Dem Eisernen Kanzler Fürst Otto von Bismarck wird eine Fülle von Zitaten zugeschrieben, die den Leser zunächst erheitern, dann aber auch zum Nachdenken anregen. In diese Kategorie fällt auch der folgende Spruch des einstigen Reichskanzlers: „Je weniger die Leute darüber wissen, wie Würste und Gesetze gemacht werden, desto besser schlafen sie nachts.“2Der pommersche Junker wusste wovon er sprach, denn als Landwirt, Gutsbesitzer und passionierter Jäger, hatte er den seinerzeit üblichen Haus- und Hofschlachtungen sicher so manches Mal beiwohnen können. Man möge bedenken, dass damals nicht unter Einhaltung der heute gültigen Standards für Schlachtung, Verarbeitung und Hygiene gewurstet wurde. Damals wie heute gab und gibt es „schwarze Schafe“ unter den Fleischerzeugern, Verarbeitern und Händlern, die mit ihrem skrupellosen, fallweise kriminellen Treiben das Vertrauen der Verbraucher nachhaltig schädigen. Sonach dürfte der Fürst die Gründung des „Kaiserlichen Gesundheitsamtes“ anno 1876 wohlwollend begrüßt, wenn nicht gar forciert haben. Dieser Behörde oblag die Überwachung des im Jahre 1879 erlassenen „Gesetzes betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln, Genussmitteln und Gebrauchsgegenständen“. Auch wurde in jener Zeit per Reichsgesetz die Fleischbeschau durch Veterinäre (damals auch Rossärzte genannt) angeordnet.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Fürst Bismarck und die Fleischqualität
2 Grundlagen
2.1 Begriffsklärung
2.2 Bedeutung
2.3 Qualitätsbeurteilung bei Schweinefleisch
2.4. Qualitätsmängel
2.5. Qualitätsrelevante Einflussfaktoren
3 Biologisch versus Konventionell
4 Qualitätsprogramme
5 Vermarktungsargumente
6 Zusammenfassung und Resümee
Anhang A: Kundenbefragung in Fleischerfachgeschäften
Anhang B: Schlachtleistung und Fleischbeschaffenheit
Anhang C-1: NEULAND-Verein
Anhang C-2: Du darfst
Anhang C-3: Thönes Natur-Verbund
Anhang D: Exkurs - Reinheitsgebot für Bier und Wurst
Glossar
Literaturverzeichnis
Erklärung
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 2-1: Entwicklung der Kriterienpräferenz beim Einkauf
Abbildung 5-1: Logo Bunte Bentheimer
Tabellenverzeichnis
Tabelle 2-1: Allelfrequenzunterschiede zwischen den Rassen
Tabelle 2-2: Fleischqualität bei Schlachtschweinen nach Transporten mit unterschiedlicher Ladedichte
Tabelle 3-1: Mittelwerte ausgewählter Prüfparameter
Tabelle B-1: Schlachtleistung und Fleischbeschaffenheit der
deutschen Schweinerassen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Fürst Bismarck und die Fleischqualität
Dem Eisernen Kanzler Fürst Otto von Bismarck wird eine Fülle von Zitaten zugeschrieben, die den Leser[1] zunächst erheitern, dann aber auch zum Nachdenken anregen. In diese Kategorie fällt auch der folgende Spruch des einstigen Reichskanzlers: „Je weniger die Leute darüber wissen, wie Würste und Gesetze gemacht werden, desto besser schlafen sie nachts.“[2] Der pommersche Junker wusste wovon er sprach, denn als Landwirt, Gutsbesitzer und passionierter Jäger, hatte er den seinerzeit üblichen Haus- und Hofschlachtungen sicher so manches Mal beiwohnen können. Man möge bedenken, dass damals nicht unter Einhaltung der heute gültigen Standards für Schlachtung, Verarbeitung und Hygiene gewurstet wurde. Damals wie heute gab und gibt es „schwarze Schafe“ unter den Fleischerzeugern, Verarbeitern und Händlern, die mit ihrem skrupellosen, fallweise kriminellen Treiben das Vertrauen der Verbraucher nachhaltig schädigen. Sonach dürfte der Fürst die Gründung des „Kaiserlichen Gesundheitsamtes“ anno 1876 wohlwollend begrüßt, wenn nicht gar forciert haben. Dieser Behörde oblag die Überwachung des im Jahre 1879 erlassenen „Gesetzes betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln, Genussmitteln und Gebrauchsgegenständen“. Auch wurde in jener Zeit per Reichsgesetz die Fleischbeschau durch Veterinäre (damals auch Rossärzte genannt) angeordnet.
