest, dann brech ich dir alle Knochen und trete dich die Treppe runter bis in den Keller! Verstanden?“ Der Junge vor der Tür entgegnet etwas für mich Unverständliches, worauf hin ihm Murat droht: „Verpiss dich gefälligst! Und wehe, ich seh dich hier noch mal... ich weiß wo du wohnst, klar?!“. Dann schließt er die Haustür, kommt zu mir ins Wohnzimmer zurück und setzt sich lächelnd neben mich auf die Couch: „Wir können weitermachen.“
Zwei verschiedene Murats eröffnen sich da: der eine zuvorkommend und auf gutes Benehmen achtend, der andere bedrohlich und einschüchternd. Der erste Eindruck also ein bloßer Schnappschuss? Habe ich ihn etwa falsch eingeschätzt, völlig falsch verstanden?
Wenige Monate später, am 15. September 2004, schreibt eine Münchner Tageszeitung in einem einseitigen Extrablatt zur Jugendkriminalität mit der Überschrift „Was ist bloß mit den Kindern los?“ und stellt mit stichpunktartigen Formulierungen Thesen wie „Fehlende Ideale“, „Gewalt zum Frustabbau“ oder „Zu früh erwachsen“ die heutige Jugend als hochkriminelle Individuen dar. Worauf diese Thesen basieren oder ob sie wissenschaftlich gestützt werden, wird dabei nicht erläutert. Woher aber stammen die Kategorien, die Darstellungsformen der devianten und delinquenten Jugendlichen?
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitende Worte und Abstract
2 Biographieforschung
2.1 Themenorientierte Sachdimension
2.1.1 Authentische Biographie bei Schütze
2.1.2 Authentische Kommunikation bei Nassehi
2.1.2.1VerstehenundKommunikationals systemtheoretische Begriffe
2.1.2.2 Operativer Ort von Biographie
2.2 Personenorientierte Sozialdimension
2.2.1 Authentische Person bei Schütze
2.2.2 Kontextgebundene Erzeugung von Personen bei Nassehi
2.3 Kontingente Zeitdimension
2.3.1 Absolute Homologie bei Schütze
2.3.2 Temporalisierung zur Kontingenzbewältigung bei Nassehi
2.3.2.1 Authentische versus relative Homologie
2.3.2.2 Temporalisierung sozialer und psychischer Systeme
2.3.2.3 Von Authentizität zu Inklusion
2.4 Zur Gewinnung biographischer Daten anhand narrativer Interviews
2.4.1 Populationsauswahl und ihre Schwächen
2.4.2 Kategorisierung des narrativen Interviews
2.4.3 Aufbau und Ablauf des narrativen Interviews
2.4.4 Probleme des narrativen Interviews
2.5 Zusammenfassung des Kapitels zurBiographieforschung
3 Kriminalsoziologie
3.1 Themenorientierte Sachdimension
3.1.1 Kriminelles Gen beim ätiologischen Paradigma
3.1.1.1 Klassische biologische Theorien
3.1.1.2 Aktuelle Beiträge
3.1.2 Kriminalisierendes Labeling beim interpretativen Paradigma
3.1.2.1 Kriminalität versus Kriminalisierung
3.1.2.2 Klassische Etikettierungstheorien
3.2 Personenorientierte Sozialdimension
3.2.1 Authentische Person beim ätiologischen Paradigma
3.2.1.1 Anomie und ihre Weiterentwicklung
3.2.1.2 Bindungstheorien
3.2.1.3 Kriminogene FaktorenPeer- Relations,LebensstileundWerte
3.2.2 Situationsspezifische Erzeugung von Personen beim interpretativen Paradigma
3.2.2.1 Kriminalisierung durch Sanktion
3.2.2.2 Kriminalisierung durch primäre und sekundäre Devianz
3.2.2.3 Kriminalisierung durch Normsetzung und Normanwendung
3.3 Kontingente Zeitdimension
3.3.1 Standardisierter Stillstand beim ätiologischen Paradigma
3.3.1.1 Prognose von Verbrechen
3.3.1.2 Verwaltung von Verbrechen
3.3.2 Machtabhängiger Wandel beim interpretativen Paradigma
3.3.2.1 Etikettierungstheorien der Zuschreibungsprozesse
3.3.2.2 Gründe der Zuschreibungsprozesse
3.4 Zusammenfassung des Kapitels zuKriminellem Verhalten
4 Analyse des Datenmaterials
4.1 Sarah: Die personifizierte Unschuld - „Außerdem isses auch asozial, bin ja keine Pennerin“
4.1.1 Themenorientierte Sachdimension: Kriminelles Leben
4.1.1.1 Einführung der Protagonistin
4.1.1.2 Kriminelles Leben: Verborgene Delinquenz
4.1.1.3 Differente Kriminalitätsstufen
4.1.2 Personenorientierte Sozialdimension: Die Anderen
4.1.2.1 Positiv bewertete Dritte: Der Freund und die Oma
4.1.2.2 Negativ bewertete Dritte: Schlampen und Gewalttätige
4.1.3 Kontingente Zeitdimension: Zukunftspläne
4.1.3.1 Einsicht durch Entscheidung
4.1.3.2 Moral
4.1.3.3 Expertenfrage
4.2 Murat: Der türkische Bruce Willis - „Ich hab halt keine Angst, egal ob des 10 oder 20 Leute sind“ S.85
4.2.1 Themenorientierte Sachdimension: Kriminelles Leben S.86
4.2.1.1 Einführung des Protagonisten S.86
4.2.1.2 Kriminelles Leben: Prestigeträchtige Kriminalität S.86
4.2.1.3 Differente Kriminalitätsstufen S.91
4.2.2 Personenorientierte Sozialdimension: Die Anderen
4.2.2.1 Positiv bewertete Dritte: Familie und die türkische Nationalität
4.2.2.2 Negativ bewertete Dritte: Fremde Nationalitäten und „Alkoholiker“
4.2.3 Kontingente Zeitdimension: Zukunftspläne
4.2.3.1 Aggressivitätsproblem
4.2.3.2 Die Rolle der neuen Freunde und der Familie
4.2.3.3 Konkrete Zukunftspläne
4.2.3.4 Expertenfrage
4.3 Max: Der Aussteiger - „Es wird sich immer irgendwas ergeben“
4.3.1 Themenorientierte Sachdimension: Kriminelles Leben
4.3.1.1 Einführung des Protagonisten
4.3.1.2 Kriminelles Leben: Alltäglichkeit der Delinquenz
4.3.1.3 Die Ausnahme
4.3.2 Personenorientierte Sozialdimension: Die Anderen
4.3.2.1 Positiv bewertete Dritte: Mitbewohner
4.3.2.2 Negativ bewertete Dritte: Andere Kriminelle und Etikettierer
4.3.3 Kontingente Zeitdimension: Zukunftspläne
4.3.3.1 Keine Notwendigkeit zur Einsicht
4.3.3.2 Expertenfrage
4.4 Zusammenfassung des Kapitels zurDatenauswertung
5 Resümee und Schlussgedanken
Bibliographie
CD- Rom mit Interviewtexten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung: Einfluss von Werten auf Delinquenz
„Als Beobachter der modernen Gesellschaft könnte man bisweilen den Eindruck gewinnen, es handle sich bei ihr um eine‚Bekenntnisgesellschaft’, so zahlreich sind die Formen, die sie dem Individuum bereitstellt,über sich zu reden oder zu schreiben, vor sich selbst oder anderen sein Innerstes auszubreiten, seine Schuld zu gestehen, sich öffentlich zu schämen oder sein Leben, seine reale oder fiktive vita, privat oder vor einem großen Publikum zu erbaulichen oder therapeutischen, juristischen,ökonomischen, religiösen oderästhetischen Zwecken
darzustellen.“(Hahn 1995: 127)
1 Einführende Worte: Wozu eine qualitative Untersuchung auf Basis biographischer Daten?
Als es während meines ersten Interviews an der Haustür Sturm klingelt, fragt der 15jährige Murat mich höflich, ob es in Ordnung sei, kurz zu unterbrechen. Nickend schalte ich das Aufnahmegerät aus, während Murat zur Haustür geht und hinter sich die Durchgangstür zum Treppenhaus schließt. Er öffnet die Haustür und redet leise, aber für mich dennoch hörbar, auf die Person vor der Tür ein: „Wenn du hier noch einmal läutest, dann brech ich dir alle Knochen und trete dich die Treppe runter bis in den Keller! Verstanden?“ Der Junge vor der Tür entgegnet etwas für mich Unverständliches, worauf hin ihm Murat droht: „Verpiss dich gefälligst! Und wehe, ich seh dich hier noch mal... ich weiß wo du wohnst, klar?!“. Dann schließt er die Haustür, kommt zu mir ins Wohnzimmer zurück und setzt sich lächelnd neben mich auf die Couch: „Wir können weitermachen.“
Zwei verschiedene Murats eröffnen sich da: der eine zuvorkommend und auf gutes Benehmen achtend, der andere bedrohlich und einschüchternd. Der erste Eindruck also ein bloßer Schnappschuss? Habe ich ihn etwa falsch eingeschätzt, völlig falsch verstanden?
Wenige Monate später, am 15. September 2004, schreibt eine Münchner Tageszeitung in einem einseitigen Extrablatt zur Jugendkriminalität mit der Überschrift „Was ist bloß mit den Kindern los?“ und stellt mit stichpunktartigen Formulierungen Thesen wie „Fehlende Ideale“, „Gewalt zum Frustabbau“ oder „Zu früh erwachsen“ die heutige Jugend als hochkriminelle Individuen dar. Worauf diese Thesen basieren oder ob sie wissenschaftlich gestützt werden, wird dabei nicht erläutert. Woher aber stammen die Kategorien, die Darstellungsformen der devianten und delinquenten Jugendlichen?
Für die amerikanische Kulturanthropologin Margaret Mead stellt die Jugend- Phase eineAls- ob- Periodedar, in der viele intensive Erfahrungen gemacht werden können ohne einschneidende ökonomische, soziale oder psychologische Konsequenzen zu fürchten (Schäfers 2001b: 18). Durch die verlängerte Ausbildungszeit wird die Jugendphase zur Erprobung verschiedener Lebensstile, Freizeitkultur und Konsumverhalten genutzt bis hin zu unterschiedlichen Identitäten. Dies beinhaltet auch das Begehen von Straftaten, die bekanntermaßen anders sanktioniert werden (z.B. durch die Existenz eines Jugendstrafrechts etc.) als die von Erwachsenen verübten. Dies gilt sowohl für Straftaten, die in den Bereich der jugendtypischen episodenhaften Delinquenz fallen als auch für die, die darüber hinausgehen. So lässt sich Jugend aus Sicht des Grenzentestens als Schonraum einerseits und aus Sicht der Persönlichkeitsentwicklung und Einflussflut als Belastungsperiode andererseits sehen.
Unterstützung findet Mead bei Hurrelmann, der das Jugendalter primär unter sozialisationstheoretischen Gesichtspunkten betrachtet. Für ihn kann dieser Prozess im Jugendalter durchaus zu Konflikten führen, „wenn es Jugendlichen nicht gelingt, die Anforderungen der Individuation und der Integration aufeinander zu beziehen und miteinander zu verbinden“ (Hurrelmann, Rosewitz, Wolf 1985: 28). Hurrelmann geht in seinen Überlegungen sogar noch weiter und meint, „die verbreitetste Form devianter Problemverarbeitung im Jugendalter" (Hurrelmann 1994: 199) sei Kriminalität.
Vor dem Hintergrund dieser soziologischen Überlegungen zu jugendlichem Verhalten kann mit konstruktivistisch informierter Biographieforschung diskutiert werden, was einen Kriminellen zu einem Kriminellen macht. Im gleichen Atemzug steht eine weitere Frage im Raum: Wie kann ein Delinquent selbst glaubhaft plausibilisieren, er sei delinquent?