Ungeachtet aller Dirigismen werden Lebensmittelskandale, wie jüngst mit Schlachtabfällen aus Bayern, verdorbenem Geflügelfleisch aus Niedersachsen und Fleischwaren mit längst verfallenem Haltbarkeitsdatum aus Westfalen, in regelmäßigen Abständen ruchbar. Ganze Branchen werden dadurch diskreditiert und nicht zuletzt auch der Landwirtschaft Einkommensverluste zugefügt. Gleichwohl resultiert aus diesen dubiosen Machenschaften ein positiver Effekt, selbst wenn dieser einen faden Beigeschmack hat: Die Verbraucher entwickeln eine gewisse Sensibilität hinsichtlich der angebotenen Produkte und ihrer Qualität. Sie interessieren sich verstärkt für die Herkunft eines Tieres, seine Verarbeitung und dessen Vermarktungsweg. Transparenz und Nachvollziehbarkeit wird gefordert. Schlachthöfe und Verarbeitungsbetriebe haben die Zeichen der Zeit erkannt und bieten nun „Tage der offenen Tür“ oder werben mit „gläserner“ Produktion. Der Handel wirbt mit Fleisch von regionalen Erzeugerbetrieben; örtliche Metzger bieten Waren vom (persönlich bekannten) Landwirt aus der Nachbarschaft an. Kunden hingegen sind bereit, für nachweisbar erstklassige Qualität in höherem Maße Geld auszugeben – trotz der medial dominanten Rabattschlachten und Niedrigpreis-Kampagnen nach der Maxime „Geiz ist geil“ (Saturn Warenhäuser). In gravierendem Ausmaß hat auch die BSE-Krise[3] zur Verunsicherung der Konsumenten beigetragen. Sie führte letztendlich zur agrarpolitischen Neuausrichtung der rotgrünen Bundesregierung mit der Präferenz zum ökologischen Landbau – Stichwort „Agrarwende“. Die Bilder gekeulter britischer Rinder, deren Leiber mit Radladern zusammengeschoben und verbrannt wurden, sind bei nicht wenigen Menschen unvergessen. Schockierende Reportagen über brutale Tiertransportmethoden, Hormoneinsatz, Dioxinrückstände in Geflügelfleisch[4], illegale Fleischimporte und die Schweinepest[5] taten ihr übriges. Das alles verschaffte der Nahrungsmittelqualität in der gesellschaftlichen und politischen Diskussion eine erheblich aufgewertete Priorität. Der Harvard-Wirtschaftswissenschaftler Michael E. Porter[6] stuft die Qualität respektive den Kundennutzen als entscheidende Wettbewerbsstrategie der Zukunft ein. Vor diesem Hintergrund liegt der Fokus dieser Hausarbeit auf der Erzeugung und Vermarktung von Schweinefleisch erster Güte. Im zweiten Kapitel erfolgt zunächst die Darlegung grundlegender Qualitätsaspekte. Der Fragestellung, ob die Haltungsform – biologisch oder konventionell – erkennbaren Einfluss auf die Fleischqualität hat, ist das dritte Kapitel gewidmet. Bereits vor gut 25 Jahren wurden die ersten Qualitätsprogramme für Schweinefleisch von Erzeugergemeinschaften in Norddeutschland ins Leben gerufen.[7] Seitdem stieg deren Anzahl stetig. Im Jahre 2002 waren es im Bereich Fleischerzeugung bereits 98 – aus gutem Grund.[8] Der Bedeutung und Konzeption des für alle Glieder der Nahrungsmittelkette so essenziellen Instrumentariums „Qualitätsprogramm“, ist das vierte Kapitel gewidmet. Exemplarisch werden Programme im Anhang C vorgestellt. Trotz alledem verkaufen sich auch qualitätsvolle Produkte nicht von selbst – unter besonderer Berücksichtigung der Eigenheiten des „Bunten Bentheimers“ respektive seines Fleisches, wird im fünften Kapitel dessen Vermarktung betrachtet. Adäquate Verkaufsargumente stehen hierbei im Vordergrund. Ein Resümee in Kapitel sechs beschließt diese Arbeit. Ein Exkurs im Anhang D befasst sich mit Reinheitsgeboten – zwar aus alter Zeit stammend, aber nichtsdestoweniger aktuell.