Die Recherche nach theoretischen Hintergründen sowohl auf soziologischer als auch auf kriminologischer Seite fördert dabei eine auffällige Parallelität in der Argumentationsweise zu Tage, die kurz erläutert werden soll. Im Bereich Biographieforschung beginnt man klassischerweise mit Fritz Schützes Konzept (1976, 1977, 1983), nach dem narrative Interviews die Realität erlebter
Vergangenheit tatsächlich reproduzieren können. Jedoch stellt aktuelle Literatur (z.B. Nassehi 1990, 1994) auf Basis systemtheoretischer Überlegungen diese Wiedervergegenwärtlichung des Erlebten in Frage und geht mit funktionalistischer Perspektive lediglich von einem kontextabhängigen, von Zeitlichkeit geprägten Text aus, der aus einem transkribierten narrativen Interview entsteht und der keine Aufschlüsse auf die psychische oder soziale Konstitution der erzählenden Person zulässt, sondern lediglich konstruktivistische Deutungen zulässt. Ähnliche Strukturen lassen sich zum Thema (Jugend-) Kriminalität erkennen, wo einerseits ätiologische Theorien existieren, die kriminelles Verhalten als bereits gegebene Konstante analysieren, während andererseits konstruktivistische Konzeptionen davon ausgehen, dass es kriminalisierbare Handlungen gibt, die durch einen vorausgegangenen Definitionsprozess überhaupt erst als solche festgelegt werden.
Obwohl Jugendkriminalität längst innerhalb politischer und wissenschaftlicher Systeme von steigendem Interesse ist, sind die aufgeworfenen Fragen nicht geklärt. Viele kriminalsoziologische Studien wurden und werden diesbezüglich in Auftrag gegeben, um den angeblichen raschen Anstieg der Jugenddelinquenz zu untersuchen und zu stoppen (vgl. Junger-Tas 1992: An Empirical Test of Social Control Theory; Stelly/ Kerner/ Weitekamp 1998: Kontinuität und Diskontinuität sozialer Auffälligkeiten im Lebenslauf; Matesueda/ Anderson 1998: The Dynamics of Delinquent Peers and Delinquent Behaviour; Wetzels/ Enzmann 1999: Die Bedeutung der Zugehörigkeit zu devianten Cliquen; Hermann/ Dölling 2001: Kriminalprävention und Wertorientierung in komplexen Gesellschaften). Doch werden die Ergebnisse den multikausalen Zusammenhängen jugendlicher Kriminalität gerecht?
Bemerkenswert ist, dass es viele Studien zum Thema Jugendkriminalität mit Blick auf kriminogene Faktoren gibt, die einen mehrheitlich quantitativen Charakter aufweisen; die Selbsteinschätzung eines Delinquenten sowie die Verortung der Straftat(en) im lebensweltlichen Alltag wird dabei meist vernachlässigt.
Offizielle und öffentlichkeitswirksame Untersuchungen finden sich vorwiegend in Form von Statistiken (z.B. Shell Jugendstudien, Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS), Statistiken der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen e.V., diverse sogenannte Schülerbefragungen), deren Aussagekraft mit Vorsicht zu genießen ist. Das Bundeskriminalamt hat dies selbst unterstrichen, als es in einer öffentlichen Stellungnahme die Aussagekraft der PKS relativierte (Arbeitsstelle Kinder- und Jugendkriminalitätsprävention 2000: 11), die - was offenbar zu wenig bekannt ist - lediglich Aussagen über Tatverdächtigungenmacht, nicht jedoch über tatsächliche Täter.
Es ist davon auszugehen, dass gesellschaftliches Wissen über delinquente Jugendliche primär von Durchschnittswerten und Prozentangaben aus Statistiken geprägt ist, die meist relativierte, in Kategorien systematisierte Aussagen über Häufigkeiten und Schweregrade von Straftaten liefern. Diese Angaben sind jedoch von den individuellen Zusammenhängen abstrahiert. Die so produzierte Einseitigkeit im Wissen kann den multiplen Funktionsweisen jugendlicher Delinquenz nicht gerecht werden. Dennoch haben die Ergebnisse solcher Statistiken in der Folge meist durchaus Auswirkungen auf die Judikative, die Gesetze modifiziert, restriktiver formuliert oder gar neu verabschiedet. Die Hintergründe für das delinquente Verhalten, die Einbettung der Straftat in die aktuelle Situation sowie die Entschlüsselung der Funktionen von Delinquenz im Leben der Jugendlichen u.ä. zur Bekämpfung von Jugendkriminalität bleiben meist unreflektiert und werden statt dessen durch statistisch messbare Ursache- Wirkung- Zusammenhänge, die sich in leicht zu überblickenden Prozentwerten ausdrücken lassen, ausgeblendet.
Ein Perspektivenwechsel ist also von Nöten, weg von der weitgehend statistischen Abfrage kriminogener Variablen hin zu einer Forschung, die dieses offenbar fehlende, unbekannte Glied in der Kette entschlüsseln könnte. Dadurch kommt qualitative Forschung ins Spiel, die gerade in der Erforschung sensibler und tabuisierter Themen Anwendung findet.
Die Verwendung der biographischen Methode anhand narrativer Interviews scheint in so einem Fall geeignet. Innerhalb der Scientific Community ist sie bei der Mehrheit als Möglichkeit anerkannt, soziale Realität zu erforschen, indem der Interviewte durch die Narration in eine alltagsrelevante Situation (nämlichsichund sein Leben darzustellen) versetzt wird. Diese erleichtert es ihm, offen und geringfügig eingeschränkt zu erzählen verglichen mit einem standardisierten Fragebogen, der gewisse als relevant angesehene, oft auch abstrakte und normativ formulierte Variablen abfragt. Qualitative Forschung versucht aufgrund ihrer offenen Herangehensweise, hochgradig unvoreingenommen und flexibel in das zu untersuchende Feld einzudringen und Kausalitäten zu entdecken, die möglicherweise über einen Fragekatalog systematisch einen blinden Fleck hinterlassen würden.
Auch aus dem historischen Kontext heraus erweist sich die Verwendung qualitativer Forschungsmethodik als sinnvoll, denn ihre Wurzeln liegen gerade in der Erschließung von Problemfeldern der in den 20er Jahren vorgenommenen Erforschung der Emigrantenkultur.
Weitere Unterstützung liefert eine der wenigen Studien, die sich mit Jugenddelinquenz auch auf qualitativer Ebene befasst: „Aggression und Delinquenz unter Jugendlichen“ von Friedlich Lösel und Thomas Bliesener. Über standardisierte Befragungen schreiben die Autoren: „Wenngleich sich diese Methode insgesamt relativ gut bewährt, bestehen ebenfalls Probleme. Zum Beispiel hängen die Ergebnisse von der jeweiligen Itemformulierung, dem Antwortformat [und] den erfassten Zeiträumen [...] ab.“ (Lösel 2003: 2). Daneben kritisieren sie die oft starke „normativ bewerteten Inhalte“ (Ebd.: 2) der Fragebögen.
Die Studie von Lösel wird auf zwei Ebenen erstellt: in Form von quantitativen Befragungen einerseits sowie qualitativen Beobachtungen, Experimenten u.ä. andererseits. Delinquenz wird in Form von Deliktarten über einen Fragebogenkatalog mit festen Fragen abgehandelt, ebenso die generelle Lebenslage über Fragen zu Familiensituation, Freizeitverhalten, Klassenklima, Medienkonsum u.ä. Trotz der Erweiterung der statistischen Daten durch qualitative Methoden fehlt alles in allem auch hier das Zusammenfügen der Mosaiksteinchen zu einem Gesamtbild.
Die Entdeckung der oben genannten strukturellen Analogie von der Ontologie hin zum Konstruktivismus führt die vorliegenden Diplomarbeit an einen wichtigen Wendepunkt und zwar weg von der reinen narrativen Analyse der Interviews delinquenter Jugendlicher hin zu einer Bezugnahme der Interviewanalyse auf konstruktivistische Tendenzen innerhalb der Soziologie wie auch der Kriminologie. Ursachenforschung zur Normorientierung delinquenter Jugendlicher allein kann also nicht ausreichend sein, der sowohl im Konzept der Kriminalität als auch in Biographieforschung enthaltene Konstruktivismus darf nicht vernachlässigt werden und findet Eingang in die Auswertung der zugrundeliegenden Interviews.
Ziel der Arbeit ist primär der strukturelle Vergleich der beiden Sichtweisen in Biographieforschung und Kriminologie, nicht jedoch eine normative Kontrastierung jener Perspektiven und Paradigmen. Daher wird v.a. im kriminalsoziologischen Kapitel inhaltliche Kritik an den einzelnen Kriminalitäts- bzw. Kriminalisierungstheorien und deren Aussagekraft lediglich untergeordnet Platz finden. Aufgelistete und erläuterte Theorieansätze bleiben somit weitgehend unkommentiert, um eben eine strukturelle Gegenüberstellung zu ermöglichen. Im empirischen Teil, d.h. zur Auswertung der Interviews, wird eine bestimmte Methode und Basistheorie, nämlich die der konstruktivistischen Biographieforschung, zugrunde gelegt.
Der Aufbau dieser Diplomarbeit strukturiert sich anhand der Darstellung von Biographieforschung in ihrer theoretischen wie praktischen Konzeption, indem zwei bedeutende und einflussreiche Schulen Biographischer Forschung, nämlich Fritz Schützes klassisches Konzept sowie Armin Nassehis konstruktivistisches Konzept, vergleichend erschlossen werden (Kap. 2). Im Folgekapitel wird die Struktur der Diskussion um Biographieforschung übernommen und auf die Konzeptionalisierung von Kriminalität übertragen, indem die ätiologischen und die interpretativen bzw. interaktionistischen Paradigmen der Kriminalsoziologie herausgearbeitet werden (Kap. 3). Nach Aufzeigen der Parallelität der thematischen Diskussionen innerhalb beider Disziplinen, der Biographieforschung sowie der Kriminalsoziologie, werden drei Interviews beispielhaft in Orientierung an die konstruktivistisch informierte Biographieforschung analysiert; wichtige Fragen drehen sich dabei um die Plausibilisierung von Kriminalität durch die Jugendlichen (Kap. 4). Die Analyse schließt mit der Frage, ob -und wenn ja, warum - trotz der Erkenntnis, dass Kriminalisierung primär konstruiert sei, die Beschreibung als delinquent für die Jugendlichen selbst dennoch hochgradig plausibel ist.
„Der Begriff Biographie steht [...] für eine Beobachtungs- und Beschreibungsleistung, die das‚Material’ erlebten Lebens zu mehr oder weniger elaborierten innerpsychischen Identifikationsmustern bzw. zu alltagsweltlichen oder verschrifteten Texten kondensieren lässt.“ (Nassehi 1995: 103)
2 Biographieforschung
Hinter der biographischen Methode - auchBiographische Forschunggenannt - verbirgt sich weniger eine explizite Forschungsmethode als vielmehr ein eher formales Forschungsmodell bestehend aus einer Mischung mehrerer Techniken, die zusammengenommen Lebensläufe von Individuen auf der Basis von Fremdverstehen rekonstruieren und interpretieren1. Im Gegensatz zur Psychologie geht es nicht um die Rekonstruktion individueller psychischer Befindlichkeiten, sondern zunächst um Verhaltens- und Deutungsmuster, gesellschaftlich relevantes Handlungswissen u.ä. innerhalb individueller Biographien (ILMES: Biographische Forschung), die ja im sozialen Raum zustande kommen. Zum einen entspringen „Biographien als Lebensverläufe nicht dem Gusto individueller Entscheidungen [...] bürgerlicher Autonomie“ (Nassehi 1994: 47), sondern stehen in Abhängigkeit sozialer, vom individuellen Einfluss unabhängiger Strukturen. Zum anderen entsteht durch das soziologische Interesse an Biographien „ein theoretisches Gespür [für] die gesellschaftsstrukturell bedingte Temporalisierung von Individualität und persönlicher Identität“ (Ebd.: 48). Durch Abstraktion von individueller Merkmalsausprägung zu überindividuellen, sich wiederholenden Schemata vermutet die biographische Forschung also eine (zugegebenermaßen widersprüchlich klingende) regelhafte Individualität (Lamnek 1989: 336).
Diese „gesellschaftsstrukturell bedingte Temporalisierung“ macht Nassehi am Wandel der Bedeutung von Biographie für ein Individuum fest. Einst nur ein Privileg der Oberschichten sind individuelle Biographien heute für jeden selbstverständlich. In der Vormoderne waren Personen bekanntlich primär durch die „Sach- und Sozialdimension (Wer bin ich, und zu wem gehöre ich?)“ (Nassehi 1994: 46) in ihre gesellschaftlichen Rollen bzw. ihren Status stabil eingebunden2. Durch den Wandel von stratifikatorischer zu funktional differenzierter3 Gesellschaftsordnung sind „[i]ndividuelle Lebensverläufe [...] nicht mehr durch Zugehörigkeit zu sozialen Aggregaten präformiert, sondern durch unterschiedliche Inklusionsbedingungen in funktionale Teilsysteme bestimmt“ (Nassehi 1995: 114), weswegen sich nach Nassehis Auffassung auch die „Zeitdimension (Wer bin ich geworden, und wer werde ich sein?)“ (Nassehi 1994: 46) in die Bestimmung der Identität eines Subjektes einreiht:
„Es scheint ein strukturelles Merkmal der Moderne zu sein, nicht nur vom Sein der Welt auf die Geltung der Auffassung von ihr umgestellt zu haben, sondern dies zugleich radikal zu temporalisieren. Sogar in den Naturwissenschaften [...] hat eine Bewegung‚vom Sein zum Werden’stattgefunden. Subjekte haben das gleiche Schicksal angenommen. Waren sie einst das der Welt zugrunde Liegende [...], wird ihnen nun die invariante Substanz bzw. die voroperative Bedingung ihrer Möglichkeit abgesprochen. Mit anderen Worten: Die Identität des Subjekts ist nichts, worauf man bauen könnte, vielmehr mußsie selbst erst aufgebaut werden [...]. Identitäten von Subjekten lassen sich allenfalls noch als biographische Identitäten denken“(ebd.)
Die gewandelte Bedeutung biographischer Identität als ein in der Zeit kontingentes Konstrukt aufgrund fehlender konstanter Zuordnung eines Individuums in der Sach- und in der Sozialdimension und dem Ende einer „Normalbiographie“ bilden den Ansatzpunkt für eine moderne Biographieforschung. Dabei wird methodisch auf die für Menschen alltagsweltlichen Erfahrung der Selbstbeschreibung anhand biographischer Ereignisse des eigenen Lebens zurückgegriffen. Entsprechende biographische Strukturen lassen sich in vielen sozialen Lebensbereichen wie in Bewerbungsgesprächen, medizinischen (Groß-) Untersuchungen, Seelsorge, u.a. psychologischen Gesprächen, etc. finden. In all diesen Praxisbereichen kommen Menschen mit biographischen Erzählungen in Kontakt; Diese Diskurse sind Bestandteil des täglichen Lebens4..
Funktionale Differenzierung steht bekanntlich für die Ausdifferenzierung der Gesellschaft nach Funktionen in
verschiedene, nicht durcheinander substituierbare Teilsysteme wie Politik, Erziehung, Wissenschaft, Wirtschaft, Kunst, etc. Diese funktionsspezifischen Systeme sind im Vergleich zu stratifikatorischen Gesellschaftsformen nicht mehr durch eine allen gemeinsame Grundsymbolik integrierbar, sondern operieren aus ihrer jeweiligen funktionsspezifischen Perspektive heraus, die jedoch für sie selbst unhintergehbar ist.
Eine zentrale Frage bei allen methodischen Forschungsüberlegungen, so auch in der biographischen Forschung, ist die nach Authentizität des Datenmaterials, z.B. klassischerweise ob mit der ausgewählten Stichprobe auch die merkmaltragenden Personen erfasst sind5oder ein narratives Interview tatsächlich die Intentionen des Erzählers vermittelt. Diese Sichtweise impliziert also, dass soziale Realität nicht 1:1 abbildbar ist, sondern eben nur möglichst authentisch erfasst werden soll. Um noch einmal Nassehi zu Wort kommen zu lassen:
„Wissenschaft hat es letztlich nie mit Gegenständen selbst zu tun [...]. Eine wissenschaftliche Beobachtung von Gegenständen wird erst dort einsetzen, wo die Alltagsroutinen konstatierbarer Sichtbarkeiten nicht ausreichen - und erst dann wird man auf Kommunikationsformen zurückgreifen, die methodisch kontrolliert nach Unsichtbarem suchen, also danach, was sich aufgrund des Offensichtlichen nicht von selbst erschließt. Wissenschaft hat es also mit Unsichtbarem zu tun.“(Nassehi 2002: 1)
Neben der Authentizitätsfrage stellt sich jedoch noch eine ganz andere Frage auf der Suche nach einer Begriffsbestimmung von Biographie, die zwei in der sozialwissenschaftlichen Forschungspraxis bisweilen vernachlässigte Differenzierungen hervorbringt:Biographieim Unterschied zumLebenslaufsowie damit eng verbunden die Differenzierung von erlebter und erzählter Lebensgeschichte mit entscheidenden Konsequenzen, die in Kapitel 2.1 näher beleuchtet werden.
Zum Erkenntnisinteresse biographischer Forschung lässt sich somit festhalten:
„Die biographische [Methode] beruht auf der grundsätzlichen Annahme, daßes möglichist, die soziale Wirklichkeit durch die Analyse biographischen Materials und der darin enthaltenen Ereignisse, Bewertungen, Meinungen und Einstellungen zu rekonstruierenund zu erforschen.“(Schäfers2001a: 224)
Sie ermöglicht damit im Allgemeinen einen Zugang zur Konstruktion sozialer Realität, der gleichermaßen Rücksicht auf Individualität sowie die gleichzeitige soziale Verortung nimmt (Lamnek 1989: 343). bzgl. der geführten Interviews mit delinquenten Jugendlichen handelt es sich also um den Zugang zu deren individueller Konstruktion von Kriminalität6.
Zusammenfassend bietet Biographieforschung „die Chance, den Antworten auf eine der Grundfragen der Soziologie, nämlich dem Verhältnis von Individuum und Gesellschaft, näher zu kommen“ (Fischer- Rosenthal, Rosenthal 1997: 139), was jedoch nur auf individueller Erfahrung einzelner Gesellschaftsmitglieder geschehen kann und somit keine Generalisierbarkeit beinhaltet.
Die beiden für diese Diplomarbeit relevanten Schulen der Biographieforschung sind zum einen Fritz Schütze, der als der herausragendste Soziologe in der Entwicklung der Biographieforschung gilt. Zum anderen existiert Nassehis Auffassung einer konstruktivistisch orientierten Biographieforschung. Beide werden im Folgenden einander gegenübergestellt.
2.1 Themenorientierte Sachdimension
Man kann die Biographieforschung in drei differente Dimensionen unterteilen, die jeweils an unterschiedlichen Bezugspunkten biographischer Forschung ansetzen: Sachdimension, Sozialdimension und Zeitdimension. Alle Begriffe wurden oben nur kurz angesprochen und sollen nun als Analysekategorien für die beiden eben angesprochenen wissenschaftliche Sichtweisen herangezogen werden.
2.1.1 Authentische Biographie bei Schütze
Schützes theoretisches und praktisches Konzept von Biographieforschung und Narrationsanalyse in der Tradition der Phänomenologie und des Symbolischen Interaktionismus findet bis heute breite Zustimmung unter Vertretern der Sozialwissenschaften. Allerdings steht v.a. seine theoretische Basis in der Kritik und wurde daher in mancherlei Hinsicht weiterentwickelt und verändert. Im Zentrum von Schützes Überlegungen findet sich das Individuum und seine authentische Lebensgeschichte. Dabei ist das Thema Alltagsrelevanz der Erzählungenvon höchster Bedeutsamkeit: Biographische Elemente finden sich nicht nur im öffentlichen Leben, sondern auch im Privaten („Geschichtenerzählen“) als eine der Arten (aktiven) Erfahrungstransfers. Dieser Bezug zur Lebenswelt macht die biographische Methode alsForschungsinstrumentso interessant (Weber et. al. 1995: 79). Dieser Sachverhalt ist es, auf dem Schützes Theorie basiert mit dem Ziel der Punkte. Die Biographieforschung begegnet diesem Einwand mit dem Hinweis, dass die Analyse biographischer Daten über die individuelle Ausprägung hinaus sich mit der Herausarbeitung in ihr typischer, überindividueller Handlungs- und Bedeutungszusammenhänge beschäftigt. Somit wird die soziale Bedingtheit und Regelhaftigkeit individuellen Lebens und daraus resultierend die Dialektik zw. Gesellschaft und Individuum betont.
höchstmöglichen Authentizität individueller Lebensgeschichten.
Dabei weist v.a. die konstruktivistische Theorie auf die Künstlichkeit einer wissenschaftlichen Interviewsituation mit ihren Folgen hin. Zwei Unterschiede zu alltäglichen Erzählungen werden deutlich: Zum einen stellt das bloße Verfertigen einer biographischen Erzählung ein Problem dar, das in der Interviewsituation zunächst vom Erzähler gelöst werden muss (vgl. Nassehi, Saake, Wagner 2004: 4); zum anderen ist die wissenschaftliche Interviewsituation im Gegensatz zur Alltagssituation, die sich durch Dialog und Interaktivität auszeichnet und damit eine gegenseitige Verstehenskontrolle durch das Gegenüber ermöglicht, erschwerend durch deutliche Asymmetrie gekennzeichnet. Dem Erzähler fehlt aufgrund der Abwesenheit eines Gesprächspartners direktes Feedback. An dieser Stelle tritt das Problem doppelter Kontingenz7nur auf einer Seite, nämlich der des Erzählers, auf. Um also die für eine Erzählung notwendigen Anschlussmöglichkeiten zur Verstehenskontrolle des Interviewten zu schaffen, produziert der Informant eine Art virtuellen Adressaten, wodurch er seinen Erzählfluss stabil halten kann. Diesen Sachverhalt berücksichtigt durchaus auch Schütze selbst:
„Die Stelle des Kommunikationspartners für das Aussagen und Austauschen höherer Prädikate sowie insbesondere des Argumentationsopponenten für theoretische Kommentare wird in der imaginierten Vorstellung im Erzählablauf partiell besetzt mit dem verallgemeinerten anderen der eigenen Identitätsentwicklung; mit dem eigenen Selbst, das dem Biographieträger reflektierend gegenübertritt; sowie mit signifikanten anderen und zentralen Opponenten aus der eigenen Lebensgeschichte.“(Schütze 1984: 79)
Schütze interessiert sich auf der Sachebene dennoch primär für eine möglichst authentische Erzählung, in deren Mittelpunkt die konkreten Handlungen des Erzählenden stehen. Schützes Annahmen in der Sachdimension deuten also auf einen möglichen Maßstab hin, an dem sich messen ließe, ob eine Geschichte wahrheitsgemäß erzählt wurde. Möglich sei dies, so Schütze, durch die Erfahrungsaufschichtungen des Interviewten, die „im Wege geordneter Erinnerung als potentieller autobiographischer Erzählungsvorrat präsent“ (Schütze 1984: 83)
seien und idealerweise durch narrative Interviewführung in Form einer „narrativen Erfahrungsrekapitulation“ (Ebd.: 96) hervorgelockt werden könnten:
„Prinzipiell kann nämlich von der These ausgegangen werden, daß in der narrativ-retrospektiven Erfahrungsaufbereitung sowohl die Interessen- und Relevanzstrukturen, im Rahmen derer der Erzähler als Handelnder im Verlauf der zu erzählenden Ereignisabfolge handelte, als auch das Komponentensystem der elementaren Orientierungs- und Wissensbestände zur Erfahrungsaufbereitung und zur Handlungsplanung in der zu berichtenden Ereignisabfolge im aktuell fortlaufenden Darstellungsvorgang reproduziert werden müssen, so lange erzählt wird“(Schütze 1977: 196).