2 Grundlagen
In diesem Kapitel werden zunächst grundlegende Aspekte der Qualität betrachtet. Im Vordergrund stehen vom Tier stammende Nahrungsmittel; hier in erster Linie Schweinefleisch und Schweinefleischerzeugnisse.[9] In der Fachliteratur sind für den Terminus „Qualität“ (lat. qualitas) diverse Definitionen zu finden. Je nach Thematik und Anwendungsbereich wird der Begriff unterschiedlich interpretiert.[10] Einerseits kann damit die Beschaffenheit oder der Zustand eines Produktes wertneutral gemeint sein (Fleischqualität) was der lateinischen Abkunft entspricht, andererseits wird Qualität wertend im Sinne von Güte (Qualitätsfleisch) zum Ausdruck gebracht. Insofern ist zunächst eine kontextuelle Abgrenzung für das hier intendierte Thema vorzunehmen.
2.1 Begriffsklärung
„Qualität ist, wenn der Kunde wiederkommt – und nicht die Ware“.[11] In diesem salopp formulierten Zitat des aid ist die Quintessenz prägnant auf den Punkt gebracht: Produkte die über eine definierte Qualität verfügen und gleichzeitig den Erwartungen einer visierten Zielgruppe entsprechen, werden wiederholt nachgefragt. Sie bilden die Basis für florierende Handelsgeschäfte mit adäquatem Umsatz. Qualitätsdefizite die mit Reklamationen, im ungünstigsten Fall Handelsrücknahmen oder Schadensersatzforderungen einhergehen, sind zu vermeiden.
Die Normungsinstitutionen DIN und ISO definieren den Begriff präziser: „Qualität ist das Vermögen einer Gesamtheit inhärenter Merkmale eines Produktes, Systems oder Prozesses zur Erfüllung von Forderungen von Kunden und anderen interessierten Parteien.“[12] Es wird ergänzt, dass der Qualitätsbegriff mit wertenden Adjektiven erweitert werden darf. Gemäß dieser Interpretation stehen das Verhältnis der realisierten Beschaffenheit und Einzelforderungen im Zentrum der qualitativen Betrachtung. Zusammenfassend lässt sich formulieren, dass Qualität durch den stofflich-technischen Gebrauchswert (objektiv messbar anhand von technischen, chemischen und physikalischen Bewertungsmaßstäben, Normen, Grenzwerten etc.), durch Ansprüche und Erwartungen der Individuen (subjektive Qualitätseinschätzung) sowie bei Lebensmitteln durch den Nähr- und Genusswert zu identifizieren ist.
Fleischqualität
Der Qualitätsbegriff kann explizit für Fleisch determiniert werden. Im Vordergrund steht der Schlachttierwert. Dieser umfasst die Gesamtheit von Schlachtertrag, Schlachtkörperqualität mit den Komponenten Schlachtkörperzusammensetzung und Fleischqualität sowie dem Schlachttierabgang. Während die Schlachtkörperzusammensetzung mittels objektiv messbarer Kriterien eindeutig zu definieren ist, sind bei der Fleischqualität auch subjektive Merkmale relevant. Prinzipiell ergibt sich die Qualität von Fleisch aus der Summe aller Qualitätsfaktoren, die in vier Kategorien einteilbar sind:
- Sensorische Merkmale – Genussqualität: Geschmack/Aroma, Geruch, Saftigkeit, Zartheit, Konsistenz, Farbe, Form und Gesamteindruck. Diese Attribute sind überwiegend subjektiv geprägt. Für den sensorischen Test sind im Sinne einer Standardisierung DIN-Normen verbindlich.
- Hygienisch/toxikologische Merkmale – Hygienequalität: mikrobieller Status, Art und Anzahl von Keimen, Vorhandensein von Toxinen, Vorhandensein von fremden Stoffen, Rückstände von Medikamenten oder anderen geruchs- und geschmacksaktiven Kontaminaten; der ermittelte Status dient zur Bewertung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit.
- Ernährungsphysiologische Merkmale – Nährstoffqualität: chemische Zusammensetzung von Fleisch, Gehalt an Nähr- und Wirkstoffen (Fett, Eiweiß, Vitaminen, Mineralstoffen), deren Zustand, ihre Verdaulichkeit sowie Interaktionen zu anderen Lebensmitteln.
- Technologische Merkmale – Verarbeitungsqualität: für die Verarbeitung bedeutsame Eigenschaften wie die Konsistenz, Textur, Wasserbindung, ph-Wert, Safthaltevermögen, optimale Fettverteilung zwischen den Muskeln und als Fettrand oder Fettdecke.[13]
Auf die Fleischqualität haben diverse Faktoren Einwirkung, die im Einflussbereich des Produzenten, des Verarbeiters und des Verbrauchers liegen. Letzterer kann z. B. durch unsachgemäßen Transport oder falsche Lagerung und Zubereitung den Wert eines Fleischproduktes mindern. Die wirkungsreichsten Faktoren sind im Bereich der Produktion zu identifizieren. Sie sind Bestandteil der Produktions- oder Prozessqualität.[14] Hier sind die Züchtung, die Haltung und Fütterung, der Gesundheitsstatus des Einzeltieres sowie der Gruppe und der Umgang mit den Tieren zu nennen. Nicht zuletzt Aspekte des Verladens, Transportierens, des gesamten Schlachtverfahrens und der sich anschließenden Verarbeitung einschließlich der Kühltechnologie; überdies postmortale Abläufe im Gewebe und den Organen des Schlachttierkörpers.
Neben den aufgeführten qualitätsrelevanten Kriterien ergeben zusätzlich Charakteristika im Hinblick auf die Modifikation angewandter Produktions- und Anbauverfahren einschließlich deren Auswirkungen auf die Umwelt, als auch ethische oder ökologische Gesichtspunkte einen Zusatznutzen für die Verbraucher. Hier steht vornehmlich ein durchgängig nachvollziehbarer Nachweis der Tierherkunft, der Gesundheits-, Umwelt- und Tierschutz, Nachhaltigkeit und die Produktsicherheit im Interesse der subjektiven Betrachtung.[15] Insbesondere im Segment tierische Nahrungsmittel dient die Haltungsform (konventionell, integriert, ökologisch) als wertbestimmender Qualitätsmaßstab.
Je nach Kategorie wird die Produktqualität mit adäquaten, wissenschaftlich fundierten Methoden oder anhand von Erfahrungswerten ermittelt, auf die im Rahmen dieser Arbeit nicht detaillierter eingegangen werden kann. Für die Prozessqualität lässt sich beispielsweise durch die Erstellung von Ökobilanzen eine Wertung vornehmen.