Die Sicherstellung einer authentischen Wiedergabe der individuellen Biographie stützt Schütze auf die textstrukturellen Merkmale dreier Zugzwänge innerhalb des Interviews (Gestalterschließungs-, Kondensierungs- und Detaillierungszwang) und auf den Grad der sog. Indexikalität8, der „mithin als Indikator für den Narrativitätsgrad der retrospektiven Aufbereitung eigenerlebter Erfahrungen aufgefasst werden“ (Schütze 1976: 226) kann.
Der Gestalterschließungszwang, so Schütze, impliziert „gleichsam Bedingung der Möglichkeit für die Verstehbarkeit der erzählten Lebensgeschichte, die der Befragte nicht nur sich selbst erzählt“ (Weber et al. 1995: 76) und somit sind erzählte Geschichte und erlebte Realität identisch. Kondensierungszwang wirkt wie oben angesprochen als Selektionsdruck, der die Narration auf relevante Themen begrenzt. Der dritte Zugzwang, Detaillierungszwang, wirkt ähnlich wie der vorangegangene und spiegelt die „intentionale Logik der Ereignisverkettungen und die Ereignisanschlüsse der historischen Begebenheiten wider“ (Ebd.: 95).
Zusammengenommen veranlassen nach Schützes Ansicht diese drei Zugzwänge den Interviewten, „auch über Ereignisse und Handlungsorientierungen zu sprechen, über die er es aus Schuld- bzw. Schambewußtsein oder auf Grund seiner Interessenverflechtung in normalen Gesprächen und konventionellen Interviews vorzieht zu schweigen“ (Schütze 1976: 225).
Zum Zusammenhang des Grads derIndexikalität, d.h. der formulierten Perspektive des Erzählers (Ebd.: 96), äußert sich Schütze:
„Da der Zuhörer den Gehalt der narrativen Texte [...] nicht selbst miterleben konnte, mußder Erzähler in seiner narrativen Erfahrungsaufbereitung sein handlungsrelevantes Indexikalitätensystem explizieren, denn ohne dies würde der Zuhörer die erzähle Geschichte nicht als Rekapitulation persönlicher Erfahrungen, sondern als relativ unsystematische Auflistungtheoretisierender [...] Formulierungen verstehen. Ob noch erzählt und nicht bereits inallgemeinen Formulierungen kommuniziert wird [...], kann besonders leicht und bequem in denIndizes des kognitiv orientierten Bezugsrahmens festgestellt werden.“(Schütze 1982: 578) Je integrierter der Erzähler seine Person in den Text einschließt, desto höher die Authentizität der Geschichte:
„Aufgrund der Wirksamkeit der Zugzwänge des Stegreiferzählens rekapituliert ein derart gelungenes autobiographisch-narratives Interview die in den entsprechenden Lebensphasen erfahrenen Erlebnisströme nicht nur durch Darstellungsinhalte, sondern auch durch die Art, wie vom Informanten die Darstellung vorgenommen wird“(Schütze 1984: 78) und weiter:„Die analoge Wiedergabeweise zeigt sich insbesondere darin, daß sich der Erzähler in der Stegreiferzählung noch einmal durch den Strom seiner ehemaligen Erlebnisse und Erfahrungen treiben läßt.“(Ebd.: 79)
Einen tatsächlichen Rückgriff auf erlebte Vergangenheit hält Schütze dabei durchaus möglich, wobei er akzeptiert, dass „für viele erzählte Lebensgeschichten Partien von thematischer Flucht (Projektion) [...]; von Nichtbeachtung der faktisch berichteten Abläufe; der Diskrepanz zwischen faktisch berichteten und in der autobiographischen Thematisierung theoretisch behaupteten Abläufen sowie des gezielten Hinwegerklärens faktisch berichteter Abläufe feststellbar“ (Schütze 1984: 104) seien, obwohl „die autobiographische Thematisierung in vielen Fällen zumindest partiell außerordentlich realistisch“ sei. (Ebd.: 104)
Im Zentrum von Schützes Analyse steht also die Handlung eines Individuums in Form des Erzählers, dessen Narration anhand der Kriterien „wahr“ einerseits und „unwahr“, „projiziert“, „verdrängt“ etc. andererseits in Augenschein genommen wird.
2.1.2 Authentische Kommunikation bei Nassehi
Zu Schützes Entwurf hat sich ein besonders auffälliger Gegenpol um Armin Nassehi gebildet, der die theoretischen Hintergründe Schützes in Frage stellt. An dem eben genannten Punkt des Handlungsbegriffs Schützes setzt die konstruktivistische Sichtweise Nassehis, der in der Theorie funktionaler Differenzierung und der Theorie autopoietischer Sozialsysteme9steht, kritisierend ein. Sie weist darauf hin, dass aus systemtheoretisch informierter Perspektive nicht die tatsächliche Handlung des Interviewten und deren möglichst realitätsgetreue Wiedergabe entscheidend sind. Sie betont im Gegenteil die hohe Selektivität und Kontextabhängigkeit solcher Interviews, die „auf Problemlösungsformen für den Umgang mit Kontingenz“ (Nassehi, Saake, Wagner 2004: 3) verweist.
Motive für diese selektive Darstellung basieren auf den systemtheoretischen Grundannahmen eines fehlenden ontologischen Weltbegriffs10, der in Schützes Konzept jedoch impliziert ist. Denn zentral in der systemtheoretischen Sichtweise ist der Wechsel von Subjekten als Grundeinheiten einer Gesellschaft hin zu abstrakten Systemen, deren Elemente Operationen und Ereignisse sind. Diese Beschreibung von Gesellschaft impliziert für biographische Forschung mit systemtheoretischem Hintergrund einen entscheidenden Rechtfertigungsgrund: Durch die gesellschaftliche Dezentralisierung aufgrund funktionaler Differenzierung fehlt nun ein „letztgültiges, allgemeines, nicht kontingentes Verständnis der Welt“ (Nassehi 1997: 134) und Nassehi 2000: 47). Charakterisiert werden kann die emergente Struktur durch die systemtypische Geschlossenheit, zu sehen als Bezugnahme auf die interne Vernetzung der Einzelteile zu sehen ist.
Systeme sind dabei definitionsgemäß keinevölliggeschlossenen Gebilde ohne Kontakt zur Umwelt, sondern zusätzlich durch Austauschprozesse zw. sich selbst und ihrer Umwelt konzipiert. Die Umwelt hat jedoch keinen determinierenden Einfluss auf die systeminternen Wechselwirkungen der Einzelteile eines Systems, sondern lediglich „irritierende“ Wirkungen. Luhmann spricht dabei vonstruktureller Kopplungzw. Systemen, d.h. die Systeme bedingen sich zwar nicht, sind jedoch wechselseitig notwendige Existenzbedingung.
Um diese Geschlossenheit zum Ausdruck zu bringen, übernimmt Luhmann ein Schlagwort aus der Biologie: Autopoiesis. Ursprünglich als Merkmal lebender Systeme durch die Biologen Humberto R. Maturana und Francisco J. Varela in den 1960ern und 1970ern entwickelt, bezeichnet es zunächst die Selbsterzeugungs- oder auch Selbstherstellungsdynamik eines Systems dahingehend, dass es ein „rekursives Netzwerk interagierender Komponenten“ (Ebd.: 56) bildet, welches aufgrund dieser Interaktionen sich selbst laufend reproduziert. Luhmann übernimmt dieses biologische Konzept und münzt es auf seine Definition von sozialen (im Gegensatz zu lebenden) Systemen um, indem sie „als selbstreferentiell- geschlossene, autopoietische Systeme konzipiert“ (Ebd.: 57) sind, die sich durch ständige Wechselwirkung ihrer Komponenten (re-)produzieren und mit Sinn als entscheidende Differenz zur Autopoiesis natürlicher Organismen operieren. Luhmann formuliert dies in einem Interview 1996 folgendermaßen: „Ein System produziert sich selber. Es produziert die Elemente, aus denen es besteht, mit Hilfe einer Kombination der Elemente, aus denen es besteht. Das ist eine Idee, die man - wie mir scheint - auch auf soziale Verhältnisse, auf die Gesellschaft anwenden kann.“
Dabei kommt der Umwelt eine wichtige Rolle zu, indem eine differenzierte Interaktion zw. ihr und dem System stattfindet. Das heißt jedoch nicht, dass ihre Einflüsse für den Systemzustand determinierend sind, denn das System bildet in sich die Umwelt nicht 1:1 ab. Hier ist die Umwelt in der Lage, die systeminternen Relationen zu „irritieren“. Kneer und Nassehi formulieren als Zusatz: „Geschlossenheit wird dabei nicht als Gegensatz, sondern als Bedingung für Offenheit verstanden.“ (Ebd.: 59).
stattdessen „tritt nun eineVielzahlindividueller Weltdeutungen“ (ebd.) an den Tag, die Schütze nicht berücksichtigt. Statt der ontologischen Welt wird nun ihre Deutung zum Problem (vgl. ebd.); eine Hürde, die Schütze mit seinem Ansinnen nach „richtigem“ Verstehen umgeht.
2.1.2.1VerstehenundKommunikationals systemtheoretische Begriffe
Welchen Stellenwert besitzt dann der systemtheoretische Verstehensbegriff im Gegensatz zu Schützes Authentizität beanspruchenden Begriff? Um die Frage zu beantworten, muss man wider Erwarten nicht bei den psychischen Systemen11, sondern bei sozialen Systemen und deren Grundeinheiten beginnen. Folgt man der systemtheoretischen Idee, so sind jene Elemente sozialer Systeme definitionsgemäß aneinander anschließende Kommunikationen, „deren Struktur dadurch entsteht, dass der Möglichkeitshorizont kommunikativer Einschlüsse sozial eingeschränkt ist“ (Nassehi 2001: 5). Folglich sind soziale Systeme Kommunikationssysteme12, die sich durch einen fortlaufenden Anschluss von Kommunikationen an Kommunikationen anschließen (vgl. Kneer, Nassehi 2000: 65)13. Diese Definition der Systemelemente Kommunikationen als kleinste Einheit widerspricht deutlich der traditionalen Soziologie, die den Menschen als kleinste Einheit eines sozialen Gebildes betrachtet (vgl. ebd.)14.
Wie definiert sich Kommunikation sozialer Systeme? Bei Luhmann wird sie als dreiteilige Selektion aus den Komponenten Information, Mitteilung und Verstehen konstituiert15: Information beschreibt eine vorangehende Selektion von Informationen, also was kommuniziert wird; Mitteilung bezieht sich auf die Übertragung einer selektierten Information durch ein bestimmtes Handeln, alsowie
kommuniziert wird; Verstehen beschreibt die Vollendung des Kommunikationsprozesses als autopoietischen Ereigniszusammenhang: „Erst wenn die Mitteilung einer Information verstanden wird, kommt Kommunikation zustande. Das Verstehen sichert den Anschluß einer neuen Kommunikation und ist damit der Garant für die Autopoiesis des sozialen Systems“ (Nassehi 1997: 139). Verstehen als Komponente innerhalb von Kommunikation ist also von zentraler Bedeutung mit methodischen Konsequenzen im Bezug auf „wahres“ Verstehen:
„Wenn Verstehen ein systemrelativer Beobachtungsvorgang ist, kann es kein systemexternesKriterium für richtiges Verstehen geben. [...] Richtig verstanden ist etwas dann, wenn sich dasVerstehen im entsprechenden Kontext bewährt. Es dürfte schon hier deutlich werden, daßandieser Stelle das Problem angemessener Kriterien für methodisch kontrollierteswissenschaftliches Verstehen einer Lösung harrt.“(Nassehi 1997: 142) Von entscheidender Relevanz ist, dass der Verstehensbegriff im Sinne Luhmanns bzw. Nassehis im Kontrast zu Schützes nicht auf „gelungene“ bzw. „nichtgelungene Kommunikation“ angewendet werden kann16. Mit anderen Worten: Man kann erstens nicht „nicht kommunizieren” und damit verbunden zweitens kein davon unabhängiges Kriterium der Bewertung aufstellen. Verstehendarf in diesem Sinne also nicht als Bewertungskategorie für Kommunikation gebraucht werden17; dies ist ein wichtiges Distinktionskriterium zur o.g. Konkurrenztheorie Schützes.
Neben dem differenten Verstehensbegriff, der sich aus jenem dezentralen Gesellschaftssystem ableitet, wird noch ein weiteres ausschlaggebendes Merkmal impliziert: Das gleichzeitige Nebeneinander nicht substituierbarer funktionaler Teilsysteme18und das Fehlen eines Gesellschaftszentrums, das „alle System/Umwelt- Differenzen transzendieren und damit sinnhaft verbinden könnte“ (Nassehi 1993: 327) führt zu Polykontexturalität (ebd.), durch die Komplexität enorm ansteigt: Zum einen in der Sachdimension, weil „in der Umwelt verschiedenartige Gegenstände, Handlungsmöglichkeiten etc.“ (Weber et. al. 1995: 37) entstehen, zum anderen in der Sozialdimension, deren Komplexität „mit der Zahl möglicher Konsense und Dissense mit begegnenden anderen Personen (ebd.) aufkommt, nicht zuletzt in der Zeitdimension, wenn die Eindeutigkeit zeitlicher Sukzessionen nachlässt. Für die biographische Selbstidentifikation und ihre Differenziertheit ist naturgemäß die Komplexität der Zeitdimension entscheidend, doch hängt diese wiederum mit den beiden anderen unmittelbar zusammen“ (ebd.). Diese neu entstandene Komplexität kann reduziert werden, indem bestimmte Dinge, Handlungen, Verhaltensweisen von sozialen und psychischen Systemen individuell mit Sinn19belegt werden. Es muss jedoch verdeutlicht werden, dass Sinn eine lediglich operative Kategorie ist. Die Frage lautet also, wie etwas im „Warenlager gesellschaftlicher Sinnangebote“ (Nassehi 1995: 107) mit Sinn belegt wird oder nicht; sie lautet im Gegensatz zu Schützes Konkurrenztheorie gleichzeitig nicht: Ist etwas sinnvoll? Für die Analyse der Interviews mit den jugendlichen Straftätern bedeutet dies die Frage nach der kommunikativen Bildung von Sinn unter hoher Kontingenz. Doch wie gelingt eine solche Konstruktion von Sinn im Rückgriff auf die eigene Vergangenheit? Welche Anstrengungen muss ein Individuum leisten, um Sinn kommunikativ herzustellen? Wie bewältigen soziale und psychische Systeme damit verbundene Komplexitätsprobleme, um Sinn zu erzeugen?
2.1.2.2 Operativer Ort von Biographie
Jene oben angesprochene Selektion der biographischen Rede spielt im Zusammenhang mit dem sog. operativen Ort von Biographien eine tragende Rolle in Nassehis Überlegungen. Wenn man der Systemtheorie folgt, so identifiziert man Personen nicht mehr über die Zugehörigkeit zu einer Schicht, sondern sieht sie als Teilnehmer in mehreren funktionalen Gesellschaftssystemen20. Die Problematik besteht nun darin, dass Individuen „gleichsamzwischenden funktional spezifizierten Teilbereichen der Gesellschaft“ stehen und dabei „die verschiedenen funktionalen Semantiken, die bisweilen völlig inkompatibel und kaum ‚übersetzbar’ sind, über ihre eigene Selbstreferenz sinnhaft miteinander verbinden“ (Ebd.: 348) müssen. Das Individuum wird dabei passiv zur Schnittstelle verschiedener Rollen- und Verhaltensanforderungen sowie Erwartungsstrukturen, die in der postmodernen Gesellschaft aufgrund der funktionalen Differenzierung an es gestellt werden (Wikipedia: Biographieforschung). Anders formuliert ist „[d]er einzige Ort, an dem die disparaten Teile der Gesellschaft verbunden werden, [...] das Individuum, das die unterschiedlichen sozialen Ansprüche in Einklang zu bringen hat - das Individuum ist gewissermaßen der Parasit, das ausgeschlossene Dritte gesellschaftlicher Differenzen“ (Nassehi 1995: 114).
Nassehi weist zusätzlich darauf hin, dass Individuen aufgrund dieser Querstellung zu den Funktionssystemen nicht einfach an sozialer Zeit teil[nehmen], indem sie, wie jedes Geschehen, nur sukzessiv prozessieren und in der nicht alles gleichzeitig vonstatten geht“ (Nassehi, Weber 1990: 178), sondern sie werden gezwungen, die systemischen Grenzen und die verschiedenen Operationen selbst durch bewusstseinsgesteuerte Leistung sinnhaft zu integrieren, mit anderen Worten „innerpsychisch [...] aufzuheben, nämlich zu übernehmen und zugleich neu zu formieren“ (Ebd.: 179).
Da dies nicht mehr auf einem einheitlichen Wege möglich ist, also keine stabilen, festgelegten Orientierungsmuster von der Gesellschaft mehr vorgegeben werden (können), muss diese psychische Integrationsleistung von den einzelnen Personen aus eigener Kraft geleistet werden. Diese „Zumutung für das Individuum, selbsttätig die sequentiellen Muster, in die es verstrickt ist, zu ergreifen“ (Ebd.: 355), stellt sich empirisch beobachtbar an der biographischen Selbstbeschreibung von Individuen dar21. Die Relevanz der Systemtheorie für die Biographieforschung besteht folglich darin, dass die funktional differenzierte Gesellschaft die Selbstbeschreibung von Personen messbar verändert. Was dies konkret für die Funktion einer Selbstbeschreibung der delinquenten Jugendlichen impliziert, wird im Folgenden zu klären sein.
Wie kann man sich nun biographische Selbstbeschreibung durch die systemtheoretische Perspektive vorstellen? Nassehi orientiert sich dabei zunächst an den Ausführungen Schimanks zu Biographie als Autopoiesis und dessen Unterscheidung von Biographie als temporalen Verlauf einerseits und als Reflexion in Form selektiver Beobachtungen andererseits. Um den komplexen Sachverhalt aufzuklären, sollen Schimanks Überlegungen zunächst dargelegt werden: Schimank definiert Biographie als ein „Nacheinander von Bewußtseinsakten des Individuums [...], das im Bestimmungsbereich sozialer Systeme, genauer gesagt: durch strukturelle Kopplung an und Inklusion in verschiedenste Interaktions-, Organisations- und gesellschaftliche Teilsysteme seine Einheit der Differenzen seiner jeweiligen Ereignisjetzte sichert“ (Nassehi 1994: 50). Geleistet werden diese Akte durch das Bewusstsein, indem es aus der Gegenwart heraus Ereignisse immer wieder neu und zwar auf retentionale (d.h. durch Präsenthalten vergangener Erlebnisse) und protentionale (d.h. durch Antizipieren möglicher zukünftiger Erfahrungen) Art modifiziert (vgl. Nassehi, Weber 1990: 158)22. Nassehi orientiert sich an Schimanks Darstellung nun insoweit, als dass er Biographie als Autopoiesis begreift und ihren damit verbundenen Doppelcharakter zumindest empirisch anerkennt. Er lehnt jedoch Schimanks Subsummierung des Sachverhalts von Biographie als gleichermaßen Verlauf und Reflexion ab. Dies liegt sachgemäß in der Konstitution von Biographie und Lebenslauf begründet, die nicht substituiert werden können, sondern sozusagen zwei Seiten der Medaille Lebenszeit sind: Unter Lebenslauf versteht man bspw. „die allgemeinen (‚regelhaften’, ‚typischen’) Sequenzmuster der Bewegung durch die Lebenszeit“ (Schäfers 2001: 200), d.h. also die tatsächlichen Erlebnisse im Leben einer Person seit der Geburt bis zur Gegenwart. Er repräsentiert damit alle „objektiven Handlungsverläufe“ (Weber et al. 1995: 34). Dagegen verweist Biographie „auf Lebenszeit als Erfahrungs- und Handlungszusammenhang“ (ebd.), der sich nicht durch die tatsächlichen lebensgeschichtlichen Ereignisse, sondern durch die aus der Gegenwart heraus stattfindende, selektive Reflektion des erzählenden Biographen auf seinen Lebenslauf auszeichnet. Mit anderen Worten macht eine Biographie „durch temporale Modifikationen den Lebenslauf zum Thema“ (Nassehi, Weber 1990: 34) und ist somit die „subjektive Sicht von objektiven Handlungsverläufen“ (Weber et al. 1995: 34), d.h. die subjektive, unumgänglich selektive Reflektion auf den individuellen Lebenslauf23.
In Anlehnung an diese Differenzierung von Biographie und Lebenslauf räumt Nassehi nur der selektiven Reflexion auf vergangene Erlebnisse den Charakter einer Biographie ein, während die Bezugnahme auf den Verlaufscharakter eher dem oben definierten Begriff des Lebenslaufs zuzuschreiben sei.
Doch Nassehi belässt es nicht bei dieser Unterscheidung, sondern präzisiert, was er unter Biographie genau versteht und verdeutlicht, in welchen sozialen Zusammenhängen individuelle Biographien thematisiert werden, also in Bewerbungsgesprächen, Liebesbeziehungen, Strafprozessen, etc. Obwohl diese Thematisierungen als empirische Erfahrungen evident sind, fällt auf, dass sie jeweils nicht rein psychischen Systemen biographischer Identität entstammen, sondern in erster Linie am entsprechenden sozialen Raum (d.h. vor Gericht, im Bewerbungsgespräch, etc.) orientiert sind. Somit sind diese Biographien „nicht Ausdruck psychischer biographischer Identitäten, sondern sind kommunikative Thematisierungen von Lebensläufen. Was wir empirisch wahrnehmen können, ist also niemals eine wie und wo auch immer vermutete Substanz biographischer Identität, sondern ausschließlich biographische Kommunikation“ 54)24.
(Nassehi 1994: Wider Erwarten wird das Problem der biographischen Inszenierung nicht auf psychischer Ebene bewältigt, sondern über Kommunikation, also im sozialen System. Um sich mit Biographie zu beschäftigen, muss man sich auf die Neuerung einlassen, dass „[d]as Bezugsproblem von Kommunikation [...] nicht die Wechselseitigkeit der Sprecher [ist], sondern ihre Intransparenz. Nur deshalb wird kommuniziert“ (Nassehi 2002: 9).
2.2 Personenorientierte Sozialdimension
Ähnlich der Diskussion rund um die Authentizität der Themen einer Lebensgeschichte rankt sich auf der Sozialebene Vieles um die Authentizität von Personen.