Der Senat der Bundesforschungsanstalten hält es für erforderlich, zugleich mit der Produkt- und Prozessqualität landwirtschaftlicher Erzeugnisse, auch deren Auswirkungen auf das individuelle Wohlbefinden der Verbraucher zu berücksichtigen. Demnach können positive Qualitätsbeurteilungen beim Menschen ein positives Empfinden auslösen, negative dagegen, machen Erkrankungen wahrscheinlicher. Psychologische Effekte, die beispielsweise aus dem Wissen um eine höhere Prozessqualität resultieren und deren Einwirkungen auf das Wohlgefühl, müssen sonach als Qualitätskriterium herangezogen werden. Eine gesteigerte Lebensmittelqualität kann durch Erzeugnisse aus einer umweltverträglichen und nachhaltigen Landwirtschaft mit in geringerem Grade negativen Effekten auf Biodiversität, Boden, Wasser, Luft und Klima gegeben sein.[16]
Qualitätsfleisch
Alle Schlachtköperbestandteile weisen eine bestimmte Qualität auf. Insofern erfolgt eine Klassifizierung in Fleisch normaler Qualität, Fleisch abweichender Qualität (PSE-/DFD-Fleisch) und Fleisch hervorragender Qualität – das Qualitätsfleisch. Nach Hofmann zeichnet es sich durch besonders positive Eigenschaften, allgemeine Beliebtheit und Wertschätzung aus. Mit der Deklarierung „Qualitätsfleisch“ wird Fleisch aus dem durchschnittlichen Marktangebot an Frischfleisch herausgehoben und als ausdrücklich hochwertig exponiert.[17]
2.2 Bedeutung
Im Kontext dieser Hausarbeit stellt sich die Frage, warum Qualität und Qualitätsprogramme überhaupt von Bedeutung sind und welchen Stellenwert sie für Verbraucher wie Erzeuger haben. Verbraucher haben ein Recht auf sichere Nahrung, d. h. laut Lebensmittelrecht einwandfreie Produkte.[18] Durch die Erfüllung von definierten Qualitätsstandards wird sichergestellt, dass primär Gesundheit und Wohlbefinden durch den Verzehr einer Ware nicht nachteilig beeinträchtigt werden. „Genuss ohne Reue“ ist das Motto. Ebenso wird angestrebt, dass der Kunde mit dem erworbenem Produkt insgesamt zufrieden ist und es auch zukünftig (vertrauensvoll ohne langes Abwägen) kauft, im günstigsten Fall noch potenziellen Kunden weiterempfiehlt. Des Weiteren ist das Angebot gestaffelter, differenzierter Qualitätsstufen, von Standard bis Premium, dazu geeignet, unterschiedlichen Kundenkreisen entgegenzukommen. Bestimmte Verbraucher suchen gezielt nach Produkten im Niedrigpreissegment (Discounter), andere hingegen ziehen Produkte im Normal-, Hoch- und Premium-Preissegment vor. Sie präferieren vorrangig ausgesuchte Fleischer-fachgeschäfte und Feinkosthändler.[19] Auch sind das Käuferverhalten beim Einkauf selbst und die entsprechende Motivation sehr verschiedenartig. Während einige Verbraucher Fleisch- und Wurstwaren ohne assoziierende Vorstellungen kaufen, berücksichtigen andere wiederum definierte Aspekte wie Haltung und Aufzucht, Herkunft und Verarbeitung bei ihrer Auswahl. Nicht zuletzt bestehen divergente Vorstellungen im Hinblick auf die favorisierte Vermarktungsform. Hier sind beispielsweise die Direktvermarktung beim Landwirt, örtlichen Metzger, Super- und Verbrauchermarkt oder Discounter zu nennen.
Qualitätsprogramme dienen dem Bestreben, Unsicherheiten hinsichtlich der Tierhaltungsmethoden, angewandter Produktionsverfahren und durch Lebensmittelskandale (s. Kap. 1) erzeugte Vertrauensverluste beim Verbraucher zu kompensieren. Einkommensverlusten bei Landwirten, Verarbeitern und Handel soll damit Vorschub geleistet werden. Marketingaspekte, wie z. B. das Generieren einer dauerhaften Kundenbindung, sind ebenfalls von Bedeutung. Herrmann et al. haben nach Auswertung repräsentativer Untersuchungen die aus Sicht des Verbrauchers prinzipiell relevanten Qualitätsdimensionen zur Wertung der Qualität von Nahrungsmitteln eruiert:[20]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Preis – Genuss – Gesundheits- und Nährwert – Convenience – Akzeptanz im sozialen Umfeld – Lebensmittelsicherheit – Arten-, Umwelt- und Naturschutz – Tierschutz – geographische Herkunft
Diese Dimensionen werden durch den Verbraucher subjektiv weiter differenziert.