2.2.1 Authentische Person bei Schütze
Für Schütze geht es in Bezug auf die Authentizität der Person und ihrer biographischen Erzählung um die Erlangung einer möglichst realitätsgetreuen Wiedergabe der erlebten Vergangenheit eines Individuums. Übertragen auf die jugendlichen Straftäter würde das Schütze’sche Konzept darauf abzielen, die individuellen Gegebenheiten der Vergangenheit herauszufinden und dadurch möglichst authentische Daten zu erhalten. Damit werden „Negationsmöglichkeiten und Variationschancen möglicher Selbstbeschreibung“ (Nassehi 2001: 2) abgelehnt.
Worin äußert sich das Streben Schützes nach Authentizität der Person? Die Antwort darauf findet sich weniger in konkret geäußerten theoretischen Annahmen Schützes selbst, sondern ist im praktischen, analytischen Umgang Schützes mit Personen, d.h. Interviewpartnern, ablesbar. Man muss sich zweierlei fragen: Zunächst wie sich für Schütze eine Person präsentieren muss, d.h. was sie im Interview sagen und wie sie handeln soll, um von Schütze als authentisch betrachtet zu werden. Des Weiteren steht zur Debatte, welches Vorgehen Schütze in der Datenanalyse vom Forscher erwartet.
Dieser Umgang lässt sich bspw. in der Darlegung eines Fallbeispiels Schützes beobachten, das er in seinem Beitrag „Biographieforschung und narratives Interview“ 1983 zur Explikation der Interviewanalyse heranzieht. So beschreibt er als Einleitung für den Leser die äußeren Umstände des Interviewten:
„Seine Lebensgeschichte ist zunächst geprägt durch eine Verlaufskurve der Fremdbestimmtheit im Internat und des Schulversagens; er wurde von der Mutter abgeschoben, nachdem ein neuerEhemann in der Familie aufgetaucht war. [...] Die Mutter [...] ist von der Ansicht geleitet, ihren Sohn möglichst schnell als Beamten oder Angestellten in sicherer Stellung unterzubringen, damitsie endlich ihrer Sorgepflichten ledig ist.“(Schütze 1983: 289) Ganz deutlich tritt hier eine Moralisierung der Geschehnisse durch Schütze an den Tag, die er mit der Erläuterung der Verhältnisse um den Interviewten nicht verbergen kann. Auch Betroffenheit zeigt Schütze in seiner Analyse gegenüber dem Erzähler:
„Der endgültige Orientierungszusammenbruch geht mit schweren Depressionen einher, die zueinem Suizidversuch im 27. Lebensjahr führen. - Im vorliegenden Beitrag kann nur noch derÜbergang aus der Phase des labilen Gleichgewichts in die des Trudelns, d.h. derEntstabilisierung des Kontrollhandlungssystems zur Bewältigung eines beschwerlichen Alltags,zitiert werden.“(Schütze 1983: 291) Schütze verfolgt in seiner partiell normativ ausgerichteten Analyse in diesem Zusammenhang eine eher aufdeckende Strategie, bei der es um die Enthüllung von Verschwiegenem, von Widersprüchlichem, von Subtilem geht. Lässt man Schütze in diesem Zusammenhang selbst zu Wort kommen, so stellt er fest:
„Die Fragestellung ‚Wie deutet der Biographieträger seine Lebensgeschichte?’ist meines Erachtens erst dann zufriedenstellend zu klären, wenn der Forscher die Interpretierenden theoretischen Anstrengungen des Biographieträgers in den Zusammenhang faktischer Prozeßabläufe seines Lebens einbetten kann. Erst dann können auch Fragestellungen getroffen werden wie:‚Der Biographieträger folgt einer illusionären Lebensorientierung’.“(Schütze 1983: 284)
Dass es für Schütze offenbar etwas Vordergründiges zu durchschauen gilt, ist in der Tatsache begründet, dass für ihn „die biographische Repräsentation in ihrer narrativen Gestalt letztendlich als nichtkontingent angesetzt wird. Sie ist es, die Authentizität verbirgt“ (Nassehi 2002: 6). Diese Authentizität kann nur durch den Rückgriff auf ein konkret-handelndes Individuum geschehen.
Offensichtlich wird also ein Individuum - bezogen auf die Sozialdimension - in Schützes Konzept auch authentisch analysiert. Eine solche Moralisierung äußerer Umstände und die Betroffenheit Schützes gegenüber dem Schicksal des Informanten kann nur dann zum Vorschein treten, wenn Schütze sein Gegenüber auch als authentische Person wahrnimmt.
2.2.2 Kontextgebundene Erzeugung von Personen bei Nassehi
Die konstruktivistische Vermutung deklariert im Gegensatz dazu Bewusstsein, also psychische Systeme, als operative, praktische Erzeugung von Personen durch Kontexte25. Nassehi formuliert dazu:
„Das in der Kommunikation auftretende Individuum also, die Person, kann damit als ein Effekt von Kommunikation rekonstruiert werden, aber nicht in dem Sinne, das Individuum als so etwas wie die Entäußerung eines objektiven Geistes oder einer anonymen Struktur zu verstehen, sondern in dem Sinne, dass Personen dadurch entstehen, dass sie im sozialen Raum positionierbar werden.“(Ebd.: 6)
Die Grundlage dieser konstruktivistischen Annahme bildet die Gesellschaft höchst selbst, die als „Gesamtheit aller möglichen Kommunikationen [...] bestimmte Kommunikationsströme aneinander anschließbar macht“ (ebd.). Erst dadurch entsteht die Notwendigkeit, dass sich Individuen im gesellschaftlichen Raum sozial positionieren, indem sie Kommunikation anschlussfähig halten26. Daher fragt systemtheoretisch orientierte Biographieforschung eben nicht nach der Person als vorausgesetzte Größe, wie es Schütze tut, sondern danach, „wie sich Individuen in der Kommunikationals Personendarstellen“ (Ebd.: 7). Zu vernachlässigen ist hier also genau das, wonach Schütze sucht, nämlich „wasda kommuniziert wird“ (ebd.) und ob es der Realität entspricht. Dreh- und Angelpunkt Nassehis Biographischer Methode ist es, „wiees individuellen Selbstbeschreibungen gelingt, sich sozial ansprechbar zu halten“ (ebd.). Ob dies gelingt, wird am Ende im Gesellschaftssystem entschieden (vgl. ebd.).
Bei der konkreten Frage nach den jugendlichen Delinquenten geht es also darum, wie es ihnen möglich ist, für ihre Kommunikation im sozialen Raum (hier: während des Interviews) Anschlussfähigkeit zu erzeugen, über deren Gelingen innerhalb des Interviews selbst entschieden wird. Nassehi fasst zusammen:
„Das Systemtheoretische daran besteht darin, dass strikt darauf geachtet wird, wie Personen in und durch solche Kommunikationen sichtbar werden- was im übrigen nicht nur eine methodologische Kunstfigur ist, sondern dem empirischen Auftreten von Personen entspricht.“ (Ebd.:8)
In ihrer Positionierung unterstützen sich die Individuen u.a. durch die bereits angesprochene Erstellung virtueller Adressaten, die die Anschlussfähigkeit sichern, indem sie die selbst erzeugte Erwartung jener Adressaten erfüllen.
Systemtheoretische Biographieforschung will den Menschen, der für Schütze zentral ist, keineswegs ausschließen. Nassehi betont allerdings deren kommunikative Erzeugung als Konstrukt:
„Daßjemand als Sprecher, Handelnder, als Individuum, als Mann oder Frau, als Kind oderGreis, als Funktionsträger oder Freischwebender, als Insider oder Outsider, als good guy oderbad guy behandelt wird, läßt sich nicht auf die ontologische Verfassung seiner anthropoidenStruktur zurückführen, sondern ist letztlich das Ergebnis kommunikativer Routinen und sozialerZuschreibungen. Personen sind nach diesem Verständnis lediglich Adressaten und damitKonstruktionen sozialer Systeme, die letztlich Komplexitätsprobleme sowohl sozialer als auchpsychischer Systeme lösen.“(Nassehi 1997: 159)
Damit fragt dieser konstruktivistische Forschungsansatz, welche Personen durch einen biographischen Text produziert werden und wie27. Zugang zu dieser Produktion kann jedoch lediglich der Text liefern, der unhintergehbar zwischen den psychischen Systemen des Erzählers und des Forscher steht. Bezug nehmend auf das soziologische Interesse einer solchen Hermeneutik formuliert Nassehi:
„Soziologisch relevant daran ist vor allem die Tatsache, daßdiejenigen Formen, die als Menschen in sozialen Kontexten erscheinen, vor allem Resultate sozialer Texte und Kontexte sind. Eine systemtheoretisch informierte Hermeneutik hat also vor allem die Frage zum Gegenstand, wie Personen innerhalb sozialer Prozesse erzeugt werden und wie sich in Personen und ihren sozialen Präsentationsformen soziale Strukturen im Sinne von Erwartungen niederschlagen.“ (Nassehi 1997: 160)
Das klassische Individuum geht bei dieser biographischen Methode nicht verloren, doch es wird nicht als gegebene Konstante und somit als Grundlage der biographischen Analyse betrachtet, wie Schütze dies tut.
Bei alledem verfolgt die konstruktivistische Perspektive keine entlarvende Strategie, wie es bei Schützes klassischem Ansatz der Fall ist. Ganz im Gegenteil lässt sich über die konstruktivistische Sozialdimension mit Nassehi zusammenfassen:
„Dieses Verfahren enthält eine entscheidende Sparsamkeitsregel: Sie verbürgt nicht, an eine wirkliche Bedeutung des Textes heranzukommen, sondern begnügt sich damit, dieSelbstkonstitution von Inhalten, von Bedeutung, von Sinn nachzuvollziehen und nach den sozialen Erwartungs- und Darstellungsformen zu fragen, unter denen sich forschungsrelevante Topoi darstellen lassen.“(Nassehi 2002: 9)
Um nochmals den Bezug zw. Person, die nach konstruktivistischen Gesichtspunkten ein bloßes Konstrukt ist, und biographischer Perspektive subsummierend herzustellen, kann man festhalten, dass letztere „der Ort [ist], an demexkludierte ganze Personen ihre Individualität mit den und gegen die Ansprüche gesellschaftlicher Funktionszentren in Form institutionalisierter Lebensläufe oder präskriptiver Rollen ausbilden“ (Nassehi 1995: 114), also zwar individuelle Integrationsarbeit geleistet wird, dennoch genau dadurch eine Person erst prozessual entworfen wird. Personen machen sich also offensichtlich nicht aus „einem ‚natürlichen’ Instinkt“ (Hahn 1995: 127) heraus zum Thema, sondern aufgrund „institutioneller Veranlassungen“ (ebd.), die dann je nach Gelegenheit andere Personen oder Persönlichkeiten produzieren.
2.3 Kontingente Zeitdimension
Die dritte und wichtigste Vergleichsdimension zw. den beiden Schulen ist die der Zeit, die bereits in der Einleitung dieses Kapitels mehrfach angesprochen wurde.
2.3.1 Absolute Homologie bei Schütze
Schützes Hauptproblem in der Sach- und Sozialdimension besteht darin, Authentizität sicherzustellen und „Lügen“ zu umgehen. Im Zentrum seiner Überlegungen findet sich eine Homologie zw. erlebter und erzählter Lebensgeschichte sowohl auf temporaler wie auf sachlicher Ebene, die sich in der Diskussion in der Sachdimension bereits angedeutet hat. Für Schütze ist das transkribierte Interview „ein Erzähltext, der den sozialen Prozess der Entwicklung und Wandlung einer biographischen Identität kontinuierlich [...] darstellt und expliziert“ (Schütze 1983: 286). Damit betont Schütze, dass sowohl eine temporale als auch eine sachliche Parallelität zw. Realität und Erzählung auftrete bzw. erreichbar sei: zum einen stellt das tatsächliche Erleben eines Ereignisses sowie die Erzählung davon eine Abfolge der entsprechenden Handlungen dar, womit die temporale Natur zum Ausdruck kommt; zum anderen geht Schütze davon aus, die Muster der Erzählung entsprächen Mustern des Handelns und der Selbstpositionierung, was unter sachlicher Korrelation zu verstehen ist.
Ganz konkret fasst Schütze diese Homologie in Worte, wenn er schreibt: „Der lebensgeschichtliche Erfahrungsstrom wird in erster Linie‚analog’durch Homologien des aktuellen Erzählstroms mit dem Strom der ehemaligen Erfahrungen im Lebensablauf wiedergegeben und erst sekundär‚digital’ durch unterstützende Resymbolisierungen des Erfahrungsablaufs vermittels abstrakter Kategorien und Prädikate dargestellt, die allgemeine Phasierungsmerkmale zuschreiben [...]. Die analoge Wiedergabeweise zeigt sich insbesondere darin, daßsich der Erzähler in der Stegreiferzählung noch einmal durch den Strom seiner ehemaligen Erlebnisse und Erfahrungen treiben läßt.“(Schütze 1984: 78/79)
Die Voraussetzung für diese Homologie ist die Akzeptanz des Erzählers, „sich dem narrativen Strom des Nacherlebens seiner Erfahrungen zu überlassen und [...] keine kalkulierte, vorbereitete bzw. zu Legitimationszwecken bereits oftmals präsentierte Geschichte zur Erzählfolie“ (Schütze 1984: 78)28zu nehmen.
2.3.2 Temporalisierung zur Kontingenzbewältigung bei Nassehi
Genau diese Homologie- Annahme erfährt große Kritik aus der systemtheoretisch informierten, konstruktivistischen Biographieforschung, da sie gerade die Kontingenz einer biographischen Erzählung betont. Was Schütze zu vermeiden sucht, steht bei Nassehi im Mittelpunkt, nämlich dass die biographische Kommunikation auch völlig anders verlaufen könnte, was sich durch systemtheoretische Annahmen erklären lässt. Die Differenz besteht auf zweierlei Ebenen: zum einen existieren wie bereits mehrfach angesprochen Polykontexturalitäten, durch die unterschiedliche biographische Erzählungen verfertigt werden können, wie vor Gericht, beim Abschluss einer Lebensversicherung oder in einer Liebesbeziehung. Gleichzeitig kann innerhalb eines spezifischen Kontexts, in unserem Fall bei Interviews zu individueller Delinquenz, ein und derselbe Sachverhalt, nämlich Kriminalität, auf differente Weise kommuniziert werden. Man könnte auch sagen, dass eine „Verzeitlichung der Selbstdarstellung [...] erst da zwingend [wird], wo gleiche Gegenwarten der Endpunkt extrem verschiedener Vergangenheiten sein können, wo also die Gegenwart nicht mehr hinlänglich viel Vergangenheit transparent macht“ (Hahn 1995: 144). Dieser Sachverhalt hängt eng zusammen mit „doppelter Kontingenzbewältigung: zum einen[um die Beobachtung] der kontingenten Erzählbarkeit der erzählten Vergangenheit,zum anderenum die Kontingenz der gegenwärtigen (Interview-) Kommunikation“ (Nassehi 2002: 9). Gerade hierin liegt dann die Notwendigkeit einer empirischen Untersuchung solcher kontingenter Darstellungs- und Positionierungsoptionen innerhalb biographischer Kommunikationen.
2.3.2.1 Absolute versus relative Homologie
Anders als bei Schützes absoluter Homologie- Annahme ist eine Korrelation von biographischer Kommunikation im eben dargestellten Sinne und tatsächlicher Lebensgeschichte bei Nassehi ausschließlich temporaler Natur, nicht sachlicher. Nassehi sieht zwischen in der Vergangenheit erlebten Sachverhalten und aus der Gegenwartsperspektive stattfindenden Narrationen eine Asymmetrie. Angesichts der Perspektivenänderung stellt die Erzählung und der daraus transkribierte Text wie erwähnt ein Artefakt, eine „realitassui generis“ (Nassehi 1994: 53) dar, denn biographische Erzählung bezieht sich zwar auf tatsächlich Geschehenes, dennoch vermag sie keine „Wiedervergegenwärtlichung“ der realen Vergangenheit, die in Schützes Überlegungen ja zumindest erreichbar ist. Das Verhältnis von Lebenslauf und Biographie wird erneut deutlich, denn „[e]ine biographische Erzählung setzt [...] unmittelbar an der zeitlichen Erfahrungsformdes eigenen Lebens an, ohne aber die Erfahrung selbst abzubilden“ (Weber et al. 1995: 82). Die Narration bildet sich auf Basis der Erfahrung, ist mit ihr jedoch nicht identisch, sondern kann sie nur reflektieren. Nassehi macht deutlich:
„Es gibt keinen Weg vom biographischen Text zur lebensgeschichtlichen Wirklichkeit. Beobachtbar ist die lebensgeschichtliche Wirklichkeit nur durch die Linse der biographischen Erzählung.
[...]
1Biographieforschung wird auch außerhalb der sozialwissenschaftlichen Forschung bzw. im Rahmen literarischer und semi- wissenschaftlicher Studien verwendet, bspw. als literarisch-biographisches Portrait im LiteraturBereich oder als journalistische Lebensgeschichten im Journalismusbereich (vgl. Lamnek 1989: 331ff)
2 Jemand war z.B. ein Bauer (Sachdimension) und gehörte somit der Unterschicht mit ihren schichtspezifischen Verhaltensanforderungen (Sozialdimension) an.
3 Funktionale Differenzierung steht bekanntlich für die Ausdifferenzierung der Gesellschaft nach Funktionen in verschiedene, nicht durcheinander substituierbare Teilsysteme wie Politik, Erziehung, Wissenschaft, Wirtschaft, Kunst, etc. Diese funktionsspezifischen Systeme sind im Vergleich zu stratifikatorischen Gesellschaftsformen nicht mehr durch eine allen gemeinsame Grundsymbolik integrierbar, sondern operieren aus ihrer jeweiligen funktionsspezifischen Perspektive heraus, die jedoch für sie selbst unhintergehbar ist.
4 Georg Hahn benennt die Bedeutung solcher biographischer Strukturen: „Für die Soziologie werden solche institutionalisierte Formen der Selbstthematisierung vor allem deswegen bedeutsam, weil sie mit der Entstehung des Selbst als sozialer Struktur verworben sind und weil andererseits jede Gesellschaft auf bestimmte Typen von Persönlichkeit angewiesen ist: Soziale Formen der Selbstthematisierung fungieren als ‚Generatoren’ eines bestimmten Typs von handlungsfähigen Personen, ohne die umgekehrt bestimmte Typen von Gesellschaft undenkbar wären“ (Hahn 1995: 128).
5 In der quantitativen Forschung wird dies für gewöhnlich über eine entsprechende Quantität an Merkmalsträgern und hohem Standardisierungsgrad gelöst, um damit möglichst hohe Objektivität zu gewährleisten.
6 Ausgehend von dieser Basis existieren verschiedene Theorien darüber, was die biographische Methode daraufhin zu leisten im Stande ist. Dass diese Methode auf der Basis individuell- subjektiver „Merkmale“ und „Ausprägungen“ von bspw. Deutungsmustern, Lösungsansätzen, Stereotypen u.ä. zu wissenschaftlichen Aussagen gelangt, ist dabei nur einer der strittigen Punkte. Die Biographieforschung begegnet diesem Einwand mit dem Hinweis, dass die Analyse biographischer Daten über die individuelle Ausprägung hinaus sich mit der Herausarbeitung in ihr typischer, überindividueller Handlungs- und Bedeutungszusammenhänge beschäftigt. Somit wird die soziale Bedingtheit und Regelhaftigkeit individuellen Lebens und daraus resultierend die Dialektik zw. Gesellschaft und Individuum betont.
7 Doppelte Kontingenz nach Parsons „bezeichnet eine Situation, in der aufgrund der wechselseitigen Erwartungsstruktur kein Handeln zustande kommen kann“ (Weber et al. 1995: 84), da zwei Personen jeweils ihr Verhalten von dem des anderen abhängig machen bzw. an dieses anschließen möchten und somit keine sozialen Prozesse in Gang gesetzt werden können. Luhmann widerspricht Parsons, indem er betont, dass es doppelte Kontingenz gerade ermöglicht, Kommunikation aufgrund eines beiderseitigen Interesses, diese Situation der fehlenden Anschlussmöglichkeiten und Erwartungshorizonte aufzuheben, zu produzieren (ebd.).
8 Indexikalitäten verdeutlichen das „perspektivische Eingebundensein“ (Nassehi 1992: 168) des Erzählers in die Narration. Indexikale Sprachformen sind bspw. „Kennzeichnungen, Namen, Demonstrativa, Pronomina, Raumund Zeitbezüge, exophorische deiktische Praktiken (wie: hier, dort, jetzt, damals usw.)“. (Schütze 1976: 226)
9 Zentrum der Systemtheorie, deren Begründer Niklas Luhmann ist, sind bekanntlich Systeme im Gegensatz zu elementaren, unteilbaren Einheiten als Zusammensetzungen mehrerer Einzelteile. Dabei bezeichnet der Begriff System mehr als nur die Summe dieser Teile, indem er gleichzeitig Relationen und Wechselwirkungen der systeminternen Elemente untereinander impliziert und damit eine qualitativ neue Emergenz zu Tage tritt (Kneer,Nassehi 2000: 47). Charakterisiert werden kann die emergente Struktur durch die systemtypische Geschlossenheit, zu sehen als Bezugnahme auf die interne Vernetzung der Einzelteile zu sehen ist. Systeme sind dabei definitionsgemäß keine völlig geschlossenen Gebilde ohne Kontakt zur Umwelt, sondern zusätzlich durch Austauschprozesse zw. sich selbst und ihrer Umwelt konzipiert. Die Umwelt hat jedoch keinen determinierenden Einfluss auf die systeminternen Wechselwirkungen der Einzelteile eines Systems, sondern lediglich „irritierende“ Wirkungen. Luhmann spricht dabei von struktureller Kopplung zw. Systemen, d.h. die Systeme bedingen sich zwar nicht, sind jedoch wechselseitig notwendige Existenzbedingung. Um diese Geschlossenheit zum Ausdruck zu bringen, übernimmt Luhmann ein Schlagwort aus der Biologie: Autopoiesis. Ursprünglich als Merkmal lebender Systeme durch die Biologen Humberto R. Maturana und Francisco J. Varela in den 1960ern und 1970ern entwickelt, bezeichnet es zunächst die Selbsterzeugungs- oder auch Selbstherstellungsdynamik eines Systems dahingehend, dass es ein „rekursives Netzwerk interagierender Komponenten“ (Ebd.: 56) bildet, welches aufgrund dieser Interaktionen sich selbst laufend reproduziert. Luhmann übernimmt dieses biologische Konzept und münzt es auf seine Definition von sozialen (im Gegensatz zu lebenden) Systemen um, indem sie „als selbstreferentiell- geschlossene, autopoietische Systeme konzipiert“ (Ebd.: 57) sind, die sich durch ständige Wechselwirkung ihrer Komponenten (re-)produzieren und mit Sinn als entscheidende Differenz zur Autopoiesis natürlicher Organismen operieren. Luhmann formuliert dies in einem Interview 1996 folgendermaßen: „Ein System produziert sich selber. Es produziert die Elemente, aus denen es besteht, mit Hilfe einer Kombination der Elemente, aus denen es besteht. Das ist eine Idee, die man – wie mir scheint - auch auf soziale Verhältnisse, auf die Gesellschaft anwenden kann.“ Dabei kommt der Umwelt eine wichtige Rolle zu, indem eine differenzierte Interaktion zw. ihr und dem System stattfindet. Das heißt jedoch nicht, dass ihre Einflüsse für den Systemzustand determinierend sind, denn das System bildet in sich die Umwelt nicht 1:1 ab. Hier ist die Umwelt in der Lage, die systeminternen Relationen zu „irritieren“. Kneer und Nassehi formulieren als Zusatz: „Geschlossenheit wird dabei nicht als Gegensatz, sondern als Bedingung für Offenheit verstanden.“ (Ebd.: 59).