Die Gesellschaft für Konsumforschung sieht bei den Konsumenten eine wieder wachsende Qualitätsorientierung. Untermauert wird diese These durch eine aktuelle, repräsentative Erhebung zum Verbraucherverhalten in Deutschland und Europa. Danach kann ein signifikanter Trend zu mehr Qualitätsbewusstsein beim Einkauf festgestellt werden. Die Preisachtsamkeit ist zwar immer noch das dominierende Element, aber das Verhältnis verschiebt sich in Richtung Qualität. Die Forscher weisen darauf hin, dass man nicht davon ausgehen darf, dass vorrangig preisorientierten Verbrauchern Qualität weniger wichtig ist. Laut GfK zeichnen sich Produkte des täglichen Bedarfs in Deutschland allgemein durch hohe Qualität aus. In der folgenden Abbildung 2-1 sind entsprechende Untersuchungsdaten abgebildet.[21] In Ergänzung dazu sind im Anhang „A“ auf der Seite 26 die wichtigsten Resultate einer Kundenbefragung in Fleischerfachgeschäften wiedergegeben.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2-1: Entwicklung der Kriterienpräferenz beim Einkauf. Angaben in %.[22]
2.3 Qualitätsbeurteilung bei Schweinefleisch
Zur expliziten Beurteilung der Qualität bei Schweinefleisch durch den Verbraucher dienen die Kriterien Geschmack, Zartheit, Nährstoffgehalt, hygienische Unbedenklichkeit und der Eignungswert. Des Weiteren sind der Verkaufspreis und das Haltbarkeitsdatum relevant. Kritische Kunden verlangen eine weit gehende Transparenz und Rückverfolgbarkeit der Aufzucht, Schlachtung und Vermarktungswege zur Wertung der Lebensmittelsicherheit. Ferner sind Angaben zur Haltungsform, Fütterung und Herkunft der Tiere von Belang – insbesondere bei Bio-Produkten aus ökologischer Erzeugung, da diese Spezifika an der Ware selbst nicht zu ersehen sind.
Zu den Merkmalen, die am Produkt äußerlich erkennbar sind, gehören die Farbe, Struktur und Marmorierung des Fleisches, wobei Letztere eine signifikante Eigenschaft darstellt:[23] Genussqualität und Zartheit resultieren vorrangig aus intramuskulären Fetteinlagerungen, da Fett als Träger von Aroma- und Geschmacksstoffen sowie fettlöslicher Vitamine fungiert. Sonach ist ein gewisser Fettanteil unzweifelhaft von Vorteil. Der Gehalt von intramuskulärem Fett beeinflusst den Geschmack, die Zartheit und Saftigkeit insgesamt günstig. Im Gegensatz zu sehr magerem, gilt stark marmoriertes Fleisch als zarter und saftiger. Alter, Geschlecht und Ausmästungsgrad der Tiere prägen den Grad der Marmorierung. Anzumerken ist hier, dass das Fleisch junger Tiere kaum eine Marmorierung aufweist. Die Fleischfarbe ist durch Fleischart und Alter des Tieres bestimmt. Allgemein offenbart sie sich bei jungen Tieren heller, bei älteren dunkler. Schweinefleisch ist hellrot bis rot, der Speck sollte schneeweiß sein. Die Dicke der Muskelfasern hat ausschlaggebenden Einfluss auf die Struktur des Fleisches. Auch hier sind Alter und Geschlecht des Schlachttieres von Bedeutung. Das Fleisch von jungen Tieren ist insgesamt feinfaseriger.[24] Ferner sind das Safthaltevermögen, die Zartheit und der Geschmack elementar. Das Safthaltevermögen ist für den Kunden relativ einfach am trockenen Fleischanschnitt auszumachen. Fleischprodukte, die im eigenen Saft liegen, weisen keine gute Qualität auf. Auch die Zartheit des Fleisches steht in starker Abhängigkeit zu Geschlecht und Alter. Überdies sind hier verarbeitungstechnische Faktoren wie die Abhängdauer (Reifeprozess) und die Kühlung des Fleisches nach der Schlachtung gewichtig. Da der Verbraucher die Abhängdauer visuell nicht zu erkennen vermag, ist hier eine dementsprechende Kundeninformation durch den Handel geboten. Prinzipiell ist die Reifezeit von der Fleischart abhängig. Korrelativ zur Reifedauer entwickelt sich das Fleischaroma. Schweinefleisch ist bereits nach zwei bis drei Tagen gereift. Weiteren Einfluss auf die Zartheit haben der Fettgehalt als auch der Bindegewebeanteil – sehnenarme Muskeln sind zarter als sehnenreiche.
Der absolute Anteil an binde- und fettgewebefreiem Fleisch und dessen relativer Anteil am Gesamtfleisch gelten bei Wurstwaren als wertbestimmendes Attribut. Fleischeiweiß setzt sich aus der Summe des geringerwertigen Bindegewebseiweißes (BE) und aus dem hochwertigen bindegewebseiweißfreien Fleischeiweiß (BEFFE) zusammen. Mit zunehmendem Magerfleischanteil im Produkt, steigen parallel der BEFFE-Gehalt und auch die Qualitätsstufe. In den Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuches ist für Wurstwaren der Minimalgehalt an BEFFE verbindlich definiert. Dadurch wird sichergestellt, dass ein Mindestquantum Magerfleisch verarbeitet wird. Fleischwaren, welche Angaben wie Delikatess…, Feinkost…, Gold…, prima, extra etc. tragen oder in sinnentsprechender Verpackung angeboten werden, beinhalten vergleichsweise höhere Anteile an Magerfleisch.
Mit Ausnahme des Fettgehaltes, ist die Zusammensetzung der Hauptnährstoffe vergleichsweise homogen. Im Fleisch enthaltene Inhaltsstoffe und potenzielle biologisch-chemische Rückstände lassen sich nur analytisch taxieren.
Die Verarbeitung von Separatorenfleisch – Stichwort „spezifisches Risikomaterial“ – wird seit der BSE-Krise kritisch betrachtet. Bedingt durch den Umstand, dass Knochen- und Bindegewebspartikel sowie Rückenmarksspuren verarbeitungsbedingt in das Separatorenfleisch gelangen könnten, darf von Rinderknochen beispielsweise europaweit kein Separatorenfleisch gewonnen werden. Vorrangig für die Produktion von Brüh- und Kochwürsten, wird innerhalb der EU Separatorenfleisch von Geflügel und Schweinen eingesetzt. Gleichwohl hat die deutsche Fleischwarenindustrie für die Herstellung von Fleischerzeugnissen ihren vollständigen Verzicht auf Separatorenfleisch erklärt.[25]
Die sensorischen und technologischen Fleischqualitäten des Bunten Bentheimer Schweins werden ausnahmslos sehr gut beurteilt. Der Speckanteil ist relativ hoch; das Fleisch hat einen hohen intramuskulären Fettanteil. Die Rasse war über lange Jahre in Vergessenheit geraten – sie hatte keine wirtschaftliche Bedeutung mehr.[26] Dies mag die Ursache dafür sein, dass wissenschaftliche Untersuchungen zur Fleischqualität kaum verfügbar sind. Die vorliegenden Versuchsdaten erscheinen nur bedingt repräsentativ, da oft nur wenige Probanden zur Verfügung standen. Zu diesen wenigen Forschungsarbeiten gehört ein Versuch zur Stressresistenz verschiedener Schweinerassen des Instituts für Haustiergenetik an der Universität Göttingen. Hier konnte Glodeck (1987) Allelfrequenzunterschiede zwischen den Rassen Bunte Bentheimer (BB), Deutsche Landrasse (DL), Deutsches Edelschwein (DE), Pietrain (PI), Belgische Landrasse (LB) und Angler Sattelschwein (AS) feststellen. Beim für die Stressresistenz signifikanten Markerallel PHI(A) liegen die Werte der Bunten Bentheimer erheblich über den Vergleichsrassen. Die Ergebnisse sind in der Tabelle 2-1 wiedergegeben.[27]
Tabelle 2-1: Allelfrequenzunterschiede zwischen den Rassen (in %). Quelle: Zwick
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Auch das Forschungs- und Studienzentrum für Veredelungswirtschaft in Osnabrück hat sich mit den Bunten Bentheimern befasst. Dort prüfte man das Fleisch dieser Rasse auf die Qualitätsmerkmale Saftigkeit, Zartheit, Geschmack sowie den Gesamteindruck. Im Gesamtergebnis wurde das Prädikat „sehr gut“ vergeben.[28] Im Anhang „B“ auf Seite 27 sind Vergleichsdaten zur Schlachtleistung und Fleischbeschaffenheit der deutschen Schweinerassen abgebildet.