10 Zur Erklärung: Neben teilssystemspezifischen Semantiken dienen den Funktionssystemen als „beobachtungsleitende Grundunterscheidungen“ (Nassehi 1993: 323) primär sog. binäre Codes, „die selbst nicht wieder unterschieden werden können“ (ebd.); sie dirigieren funktionsspezifischen Beobachtungen der einzelnen Teilsysteme. Dieser Sachverhalt schließt das Deutungsproblem ein, dass es eine ontologische Sichtweise auf die Welt nicht (mehr) geben kann. Anders ausgedrückt: „Die Autopoiesis des jeweiligen Teilsystems autoontologisiert also anhand ihrer dem System zugrundeliegenden binären Codierung sich selbst und damit: nichts weniger als die Welt“ (Ebd.: 326). Die binären Codes können ferner immer nur wesensgemäße subsysteminterne Differenzierungen produzieren. Diese Subsysteme generieren durch binäre Codes je eigene Beobachtungen der Welt wie „Schrumpfkosmologien“ (Nassehi 1993: 324), was zu dem Paradox führt, dass keine funktionsspezifische Perspektive (mehr) den Anspruch einer ontologischen Erklärung der Gesellschaft, geschweige denn der Welt besitzt: „Jedes Funktionssystem ist zugleich die Gesellschaft, und es ist sie zugleich nicht“ (Nassehi 1995: 110).
11 Psychische Systeme werden als „operativ geschlossene Einheiten, die letztlich füreinander und für sich selbst intransparent sind“ (Nassehi 2001: 5) definiert und treten ausschließlich in Form von Bewusstseinssystemen auf, deren Grundeinheiten Luhmann als Gedanken definiert. Präzisiert wird dies anhand ihres Ereignischarakters: „Gedanken [...] sind Ereignisse, also Elemente, die im Moment ihres Auftauchens bereits wieder verschwinden. Ein Gedanke erscheint, aber schon im nächsten Moment taucht er unter und wird durch einen neuen Gedanken ersetzt. Das Bewusstsein hat es also mit dem Dauerzerfall seiner Elemente zu tun. Es hangelt sich [...] von Gedanke zu Gedanke. Luhmann begreift das Bewusstsein als autopoietisches System, weil es damit beschäftigt ist, ständig neue Gedanken hervorzubringen.“ (Kneer, Nassehi 2000: 60). Das Bewusstsein kann jedoch ohne eine Umwelt (in diesem Fall z.B. das Gehirn, den menschlichen Körper, etc.) nicht existieren.
12 Die binäre Kodierung von Kommunikation als sozialem System besteht aus „anschlussfähige Kommunikation“/ „verstehen“ (im Sinne Luhmanns) und „nicht anschlussfähige Kommunikation“/ „nicht verstehen“. Bedeutsam für die geführten Interviews mit delinquenten Jugendlichen ist dieser Sachverhalt dahingehend, dass in der Analyse darauf zu achten sein wird, ob – und wenn ja, wie – genau Anschlüsse innerhalb der kommunikativen Kodierung möglich sind.
13 Im Gegensatz zu sozialen Systemen können operational geschlossene psychische Systeme bzw. Bewusstseinssysteme des Menschen nicht unmittelbar miteinander im oben genannten Sinn kommunizieren, sie sind füreinander völlig intransparent; Bewusstseinssysteme können lediglich Gedanken reproduzieren. Anders ausgedrückt meint Autopoiesis des psychischen Systems, „daß das Bewußtsein [...] mithin also nicht aus der zirkulären Geschlossenheit seiner selbst auszubrechen vermag. Es operiert nur qua Bewußtsein, ist aber [...] offen für Umweltsinn“ (Nassehi, Weber 1990: 168). Da Menschen sich dennoch durchaus verständigen können, muss das Konzept der Kommunikation davon unabhängig und eigendynamisch und dadurch eine eigenständige Ebene (vgl. ebd.: 67) sein. Der Mensch, genaugenommen das psychische System, ist für die Existenz von sozialen Systemen jedoch nicht obsolet, sondern strukturell mit ihnen gekoppelt, also notwendige Bedingung für deren Existenz: der Mensch ist Umwelt des sozialen Systems, er kann es irritieren und umgekehrt. In der Konsequenz für die dieser Diplomarbeit zugrunde liegenden Daten stellt sich folglich die Frage, wie diese überhaupt zustande kommen. Die Antwort ist: über anschlussfähige Kommunikation, nicht über Bewusstsein.
14 Der Mensch ist systemtheoretisch gesehen kein eigenständiges System, sondern „besteht aus mehreren, getrennt operierenden Systemen“ (Ebd.: 66), z.B. dem psychischen System/ dem Bewusstsein, dem organischen System, dem Immunsystem etc. Für den Gesellschaftsbegriff bedeutet dies, dass „[d]er theoretische Gedanke, als Gegenstand der Soziologie primär kommunikative Prozesse und ihre Strukturbildungen zu untersuchen“ also darauf beruht, „Gesellschaft als ein ereignisbasiertes, in Echtzeit sich vollziehendes, rekursives Netzwerk zu beschreiben, das in seinen und durch seine Prozesse selbst Strukturen hervorbringt.“ (Nassehi 2003: 25).
15 Dabei handelt es sich nach Luhmann nicht um psychische, sondern explizit um soziale Selektionen: „Natürlich kann eine mitgeteilte Information zunächst psychisch existent gewesen sein und natürlich kann die Mitteilung jener Information psychisch intentional fundiert sein [...]. Aber damit weiter kommuniziert wird, muss in der Kommunikation Information und Mitteilung unterschieden werden. Luhmann hat dafür den Begriff des Verstehens eingesetzt.“ (Nassehi 2003: 26/27)
16 Hierfür bräuchte man ja einen Ausgangspunkt als Unterscheidungskriterium, den es nach der Theorie sozialer Systeme eben nicht (mehr) geben kann.
17 Interessanterweise ist Verstehen eine Operation, die nur sozialen Systemen eigen ist, nicht jedoch psychischen Systemen, also nicht Menschen bzw. Bewusstsein. Anstelle des Menschen als interagierendes Wesen tritt die Kommunikation selbst in den Vordergrund des systemtheoretischen Interesses: „Der Mensch kann nicht kommunizieren; nur die Kommunikation kann kommunizieren.“ (Luhmann 1990: 31), er wird dadurch zur Umwelt eines sozialen Systems. Er kommuniziert nicht, sondern Kommunikation ist ein Produkt sozialer Systeme (vgl. Kneer, Nassehi 2000: 66).
18 Der Ausdruck „nichtsubstituierbares Nebeneinander“ lässt befürchten, die gesellschaftlichen Teilsysteme stünden zu keiner Beziehung miteinander. Diese Mutmaßung ist jedoch gegenstandslos, denn die einzelnen Systeme sind durch ihre „gesamtgesellschaftliche Funktion [...] und die Leistung, die sie für andere Teilsysteme erbringen [...] miteinander verbunden“ (Nassehi 1993: 328). Die Teilsysteme existieren jedoch keineswegs gleichberechtigt. So kann z.B. die Wirtschaft zweifellos als einer der Primaten unter den Subsystemen angesehen werden (vgl. ebd.: 329). Dies beleuchtet gleichzeitig, dass sich die Teilsysteme untereinander durchaus beeinflussen (nicht determinieren!).
19 Im Sinne systemtheoretischer Orientierung wird Sinn als „das fortlaufende Prozessieren der Differenz von Aktualität und Möglichkeit“ (Nassehi, Kneer 1993: 80) definiert, er ist somit „ein selbstreferentielles Geschehen: Sinn verweist ständig auf Sinn und nicht auf Nicht-Sinn“ (ebd.).
20 Bspw. partizipieren sie am Erziehungssystem, haben Wahlrecht, sind in den Wirtschaftskreislauf eingegliedert, etc.
21 Interessanterweise kommt hier eine bedeutende Paradoxie zum Ausdruck: Individuelle Selbstbeschreibung ist nämlich alles andere als individuell, sondern an jedem Mensch beobachtbar, also eine kollektive Operation. Jeder beschreibt sich selbst, obwohl es eine kollektive Handlung ist. Nassehi nennt diesen Zusammenhang den „circulus vitiosus des Copierens“ (Ebd: 350).
22 Edmund Husserls phänomenologisches Konzept des inneren Zeitbewusstseins steht Modell für das psychische System als autopoietische Einheit, das Schimank hier auf die Selbstbeschreibung psychischer Systeme überträgt. Aus Husserls Zeitkonzept stammen auch die beiden Begriffe der Protentionalität und der Retentionalität (vgl. Nassehi, Weber 1990: 157ff).
23 Analog verhält es sich bei der Stellung von erlebter zu erzählter Geschichte während z.B. eines narrativen Interviews. Erzählte Lebensgeschichte ist das Produkt der biographischen Narration, d.h. die gegenwartsspezifische selektive Auswahl bestimmter Lebenslaufabschnitte und deren Darstellung innerhalb einer Erzählung, die nicht identisch ist mit der in der Vergangenheit liegenden „objektiven“ Handlung.
24 Der Tatbestand von Biographie als ausschließlich biographischre Kommunikation lässt sich leicht bekräftigen, wenn man erkennt, dass biographische Kommunikation nur als Text in Erscheinung treten kann, z.B. als Transkript eines biographischen, narrativen Interviews. Die rekonstruktive Arbeit eines Forschers mit diesem Text ist ausschließlich über diesen Text zu realisieren, der unweigerlich die spezifischen Erfahrungen des Informanten von dem Forscher separieren. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass es „letztlich nur der Text [ist], der das durch ihn wiedergegebene Erleben sichtbar machen kann. Nur über ihn ist die Wirklichkeit eines anderen zugänglich. Daraus folgt – das ist von entscheidender methodologischer Konsequenz-, dass auch nur er letztlich beobachtbar ist, nicht aber das Erleben selbst“ (Nassehi 1992: 168).
25 Diese Annahme gründet auf das systemtheoretisch informierte Verhältnis von Akteur und Kommunikation bzw. Handlung, in dem der Akteur „zugleich als Effekt und als Irritation in das Kommunikations- und Handlungsgeschehen eingelassen ist, zugleich Kontrolleur und Kontrollierter ist“ (Nassehi 2003: 31)
26 Anders ausgedrückt lässt sich sagen, dass soziale Systeme ihre Grundeinheit Kommunikation als (Mitteilungs-) Handlungen auffassen und sie dann einzelnen Personen zurechnen, die dadurch zu „konstruierten Einheiten [werden], die der Verhaltenserwartung und der Zurechnung dienen, keineswegs aber psychische Systeme oder gar Menschen“ (Nassehi, Kneer 1993: 95).
27 Somit ist das, was man als Individuell schlechthin bezeichnet, „unter gesellschaftstheoretischen Prämissen nicht als Entität sui generis“ definierbar, „sondern ist als Resultat gesellschaftlicher Kommunikation anzusehen“ (Nassehi 1993: 349).
28 Aus konstruktivistischer Perspektive, v.a. in Anlehnung an die Fakten der Sozialdimension aus Kapitel 2.2, ist gerade dies jedoch u.U. fraglich.
- Citar trabajo
- Simone Reichle (Autor), 2005, Delinquenz - was oder wie?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52883
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