[...]
[1] Der einfacheren Lesbarkeit halber, wird hier und im Folgenden nur von der maskulinen Schreibweise Gebrauch gemacht.
[2] Zitat: Otto Eduard Leopold von Bismarck-Schönhausen. Deutscher Staatsmann, Reichskanzler. * 1.04.1815 Schönhausen (heute Sachsen-Anhalt), † 30.07.1898 Friedrichsruh bei Hamburg. Quellen: Wikipedia Enzyklopädie (2005 a), Internet; Killy et al. (1999), S. 49
[3] BSE siehe Glossar Seite 39
[4] Dioxin siehe Glossar Seite 39
[5] Schweinepest siehe Glossar Seite 39
[6] Michael E. Porter (* 1947), Professor für Wirtschaftswissenschaft an der Harvard Universität. Im Zentrum seiner Forschungen stehen Wettbewerbsbedingungen und -vorteile für Firmen oder Regionen. Daneben gilt er als Begründer der Wertschöpfungskette.
[7] 1982 wurde von der EZO Schlachtvieh Osnabrück das Programm „Eichenhof“, 1983 von der Bauernsiegel-Erzeugergemeinschaft Elbe-Weser eG das sog. „Bauernsiegel“ instituiert. Beide haben sich bis dato erfolgreich am Markt behauptet.
[8] Vgl. Poppinga et al. (2002 a), S. 14f. u. 39
[9] Fleisch und Fleischerzeugnisse siehe Glossar Seite 39
[10] Auch landestypisch wird der Terminus „Qualität“ unterschiedlich ausgelegt und durch kulturelle Einflüsse bestimmt. Beispielsweise wird damit in Italien Stil, in Frankreich Eleganz und in Schweden lange Lebensdauer assoziiert. Vgl. dazu QM-Lexikon (2005), Internet
[11] Quelle: aid (2003), S. 26
[12] Norm DIN EN ISO 9000 (2000-1)
[13] Vgl. CMA (o. J.), S. 18
[14] Vgl. Hofmann (1997), S. 93
[15] Vgl. Agroscope Liebefeld-Posieux (2005), Internet; Kallweit (2000), S. 4ff.
[16] Vgl. Senat d. Bundesforschungsanstalten (2003), S. 6
[17] Vgl. Hofmann (1997), S. 95
[18] Vgl. aid (2003), S. 2f.
[19] In der Wissenschaft wird eine faktische Korrelation zwischen Preis und Qualität kontrovers diskutiert. Vgl. dazu Herrmann et al. (2002), S. 21
[20] Vgl. Herrmann et al. (2002), S. 37
[21] Vgl. GfK (2005), S. 22
[22] Quelle: GfK-Trendsensor Konsum 2005, S. 22
[23] Das Fleisch des Schwäbisch-Hällischen Schweins wird wegen seines hohen Marmorierungsgrades und damit ebenso hohen Genusswertes gerühmt.
[24] Der an der TU München forschende Tierzuchtprofessor Fries hat einen Gentest patentieren lassen, der Aufschluss über den Fettanteil im Muskelfleisch (Marmorierung) von Rindern verschafft. Dieser Test ermöglicht eine zielgerichtete Selektion in Richtung optimaler Marmorierung des Fleisches. Es wird intendiert, unter Nutzung der Gentechnologie die Fleischqualität erhöhen zu können, ohne dass dabei gentechnische Veränderungen an Nutztieren erforderlich werden. Vgl. ISN (2004), Internet
[25] Vgl. aid (2004), S. 31ff.
[26] Es ist dem Bemühen einzelner Züchter, darunter v. a. Gerhard Schulte-Bernd aus Isterberg-Wengsel zu verdanken, dass diese Rasse nicht gänzlich ausgestorben ist. Vgl. hierzu Schröder (1997), S. 44f.
[27] Vgl. Zwick (1990), S. 36
[28] Vgl. Zwick (1990), S. 50
- Quote paper
- Burkhard Blumberger (Author), 2005, Qualitätsfleisch. Grundlagen-Programme-Argumente; unter besonderer Berücksichtigung des Bunten Bentheimer Schweines, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52794
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